• "Es muss nicht immer Streit sein, der die Menschen hier hin treibt", erläuterte Macer. "Das sind natürlich die besonders wichtige Fälle, weil es dann eine rechtsgültige Entscheidung zu treffen gibt, aber sie machen nur einen Teil der Arbeit aus.


    Häufig dient die Mensa Ponderaria auch der Information. Man bemüht sich zwar schon seit Jahren, einheitliche Maße im ganzen Reich einzuführen, aber noch immer werden in den Provinzen abweichende Maße verwendet. Der Fuß, den ich dir eben gegeben habe, ist unser Standardfuß. Aber es gibt mehrere abweichende, sowohl kürzere als auch längere Maße. Griechische Architekten messen zum Beispiel noch gerne im attischen Fuß. Und im germanischen Raum, wo die Mensch ja ein wenig größer sind, hat sich auch ein längeres Fußmaß gebildet.
    Wenn nun Händler Geschäfte über große Distanzen tätigen, dann wollen sie diese Unterschiede berücksichtigen. Wir haben daher auch einige dieser abweichenden Maße hier."
    Macer deutet auf einige Messlatten, die verschiedene Beschriftungen tragen. "Manchmal kommen auch ausländische Händler hier her, um sich ein offizielles Maß geben zu lassen, für das sie dann einfach noch ein paar Kerben in ihre mitgebrachte Messlatte schnitzen."

  • Milo nickte verstehend mit dem Kopf.
    "Ich verstehe" kommentierte er. "Wenn das so ist werde ich, so es meine Zeit erlaubt, die ein oder andere Stunde hier vor Ort zubringen. Eine solche Vielfalt an Maßeinheiten aus den unterschiedlichsten Regionen unseres Reiches scheint mir ein wenig des Studiums wert."
    Dies erschien Milo eine gute Lösung, da er von beiden Übeln ein wenig und damit vielleicht noch jeweils das beste und angenehmste haben würde. Zudem war nicht außer Acht zu lassen, dass er hier vielleicht noch einiges lernen konnte, was ihm später zugute kommen würde.
    "Du erwähntest, dass wir viel Zeit unterwegs auf den Straßen Roms zubringen würden. Handelt es sich in diesem Zusammengang vornehmlich um Kontrollgänge?"

  • "Ja, hauptsächlich sind dies Kontrollgänge", bestätigte Macer. "Meine Aufgaben als Aedil sind vielfältig, ich muss meine Augen an vielen Orte haben. Die Märkte, die Tabernen und Bordelle, die Thermen, die Lagerhäuser, die Tempel, die Wasserversorgung, die Sicherheit auf den Straßen. Da gibt es viel zu prüfen."


    Die Männer gingen langsam weiter und Macer ergänzte noch ein wenig.


    "Einige andere Anliegen werden jedoch auch hinzu kommen. Zum Ende meiner Amtszeit werde ich, wie du weisst, mit deinem Bruder öffentliche Spiele veranstalten, dazu sind natürlich auch viele Absprachen nötig. Und schon sehr viel früher werde ich die Ludi Martiales ausrichten, auch dazu bin ich schon einiges durch die Stadt gelaufen und werde das auch noch tun müssen."

  • Als Macer die Bordelle erwähnte, erschien ein leichtes Lächeln auf Milos Gesicht. Es verschwand jedoch sogleich wieder und wich dem konzentrierten Gesichtsausdruck des Zuhörens.
    "Ja, mein Bruder erwähnte Hispania in diesem Zusammenhang. Wird eine entsprechende Reise dorthin oder gar in andere Provinzen noch von Nöten sein? Oder lassen sich die Absprachen auf Roma und den Briefverkehr beschränken?"
    Sein Blick fiel auf einen Sklavenhändler, der mit zwei Exemplaren seiner Ware vorübereilte.
    "Welches Spektrum werden die benötigten Ressourcen umfassen? Müssen zusätzlich zu Sklaven und Gladiatoren auch noch verschiedenste Tiere aus unseren entfernteren Provinzen eingeführt werden?"

  • Macer freute sich, dass sein neuer Scriba offenbar auch Spass an der Organisation von Spielen fand. Und dass er neben Gladiatoren und Sklaven auch mal an was anderes, nämlich exotische Tiere, dachte.


    "Ja, das habe ich mir schon fest vorgenommen, dass die Zuschauer exotische Tiere zu sehen bekommen werden. Oder sagen wir mal, Tiere aus anderen Provinzen. Wie exotisch die werden, entscheidet mein Geldbeutel. Ich werde zu diesem Zweck sicher auch selber reisen."


