• Nachdem sie die ersten Schritte schweigend gegangen waren, begann Macer dem Bewerber ein paar neugierge Fragen zu stellen: "Da hat mir dein Bruder gar nichts von gesagt, dass Du Scriba werden möchtest. War das eine plötzliche Idee? Oder weiss er gar nichts davon?"

  • Zunächst war Milo ein wenig erstaunt ob der Wahl des Gesprächsortes. Doch der Spaziergang kam ihm eigentlich gerade recht, so dass er zustimmend nickte und dem Aedil folgte. Auf die Fragen hin nickte Milo und lächelte leicht. Es würde wohl noch eine Zeit dauern, bis man sich hier an seine Existenz gewöhnt hatte.
    "Er weiß noch nicht lange von meinem Vorhaben, so viel steht fest. Er weiß nämlich erst seit kurzem überhaupt von mir. Wir wuchsen bei zwei unterschiedlichen Familien auf. Ich kehrte erst vor wenigen Tagen aus der schönen Stadt Baiae, in welcher ich den Großteil meiner Kindheit und Jugend zubrachte, hierher nach Rom zurück. Die Absicht, mich sinnvoll in Verwaltung und Politik einzubringen, hege ich hingegen schon seit längerem. Es liegt wohl nicht in der Tradition unserer Familie, die Hände in den Schoß zu legen und den Dingen seinen Lauf zu lassen. Für eine angemessene Ausbildung und Erziehung hat meine Ziehmutter selbstverständlich gesorgt, so dass ich mir sicher bin die notwendigen Fähigkeiten für dieses Amt zu besitzen. Allein die Praxis und die Erfahrung fehlt mir wohl noch. In einem Gespräch mit Furianus informierte ich mich nun über die Möglichkeiten hier in Rom und er befürwortete diese Idee. Hast du denn Arbeit für einen Scriba?"
    Milo überlegte schon, wann er das heikle Thema der Entlohnung ansprechen sollte. Doch noch war es nicht so weit.

  • Macer hörte der Erzählung des Flaviers gespannt zu. "Das ist ja eine interessante Geschichte. Zwei Brüder, die getrennt aufwachsen, sich nicht kennen und dann plötzlich zusammen kommen - was es nicht alles gibt.


    Was deine Fähigkeiten angeht, werden wir schauen müssen, auch wenn ich natürlich keine Zweifel habe. Du kannst Schreiben und gut Rechnen, nehme ich an? Mit dem Abacus solltest Du vertraut sein und eine Waage solltest Du auch schon mal in der Hand gehabt haben."


    Für einen Patrizier, der eine angemessene Ausbildung erhalten hatte, sollte das keine Problem sein, dachte sich Macer. "Das mit der Praxis bekommen wir schon hin, die werden wir zu Genüge haben. Arbeit für einen Scriba habe ich nämlich in jedem Fall."

  • Milo nickte jeweils bestätigend zu den Fragen des Aedilis. Er verzichete großmütig darauf, beleidigt zu sein dass man ihm diese Fragen überhaupt erst stellte. Nun jedoch hielt er den Zeitpunkt endlich für gekommen.
    "Sehr schön. Ich bin zuversichtlich, dass sich eine produktive und angenehme Zusammenarbeit ergeben wird. Wird mein Aufgabenbereich einen breiten Themenkomplex umfassen, oder gibt es spezielle Einsatzgebiete, an die du gedacht hattest? Eine weitere Frage interessiert mich natürlich ebenfalls sehr: Wie ist es um den pekuniären Teil dieser Vereinbarung bestellt?"
    Er lächelte höflich und sah Macer fragend an.

  • "Es wird wohl eher ein breites Aufgabenspektrum sein, was dich erwartet. Ich hörte aus deinen Ausführungen eben heraus, dass Du einen Einblick in die Arbeit als Magistrat haben möchtest, um dann selber in Politik oder Verwaltung tätig zu werden. Liege ich da richtig? Dann wäre es ja besonders sinnvoll, wenn Du möglichst abwechslungsreiche Aufgaben kennenlernst und nicht nur ein paar spezialaufgaben. Für letztere gibt es genug andere Gehilfen der Aedilen."


    Damit, dass die Frage nach der Entlohnung gestellt wurde, hatte Macer früher oder später gerechnet. Nun kam sie also früher. "Ich nehme an, Du möchtest mehr verdienen als ein einfacher Schreiber, was bei entsprechender Qualifikation ja auch völlig berechtigt ist. Andererseits gehe ich davon aus, dass Du das Geld nicht brauchst, um deinen Lebensunterhalt zu bestreiten." Macer gestattete sich diese Offenheit, denn die Flavier besaßen größere Landgüter, soweit er wusste.


