Es war schon spät am Nachmittag, fast schon am Abend würde manch ein Pessimist sagen, als Avitus durch die Strassen der Stadt wandelte. Ohne eigentlich ein festes Ziel vor Augen ging er durch die Stadt, um sie sich näher anzusehen. Es war das erste Mal seit seiner Versetzung, dass er sich Zeit nahm, mal woanders hin als in eine Taberna zu gehen. Er war in Zivil gekleidet, hatte eine bescheidene, jedoch lange cremefarbene Tunika und eine rostrote Toga an, unter der sich der Cingulum, der Soldatengürtel samt Pugio verbarg. Man konnte ja nie wissen.
Derweil verstärkte sich der Regen etwas. Die Tropfen fielen nun nicht mehr vereinzelt und ein sanfter Wind ließ sie etwas seitlich fallen. Es war recht kühl geworden und die Strassen leerten sich etwas. Nur wer unbedingt musste, blieb im Regen draußen stehen.
Auch Avitus suchte eine Deckung und stellte sich unter ein Dach, das günstig ausgerichtet war und den seitlich fallenden Regen nicht durchließ. Einige weitere Menschen standen bereits dort. Zwei Frauen, offenbar Nicht-Römerinen, unterhielten sich in einem schwer verständlichen Dialekt. Avitus versuchte zuzuhören und zu verstehen, gab es jedoch nach kurzer Zeit auf.
Insgesamt waren es wohl an die zehn Menschen, die unter diesem Dach, das aus der Seitenwand eines Wohngebäudes ragte und von zwei Stützbalken getragen wurde, Deckung vor dem Regen suchten. Sonst musste an dieser Stelle wohl der Stand eines Händlers gewesen sein, doch im Moment war der Platz frei und ideal, um unter das Dach zu schlüpfen.
Einige Soldaten gingen – dem Regen strotzend – an der Menge vorbei, sie keines Blickes würdigend. Avitus lächelte. Hätte er die Uniform angehabt, würde er sich genau so verhalten haben. Hätte auch so getan, als ob ihm die ekelhaft kalten Tropfen, die den Rücken entlangliefen, nichts ausmachten.
Er sah sich um. Die Menschen unterhielten sich, allen voran die zwei Nicht-Römerinen, die sich – zwar leise und dennoch – aufgeregt irgendwas zu erzählen hatten. Nun hieß es, den Regen abzuwarten, um seine Tour durch die Stadt fortzusetzen. Notfalls müsste er früher oder später zum Castellum zurück und dann in Kauf nehmen, dort durchnässt und durchgefroren anzukommen und sich in seine Decke zu hüllen. Er hoffte, dass sich bald wieder blauer Himmel wenigstens ansatzweise durch die dichte Wolkendecke würde blicken lassen...