    Weitere Absprachen hatte Macer mit seinem Kollegen noch nicht getroffen, also fiel es ihm nicht leicht, schon konkrete Aussagen zu machen.


    "Zu Hispania kann ich noch nichts sagen, dazu muss ich erst mit Furianus sprechen. Wenn er eine Reise für nötig hält und sie nicht selber unterehmen will, dann könnten wir natürlich dich schicken."

  • Milo nickte nachdenklich mit dem Kopf. Er war sich nicht sicher, ob er sich eine solche Reise nach Hispania wünschen sollte oder nicht. Sicher barg sie die Vorteile der Möglichkeit seine Kontakte über die Provinzen hinweg auszudehnen. Andererseits würde er in der Zeit hier in Rom jedoch fehlen. Je nach dem Zeitpunkt dieses Termins erschien ihm diese Option nicht unkritisch. Doch da die Entscheidung größtenteils nicht bei ihm selber lag, verschob Milo diese Gedanken auf später.
    "Ich werde eure Entscheidung natürlich abwarten."
    Er räusperte sich kurz und sprach dann noch ein neues Thema an.
    "Sofern du erlaubst, möchte ich dir gerne noch eine Frage stellen. Ich las kürzlich in der Acta Diurna von den Edikten der beiden Aedile. Vor allem ein Edikt bezüglich eines Haftbefehls fiel mir in diesem Zusammenhang auf. Gehört es tatsächlich zum regulären Tageswerk eines Aedilis, Haftbefehle zu verhängen?"

  • Macer musste schmunzeln. "Zum regulären Tagwerk zum Glück nicht, da sich die meisten Händler vorher einsichtig zeigen. Grundsätzlich gehört es aber schon dazu, weil wir in unserem Bereich die Rechtssprechung ausüben. Im Prinzip ist das aktuell gültige Handelsrecht nur eine Sammlung der Edikte unserer vielen Vorgänger."


    Was es manchmal nicht ganz einfach machte, damit umzugehen, wie Macer schon festgestellt hatte.


    "Und wenn die üblichen Geldstrafen nicht reichen oder nicht gezahlt werden, dann müssen wir eben auch mal einen Haftbefehl ausstellen. Vollstreckt werden diese aber selten, denn meistens haben säumige Strafzahler die Stadt längst verlassen und sind vorsichtig genug, nicht zurück zu kehren."

  • Milo sah den Aedil erstaunt an.
    "Sind die Edikte denn entsprechend übersichtlich gelagert und sortiert? Ich kann mir das kaum überschaubar vorstellen. Ist vor jedem neu erlassenen Edikt stets zu recherchieren? Oder seid ihr derart versiert in unserer Rechtssprechung, als dass ihr diese komplexe Materie komplett erfasst habt?"
    Er konnte sich kaum vorstellen, wie sein Bruder dies in so jungen Jahren bereits bewerkstelligt haben sollte.

  • Es freute Macer zwar, offenbar gehörig überschätzt zu werden, aber trotzdem musste er den Kopf schütteln. "Nein, ich bin weit davon entfernt, auf dem Gebiet des Handelsrechts völlig versiert zu sein. Ich habe mein Amt ja erst vor kurzem angetreten und diente vorher in Germania als Statthalter und davor als Legionslegat. Meine letzten intensiveren Kontakte mit dem Handelsrecht liegen schon länger zurück."


    Dass er sich deshalb sogar die Mühe machte, sich fast wie ein Schüler mit einer Wachstafel in Gerichtsprozesse zu setzen, die sich um Edikte des Aedilen drehten, erwähnte er nicht. Milo würde es ohnehin bemerken, wenn er ihn nicht sogar einmal bewusst mitnehmen sollte.


    "In der Tat muss man zuweilen ein wenig recherchieren, wenn man einen seltenen Sachverhalt vorliegen hat. Viele häufige Fälle sind allerdings in der Lex Meractus abgedeckt. Für die anderen werden die alten Edikte archiviert und müssen dann mühsam durchsucht werden."


    In Macers Kopf hatte sich inzwischen allerdings schon der Gedanke eingenistet, dass man vielleicht die Lex Mercatus einmal überarbeiten könnte.

