Cubiculum | Flaccus, Livia

  • Kurz nach dem gemeinsamen Abendessen kommt Livia zum Cubiculum ihres Bruders und klopft kurz an. Sie wartet einen Moment, öffnet dann die Tür und tritt ein.


    "Salve, Fraterculus. Störe ich?"


    Mit einem leichten Lächeln sieht sie sich in dem aufgeräumten Zimmer um, bis ihr Blick an Flaccus hängen bleibt und sie ihn fragend anschaut.

  • Auf dem Tisch lagen einige Papyrusrollen ausgebreitet. Flaccus selbst stand nahe des Fensters und las im Schein des noch einfallenden Lichtes den Text. Gewarnt von dem Klopfen schaut er bereits mit strenger Miene zur Tür, als Livia den Raum betritt, doch erhellt sich diese, sobald er seine Schwester erkennt. Er steht auf, rollt den Papyrus zusammen und legt ihn zu den anderen, bevor er langsam auf Livia zugeht.
    Nein, Sororcula, du störst doch nicht! Komm nur herein, nimm Platz, wenn es dir beliebt! Ich habe mir lediglich einige alte Texte über die Stätten des Apollon angeschaut.
    Er bat ihr an Platz zu nehmen und lächelte leicht.
    Bewegt dich etwas im Herzen? Oder was führt meine Schwester in das Cubiculum ihres großen Bruders?

  • "Was schaust du so böse?"


    Natürlich hat Livia seine anfangs grimmige Miene bemerkt, kommt jedoch lächelnd näher. Vertraulich legt sie ihm die Hand auf die Schulter und wirft einen neugierigen Blick auf seinen Schreibtisch.


    "Apollo? Ob ich dir das glauben kann? Oder handelt es sich vielmehr um die Ars Amatoria?"


    Mit einem verschmitzten Lächeln setzt sie sich zu ihm.


    "Du kennst uns Frauen doch. Eine gute Laune führte mich her und die Sehnsucht nach deiner Gesellschaft. Ich freue mich so, dass du endlich heimgekehrt bist. Also muss ich das auch ein wenig ausnutzen und die große Gunst deiner Gesellschaft genießen, so lange ich das noch so ungezwungen kann. Schon bald werde ich schließlich nicht mehr hier wohnen..."


    Ein Schatten legt sich kurz auf ihr Gesicht. Dann lächelt Livia jedoch wieder. Sie will sich ihre gute Laune nun nicht davon verderben lassen.


    "Wie geht es denn Apollos Tempeln?"

  • Auf ihre erste Frage hin verstärkt Flaccus noch einmal sein Lächeln.
    Die Ars Amatoria? Aber Livia, würden nicht gerade die Werke Ovids zu den Studien passen, wo er doch in besonderem Maße in seinen Verwandlungen und in eben jener Liebeselegie Apoll als Thema aufgreift und ihn darstellt?
    Flaccus grinst nun geradezu seine Schwester an. Um zu gewissen Stellungen zu gelangen, müsste er die Papyrusrolle auch viel weiter abwickeln.
    Deine Gesellschaft erfreut mich doch immer. Auch ich genieße es, nun endlich wieder in Rom zu sein, nahe der Familie, ein festes Zuhause zu haben, auch wenn ich die Reisen nicht missen möchte.
    Ihre Anmerkung, dass sie bald ausziehen würde, überhörte er geschickt. Er würde eine Ablenkung finden müssen, wenn sie nicht mehr da wäre.
    Solange ich noch Popa bin, werde ich in Rom bleiben, und so auch in deiner Gesellschaft. Vielleicht werde ich einst das Angebot von Rediviva Helena annehmen und mich für eine gewisse Zeit nach Hispania begeben. Doch das wird sich zeigen, wenn ich den Rang eines Sacerdos erreicht habe. Es ist auch möglich, dass ich dazu nicht die Gelegenheit und Zeit finden werde.
    Flaccus atmete tief durch und schaute kurz zu Boden. Als Priester des Apoll würde der Tempel im Vordergrund stehen, nicht irgendeiner, sondern der des Apollo Palatinus, der auch schon bessere Tage gesehen hatte und um dessen Instandsetzung er sich sicher mit aller Kraft bemühen würde. Schließlich war es ein dem Gott des göttlichen Augustus geweihter Tempel, der zudem auf dem Palatin gelegen war, direkt neben der Domus Augustana.
    Er wurde etwas lockerer.
    Weißt du eigentlich, was mich noch bis heute ärgert? Ich habe die wichtigsten Kultstätten in Graecia und Asia gesehen, Delphi, Olympia, natürlich Didyma und das Orakel von Klaros. Doch war ich nicht an seiner Geburtsstätte.
    Nunja, die Tempel und Orakelstätten im Osten erfreuen sich großer Beliebtheit. Apoll wird hier sehr verehrt und die Gebäude sind prunkvoll. Die Orakelstadt in Delphi...hach, du solltest sie sehen. Ich muss mich bemühen, dass auch in Rom Apoll zu seiner ihm angemessenen Bedeutung zurückfindet. Im Sommer finden die Ludi Apollonaris statt. Eine gute Gelegenheit!

