Helena und die traute Zweisamkeit

  • Aus dem Spaziergang durch Tarraco war ein Spaziergang zu dessen Toren geworden. Und hier hatte sie ihrem Pferd einen Besuch abgestattet. Sie selbst hatte sich schon ewig lang nicht mehr um das Tuer gekümmert, denn jedes Mal dachte sie an den anderen Teil, der in Germanien verstarb. Zwei Pferde waren ihr und Maximus zum Geschenk gemacht, sie hatte das weiße Tier erhalten. In raschem Galopp rauschte Helena über die sanften Hügel, auf denen das Gras wieder mächtig gedieh. All das war ihr zuviel geworden. Sie kannte ihr Ziel, auch wenn sie es noch nicht bewusst in Angriff nahm - die Villa Rustica Matinia.. Sie hatte gewiss Erlaubnis dort einzukehren. Und ihren Gedanken nachzugehen. Sie war schwach und ihre Hände bebten, sie hatte Mühe bei klarem Verstand zu bleiben. Doch sie musste fort. Etwas ruheloses trieb sie an.

  • Langsam ließ sie Marcella zur Ruhe kommen und verringerte die Geschwindigkeit zunehmend. Der Tag war schon fortgeschritten und bald würde es abend werden. Sie war nun schon eine geraume Zeit draußen und erkannte in der Ferne das Weingut auf einem Hügel. Von dort aus hatte man einen wunderbaren Blick auf Tarraco - und auf das Meer, wie Metellus sagte. Ihr Blick blieb an dem Gebäude hängen, während sie sich Stück für Stück näherte. Dort hatte alles mit Metellus begonnen, es war auch schon geraume Zeit her. Sie zog sich die Palla, die durch den Wind völlig verrutscht war, nun völlig ab und legte sie vor sich in den Sattel. Jetzt war es einzig und allein die blütenreine Tunika, die Helena am Leib trug - mit dem schmalen Purpurstreifen. Sie hielt Marcella letztlich an. Als Helena sich vor das Tier stellte, um es sanft auf den Nüstern zu streicheln und zu loben, spürte sie, wie ihr der heiße Atem entgegenschlug. Eine irrsinnige Fragte bildete sich in ihrem Kopf: Würde Metellus, der ja nun die Sänfte zu bevorzugen schien, sie verachten, weil sie als Frau völlig allein durch die Lande ritt? Und wenn schon: So war 'Helena' eben und sie würde sich auch nicht für jemanden verändern. Auch Claudia hatte dies nicht geschafft. Helena wandte sich von Marcella ab und schlenderte mit ihr im Schlepptau weiter auf das Gut zu..

  • Nach wenigen Schritten blieb sie wieder stehen und sah noch eine Weile auf die Villa Rustica. Doch was sollte sie da? Sie war dort weder allein, noch konnte sie erwarten jemanden zu treffen, der ihr helfen konnte. Dazu war niemand in der Lage. Mit Maximus war auch sie gestorben. Sie wusste nicht mehr, was sie wollte und sie wusste ebenso nicht mehr, ob das alles überhaupt noch Sinn machte. Minervina würde nach Rom zurückkehren, in die Heimstadt der gens Tiberia. Und sie selbst würde zurückbleiben. Tertius war ihr mehr als entfremdet - was hielt sie hier? Metellus war es auch nicht und ihre Freunde zogen nach und nach ebenso fort. Sie mochte alt sein, aber gelernt zu leben hatte sie nie. Nur in Achaia hatte sie gelebt, doch das war mittlerweile schon so lange her... Aus dem Stehenbleiben ward ein Umdrehen. Vielleicht sollte sie besser ihr Amt als Pontifex niederlegen. War sie mit sich selbst nicht im Reinen, würde sie es auch mit anderen nicht sein können und sie alle enttäiuschen. "Komm meine Gute." sagte sie zärtlich zu Marcella und zog sich wieder auf den Pferderücken. Sie war schwach und fühlte sich so leicht, leer... so verlassen. Valeria's Reise war nicht Schuld daran - mochte sie dort glücklich werden. Sie hatte es sich verdient. Es war vielmehr die Tatsache, wie ihr eigenes Leben verlief. Nutzlos und ohne Sinn. Sie trieb die Schenkel etwas kräftiger in den Pferdeleib, woraufhin Marcella schneller lief. Sie merkte, wie ruhelos sie umherzog, doch ihr Herz riss sie fort. Sie war weder als Pontifex, noch als Mutter oder Ehefrau zu etwas zu gebrauchen.

