Bibliotheca

  • Interessiert beobachtete sie den älteren Herrn bei seiner Tätigkeit. Höflicherweise hätte sie ihm nun ihre Hilfe angeboten, aber von überflüssigen Floskeln hielt sie nicht viel. Würde sie ihm wirklich zur Hand gehen, würde sie seine Ordnung in Chaos verwandeln und vermutlich auch noch im Weg stehen. So blieb sie sitzen und gab sich mit der Zuschauerrolle zufrieden. Als seine erneute Nachfrage zu ihr herüber schall, setzte ihr Herz kurz auf. War nun doch das Umögliche eingetreten und ein Nachweis...? Nein.
    >Prudentius Vinianus.< erwiderte sie knapp, weiterer Worte nicht mächtig. Neugierig blickte sie zu ihm auf als sei er der, noch nicht erfundene, Weihnachtsmann.

  • Er murmelte wieder etwas und rollte die Schriftrolle ein Stück weiter aus. "Mhhh." machte er. Er schaute intensiv auf das Schriftstück und nickte. "Es ist zwar kein absoluter Treffer, aber zumindest habe ich hier etwas annäherndes gefunden." sagte er.


    Er kam mit der Rolle an den Tisch und breitete sie aus. Griechische und lateinische Textpassagen waren darauf verteilt und mit kunstvollen Ornamenten (vornehmlich Eulen und einige kleine Götterdarstellungen) verziert.


    Er deutete auf eine Stelle in einer der griechischen Passagen. "Scheinbar hat ein ähnlicher Name eine gewisse Tradition in der Vergangenheit der Familie gehabt."

  • Etwas hilflos betrachtete sie das Schriftstück als es vor ihr niedergelegt wurde. War schon ihr Latinum recht brüchig, reichte ihr griechisch nicht einmal für 'Hallo'. Geschweige denn, dass ihr die Schriftzeichen überhaupt bekannt vorkamen. Allerdings nickte sie höflich.
    >Inwiefern... könnte das denn etwas mit meinem Vater zu tun gehabt haben?< ließ sie zaghaft ihre Frage erklingen und wandte ihren Blick fragend gen Commodus, um ihn kurz darauf wieder auf das Schriftstück sinken zu lassen. Nun kam ein kurzer Moment, da sie sich stärker denn je nach der Einfachheit der Germanen zurücksehnte, die ihre Kultur anders, aber nicht schlechter aufgebaut hatten.

  • "Nun, es gibt in unserer Familie wenig Abwechslung bei den Namen. Zumindest früher war das so." sagte er und rollte langsam die Schriftrolle zusammen.


    "Da dein Vater diesen Namen trägt, könnte man vermuten, dass er ihn aufgrund dieser Familientradition erhalten hat. Wenn dem so ist, so wäre das ein Zeichen für eine Verwandtschaft."


    Er lächelte aufmunternd.


    "Hat dein Vater Brüder?"

  • >Wenn ich das nur wüsste. Aufgrund dieser Schwierigkeit kehrte ich überhaupt in andere Gefilde ein. Als mein Vater .. noch lebte.< Wider Willens musste sie kurz innehalten. Die Wunden waren noch zu frisch und just in diesem Moment wurden sie wieder aufgerissen. Seit 5 Tagen weilte er nun unter den Göttern, gleich ob es germanische oder römische waren.
    >Nun.. nach seinem Tod war ich allein. Meine Mutter verstarb schon ehe mein richtiges Leben begann. Er hat mir gegenüber nie irgendwelche Verwandtschaft erwähnt. Wen ich darauf zu sprechen kam, meinte er, wir hätten keine weitere Verwandtschaft und seine Laune verschlechterte sich drastisch. Das weckte natürlich meine Neugierde, sodass ich nach seinem Tod nach Mogontiacum ging. Ich wollte unter Menschen und Freunde finden, die mir in ein neues Leben helfen konnten. Und ich hoffte, Verwandte zu finden.< Sie wusste, ihre Ansprache würde gewiss keinen Lyrikerpreis gewinnen, aber das war auch nicht wichtig. Wichtig war nur, dass sie ihm den Sachverhalt korrekt dargestellt hatte. Fragend sah sie ihm direkt in die Augen. Ihre nussbraunen Augen waren mit einer richtigen Ruhe gefüllt und doch ersehnten sie eine klärende Antwort.
    >Ich glaubte ihm nie.< schloss sie ihre Worte nach kurzem Schweigen ab.

