Ein letztes Wiedersehen...

  • Leise plätscherten die Wellen und brachen sanft am Strand. Das Meer zog sich zurück und hinterließ eine nasse, dunkle Spur im Sand, die gleich darauf von neuen Wellen umspült wurde. Die Morgendämmerung zauberte ein fantastisches Schauspiel, als die ersten Strahlen der Sonne hinter dem Horizont hereinbrachen und den neuen Tag mit Licht und neuem Leben erfüllten. Die frische Brise zog vom Meer aufs Land, fegte über den Sand, während die Vögel bereits in der Luft schwebten und Ausschau nach passender Beute hielten.


    Einsam stand Xeones am Strand und fühlte den frischen, kühlen Wind im Gesicht. Sein Blick war starr aufs Meer gerichtet und verriet die Trauer, die sich Seiner bemächtigte. Lange schon, lange vor diesem Tag ahnte Xeones, dass es irgendwann so weit kommen musste. Lange vorher wusste er, dass die Tage des Glücks und Wohlseins einmal vorbei ziehen würden. Und heute war dieser Tag gekommen.


    Er vernahm Schritte hinter sich und drehte sich um. Eine weibliche Gestalt kam die mit dünnem Gras bewachsene Böschung runter. Sie hatte keine Schuhe an und Xeones erkannte das Fußkettchen, das in den ersten Lichtstrahlen dieses Tages spiegelte. Trotz der Kälte an diesem Morgen trug sie lediglich eine hauchdünne Stola, mit einer ebenso hauchdünnen Palla umwickelt. Ihr bernsteinfarbenes Haar war nur zum Teil hochgesteckt und flatterte im Wind. Die Kleidung wehte im Wind und ließ die wohlgeformte Figur nur zu deutlich erkennen.


    Sie war eine Römerin. Die Ehefrau eines recht angesehenen Plebejers. Ihr Name… Iustina. Xeones wusste, dass weder er noch sie hier sein durften. Sie haben stets ihr Leben aufs Spiel gesetzt, wenn sie sich trafen. Stets alles riskiert. Doch sie war er wert. Xeones war zu allem bereit, wenn es um sie ging. Sie war es wert für sie zu töten… für sie zu sterben…


    Wortlos nahm er sie in die Arme, als sie näher kam. Seine Arme umschlangen ihre dünne Taille und er drückte sie fest an sich. Sie widerstrebte dem nicht und legte ihren Kopf an seine Schulter. Xeones atmete tief ein, spürte ihren Duft, spürte das Verlangen, das in ihm stieg… Sie hob den Kopf und sie sahen sich tief in die Augen.


    Sie würde weggehen. Ihr Mann ging nach Rom und sie würde ihm folgen, mit ihm gehen… und Xeones hier zurücklassen. Erst wenige Wochen war es her, dass sie beide davon erfuhren. Wenige Wochen, die viel zu schnell vergingen. Die ihnen ihre Zeit raubten, ihre gemeinsamen Momente… an diesem Tag endete es. Er hatte nie gefragt, warum sie so entschied. Hatte nie gefragt, warum sie nicht wollte, dass auch er nach Rom ging. Vielleicht hatte sie das Versteckspiel satt. Vielleicht schöpfte ihr Mann Verdacht. Vielleicht… es spielte keine Rolle. Sie hatte ihn darum gebeten, ihr nicht zu folgen. Und Xeones versprach, ihrer Bitte zu entsprechen.


    Sie war es wert für sie zu töten… für sie zu sterben… für sie zu leiden.


    Sie gingen ein Stück. Xeones legte den Arm um ihre Taille. Sie sprachen miteinander. Für Xeones war es ein Genuss, ihrer schönen, sanften Stimme zuzuhören, auch wenn sie in diesem Moment mit Trauer erfüllt war und zu einem Flüstern verkam… Er liebte alles an ihr. Einen Moment lang fragte er sich, ob es richtig war, sie einfach so gehen zu lassen. Sie mit einem Mann ziehen zu lassen, dem das Geld teurer war, als die Liebe seiner Frau. Die Liebe Iustina’s.


    Als sie wieder bei der Böschung angekommen waren, verstummten beide. Der Moment des Abschieds war gekommen. Es zerriss ihm das Herz, sie gehen zu lassen… aber er wusste, eine Wahl hatte er nie gehabt. In diesem Moment schien ihm das Leben nicht mehr lebenswert.