  • Erstaunt sah Milo sein Gegenüber an. Diese Stationen aus Macers Vorgeschichte hatte sein Bruder ihm verschwiegen und wieder musste er sein Bild von dem Aedil ein wenig ändern. Er überlegte, wie alt Macer bei einem bereits so bewegten Lebenslauf wohl schon sein musste. Diese Frage auch laut zu stellen wagte er natürlich nicht.
    "Im Zweifel werden wir schon noch genug altgediente Scribae und andere Angestellte in der Basilica Iuliana finden, für welche die zahlreichen Edikte der Vergangenheit zum täglichen Brot mit dazu gehören."
    Er lächelte und strich sich nachdenklich über das Kinn.
    "Dennoch klingt all dies wohl nach einer wenig praktikablen Lösung. Für den Fall, dass ich mich eines Tages zu ähnlichen Sphären wie mein Bruder aufschwingen will, sollte ich die Augen nun wohl umso mehr offen halten. Vielleicht sollte man all diese Sonderfälle im Auge behalten und gegebenenfalls auch eine Erweiterung des Gesetzes anstreben. Treten sie überhaupt in einem Umfang auf, welcher eine solche Erweiterung rechtfertigen würde?"

  • Macer war sich sicher, dass Milo eine sehr erfolgreiche Karriere bevor stand - kluge Fragen vermochte er jedenfalls schon hervorragend zu stellen.


    "Du hast völlig recht, ohne die zahlreichen Gehilfen, die man als Aedil hat, wäre es noch um einiges schwerer, den Überblick zu behalten."


    Über die Frage der Gesetzesänderung dachte er eine Zeit lang nach.


    "Die Frage wirst Du mir am Ende meiner Amtszeit stellen müssen, dann werde ich wohl eine Aussage dazu treffen können. Jetzt kann ich nur spekulieren und hoffen, dass ich möglichst wenig ungewöhnliche Fälle zu bearbeiten habe."

  • "Hat es denn bereits ungewöhnliche Fälle gegeben, oder Klagen gegen deine Edikte?"
    Milo überlegte, ob er sich im Falle letzterer die Zeit nehmen sollte, einer entsprechenden Verhandlung beizuwohnen.
    "Wie schlägt sich mein Bruder eigentlich so im Amt? Verläuft die Zusammenarbeit in erfreulichen Bahnen?"
    Er konnte es nicht verhindern, dass ein leichtes Lächeln auf seinem Gesicht erschien. Da er seinen Bruder bislang kaum kannte, interessierten ihn auch die Meinungen von Anderen.

  • Macer ließ ein zufriedenes Lächeln auf seinem Gesicht erscheinen, bevor er antwortete. "Nein, bisher wurden meine Edikte noch nicht angefochten. Es waren aber auch keine ungewöhnlichen Fälle dabei, die einen Einspruch herausgefordert hätten. Überhaupt ist die Zahl meiner Edikte ja noch recht überschaubar."


    Die Fragen nach seinem Kollegen war natürlich nicht mit unbeschwerter Leichtigkeit zu beantworten, denn immerhin war es ja dessen Bruder, der die Frage stellte. Andererseits hatte Macer keinen Grund zur Klage und eine gute Überleitung bot sich geradezu an.


    "Dein Bruder ist diesbezüglich etwas produktiver als ich, von ihm stammen schon mehr Erlasse. Der Haftbefehl, den Du in der Acta Diurna fandest, hat er auch ausgestellt, ebenso wie einige Strafzahlungen, die er angeordnet hat.


    Wir haben uns die Arbeit recht praktisch aufgeteilt, so dass bisher in der Tat alles erfreulich verlief."


    Macer ließ seinen Blick schweifen und blickte seinen Scriba dann aus dem Augenwinkel an.


    "Fragst Du ihn das auch, was er von unserer Zusammenarbeit hält?"

  • Ein wenig enttäuscht war Milo, dass er mangels Einsprüchen nun keine interessante zugehörige Verhandlung besuchen konnte. Doch noch war die Amtszeit nicht vorbei und es gab sicher noch genügend Gelegenheiten für interessante Beobachtungen. Um genau zu sein hatte Milo seine Stelle auch gerade erst angetreten, so dass er wohl wirklich noch nicht mit viel hätte rechnen können. Die nicht geäußerten Enthüllungen in Bezug auf seinen Bruder enttäuschten ihn wiederum ein wenig. Er argwöhnte, dass der Aedil ihm mögliche Probleme verschwieg, da es sich um seinen Bruder drehte. Doch mehr war wohl nicht aus ihm herauszubekommen. Auf die Gegenfrage hin lächelte Milo leicht und schwieg kurz nachdenklich, bevor er antwortete.
    "Im Grunde habe ich das schon getan. Ich fragte ihn natürlich im voraus, was er davon hielte, wenn ich dein Scriba würde. Aufgrund der Tatsache, dass ich nun hier stehe und wir dieses Gespräch führen, kannst du dir die Art seiner Antwort sicher denken."
    Er zog den linken Mundwinkel noch etwas stärker nach oben, zum Zeichen dass er die folgenden Worte nicht mit vollem Ernst aussprach.
    "Doch bei so viel des Lobes bin ich mir nun nicht mehr sicher, ob ihr tatsächlich beide die volle Wahrheit sprecht, oder mir um der Schonung willen unangenehme Details vorenthaltet. Ich will dich aber nicht weiter bedrängen. Im Zweifel werde ich die Spannungen schon noch selbst herausfinden."