  • Livia muss leise lachen und schüttelt amüsiert den Kopf.


    "So ist das also. Ich schätze, dein Studium dieser Schriften war bereits intensiver als ich es bislang zu erahnen gewagt habe. Nimmst du sie dir denn auch zum Vorbild und gehst zu den Wagenrennen, um die vielen Ratschläge auszuprobieren?"


    Schmunzelnd mustert sie ihn einmal eingehend. In Livias Augen ist Flaccus ein überaus ansehnlicher Mann und sie wundert sich insgeheim, dass er noch keine Frau gefunden hat. Doch die Gründe dafür liegen ihrer Meinung nach wohl ausschließlich in seinen überaus hohen Ansprüchen. Sie kann sich gut vorstellen, dass er schon zahlreiche Bewerberinnen abgewiesen hat. :] Jetzt, wo er sich in ihrem Einflussbereich aufhält, nimmt sie sich natürlich vor, ein genaues Auge auf seine potenziell Erwählten zu haben. Ihren teuren Bruder würde nur eine Frau bekommen, die seiner auch wahrlich würdig ist.


    "Manchmal würde ich auch gerne wieder aufbrechen, um die Städte der Welt zu erkunden. Doch heutzutage ist dies alles nicht mehr so einfach, wie es damals war. Ich bin durch Stand, Amt und Arbeit gebunden. Nicht zu vergessen meine Verlobung und baldige Ehe. Der Haushalt und die Familie werden mich noch stärker binden und auch einen Teil meiner Zeit beanspruchen. Aber ich hoffe doch sehr, dass du uns in Rom noch eine Weile erhalten bleibst und du mich von Zeit zu Zeit in der Casa Vinicia besuchen wirst, liebster Bruder? Gerade in der ersten Zeit, in der alles noch so neu und ungewohnt ist, wird mir deine Gesellschaft und Unterstützung teuer wie nie sein."


    Livia setzt ihr liebstes Lächeln auf und schaut ihn bittend an. Dann lehnt sie sich wieder zurück und betrachtet Flaccus schmunzelnd.


    "Es spricht doch nichts dagegen, eben diese Reisen eines Tages nachzuholen. Ich bin mir sicher, dass du noch die Zeit dazu finden wirst. Die vergangenen Ludi Apollinaris wurden übrigens von dem Konsular Lucius Aelius Quarto ausgerichtet. Du hast ihn bereits auf dem Conventus Electorum kennengelernt. Sie waren ein beeindruckendes Spektakel. Können wir also hoffen, dass die nächsten Ludi mit deiner Unterstützung noch umso beeindruckender sein werden?"


    Beiläufig schaut sie sich nach einem Becher Wasser um.

