Tiberius Petronius Tacitus

  • Langsam betrat Titus Petronius Tacitus sein Cubiculum und sah sich um. Wie er erfahren hatte, war sein Bruder in Rom, um dort einige geschäftliche und wohl auch gesellschaftliche Dinge zu erledigen. Tacitus selbst hatte die letzten drei Monate Auswärts verbracht und hatte – wie er es bislang immer zu tun pflegte – recht zügellos den schöngeistigen und exzessiven Genüssen gefrönt; eine Eigenschaft, die gerade bei seinem amtsbeflissenen Bruder nicht immer auf Nachsinnen oder gar Verständnis stieß. Einerlei.


    Tacitus, der sich politisch zwar einigermaßen interessiert zeigte, sich jedoch stets auf die Rolle des stillen Beobachters zu beschränken verstand, musste sich jedoch eingestehen, dass sich sein bisweilen zügelloser Lebensstil nicht mehr wirklich mit seinen persönlichen Neigungen, Meinungen und Zielen deckte. Diese Tatsache demonstrierte aus Tacitus Sicht eindeutig, dass es Zeit war, einen neuen Abschnitt in seinem Leben einzuläuten.


    Schon oft war es Tacitus so ergangen. Mal empfand er ein loderndes Verlangen, sich den bildenden Künsten hinzugeben; ein Verlangen, dass in ungehemmter Schreibwut und intensiven Schriftstudien seine Entsprechung fand. Dann war es die Schauspielerei, die er zum Gegenstand seiner unerbittlichen Begierde erhob. Irgendwann dann folgte das Interesse an gutem Wein, an schönen Frauen – kurz und gut: Tacitus liebte das Leben und wusste durchaus etwas damit anzufangen – freilich nicht immer zur vollsten Zufriedenheit seiner Familie.


    Dies jedoch war nicht der Grund für seine Rückkehr und den gefassten Entschluss nun endlich im Schoße der Familie erste gesellschaftliche und politische Sporen zu verdienen. Vielmehr war es das Gefühl der Leere und Ausgebranntheit, das sich nach langjährigen, schöngeistigen, philosophischen und amourösen Exkursionen seinen Weg bahnte und Tacitus zur Besinnung kommen ließ.


    Freilich war er den Freigiebigkeiten einer amourösen Exkursion ebenso wenig abgeneigt, wie gutem Wein, oder philosophischer Literatur, dennoch durstete es ihn nicht mehr. Er hatte genug getrunken, genug erlebt, genug gelesen, genug gelernt, genug erfahren und war mit sich im reinen. Jetzt, erst jetzt, da er die Vorzüge und Annehmlichkeiten der Welt kennengelernt hatte, war er bereit, sich auch dem gesellschaftlichen und politischen Leben zu widmen.


    Mit diesen, seinen Geist umnebelnden Gedanken, nahm er auf seinem Bett platz und gähnte. Er hatte sich in sein Cubiculum geschlichen und würde erstmal schlafen gehen. Dann würde er sehen, ob er irgendjemanden im Haus antreffen konnte.

  • Tacitus erhob sich langsam aus seinem Bett und verließ sein Cubiculum Richtung Artium. Er hatte gut geschlafen und sein noch umnebelter Geist verlangte Plötzlich nach menschlicher Gesellschaft. Er wollte sich kurz umsehen und dann – sollte er niemanden antreffen – einen Ausflug auf den Markt machen. Doch zunächst, wollte er im Artium nach einem menschlichen Wesen Ausschau halten.

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