  • Macer schaute seinen neuen Scriba mit großen Augen an. "Ja weißt Du denn nicht, dass es seit einiger Zeit üblich ist, dass die Aedile ihr Amt in einer Art Wettstreit austragen und am Ende der schlechtere von beiden die Kosten für die Ludi tragen muss? Da ist es doch nur logisch, dass wir uns vorher so viel loben wie möglich, damit die Bürger in der Realität dann vom jeweils anderen möglichst enttäuscht sind."


    Seine Mundwinkel wanderten während dieser Worte allerdings auch immer weiter nach oben und außen, bis er das etwas unsenatorische Grinsen wieder abschaltete.


    "In der Tat macht es mich ganz froh, dass er dir nicht davon abgeraten hat, mein Scriba zu werden. Meistens kommt man ja bei Brüdern entweder mit beiden gut aus oder mit keinem."


    Macer unterbrach sich einen Augenblick.


    "Zum Glück seid ihr ja keine Zwillige, da ist das ja andersherum."


    Oder war es dort so, dass man sich dort entweder mit beiden verstand oder mit keinem und bei Brüdern immer nur mit einem? Macer beschloß, sich solche Gedanken abzugewöhnen, sie verwirrten nur. Und in ein Bewerbungsgespräch gehörten sie sowieso nicht.


    "Hast Du noch Fragen bezüglich deiner Anstellung?" erkundigte er sich deshalb nach einer weiteren kurzen Pause, um das Gespräch langsam zum Abschluß zu bringen.

  • Milo staunte nicht schlecht, dass der Senator mit ihm derart zu scherzen beliebte. Sein überraschter Gesichtsausdruck wandelte sich doch bald ebenfalls in ein amüsiertes Lächeln.
    "Wenn das so ist, dann werde ich ihm gerne von deiner mangelhaften Arbeit erzählen und ein paar erfundene Fehler in den schillerndsten Farben schildern."
    Sein verschmitztes Lächeln ließ keinen Zweifel daran, dass er diese Worte nicht ernst meinte. Die nächsten Worte des Aedils überraschten Milo dann jedoch so sehr, dass er husten musste und doch etwas verlegen wurde.
    "Nun ja. Ich hoffe nicht, dass das zu einem Problem wird, aber wir sind vermutlich tatsächlich Zwillinge, auch wenn wir uns nicht sonderlich ähnlich sehen."
    Er räusperte sich und zog entschuldigend die Schultern nach oben.
    "Nein. Fragen habe ich keine mehr. Falls sich noch welche ergeben, kann ich sie schließlich auch noch morgen an meinem ersten Arbeitstag stellen."

  • Nun war es Macer, der nicht schlecht staunte. "Ihr seid Zwillinge? Erstaunlich."


    Er machte eine kurze Puase, um die Überraschung zu verarbeiten, bevor er weitersprach.


    "Und was heißt 'vermutlich'? Ich dachte immer, Patrizier legen besonders viel Wert auf ihre Stammbäume und könnte daher ihre Abstammung bis ins kleinste Detail auswendig.
    Aber gut, wie dem auch sei, eigentlich geht es mich ja gar nichts an. Wir können das ja vielleicht demnächst mal an einem ruhigen Nachmittag in den Thermen aufgreifen."


    Langsam drängten sich wieder die Gedanken an das Arbeitspensum, was er sich für heute vorgenommen hatte, in den Vordergrund.


    "Dann würde ich sagen, sehen wir uns morgen im Büro."

  • "Gerne. Das ist ohnehin eine längere Geschichte."
    Milo nickte zustimmend und verabschiedete sich von Macer. Auch er würde noch die ein oder andere Besorgung erledigen müssen.
    "Ich werde erscheinen. Dann bis morgen. Vale!"
    Er gab ihm die Hand und machte sich auf dem Weg aus der Basilica Iuliana heraus in die ewige Stadt.

  • Macer erwiderte den Abschiedsgruß und sah seinem neuen Scriba noch einen Augenblick nach. Dann nickte er zufrieden über den Verlauf des Einstellungsgesprächs und begab sich zurück in sein Büro, wo eine Menge Arbeit wartete.

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