  • Commodus lächelte sie warm an. "Mach dir keine Sorgen, wir finden schon ein paar Verwandte für dich."


    Er legte die Schriftrolle auf einen Beistelltisch und suchte in den Regalen nach etwas anderem.


    "Sprach dein Vater jemals über seinen Vater? Vielleicht wenigstens einen Namen?"

  • >Nein, über seinen Vater sprach er nie. Aber Großmutter verbrachte die letzten Jahre ihres Lebens bei uns. Ich kann mich kaum noch an sie erinnern, aber ihren Namen kenne ich noch. Prudentia Urbica. Nur dieser Name und ihr Gesicht sind mir in Einnerung geblieben.< gab sie kurz zur Erklärung. In Anbetracht seiner langen Ahnengeschichte war es ihr beinahe unangenehm sowenig über ihre eigenen Vorfahren zu wissen. Aber ein junges Mädchen interessiert sich ohne gegebenen Grund nicht für derlei Dinge.
    >Es schien mir stets so, dass Vater abschließen wollte. Neu anfangen. Aber mir selbst als Frau ist es nicht vergönnt, neu anzufangen. Das Leben ist viel zu vielfältig und gefahrvoll als dass ich es allein beschreiten könnte.< fügte sie, durch sein warmes Lächeln beruhigt, hinten an.
    >Aber ich möchte auch gar nicht stören! Wenn es dir lieber ist, kann ich auch wieder gehen und ein andern Mal wiederkehren. Ich raubte dir schon genug deiner Zeit.< beteuerte sie mit einem ehrlichen Blick.

  • "Du störst mich nicht, junge Aquilia." sagte er und bekräftigte dies mit einem weiteren ehrlichen Lächeln. "Ich freue mich sogar mal wieder etwas Abwechslung zu haben."


    Er zog einen kleinen Stapel Papyri aus einem Regal. "Die Erinnerungen meines Vaters. Oder zumindest das, was zu schreiben er noch in der Lage war."


    Er breitete die Papyri auf dem Tisch aus und alle waren in der zittrigen Handschrift eines alten, gebrechlichen Mannes beschrieben.


    "Mein Vater hatte ein paar Geschwister. Hauptsächlich Schwestern, unter ihnen auch meine Tante Aquilia." Er suchte die Papyri ab und nahm eines in die Hand. "Hier ist es ja."


    [eine Menge Text]
    ... wurde ich geboren...
    [mehr Text]
    ... meine Schwestern Aquilia, Leontia, Helena und Valeria...
    [noch viel mehr Text]
    ...auch noch ein Bruder Kaeso...
    [und noch ein Bisschen Text]


    Commodus grübelte etwas. "Ich erinnere mich nicht an einen Onkel Kaeso."

  • Ihr Lächeln wirkte noch immer etwas verunsichert, denn sie konnte sich nicht sicher sein, ob er ihre Anwesenheit nur aus Höflichkeit guthieß oder sich wirklich darüber freute. Dennoch versuchte sie alle ehrliche Freude in ihren Blick zu legen und versuchte damit ihre Unsicherheit zu überspielen. Außerdem konzentrierte sie sich auf diszipliniertes Schweigen, denn beinahe hätte sie voller Überraschung gefragt ob sein Vater denn auch schon verschieden sei. In Anbetracht seines Alters wäre dies eine äußerst überflüssige Frage gewesen.
    >Wäre es vielleicht möglich, dass ich nach dieser Tante benannt wurde?< fragte sie interessiert. Sie mochte nicht daran glauben, zumal es diesen Namen sicherlich häufig gab. Und doch sprang ein kleiner Hoffnungsfunke in ihrem Herzen hin und her. Vermutlich durch seine letzten Worte hervorgerufen, dass ihm der Name Kaeso nichts sagte.. Es mochte sehr weit hergeholt sein, aber wenn er wirklich nur diesen nicht kannte...? Vielleicht mochte er ja ihrer beider Bindungsglied sein?