  • Flaccus hörte Livia zu und schaute sie ein wenig missbilligend an, als sie ihre Scherze mit ihm trieb. Doch um nicht weiter darauf eingehen zu müssen, wich Flaccus seiner Schwester gekonnt aus.
    Vielleicht war mein Studium dieser Schriften wirklich intensiver, als du denkst. Denn umso öfter man es liest, detso mehr fallen einem doch die wunderschönen Wortspiele des Ovid ins Auge, seine Ironie, sein Witz. Sprachlich sicherlich ein sehr ansprechendes Werk! Die Wagenrennen, Livia, besuchte ich sogar jüngst bei den Equirria. Es war sehr spannend und die vielen schönen und anmutigen...Pferde. Wahrlich ein großes Vergnügen.
    Livia schien sich bereits mit der Verbindung arrangiert zu haben, sprach sie doch bereits von der Ehe, vor allem von ihrer Familie, was die vielen kleinen Kinder wohl mit einschloss. Ja, dann würde Flaccus schon Onkel. Üben könnte er dafür bereits beim Besuch der Tochter der Rediviva Helena. Den Verlobten seiner Schwester hatte Flaccus selbst nur flüchtig kennengelernt und wusste mehr aus den Briefen Livas über ihn. Das könnte sich nach der Eheschließung ändern.
    Ja, du hast Recht. Die Reisen laufen mir nicht davon und nach meinem jahrelangen Aufenthalt in den östlichen Provinzen sollte ich doch glücklich sein, in Rom eine Zeit verweilen zu dürfen. So ich denn in der Casa Vinicia willkommen bin, werde ich gewiss die Zeit finden, dich dort zu besuchen und das ein oder andere Mahl dort zu verbringen. Dies gäbe mir die Möglichkeit, deinen Verlobten und baldigen Ehemann besser kennenzulernen. Welches sind wohl seine Lieblingsautoren? Liest er denn die griechischen Schriftsteller. Ich sollte mich darauf vorbereiten, um mich nicht unwissend vor deinem Gemahl zu blamieren.
    Wenn Livia ihn so ansah, konnte er eh seinen Willen nicht durchsetzen, doch musste er ihr dies ja nicht offen zeigen, so dass er etwas mit dem Kopf schwankte, die ganzen Dinge, die da kommen würden, abwägend.
    Aelius Quarto ließ die Spiele ausrichten, sagst du? Ja, ich erinnere mich selbstverständlich an ihn. Auch merkte ich mir, dass seiner Familie Apoll wichtig sei. Er wäre der erste Anlaufpunkt für eine Spende gewesen, um die Spiele zu finanzieren. Es wird sich zeigen, zu was der Cultus Derum bereit und fähig ist. Ich jedoch stehe für die Organisation und Übernahme von Aufgaben bereit. Theaterstücke sollten nicht fehlen, neben den Wagenrennen. Auch andere künstlerische Darbietungen wären interessant, aber es fließt noch viel Wasser den Tiber entlang, bis es so weit ist, sich darüber ernsthaftere Gedanken machen zu müssen.
    Natürlich bemerkte Flaccus die suchenden Blicke seines Schwesterchens und es fiel ihm auf, welch schlechter Gastgeber er doch war. Mit einem um Verzeihung bittenden Blick bot er ihr an.
    Livia, möchtest du etwas trinken? Oder etwas Leichtes nach unserem Mahl?

  • Interessiert und ebenso hartnäckig verfolgt Livia dieses spannende Thema weiter. Sie kann es dabei nicht verhindern, dass ein verschmitztes Lächeln auf ihrem Gesicht erscheint.


    "Ich bin mir sicher, dass dir bei den Wagenrennen noch anmutigere Objekte ins Auge gefallen sind, als die Pferde auf der Rennbahn. Eine hübsche Flavia vielleicht? Oder eine anmutige Claudia? Konntest du ergründen, ob auch sie diesen Witz und die Ironie besitzt?" :]


    Auf seine weiteren Worte hin sieht sie ihn ein wenig vorwurfsvoll an.


    "Selbstverständlich wirst du willkommen sein. Schließlich bin ich die künftige Hausherrin und der gnädige Herr des Hauses täte nicht wohl, mir in diesem Punkt zu widersprechen. Seine Lieblingsautoren sind mir noch nicht namentlich bekannt. Er interessiert sich jedenfalls sehr für das Theater und kann einer qualitativ guten Aufführung kaum widerstehen. Bei Zeiten werde ich mich gerne um deinetwillen erkundigen und dir von den genannten Schriftstellern berichten. Doch hoffe ich sehr, dass deine Besuche nicht einzig meinem Gemahl gelten. Im Gegenteil würde ich mir gar wünschen, dass du mich im speziellen besuchst und wir das ein oder andere Gespräch in ungestörter Zweisamkeit führen können."


    Livia befürchtet, dass es nach der Hochzeit nicht lange dauern könnte, bis sie seine Gesellschaft und ein vertrautes Gespräch sehnlichst herbeiwünschen wird, um ihrer Ehe zumindest für eine kurze Zeitspanne zu entkommen. Aufmerksam lauscht sie seinen Plänen bezüglich der Ludi Apollinaris und macht dabei ein nachdenkliches Gesicht.


