Nahe dem zukünftigen Amphitheater Mantuas

  • Niemand hatte Holz von der Baustelle genommen. Erst Recht keine Nägel. Niemand hatte sein Arbeitszeit mit Dingen verbracht, die nicht dienstlich waren. Niemand hatte auch nur einen Gedanken daran verschwendet, das zu tun. Trotzdem befand sich unweit der Großbaustelle auf einmal eine provisorische Rennbahn.


    Praktischer Weise hatten ein paar Soldaten sogar Ziegen dabei und es muss ein wirklich lustiger Zufall gewesen sein, wegen dem auch die meisten Soldaten oder sonstigen Besucher, die rein zufällig alle an diesem Ort zusammen kamen, auch Geld für Wetten dabei hatten. Oder es lag an den Ludi.


    "Deine lahme Ziege macht nicht mal drei Schritte, dann ist unsere schon im Ziel!"


    "Quatsch nicht rum, euer Fiech kann doch nicht mal gerade aus laufen!"


    "Jungs, streitet euch nicht, wir gewinnen sowieso."


    "Glaubst auch nur Du. Als wenn euer alter Bock hier noch was reissen würde."


    "Immernoch besser als deiner, der sofort runter von der Bahn ist, sobald er am Rand eine Ziege entdeckt."


    ...

  • Das Meckern der Ziegen und das Getöne der Soldaten lockten weitere Zuschauer an. Sie stellten sich entlang der provisorischen Rennbahn und harrten gespannt der Mittel und Möglichkeiten, mit denen die Soldaten ihre Tiere in Bewegung setzen wollten und zwar genau dorthin, wo letztlich das Ziel war. Das Vorhaben versprach eine lustige Angelegenheit zu werden, vor allem, weil die Rennbahn nun wirklich eine recht provisorische war und weder über großartige Absperrungen noch über andere Sicherheitsvorrichtungen verfügte.

  • Nach schier endlosem gut gelaunten Palaver über die Startreihenfolge und sonstige Rennmodalitäten, brachten schließlich die ersten Soldaten ihre Tiere zum Start. Eine wundersame Konstruktion aus Holz, Tuch, Seilen und einem geschnutzen Phallus als Starthebel sollte dafür sorgen, dass alle Ziegen gleichzeitig ins Rennen geschickt wurden.
    Für ausgelassene Heiterkeit sorgte noch ein Mann mit einem Hasen, den er im Käfig mit sich führte und der nur schwer einsehen wollte, dass das Hasenrennen erst später stattfinden würde und er seinen Nager bis dahin noch mit sicher herumtragen müsse.


    Natürlich hatte sich eine personifizierte Flora gefunden, die unter leisem Gekicher und umso lauteren zotigen Kommentaren der Umstehenden den Starthebel betätigte. Die Sperren klappten auf, die Bahn für die Ziegen war frei - eine Gelegenheit, die nicht alle Tiere planmäßig wahrnahmen.


    Die blökende Horde, die sich schließlich doch in Bewegung setzte, erinnerte dann auch nicht ganz an ein Rennen. Getrieben vom Geschrei der Soldaten und beworfen mit Nüssen bewegten sie sich mehr oder weniger panisch fluchtartig die Bahn entlang. An der Spitze lief eine Ziege, die auf den absonderlichen Namen "Hennus Colonicus" getauft worden war und deren Besitzer ihr mit roter Farbe Streifen auf ihr weisses Fell gepinselt hatte.

  • Bei den Tieren - an diesem Rennen nahmen nur Böcke teil, weil gemischtgeschlechtliche Rennen in der Regel schnell der Paarungsfreude der Beteiligten zum Opfer vielen - schien der Herdentrieb einzusetzen und in einer halbwegs geschlossenen Gruppe umrundeten sie zum ersten Mal das hintere Ende der provisorischen Bahn. Nur ein Ziegenbock mit dem wohlklingenden Namen Oscus Lafontius hatte an einem Holzpfosten der Bahnbegrenzung ein Stück Rinde entdeckt und es vorgezogen, diese genüßlich abzuknabbern, anstatt sich an dem Rennen zu beteiligen. Als sein Besitzer ihn allzu energisch davon abbringen wollte, rollte er einmal über den Boden und verließ dann mit einem Sprung über die Absperrung und hinein in die Zuschauer endgültig das Rennen.