    Iustina drehte sich um, um zu ihrer Sänfte zurückzugehen, an der die beiden Sklaven, die sie trugen, geduldig warteten. Xeones hielt ihre Hand. Ein sanfter Zug veranlasste sie, sich wieder umzudrehen. Sie versuchte standhaft zu bleiben, wollte keine Tränen vergießen. Und dennoch… In diesem letzten Moment ihres Zusammenseins überwältigten sie ihre Gefühle, die sie nicht verbergen konnte. Sanft strich ihr Xeones mit der Hand über die Wangen, um die Tränen wegzuwischen.


    Dann ging sie fort, ohne sich noch einmal umzudrehen. Lange starrte Xeones der Sänfte nach. Versuchte zu begreifen, was eben passiert war. Versuchte zu verstehen, dass er sie nie wieder sehen würde. Sie war weg.


    Die Sonne tauchte aus dem Meer hinauf und flutete das Firmament vollends mit Licht. Der neue Tag war angebrochen. Wieder starrte Xeones aufs Meer hinaus.


    Iustina war fort. Und er war allein…

  • Diesen Morgen war Kaya schon sehr früh aufgestanden. Noch bevor die ersten Sonnenstrahlen die roten Dächer in ein warmes Licht tauchte, noch bevor die ersten Kinder draussen herumtollten. Ihr Herr Romanus hatte gewiss nichts dagegen, dass sie einen Spaziergang tätigte und andere Herren waren ohnehin nicht im Hause. Man vertraute ihr, noch nie hatte sie einen ihrer Herren enttäuscht, aber wie sollte sie es auch?


    Leise hallten ihre Schritte durch die menschenleeren Gassen. Sie hatte durch ihre reichen Herren das Glück, in recht gute Gewänder gehüllt zu sein und machte auf die meisten Händler einen guten Eindruck. Außerdem trug sie keine Hinweise darauf, dass sie eine Sklavin war. Lediglich ihr häufig demütig zu Boden gerichteter Blick und ihre höfliche, fast ängstliche Art zu sprechen verrieten, wer, nein, was sie war.


    Und nun da die ersten Striemen den Himmel verfärbten, schlenderte sie in Richtung des Stadttores zu. Man kannte sie nicht, aber die Wachen dachten vermutlich sie, die Sklavin mit allen Freiheiten, war auch eine freie Frau und ließen sie wortlos passieren. Vor längerer Zeit war sie einmal mit Minervina am Strand spazierengegangen und da heute ein müßiger Tag war und es noch des frühen Morgens, entsann sie sich des Weges.


    Sie wollte einmal wieder frische Luft atmen, ohne hier und da Bitten entgegen nehmen zu müssen. Man hatte sie stets gut behandelt, aber nun war eine Zeit gekommen, da sie für sich sein musste. Sie blickte auf das Gras zu ihren Füßen, welches noch recht müde ob des Winters wirkte. Als sie den Blick wieder hob, sah sie bereits das Meer - und eine Silhouette. Sie hätte nicht erwartet noch jemanden hier anzutreffen.


    Sie blieb stehen und haderte einige Augenblicke mit sich, was sie nun tun sollte. Vollends fortgehen? Oder sollte sie doch besser nur einen Bogen machen? Gar die Person ansprechen? Sie entschied sich, den Zufall walten zu lassen und ging mit weiterhin schlendernden Schritte auf ihr bisheriges Ziel zu, wo nun auch eine Zielperson stand.

  • Iustina hatte ihm einmal gesagt, dass Zeit alle Wunden heilen würde. Auch seine. Doch jetzt im Nachhinein, in einem Moment, da er sich von ihr und den Göttern verlassen fühlte… suchte er vergeblich Trost in ihnen zu finden. Zeit...