  • "Das ist sicherlich möglich. Wie gesagt werden in der Familie häufig Namen von Vorfahren vergeben." Er schob einige der Papyri hin und her und fand auf einem einen angefangenen Stammbaum.


    Er deutete auf einen Namen. GAIUS P COMMODUS "Das bin ich." Dann fuhr er eine davon ausgehende Linie entlang nach oben. Dort stiess er auf den Namen MARCUS P BALBUS. "Mein Vater." kommentierte er kurz.


    Links und rechts davon gruppierten sich mehrere Namen. P AQUILIA stand da neben P LEONTIA auf der linken Seite. Auf der rechten war, eingerahmt von P HELENA und P VALERIA, auch der Name KAESO P SOLINUS zu finden.


    "Da haben wir ihn ja."

  • Ohne dass sie es selbst groß realisiert hätte, stand, sie während er den Stammbaum mit dem Finger nachfuhr, auf, und beugte sich zu ihm über den Tisch. Die Tragweite dieser Recherche wurde ihr immer bewusster. Nie hatte sie darüber nachgedacht was wäre, wenn sie mehr Familie hätte. Die Germanen und ihr Vater waren ihr stets Familie genug gewesen. Rasch zog sie mit ihren Augen die Linie nach und erkannte an Solinus' Seite jemanden, den sie zu sehen erhofft hatte.
    >Urbica.< kämpfte es sich heiser vor Verblüffung über ihre Lippen. Es konnten keine Zweifel bestehen. Würde es nicht ihre Großmutter sein... Nein. Die Götter haben sie wohlweislich mit Commodus zusammengeführt. Irrtum war vollkommen ausgeschlossen. Auch, wenn unter Urbica kein Strich mehr abging. Laut des Stammbaums hatte sie keinen Sohn geboren. Etwas unsicher hob sie ihren Blick an, um ihn in Commodus Augen zu richten. Sie öffnete den Mund um etwas zu sagen, doch esrang nichts darüber, außer einem..
    >Warum?<

  • >Nunja, ich bin mir sicher dass dies meine Großmutter darstellt. Aber... Wo istmein Vater?< Prudentia warf einen weiteren, hoffnungsvollen wie sinnlosen Blick auf den Stammbaum. Da war nichts. Es schien als habe ihr Vater nie existiert. Und das konnte entweder heißen, dass es wirklich so war, oder dass er in Schande geraten ist. Allerdings konnte man in beiden Fällen jedoch nicht seine Existenz nachweisen. Sie ließ ein leises Seufzen hören und ließ sich in ihren Stuhl zurücksinken. Etwas ratlos sah sie zu dem älteren Senator.
    >Und nun?< stellte sie ihre entmutigte Frage.

  • "Nun ja, wie gesagt, ich kenne deinen potentiellen Grossvater nicht und das obwohl er mein Onkel ist. Ich vermute mal, dass mein Vater an dieser Stelle einfach etwas selektiv vorgegangen ist." sagte er.


    "Wahrscheinlich gab es irgendein Problem zwischen beiden und mein Vater hat diesen Teil der Familie nicht weiterverfolgt."


    Er blickte sie aufmunternd an.


    "Jetzt werden wir mal sehen, was meine Tanten dazu sagen. Denn wie mein Vater waren auch sie relativ fleissige Schreiber."


    Er deutete auf eine grosse Kiste, auf deren Deckel das Wappen der Gens Prudentia und mehrere griechische Wörter zu sehen waren.


    "Allerdings bin ich noch nicht dazu gekommen diese Schriftstücke zu sortieren, da ich sie erst vor kurzem aus Athen bekommen habe." Das die Kiste nun schon seit mehreren Jahren in seinem Besitz war, erwähnte er nicht weiter.

  • Leicht zwiegespalten ließ sie ein bestätigendes Nicken erkennen. Wie sie schon im Atrium beschlossen hatte, ließ sie sich nun wieder mitschleifen, denn angesichts der Informationen fühlte sich die einfache Aquilia überfordert. In ihrem Kopf arbeitete es fieberhaft, ehe sie leise eine Frage stellte.
    >Commodus! Ist es vielleicht möglich, dass Vater ungern gesehen ward, da er eng mit den Germanen anbandelte?< Beinahe fixierend betrachtete sie Commodus. Die derzeitigen Spannungen hatte sie durchaus mitbekommem und Vinicanus stellte sich zumeist eher auf die germanische Seite. Die Germanen waren nicht nur Handelspartner, sondern auch Freunde und Familie gewesen - besonders für sie. Und hatte ihr Vater es zuvor ähnlich gehalten und der Rest der Familie war deshalb gereizt, mochte es durchaus zu stärkeren Spannungen gekommen sein.