    Das Geschehen bei den anderen Tieren wurde dagegen inzwischen von einem selbsternannten Bahnsprecher kommentiert wie ein Wagenrennen im Circus Maximus. Positionskämpfe glaubte er auszumachen, taktische Zurückhaltung eines alten Bocks mit besonders langem grauen Ziegenbart und eine gebrochene Radaufhängung bei einem ständig meckernden Bock mit dem passenden Namen Ecclepetrus. Wo auch immer ein Ziegenbock überhaupt seine Radaufhängung hatte.


    Beim ersten Überqueren der Ziellinie verkündete der Sprecher folgende Reihenfolge: "An der Spitze Billus Portus, nahezu gleichauf mit Hennus Colonicus und dem Bock mit dem weißen Fleck auf dem Kopf. Kann mir mal einer sagen, wie das Vieh heißt? Dahinter so ein rostbraunes Tierchen - spielt gern mit gelben Bällen und heißt deshalb Boris, wurde mir gesagt. Es folgen Iulius Wainus, Rufus Murdus und der schlappe Ecclepetrus. Schon ausgeschieden ist Oscus Lanfontius."

  • Die zweite der drei geplanten Runden absolvierte die meckernde Horde wesentlich schneller als die erste. Der Grund hieß Pamela, war weiblich, natürlich eine Ziege und hätte in diesem Rennen gar nicht auf die Bahn gedurft. Nun stand sie aber da und machte den rennenden Böcken schöne Augen, sofern eine Ziege sowas kann. Iulius Wainus setzte sich an die Spitze des Feldes und wollte schon zum Sprung ansetzen, als Pamela die anstürmende Herde wohl doch etwas zu viel wurde und sie die Flucht ergriff. Erst an der Ziellinie konnte sie wieder aus der Bahn geholt werden und der Sprecher, der sich inzwischen sowohl den Namen des Bocks mit dem weißen Fleck auf dem Kopf als auch eine Amphore Wein hatte geben lassen, konnte den nächsten Zwischenstand verkünden.


    "Nach der zweiten Runde kommen unsere Helden in dieser Reihenfolge über die Linie: als erster der unwiderstehliche Iulius Wainus, dahinter immernoch gut im Rennen Billus Portus. Hennus Colonicus ist zurück gefallen, an dritter Position läuft jetzt Gorbatschwus. Das Trio am hinteren Ende bilden Boris, Rufus Murdus und Ecclepetrus, bei dem es nun wirklich nicht rund läuft."

  • Schon ein beträchtliches Stück hinter der Ziellinie schienen die Rennböcke auf der letzten Runde zu bemerken, dass ihnen ihr weiblicher Anreiz verloren gegangen war. Das Rennen verlor merklich an Geschwindigkeit und kam schließlich völlig zum Erliegen. Schwer atmend und ohne die geringstge Lust, sich noch einmal in Bewegung zu setzen, stand der Haufen mitten auf der Bahn und stierte die Zuschauer an. Aus allen Richtungen erschallten antreibende Zurufe und es wurde wieder verstärkt mit Nüssen geworfen.


    Der fröhliche Lärm schien die Tiere mehr zu verstören als anzutreiben, bis sie sich schließlich doch wieder in Bewegung setzten - in die entgegengesetzte Richtung, auf kürzestem Weg zurück in Richtung Ziellinie. Pech für die, deren Favoriten bisher an der Spitze des Feldes lagen und sich nun an dessen Ende wieder fanden. Man hatte vor dem Rennen über alles mögliche diskutiert, aber eine Bestimmung, aus welcher Richtung die Böcke über beim dritten Mal über die Ziellinie zu kommen hatten, gab es nicht.


    Und so verkündete der Bahnsprecher den etwas überraschenden Endstand: "Und der Sieger heißt Rufus Murdus, gefolgt von Boris und dem unglaublichen Ecclepetrus auf dem dritten Platz!" Der Rest ging im allgemeinen Tumult unter und war an diesem Tag sicher auch nicht ganz so wichtig.

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