    Eine seltsame, unheimliche Leere machte sich in Xeones breit. Sein Körper zitterte, doch nicht die Kälte war es, die ihn in die Knie zu zwingen vermochte. Der Schmerz in seiner Brust kam dem Lodern einer Flamme gleich, raubte ihm den Atem und trieb ihm Tränen in die Augen, die er nur mit Mühe zurückzuhalten vermochte. Es quälte ihn, zerriss ihn innerlich… und das Bewusstsein, diesem Schmerz auf Gedeih und Verderb ausgeliefert zu sein, verstärkte die Qual umso mehr. Zeit…


    Er hatte geahnt, dass es wehtun würde. Das es schmerzen würde. Das ihn die Ohnmacht im Angesicht der Pein lähmen würde… Doch nie hatte er sich vorstellen können, wie grausam es dann doch tatsächlich war. Schmerz vermischte sich in ihm mit Zweifeln. Zorn und Wut stiegen in ihm auf und er ballte seine immer noch leicht zitternden Hände zu Fäusten. Er glaubte sich einsam an diesem Strand… was hinderte ihn daran zu weinen? Was hinderte ihn daran, seiner Wut freien Lauf zu lassen und einen Schrei der Verzweiflung auf die Welt loszulassen. Zeit...


    Aus dem Augenwinkel nahm er die zaghafte, zögernde Gestalt war. Er riss sich etwas zusammen. Eine in recht vornehme Gewänder gekleidete Dame näherte sich ihm langsamen, bedachten Schrittes. Er kannte sie nicht, weder persönlich noch vom Sehen, und wunderte sich, weshalb sie zu dieser frühen Stunde einsam und für sich allein an diesem Strand weilte. Zeit...


    Xeones nahm so etwas wie Haltung an und strich sein pechschwarzes Haar zurück. Hatte sie ihn und Iustina beobachtet? War sie gar beauftragt, sie auszuspionieren… er schob die düsteren Gedanken beiseite und versuchte, ein Lächeln hinzukriegen, während sie näher kam. Er wusste nicht recht, wie er reagieren sollte. Begrüßung? Einfaches Nicken? Ein bloßes Lächeln? Zeit...


    Ich hatte nicht gedacht, jemanden hier anzutreffen“ sagte er plötzlich und durchbrach die Stille. „Was führt eine Dame wie Dich zu solch früher Stunde einsam und verlassen auf diesen traurigen Strand, Herrin?“ fragte er, sich selbst über diese spontane Äußerung seiner Neugier wundernd. Zeit... noch vor Tagen rannte sie ihnen davon... und heute... schien sie still zu stehen.

  • Ihr war unbehaglich, je mehr sie sich dieser fremden Gestalt dort hinten näherte. Fröstelnd verschränkte sie die Arme vor dem Leib und rieb sich mit der Hand die Haut um so Wärme zu erzeugen. Hier in Hispania war es nicht sonderlich kalt, aber um diese Uhrzeit, trieb einem die morgendliche Kühle doch eine Gänsehaut über den Rücken. Sie sog tief die frische Luft ein und versuchte mit jeder Sekunde ruhiger zu werden.


    Eigentlich hatte sie ihren Kopf hier am Strand von Tarraco befreien wollen, doch übermannten all die Gedanken sie mehr denn je. Und so ließ sie ihnen freie Bahn, sollten sie doch durch ihre Fantasien toben wie es ihnen beliebte. Hauptsache sie konnte hier 'Kaya' sein und nicht die 'Sklavin des Proconsuls' wie sie es einst war. Derzeit war sie weniger eine Sklavin denn eine freie Bedienstete.


    Und unaufhörlich führten ihre Schritte sie näher zu dem Unbekannten. Sie vermochte ihre Beine nicht mehr anzuhalten, denn die mittlerweile aufgekommene Neugierde zog sie weiter in seine Richtung. Erst wenige Schritte vor dem Fremden kam sie zum Stehen und musterte ihn. Sie lächelte nicht und nickte nicht, denn plötzlich war sie völlig unentschlossen: Der Mann vor ihr sah äusserst verzweifelt aus. Mochte es an seinem blassen Gesicht liegen? Sie spürte kaum wie sie den Kopf auf die Seite legte und ihn nachdenklich musterte. Als er plötzlich das Schweigen durcbrach.