    "Für gewöhnlich werden die Ludi von den Aediles organisiert und finanziert. Du beabsichtigst nicht gar langfristig eine Kandidatur zu dieses Amt? Doch ich fürchte, dass du die Kosten in diesem Falle selbst tragen müsstest. Es wäre höchst ungewöhnlich, wenn ein Aedil um Spenden würbe. So es mir möglich ist, werde ich dich in dieser Sache selbstverständlich auch finanziell unterstützen. Doch sei dir dessen bewusst, dass ein solches Spektakel einen hohen Preis fordert. Der Part des Cultus Deorum bezieht sich in diesen Angelegenheiten meist auf das rein kultische. Die Kosten für die Opfergaben et cetera bestreiten selbstverständlich ebenfalls die Veranstalter."


    Lächelnd bemerkt Livia seinen entschuldigenden Blick und sie nickt gnädig.


    "Sehr gerne. Ein Glas Wasser wäre mir nun genau das Rechte."

  • Flaccus hatte es schon damals geahnt, dass dieses Thema seine Schwester mehr als alles andere beschäftigen würde und sie es stets auch ungezwungen wieder aufgreifen würde.
    Hielte ich mich an so manches, was du aus den Schriften des Ovid ansprichst, dann täte ich gut daran, eine Frau in der Menge zu finden, die viel Witz hat und Ironie versteht. Aber ich kann deiner Neugier Abhilfe schaffen; ich habe dort weder eine hübsche Flavia noch eine anmutige Claudia getroffen, was nicht heißen soll, dass es derer Rom ermangelte.
    Ein wenig wehleidig schaute Flaccus durch den Raum. Die Abwesenheit seiner Schwester würde das Haus geradezu leer wirken lassen. Das Besuchen seiner Schwester unter der Woche würde gewiss etwas dieser Leere nehmen.
    Für das Theater interessiert er sich? Nun, dann werden wohl besonders die griechischen Autoren seine Freude wecken und auch Terenz, der seinen größten Erfolg wohl mit dem Eunuchus feierte.
    Flaccus sah in eine Ecke des Raumes und musste lächeln, als er sich an das Stück erinnerte.
    Meine Besuche würden natürlich dir gelten, doch wären die Gespräche mit deinem Gemahl gewiss auch eine Bereicherung für mich. Es ist sehr bedauerlich, dass ich so viele Jahre in den östlichen Gebieten des Reiches zugebracht habe und jetzt, da ich wieder da bin, meine Schwester die Familie verlässt und von einem Mann in die Ehe geführt wird. Ich habe wirklich zu viel versäumt.
    Hast du mit Hungaricus denn bereits über die Organisation der Ehezeremonie und der Feierlichkeiten abgesprochen? Sind die Gästelisten fertig?

    Nachdem er gemerkt hatte, dass dieses Thema in ihm selbst Unbehagen hervorgerufen hatte, wechselte er schnell zu den anstehenden Aufgaben, bei denen er seine Schwester noch unterstützen könnte.
    Dass Livia auch nur annähernd glaubte, dass Flaccus das Amt eines Aedilen auszufüllen gedacht hätte, verwunderte ihn sehr.
    Nein, Livia, die Aedile sollen sich nur um die Rennen der Pferde kümmern, damit habe ich nichts zu tun. Doch ich möchte, dass auch die Zeremonie beim öffentlichen Opfer prunkvoll ist, ich möchte auch wissen, welche Ludi Scaenici die Aedilen planen. Doch dass diese Personen die gesamten finanziellen Aufwendungen tragen werden, wusste ich nicht. Ich hatte vermutet, dass das Kultische durch den Cultus Deorum mitgetragen wird. Diese Spiele sind von altersher die wichtigsten kultischen Feierlichkeiten zu Ehren des Gottes Apoll. Ich werde mich daher informieren und die Aedile zu gegebener Zeit aufsuchen. Nachlässigkeiten dürfen den Gott nicht verärgern.
    Flaccus war aufgestanden und zu dem kleinen Tisch an der anderen Seite des Raumes geganden. Während er noch seine Sätze vollendete, goss er Livia aus einer Kanne aus grünem Glas etwas Wasser in einen Becher.

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