  • "Das ist durchaus möglich. Mein Vater war in seinen jungen Jahren kein wirklicher Freund der Germanen. Er war immer stolz auf Rom und seine Überlegenheit den anderen Völkern gegenüber." sagte er, während er den Deckel der Kiste anhob und zurück schob.


    Er winkte sie zu sich. "Hilf mir bitte kurz." Er griff hinein und machte sich bereit mit ihr gemeinsam ein grosses Bündel herauszuheben.

  • Seine Worte ermutigten sie aufs Neue. Es mochte schließlich durchaus sein, dass Vinianus aufgrund solcherei Begründungen aus der Familie ausgeschlossen wurde. Oder er sich selbst ausschloss? Auch dies war nicht von der Hand zu weisen, denn er war immer sehr stolz auf seinen eigenen Weg gewesen. Häufig zu stolz. Vielleicht würden sie in dieser Kiste noch einen weiteren Hinweis finden. Rasch erhob sie sich aus ihrem Stuhl und begab sich zu Commodus. Als sie ihre Hände in die Kiste steckte, kam ihr eine kleine Staubwolke entgegen die sie husten ließ.
    >Uff. Sicher dass die Dokumente noch nicht zu Staub zerfallen sind?< schoss es ihr über die Lippen, was sie alsbald bereute. Wieder verfluchte sie ihre manches Mal zu rasche Zunge und blickte Commodus entschuldigend an.
    >Ich meine... vielleicht stand diese Kiste ja über einen längeren Zeitraum in Athen, ohne dass sich jemand ihrer annahm.< fügte sie ihre voreilige Bemerkung entschuldigend hinzu.

  • Commodus lachte. "Sie stand eine Weile in Athen in einem kalten, trockenen Lagerraum bei einem meiner Geschäftspartner."


    Er zog, mit ihrer Hilfe, das Bündel heraus und die beiden trugen es zum Tisch, wo es neben den Papyri seines Vaters platziert wurde.


    "Ich befürchte, dass dies etwas länger dauern wird. Vielleicht sollten wir uns eine Kleinigkeit zu essen bringen lassen."

  • Die Worte 'wir' und 'uns' und was noch alles in der ersten Form des Plurals genannt wurde, riefen Nervosität in ihr auf. Vermutlich würde sie sich ihre zweite Pleite bald anrechnen lassen dürfen, da sie nur sehr schlecht lesen und schreiben konnte. Die lateinische Sprache ging einigermaßen, bedachte man dass sie einige Worte eher weniger gut verstand. Doch wenn sie griechisch lesen musste - wonach es aussah - würde sie einen absoluten Reinfall erleben.
    >Ähm. Ja, aber für mich wirklich nur eine Kleinigkeit. Ich habe keinen allzu großen Hunger.< sagte sie bescheidenen Tonfalls. Innerlich musste sie über sich selbst lachen. Woher nur kam dieser geringe Hunger? Sie könnte ihren ausgehungerten Magen mit den erlesensten Köstlichkeiten füllen, aber all die Aufregung schien eine Klappe in ihrer Speiseröhre verschlossen zu haben. Ein weiterer, hilfloser Blick traf die Schriften und anschließend Commodus, aber mutig - oder doch eher feige? - behielt sie ihre Sorgen für sich.

  • Commodus ging zur Tür und trug einer Sklavin, die gerade damit beschäftigt war zu den Flur zu wischen, auf, in der Küche einige kleine Speisen und Getränke vorbereiten und herbringen zu lassen.


    Dann kehrte er zum Tisch zurück und wandte sich dem Bündel zu. Die Papyri wurden durch eine Kordel zusammengehalten, deren Knoten er nun öffnete.


    "Latein oder Griechisch?" fragte er mit einem leichten Grinsen.

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