    "Ich weiß es nicht genau." murmelte sie ein wenig unverständlich und sah dem schwarzhaarigen Manne vor sich direkt in die Augen. Dann jedoch senkte sie leicht den Blick. Sollte sie tun, als ob sie eine Freie sein? Frei sein - einfach nur für einige Stunden? Sie musste ihn ja nicht belügen, sie konnte die Wahrheit ja einfach etwas verschleiern. Denn Lügen waren nicht ihr Ding, sie vermied diese so gut es ging. Die Wahrheit verhüllen - ja, das war etwas völlig anderes. "Das Gleiche könnte ich dich fragen!" entgegnete sie nun mit einem unsicheren Lächeln, welches sich wieder in sein Gesicht richtete.


    Sie lenkte ihren Blick nun an ihm vorbei und auf das dahinter liegende Meer an der südlichen Küste Hispanias. Leichte Wellen schlugen an den Strand und weiter draussen lagen leichte Schaumkronen auf den Wellen. Mit dem recht frischen Morgenlicht wirkte alles wie in einen verzauberten Schleier gehüllt. "Doch, Herr, verzeihe mir das Widersprechen: Der Strand ist eher wunderschön denn traurig!" lächelte sie nun etwas wärmer und machte ihn wieder zum Mittelpunkt ihres Sichtfeldes, wenngleich es durch das leicht wehende Haar etwas eingeschränkt wurde. Ihr dunkelbraunes, fast schwarzes Haar.

  • Die dunklen, jedoch leuchtenden Augen der Unbekannten, umspielt von dem im Wind wehenden, tiefbraunem, ja fast schwarzem Haar, spiegelten die Sonne, die über dem Horizont emporstieg, als sie in seine Augen blickte. Dann jedoch wandte sie den Blich ab, vermochte dem seinigen scheinbar nicht zu widerstehen. Xeones bemerkte die Unsicherheit. Ein Hauch derselben zwar, kaum merklich und dennoch…da. An einem anderen Tag, unter anderen Umständen, hätte es ihm vielleicht eingeleuchtet. Doch hier und jetzt, da er verwirrt - im Inneren von unbändiger, verzweifelnder Wut und Pein geplagt, nach Außen jedoch bemüht, die Fassung zu wahren – war, ignorierte er dieses Anzeichen.


    Etwas anderes war ihm aufgefallen. Sie bezeichnete ihn als Herr… Xeones war etwas unwohl bei dem Gedanken, dass man ihn einem Römer gleichstellte. Er war stolz auf seine Herkunft. Stolz auf seinen Namen. Die kalten, dunklen Abende des Nordens liebte er nicht minder, als die warmen Sonnenstrahlen Achaias. Er liebte den Schnee nicht weniger, wie er das warme Wasser an Hispaniens Küsten liebte. In den Augen eines Römers war er vielleicht nichts wert. Ungleich. Minderwertig. Aber nie vermochten sie eines zu brechen… seinen Willen. Seinen Stolz.


    "Du magst Recht haben, Herrin, was den Strand angeht" entgegnete Xeones mit leiser, fast flüsternder Stimme, die beinahe um Rauschen des Meeres unterging. "Es ist eine idyllische, malerische Aussicht, die die Augen des Besuchers erfreuen mag…" er beugte sich nach vorn und nahm etwas Sand in die Hand, der zwischen den Fingern rieselte. "Doch Du irrst Dich, was mich angeht. Ich bin ein einfacher Mann, Herrin, und kein Römer... kein Bürger" sagte er, ohne zu merken, dass sich ein wenig Trotz in seine Stimme schlich, als er diese Worte aussprach. "Und ich bin hier…" er machte eine kurze, kaum merkbare Pause "denn hier und heute starb etwas in mir, Herrin. Ein Teil meiner Selbst." fügte er etwas leiser hinzu. Xeones schaute zum Meer hinaus und senkte leicht den Kopf.


    Obwohl seine Worte grausam selbstbemitleidend klangen und den Eindruck des Niedergangs eines Mannes erweckten, mischte sich zum ersten Male ein Anflug von Entschlossenheit in seinen Blick, als er den Kopf hob. Sein Lächeln wirkte nun nicht mehr so gespielt, als er die Unbekannte ansah. "Verzeih, Herrin. Ich muss mich wohl für einen Moment vergessen haben." Er rieb sich die Handflächen, um die letzten Sandkörner wegzufegen. "Du musst hierher gekommen sein, um für Dich alleine zu sein… ich werde Dich in Deiner Einsamkeit nicht stören." sprach Xeones aus, obwohl er innerlich geradezu danach schrie, nicht allein sein zu wollen.

