Ein leer stehendes Officium
Unmittelbar an mein Officium grenzte ein weiteres, welches leer stand. Mein Officium war zwar recht groß und auch gut geeignet um zu arbeiten, aber für das Tempelbauprojekt doch etwas zu klein, wenn man bedenkt, dass ich daneben ja noch andere Aufgaben hatte.
So zog ich mich zur Bauplanung in dieses Officium zurück.
Von zuhause brachte ich einige Werke über die Architektur mit und auch meine persönlichen Aufzeichnungen aus dem Architekturkurs, sowie Unterlagen und Skizzen von meinem Aufenthalt in Achaia.
Diese breitete ich auf dem großen Tisch aus. Es fiel mir schwer bei der Sache zu bleiben, als ich die Skizzen und Berichte aus Achaia vor mir liegen sah. Nur zu gern erinnerte mich an die Zeit die ich dort verbrachte. Auch wenn Hispania meine Heimat ist und ich diese Provinz so liebte, so würde doch immer ein Teil von mir in Achaia verweilen. In meinen Gedanken sah ich die prächtigen Bauten vor mir, die sich zum Teil erheblich von den römischen Bauten unterschieden, auch wenn wir Römer die selben stilistischen Mittel und Ordnungen benutzten. Vieles verband Römer und Griechen.
Dann schweiften meine Gedanken ab nach Rom zum Capitol, der Tempel, der den Namen des Capitolinus, des Hügels angenommen hatte. So sah man den Tempel über alles empor ragen, wie es doch dem höchsten Gott gebührt. Mit einem Hügel in Tarraco konnten wir nicht dienen. Auch die Idee, einen Hügel anzuschütten verwarf ich sofort wieder. Der Aufwand wäre zu hoch und es müssten zu viele andere Gebäude dem Tempel weichen. Dennoch sollte der Tempel etwas höher als die anderen Gebäude liegen. Eigentlich war es nur der Aedes (Der eigentliche Tempel) der auf einem Podest stand, ich wollte allerdings den ganzen Komplex auf ein leichtes Podest stellen. So würde sich der Tempel gut abheben. Statt wie beim Aedes Säulen den Bau schmückten sollten an der front zwei Statuen an der Treppe stehen und an den restlichen drei Seiten sollten kleine Bäume den Komplex umgeben. Das ganze würde so wie ein heiliger Hain wirken, die Bäume eine sakrale Grenze. Dies sollte das Capitol von dem hektischen Treiben um es herum abheben. So sollte der Tempel majestätisch über der Stadt thronen. Wieder schweiften meine Gedanken ab nach Achaia und ich hatte die verschiedenen Stile vor Augen. Dann blickte ich über die Aufzeichnungen und mir wurde bewusst, dass für den Aedes nur der korinthische Baustil in Frage kam. Er wirkte am anmutigsten, da ihre Kapitelle viel höher waren als z.B. die Ionischen. Der Grund lag in dem Verhältnis des Durchmessers der Säulenschäfte zu der Höhe, die bei den korinthischen 1:1 war. Typisch für ein Capitol würde der Aedes mehr in die breite gehen, so würde auch eine breite Treppe zu den drei Cellae (Innenraum mit Götterstatue) hinaufführen. Als besonderen Clou hatte ich geplant, die Treppe mittig auszusetzen und einen kleinen Altar mit dem Kaiserbildnis einzulassen. Aufgrund der breite des Baus wollte ich auf den Pseudodipteros (vorgetäuschte Säulen, bzw. halbe Säulen die an eine Wand gesetzt werden) verzichten und selbst an den Seiten Platz für einen Säulengang auf dem Podium lassen.
Da die Cellae anders als bei anderen Tempeln waren und vermutlich etwas schmaler werden würden, wollte ich den Gläubigen nicht mit aufwendigen Wandmalereien erschlagen, sondern von innen durch Pseudodiptroi räumliche Weite vortäuschen und nur in der oberen Hälfte und an den Innenfronten Wandmalereien anbringen lassen, welche mythische Szenen beinhalten sollen.
Der Aedes sollte an einer Längsseite der Insula stehen, damit vor ihm genügend Platz für die Gläubigen und für die Opfer war, da bei zentraler Stellung einfach zu viel Platz verloren gehen würde und die Rückwand zu unattraktiv sein würde. Die Insula sollte von einem schmalen Bau umgeben werden mit einem Säulenportikus der zum Wandeln und Ruhen einladen soll. Auch Sitznischen sollen für das obligatorische Opfermahl eingelassen werden. Einzig die Front zum Forum hin soll nur aus dem Säulenportikus bestehen. In den anderen Fronten sollen sich Nutzräume befinden, Räume für die rituelle Reinigung, Küchen zur Opferfleischzubereitung, Räume zur Aufbewahrung von Kultmaterial und Räume für die Priester. Auch plante ich das Officium für Helena mit ein. Welcher Platz wäre besser für ihr Officium als in dem Tempel der höchsten Gottheiten zentral am Forum?
Für den Säulenportikus hatte ich die ionische Ordnung vorgesehen, da der Portikus nicht so hoch wie der Aedes sein würde. Für die Eingangsfront würde ich die wuchtige dorische Ordnung verwenden. Damit hätte ich alle drei Ordnungen vereint, womit ich die Einigkeit des Imperium Romanum ausdrücken wollte. So wie Rom die Welt vereint, würde in diesem Tempel der höchsten Götter auch die drei Ordnungen vereint werden. Neu war diese Idee nicht, hatte ich doch von einem Tempel der Athena Alea aus Tegea erfahren, wo man alle drei Ordnungen ebenfalls mixte, auch wenn der Tempel nach archaischer Bauart gebaut wurde und er zwei Säulenreihen übereinander besaß.
Da ich in den Cellae mit Wandmalereien sparen würde, wollte ich an den Wänden des Portikus mich mehr dieses Mittels bedienen.
Ich strahlte vor Freude. Das Grundkonzept hatte ich somit stehen. Nun musste ich mich nur noch an der Detailplanung machen, die Baustoffe auswählen und genaue Maße nehmen. Hinzu kam die Auswahl von Motiven.