    "Ein Aureus", sagte er dann nach einer kurzen Pause knapp und präzise und schaute den Flavier abwartend an.

  • "Deine Annahmen sind korrekt. Eine derartiges Spektrum käme mir somit sehr entgegen und ich bin einverstanden. Mein Bruder schlug im übrigen vor, dass ich mich persönlich in Hispania um euren Kontakt zur Schule der Gladiatoren kümmern könne. Natürlich hätte das den Nachteil, dass ich für geraume Zeit abkömmlich wäre und somit hier in Rom keinen Aufgaben nachgehen könnte. Ich persönlich würde meinen Vorzug daher dem Verweilen in Rom geben. Doch die Entscheidung liegt diesbezüglich selbstverständlich bei dir."
    Milo atmete tief durch und strich sich nachdenklich über das Kinn.
    "Dies ist wohl wahr. Für mein Überleben ist gesorgt. Doch eine gute Arbeit verdient auch einen guten Lohn. Suum cuique. Ein Aureus und zwanzig Denare."

  • Macer schmunzelte. Sein Gegenüber schien handeln zu können. "Nochmal 20 Denare dazu ist zu viel."


    Bevor er sein nächstes Angebot machte, streute er erst einmal eine weitere Frage ein: "Hast Du auch deinen Bruder um Zusammenarbeit ersucht oder wolltest Du bewusst nicht mit ihm zusammen arbeiten? Immerhin wäre es ja ungewöhnlich, wenn der Volksaedil den Bruder seines patrizischen Kollegen als Scriba hätte."


    Sein nächstes Angebot kam wenig später: "Treffen wir uns bei insgesamt 35 Denaren?"

  • Milo nickte und nahm die Ablehung des Betrags gelassen entgegen. Ohne Hast wandte er seine Aufmerksamkeit während sie weitergingen zunächst der gestellten Frage zu.
    "Ich wollte bewusst nicht mit ihm zusammenarbeiten. Da ich für meine persönliche Zukunft noch einige Pläne habe, strebe ich momentan nach einem guten persönlichen Ruf und vorzeigbaren Referenzen, auf denen sich aufbauen lässt. Eine Zusammenarbeit mit meinem Bruder wäre sicher bequem, doch müsste ich wohl stets damit rechnen, dem Verdacht auf Müßiggang ausgesetzt zu sein. Einen solchen Eindruck zu erwecken möchte ich tunlichst vermeiden, so dass ich einen Posten bei einem Nichtmitglied der Familie vorziehe. Was den familiären Umgang angeht, bleibt mir schließlich noch immer die heimische Villa. Dazu ist die Arbeit nicht da."
    Er räusperte sich kurz und überlegte. Dann nickte Milo zustimmend, blieb stehen und bot Macer seine Hand an, um die Abmachung zu besiegeln.
    "Es sei. 35 Denare."

  • "Das sind ehrenwerte Absichten", musste Macer zustimmen. "Die Geschichte hat schon einige beachtenswerte Brüderpaare in der Politik hervor gebracht und das in höheren Ämtern, da ist es durchaus richtig, nicht schon als Aedil und Scriba zusammen zu arbeiten."


    Dass die Arbeit als sein Scriba eine gute Referezen sein soll, liess Macer zufrieden lächeln. Er sollte sich langsam daran gewöhnen, dass die Leute ihn für wichtig hielten, dachte er sich.


    Dann bleib er ebenfalls stehen. "Abgemacht. Dann sind es 35 Denare und die Aussicht auf einen guten Start ins öffentliche Leben, die dich für deine Arbeit als mein Scriba entlohnen werden." Er nahm die gereichte Hand an.


    "Ich werde dafür sorgen, dass Du einen Arbeitsplatz in meinem Büro bekommst. Das ist groß genug, außerdem werden wir ja auch immer wieder entweder zusammen oder getrennt in der Stadt unterwegs sein. Bist Du gut zu Fuß?"