  • Kurz versank sie in ihren Gedanken, überlegend, welche Antworten sie ihm geben konnte. Sie war sich nicht so recht im Klaren, ob sie tatsächlich allein sein wollte oder eher nicht. Nachdem was noch am vorigen Abend geschah, war sie ein wenig durcheinander. Ihre Gefühle zu Metellus hatten sich verstärkt, doch sie ahnte dass diese Nähe den Preis zahlen musste, dass sie sich weniger sahen. Besonders wenn Helena davon erführe. Sie schob diese Gedanken wieder beiseite und musterte ihren Gegenüber etwas genauer als noch eben.


    "Ich habe nicht erwartet, dass du ein Römer bist! Doch bin ich auch keine Herrin!" erwiderte sie mit einem leichten Lächeln und strich sich das Haar zurück. Sie fühlte sich bei jedem ihrer Schritte ein wenig so, als würde sie auf Glas gehen. Oder auf einer Fläche die jederzeit umzuschwanken drohte. Wie ein Stück Holz auf dem man balancierte. "Doch da Du mir eine Antwort gabst, werde auch ich dir eine geben. Gestorben ist zwar nichts, eher im Gegenteil, doch ich brauchte einmal etwas anderes als die vielen Wände innerhalb Tarracos." führte sie mit ruhiger Stimme aus.


    Selten war ihr bewusst geworden, wie schön es hier ist. Die klare Morgenluft und das angenehme Rauschen erweckte Sicherheit in ihr. Sie wusste dieses Gefühl nicht genau zu deuten, denn selbstsicher war sie zumeist aufgetreten.. Es war etwas, was sie blockierte und zugleich freier machte denn je - war es die Hoffnung auf ein anderes Leben? Hier, da sie nun mehr Zeit zum Nachdenken hatte und die Natur ihre Einflüsse auf sie wirken ließ?


    "Nein, Herr. Ich bin hierhergekommen, um meine Gedanken an die frische Luft zu setzen, wie ich es schon eben andeutete. Wenn es Dir nichts ausmacht, können wir gern ein wenig gemeinsam der Zeit harren." antwortete sie mit sanfter Stimme. Sie fühlte sich ausgefüllter als sonst, innerlich vollkommener - das war es, was sie nicht vermochte in Worte auszudrücken. Sie verlor ihre Unschuld und gewann Vollkommenheit. Vollkommenheit zumindest für diesen Ort, für diesen Menschen der noch dort in Tarraco schlief.


    "Doch entschuldigen musst du dich für nichts. Ich bin vielleicht sogar ganz froh, dich hier angetroffen zu haben, so dich meine Anwesenheit nicht stört. Doch sei ehrlich zu mir." bat sie lächelnd. Kurz wandte sie den Blick wieder ab um zurück zur Stadt zu schauen, ehe sie wieder zu Xeones blickte. Er wirkte zutiefst traurig und um dies zu bemerken, hatte er nicht einmal sprechen müssen. "Darf ich dich nach deinem Namen fragen? Ich bin Kaya!"

  • Xeones lachte – wenn auch etwas steif - auf. Natürlich. Nur zu deutlich sah man ihm an, dass er kein Römer war. Sie muss es sofort erkannt haben. "Kaya" sprach er leise, kaum hörbar. Sie war ihm ein Rätsel. Hier, an diesem einsamen Strand, an diesem Ort der Ruhe, ausgerechnet hier traf er sie. Die Unbekannte. Vornehme römische Kleider bedeckten ihren Körper. Und dennoch war sie keine von ihnen. Sie war hergekommen, auf der Suche nach Einsamkeit. Und dennoch sprach sie freundlich zu ihm. Xeones fand es erstaunlich, wie sich die Wege zweier Menschen kreuzen können. Sie beide hat es an diesem Morgen hierher verschlagen, doch ihre Beweggründe konnten unterschiedlicher nicht sein.


    "Mein Name ist Xeo. Xeones. Und Du hast wirklich keinen Grund, mich Herr zu nennen" sagte er, um ihre Frage nach seinem Namen zu beantworten, und strich sich mit der Hand am Kinn, während er etwas verlegen lächelte. Etwas musste passiert sein. Etwas, was ihr den Schlaf raubte. Etwas, was ihre Gedanken abschweifen ließ. Etwas, was sie mit Glück erfüllte… und mit Unruhe, denn sonst wäre sie nicht hier. War Iustina damals vielleicht auch hier gewesen? Hatte sie vielleicht auch diesen Ausdruck in ihren Augen gehabt? Diese seltsame, unsicher sichere Haltung?


    "Und ich wäre erfreut, wenn jeder von uns nicht gleich wieder seines Weges geht" sprach er mit einer gewissen Erleichterung aus. Mochte ein Teil von ihm sich nach Einsamkeit sehnen… er war froh, in diesem grausamen Stunden nicht allein zu sein. Sie ahnte es nicht, doch in Kaya’s Worten, in ihrem Glück, dass sie scheinbar – aus welchen Gründen auch immer – zu verbergen suchte, war etwas, was ihm… er mochte es fast nicht glauben… Hoffnung gab.


    Er fragte sie nicht, was genau sie hierher getrieben hat. Vielleicht, weil er glaubte, dass sie ihm nicht die Wahrheit sagen würde. Vielleicht, weil es ein Geheimnis bleiben sollte und damit etwas, was sie beide verband. Etwas, was ihrem zufälligen Treffen einen Sinn zu geben vermochte.


    "Weißt Du, worum es im Leben geht, Kaya?" fragte er sie, nachdenklich aufs Meer schauend. "Worum es wirklich, ich meine wirklich, geht?" Seine Stimme verriet, wie ernst ihm diese Frage war. Und bevor sie ihm darauf eine Antwort geben konnte fuhr er fort. "Nicht um Geld. Nicht um Macht. Auch nicht um Ruhm und Ehre." Dann schwieg er einen Augenblick lang und sah Kaya in die Augen. "Vertrauen" Und wie zur Bestätigung seiner eigenen Worte nickte er mehrmals, ohne es selbst zu merken.


    "Wenn du auch nur einen Menschen hast, dem du vertrauen kannst… hast du mehr, als dir Geld, Macht, Ruhm oder Ehre geben können." Er sah sie an und lachte verlegen. Sie musste ihn für einen Träumer halten. "Klingt seltsam, nicht wahr?" sagte er, wobei er die Bitternis in seiner Stimme krampfhaft zu unterdrücken suchte. "Was ist mit Dir, Kaya? Hast du jemanden, dem Du vertrauen kannst? "

  • Sie lächelte sanft als sie seine Blike bemerkte und beobachtete ihn. Er wirkte wie ein sehr besonnener Mensch - und als ob ihn großes Leid ereilt hätte. Er war hier am Strand, doch sie wusste nicht genau aus welchem Grund. Allerdings machte das nichts, denn sie musste nicht alles wissen, nicht allen Schmerz kennen. Wieder ließ sie ihren Blick auf das mare mediterraneum gleiten, beobachtete die Wellen. "Xeones ist ein schöner Name..." lächelte sie, wandte den Blick allerdings nicht vom Wasser ab. Ihre Stimme war mit Wärme angereichert und zeigte, dass sie es ehrlich meinte. Und das Herr, ja, das ließ sie weg. Auch Metellus hatte sie mehrfach gebeten, ihn einfach 'Marcus' zu nennen.


    "Und ich bin gern noch ein wenig mit dir hier draußen - allerdings werde ich nicht allzulang verweilen können, denn Pflichten binden mich an mein Heim." sprach sie mit leiser Stimme. Sie war nicht erfreut, wenn sie an diese Pflichten dachte und aus den Augenwinkeln blickte sie beinahe unbehaglich zu ihm. Hoffte, dass sie sich nichts anmerken ließ, denn sie wollte ihn nicht verunsichern. "Ich bin nur eine Sklavin, wie dir vielleicht aufgefallen sein mag. Also kann ich verstehen, wenn du deine Wege lieber allein weiter begehst." meinte sie leise.