  • "Danke. Es ist mir eine Ehre."
    Milo war zufrieden und drückte die Hand kurz, bevor er sie wieder los ließ und sie ihren Weg fortsetzten. Der Aedil machte bereits einen vorzüglichen Eindruck auf ihn. Er erinnerte sich der lobenden Worte seines Bruders und konnte ihnen nun nur beipflichten.
    "Ich bin kein Mann, der den ganzen Tag untätig auf seiner Kline liegen kann. Meine Kondition dürfte sich in ausreichendem Zustand befinden und für zusätzliches Schuhwerk ist bei Bedarf schnell gesorgt."
    Mit einem Lächeln dachte er an die ausgedehnten nächtlichen Streifzüge, die er mit seinem Ziehbruder durch Baiae veranstaltet hatte. Dadurch hatte Milo schon erste Erfahrungen mit der unterschiedlichen Haltbarkeit von calcei gemacht. Mittlerweile kaufte er ausschließlich einwandfreie Qualitätsware. Er schob den Gedanken beiseite und wandte sich wieder an Macer.
    "Haben wir bereits ein Ziel auf diesem Weg?"

  • "Nun, dann steht einem erfolgreichen Weg ja nichts mehr entgegen", resümierte Macer die Ausführungen zur Kondition seines neuen Scriba.


    "Wir kommen gleich an der Mensa Ponderaria vorbei, an der Du dann wohl auch einen Teil deiner Zeit verbringen wirst. Ich nehme an, eine vergleichbare Einrichtung, vielleicht kleiner, wird dir auch aus anderen Städten bekannt sein.


    Und in den nächsten Tagen wirst Du auch beruflich mit deiner Familie zu tun haben können." Macer grinste hintergründig, klärte diese Ankündigung dann aber doch sofort auf. "Ich sehe gerade die Listen der Betriebe durch, deren Eigentümer verstorben sind. Es ist die Aufgabe der Aedilen, die Erben als neue Besitzer einzutragen oder die betriebe zu verkaufen oder zu schließen. Es sind mir auch einige Betriebe aufgefallen, die auf Flavier eingetragen sind. Um diese könntest Du dich dann zuerst kümmern."

  • Beiläufig rückte Milo ein paar Falten seiner Toga zurecht und nickte zu den Erklärungen des Aedilis. Sonderlich intensiven Kontakt hatte er mit einer Mensa Ponderaria zwar nie gehabt, doch wusste er immerhin von deren Existenz. Alles weitere würde sich ergeben. Die letzten Worte Macers ließen Milo erstaunt aufblicken.
    "Ist denn jemand aus meiner Familie verstorben?"
    Er ließ sich die wenigen ihm bekannten Namen durch den Kopf gehen, sowie die Gespräche mit Furianus seit seiner Rückkehr.
    "Mein Bruder erwähnte nichts dergleichen. Um wen handelt es sich?"

  • Macer wusste, dass es zwei Namen waren, von denen er den einen nicht im Kopf behalten hatte. Den anderen dafür umso besser.


    "Ich werde dir im Officium eine Liste geben, wo das alles drauf steht. Es geht um zwei Personen und insgesamt drei Betriebe. Den einen Namen weiss ich nicht mehr auswendig, aber der andere gehört wohl zu den schillerndsten Namen, die Rom in letzter Zeit gehört hat."


    Vielleicht war das auch der Grund, warum man Milo, der ja offenbar ein wenig abgeschirmt war, nichts von der ehemaligen Familienzugehörigkeit jener Person gesagt hatte.


    "Er lautet Flavia Messalina Oryxa."

  • Milo zuckte mit den Schultern.
    "Tut mir leid, diese Dame ist mir nicht bekannt. Wie ist sie gestorben?"
    Auch auf genauere Überlegungen hin konnte er dem Namen keine Erzählungen seiner Ziehmutter zuordnen. In Bezug auf lasterhafte und schillernde Persönlichkeiten wusste diese zwar viel zu berichten, doch was die Familie betraf, schien sie entweder die Vorfälle oder die Namen zu verschweigen.
    "Was wird meine Aufgabe in diesem Zusammenhang sein? Liegen die Testamente bereits vor, sofern es welche gibt?"

  • Macer hatte detailierte Fragen nach dem Tod befürchtet, als er die erste Reaktion seines Scriba bemerkte. Nun, da musste er jetzt durch.


    "Ich kann die leider keine genaue Antwort geben. Schillernd wie ihr Leben war auch ihr Tod. Es war kein normaler Tod, wie ihn ein einfacher Bürger sterben würde und doch hat sie eines Tages einfach aufgehört zu existieren."


    Den Rest müsste ihm die Familie beibringen, beschloß Macer. Wenn sie es wollte.


    "Mir sind bisher keine Testamente vorgelegt worden, was daran liegen mag, dass ich auch erst seit gestern weiss, das ich mich darum zu kümmern habe. Die letzte gründliche Überprüfung der Betriebslisten liegt offenbar schon länger zurück.
    Festzustellen wäre, wer testamentarisch oder gesetzlich Ansprüche hat oder diese schon wahrgenommen hat. Dann werde ich die Eintragungen entsprechend korrigieren. Ist dies nicht der Fall, müssen wir einen neuen Eigentümer für den Betrieb finden oder ihn schließen."