    Und erst jetzt kam sie auf seine Frage zu sprechen. Er sprach von Vertrauen. Ja, es mochte sein, dass Vertrauen das Wichtigste war. Und vertraute sie jemanden? Sie wusste diese Frage nicht zu beantworten und begann somit ein unangekündigtes Schweigen. Sie liebte Metellus und würde alles dafür tun, um Helena von ihm wegzulotsen. Doch würde sie Erfolg haben? Und war Metellus das alles wert? Und vor Allem: Vertraute sie ihm? "Nein." antwortete sie also leise auf seine Frage. "Ich glaube nicht, dass ich jemanden habe, dem ich vertrauen kann. Ich muss ziemlich allein durch mein Leben streifen, auch wenn es mir nur selten aufgefallen ist."


    Dann blickte sie ihm direkt in seine Augen und dieses Mal war ihr Blick traurig. Es war eine tiefe Traurigkeit, die sie eigentlich immer zu verbergem suchte, es aber nicht immer schaffte. "Du hast Recht. Doch hast du jemanden, dem du immer vertrauen kannst? Ich dachte nie länger über diese Frage nach, nie, wie tief Vertrauen doch eigentlich ist. Das Wort wird immer viel zu leichtfertig genutzt."


    Und damit blickte sie wieder fort, nicht nur See, nein. Sie sah in die Richtung, in welcher kein Xeones stand, um die eine winzige Träne fortzublinzeln, die sich da in ihr Auge schleichen wollte. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund stimmte dieser Gedanke sie tieftraurig und sie vermochte es nicht, zu lächeln. Es war bedrückend, wenn sie bedachte, wem sie vertrauen konnte. Sie, die doch nichts weiter war als eine Sklavin.

  • Eine Sklavin… Xeones sah aufs Meer hinaus und lächelte. Er spürte deutlich, ohne hinzusehen, dass sie ihn anblickte. Dass sie gespannt war, wie seine Reaktion ausfallen würde… er schüttelte mit dem Kopf. "Für mich bist du Kaya" sagte er ohne seinen Blick von den Wellen zu nehmen, die stets aufs Neue am Strand zerbrachen. Ihren Namen betonte er dabei besonders. Damit war alles gesagt. Und Xeones wusste, dass sie verstand, dass es ihm egal war, ob sie eine Sklavin war oder eine Patrizier.


    "Das ist bedauerlich" sagte er, als er hörte, dass sie sich offenbar nicht sicher war, ob sie jemanden hatte, der ihr Vertrauen genoss. Scheinbar gab es jemanden… doch Kaya schien zu zögern. Xeones hatte eine Ahnung, wie ihr zumute war, konnte – wenn auch im Ansatz, denn er hatte nie das Unglück unfrei zu sein – sich zumindest eine Vorstellung davon machen, was sie denken und fühlen musste. "Auch ich habe nie über solche Dinge nachgedacht. Bis heute." Die Ironie verlangte ihm ein weiteres Kopfschütteln und ein ungläubiges Lächeln ab. "Bis heute."


    Er sah etwas verlegen auf den Boden. "Wessen...?" Sklavin bist du, hätte die Frage gelautet, hätte Xeones sie zu Ende gesprochen. Doch er dachte an das, was er vorhin gesagt hatte. Er verbot es sich, ihr gegenüber das Wort Sklavin auszusprechen. Für ihn war sie Kaya. "Wer nennt sich dein Herr, Kaya?" formulierte er die Frage neu.
    Jemand, der seiner Dienerin solche Gewänder gönnte, ihr die Zeit und die Freiheit gab, alleine unterwegs zu sein. War dieser jemand gar der Eine, dem sie ihr Vertrauen schenken würde, wenn das Leben sie nicht die harte Lektion der Einsamkeit gelehrt hätte? Von dem sie glaubte, dass sie ihm nicht vertrauen konnte? Doch diese Fragen behielt Xeones für sich, während er sie ansah...

  • Sie war etwas erstaunt solche Worte zu vernehmen und blickte ihn mit eben dieser regung an. "Ich danke dir, Xeo!" sagte sie leise und musste lächeln. Sie hatte kein Problem damit, als Sklavin bezeichnet zu werden, denn dies war sie nun einmal und es auch schon immer gewesen. Und doch erfüllte es sie mit einer gewissen Art von Genugtuung und auch mit Stolz, dass er sie als 'Kaya' sah, auch wenn diese Kaya ebenfalls nur Sklavin warm, die niemals den Geschmack der Freiheit hatte kosten dürfen.


    Da sprach er wieder von diesem Vertrauen - und seine Reaktion überraschte sie. Sie hätte erwartet, dass er sich gar ewig den Kopf darüber zerbrach. Mit leiser Stimme fragte sie, in einem annähernd sanften Tonfall: "Wielang musst du schon hier sein, wenn du zu einer solchen Erkenntnis gekommen bist?" Sie selbst wäre sicher erst nach einigen Tagen darauf gekommen und womöglich auch auf eine falsche 'Lösung'. Langsam begann eine Frage in ihr zu reifen, doch wollte sie dieser die Zeit geben, zu einer vollendeten Frucht heranzuwachsen.


    "Rediviva Helena und Redivivus Romanus." sagte sie leis. Eigentlich hätte sie auch Metellus als ihren Dominus nennen können, doch für sie war er mehr. Vielleicht sogar mehr, als er rechnete. War das alles wahrlich nur Trug und Schein? Oder konnte sie auf ihren Gefühlen aufbauen? "Sie sind stets gut zu mir, doch ich fühle mich mittlerweile dennoch nicht mehr wohl." fügte sie leise wahre Worte ohne Zusammenhang an und senkte den Blick, der eben noch stolz auf dem Meere lag, während das Haar ihre zarten Gesichtskonturen untermalt hatte, zu Boden.

  • Wie lang er schon hier sein musste… es kam ihm wie eine Ewigkeit vor. In der Tat war der Morgen schon etwas fortgeschritten und die Sonne berührte den Horizont nur noch knapp, verschmolz mit diesem, doch riss sich unaufhaltsam fort um das Firmament emporzusteigen. "Manchmal ist es der Augenblick, der die Erkenntnis bringt" sagte Xeones mit einer Beimischung von Bitterkeit in seiner Stimme.


    Xeones sah sich um. Vielleicht war es noch zu gefährlich, hier zu bleiben. Sollte Iustina unvorsichtig gewesen sein und Fidus tatsächlich Verdacht geschöpft haben, würden seine Spione ihn bestimmt beobachten. Er wusste, er musste den strand verlassen und in dem Gewirr der Strassen Tarraco’s untertauchen… wenigstens für eine Weile. Wenn er hier blieb, brachte er womöglich sich und Kaya sinnlos in Gefahr.


    Ohne diesen Anfall von plötzlicher Achtsamkeit und Wachsamsein äußerlich deutlich werden zu lassen, wandte er sich an Kaya, die plötzlich ihren Blick zu Boden senkte. Er sah sie durchdringend an und sagte mit fester Stimme "Hör zu Kaya. Umstände, die ich nicht näher erläutern darf, zwingen mich, von diesem Strand zu verschwinden." Xeones hob seinen Zeigefinger um den nachfolgenden Worten Nachdruck zu verleihen. "Du magst mich nur wenige Minuten kennen, aber lass dir folgende Worte gesagt sein. Die Römer haben in ihrer arroganten, selbstgefälligen Art eines nie geschafft. Mir das zu nehmen, was mich zu dem macht, was ich bin. Was aus mir einen Menschen macht." Sein Blick verfinsterte sich etwas und man konnte nur erahnen, was Xeones in seinem Leben widerfahren haben mag. "Sie mögen dir deine Freiheit genommen haben. Sie mögen dir Leid zufügen." Er tippte mit dem Finger sanft auf ihre Schläfe "aber du darfst nie zulassen, dass sie dir das wegnehmen." Er schaute ihr in die Augen. "Sonst hast du verloren. Ich bete dass dem nicht so sein wird, aber sollte dieser Moment einmal kommen, denk an die Worte des verträumten Narren vom Strand... denk an meine Worte. Sonst hast du verloren..."


    Xeones ging die Böschung hinauf. Oben angekommen, drehte er sich noch mal um und lächelte zu Kaya. "Ich hoffe, das war nicht unser letztes Wiedersehen… Kaya."


    Er ging und ließ sie allein am Strand zurück. Allein mit Ihren Gedanken. Mit ihren Gefühlen. Allein mit dem Rauschen des Meeres und dem Flüstern des Windes. Allein mit dem Nachhall seiner Worte. Allein mit der Gewissheit, dass es Menschen gab, für die sie mehr war, als eine Sklavin. Mit der Gewissheit, dass sie dadurch… nicht allein war.

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