    Es freute ihn, dass der Scriba gleich so interessiert an den Vorgängen war. Das konnte ja nur eine gute Zusammenarbeit werden.

  • Milo nahm sich vor seinen Bruder bei Gelegenheit nach dieser Person zu befragen. Er stellte fest, dass er in Sachen Familiengeschichte noch einiges nachzuholen hatte. Doch dies war nicht die Aufgabe des Aedils, so dass er zu dem Thema nun schwieg und nur mehr oder minder verstehend nickte. Den weiteren Ausführungen brachte er ebenso große Aufmerksamkeit entgegen.
    "Somit wäre meine erste Aufgabe wohl der Gang zu den Vestalinnen, um das Vorhandensein eines Testaments zu überprüfen. Anschließend werde ich die nächsten noch lebenden Verwandten ermitteln und dir die Ergebnisse all dessen präsentieren. Über das weitere Schicksal des Betriebes wirst du in letzter Instanz selbst entscheiden, nicht wahr?"
    Gedanklich ging er die Arbeitsschritte noch einmal kurz durch und entschied sich zu einer weiteren Nachfrage.
    "Gibt es weitere Testamente, die ich bei der Gelegenheit ebenfalls erfragen könnte? So du mir eine Liste der entsprechenden Namen mit auf den Weg gibst, werde ich dies gerne gleich mit erledigen."

  • "Ja, die Flavier sind nicht die einzigen. Ich musste zwar vor allem viele Anfragen nach Hispania schicken, aber hier in Rom gab es noch jemanden aus der Gens Sergia sowie aus der Gens Aurelia." Zumindest, wenn sich Macer richtig an die vielen Namen erinnerte, die er in den letzten Tagen gelesen und sortiert hatte.


    "Wir klären das alles morgen in Ruhe in meinem Büro, dann kannst Du dir die Namen gleich notieren", entschied er daher.

  • Milo zog die Augenbrauen nachdenklich zusammen.
    "Das werde ich tun."
    Sie kamen an der Mensa Ponderaria an und Milo ließ seinen Blick über die verschiedenen Maßvorgaben wandern.
    "Ein faszinierendes Metier. In welcher Hinsicht werde ich mit diesen Dingen in Kontakt kommen?"

  • "Der Messtisch hier sollte von morgens bis abends besetzt sein, weil immer wieder Händler Fragen haben. Ich selber werde eher selten hier sein können, dafür gibt es meine Gehilfen. Wenn es dir Spass macht, kannst Du auch regulären Dienst hier übernehmen", erläuterte Macer.


    "Und wenn nicht, dann wird es immerhin häufiger passieren können, dass ich dich, wenn wir gemeinsam unterwegs sind, hierher schicken werde, um ein Maß zu prüfen oder ein Messgerät zu holen, wenn wir es woanders brauchen." Auch wenn Milo Patrizier war und der Bruder seines Kollegen, so war er dennoch eben auch ein Scriba, der für sowas zuständig war. "Wenn du dir also bei Gelegenheit einen Überblick verschaffst, wo hier was liegt, dann wäre das sehr hilfreich."


    Macer griff ins Regal, holte einen in der Mitte zusammenklappbaren ein Fuß langen Messtab heraus und drückte ihn Milo in die Hand. "Hier, einen Klappfuß sollte man immer bei sich haben."

  • Milo konnte sich nicht so recht entscheiden, welches der beiden Übel das schlimmere war. Entweder würde er den lieben langen Tag an den Märkten verbringen und sich mit einfachen Händlern aus dem Volk über Lappalien auseinandersetzen, oder wie ein Laufbursche durch Roms belebte Gassen hetzen müssen. Er verschob die Wahl der Qual auf später und sah sich unter den hier vorrätigen Maßvorgaben um. Das Gerät, welches ihm der Aedil sodann plötzlich in die Hand drückte, betrachtete er mit Argwohn. Probehalber klappte Milo den Stab auseinander und betrachtete das Normmaß.
    "Kommt es tatsächlich derart häufig vor, dass um diese Maße gestritten wird?"
    Er sah sich wieder unter den zahlreichen anderen Längen-, Hohlmaßen und Gewichten um.
    "Oder dient diese Einrichtung vielmehr der Abschreckung?"
    Bedächtig klappte er den Stab wieder zusammen und verstaute ihn in einer Falte seiner Toga.

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