  • Abermals verstrich eine gewisse Zeit, bis sie die Küste erreichte. Ihr Atem ging schwer, denn das alles strengte sie doch sehr an. Ihre Wangen waren vom Wind gerötet. Doch besser fühlte sie sich noch immer nicht. Die Leere wollte nicht weichen. Sie hätte sich damals nicht mit Metellus einlassen dürfen, er war einfach zu jung. Er sollte nicht mit einer so verbrauchten Frau leben - wenn er es überhaupt geplant hatte sie zu ehelichen und die Beziehung nicht zum Weiterkommen verwendet hatte. Nein, das hatte er gewiss nicht. Schnell versuchte sie sich den gedanken aus dem Kopf zu schlagen, doch ein kleiner, giftiger Rest blieb zurück. Sie sah von Marcellas Rücken auf das Meer hinaus, auf das weite Reich des Neptuns.



    Sie hatte das Meer immer sehr geliebt und bemerkte nun, dass sie es noch immer tat. Es war ebenso tief wie ihre Gefühle und ließ nur Dinge an seine Oberfläche, die es auch wirklich zeigen wollte. Wie gern hätte sie doch diese Eigenschaft des Meeres. ie stieg ab und ging etwas näher an die Klippe heran, damit nichts mehr ihren Ausblick auf das Wasser stören konnte und sie nur noch Himmel und Meer erblicken konnte.

  • Metellus wollte sich eine Auszeit nehmen, er wollte einmal weg von den vielen, vielen Menschen der Stadt. So ließ er seine Toga, seine Notizen, Mitarbeiter und Sklaven für diesen Nachmittag zurück und ging an der Küste von Hispania spazieren. Die Sonne schien und es war warm. Er spürte die Sonne auf seiner Kleidung, aber auch den Wind, der ihn abkühlte. Hier fand Metellus die Zeit nachzudenken, über vergangenes, gegenwärtiges aber auch zukünftiges. Dabei drehten sich eine Vielzahl seiner Gedanken um Helena, die ihm aus seinen Händen entglitt. Was er auch tat, er vermochte sie nicht zu halten: War dies nur ein Abenteuer? Nein, das war kein Abenteuer für ihn, selbst wenn es das am Anfang vielleicht noch gewesen wäre, daraus wurde für ihm sehr schnell mehr. Er war nicht mehr der junge Matinier, den man auch Achaia kannte.


    Plötzlich vernahm er eine Gestalt in einiger Entfernung vor sich an den Klippen. Im Näher kommen sah er, dass es Helena war, die dort stand. Metellus ging noch einige Schritte zögerlich weiter, bevor er stehen blieb. Wollte sie ihn überhaupt sehen? Wollte sie nicht lieber alleine sein, denn deswegen war sie wohl hier! Er wusste nicht weiter, denn er wollte ja für sie da sein. So blieb er noch einen Augenblick stehen und beobachtete sie.

  • Die leichte Brise strich über ihre Wangen, welche noch immer gerötet waren. Ihre Augen schwankten zwischen halb geöffnet und geschlossen sein, denn ihr war schwindlig. Und doch wollte sie dieses Schauspiel sehen. Meer und Himmel wirkten, als seien sie ineinander verschmolzen. Sie waren so gegensätzlich und doch gehörten sie zusammen. Das Wasser spiegelte alle Eigenschaften des Himmels wieder - die Sterne, die Sonne... Hier schien die Zeit stillzustehen und sie hörte nicht mehr als das Rauschen des Meeres und ihren eigenen Atem. Sie spürte nicht mehr als das leise Streicheln des Windes, der durch ihre Tunika mit dem angustus clavus strich. Dieser Rang bedeutete ihr hier und heute nichts mehr. Sie wusste nicht, was sie so traurig machte. Ob es Metellus' Veränderung war, oder aber Maximus' Tod. Oder waren es die entfremdeten Kinder und ihr schlechtes Mutterdasein? War es ihre eigene Veränderung?


    In ihren Gedanken versunken bemerkte sie nicht, wie sich Metellus näherte. Ihr Blick hing immer noch in der Ferne, während ihr Leib nur wenige Centimeter vom Abgrund entfernt war. Die Palla ruhte noch immer auf dem Rücken Marcellas, die Metellus argwöhnisch aber ruhig entgegenblickte. Das Pferd verstand nicht, was hier los war, doch mit einem Maul voller Gras sollte sie auch diesen Gedanken vergessen. Während sie mümmelnd dahinschritt, genoss sie die warme Sonne und die Freiheit um sich herum.

  • Er hatte sich entschieden und ging langsam auf Helena zu. Eine starke Brise erwischte ihn, doch er genoß die angenehme Erfrischung in seinem Gesicht, während der Wind an seiner Tunika zerrte. Langsam näherte er sich Helenas Position. Was sollte er sagen? Er wollte nicht betrübt erscheinen, denn diese Stimmung gefiehl ihm nicht. Das Leben war schon so ernst genug und viel zu kurz.


    "Hallo schönes Mädchen! So ganz alleine hier draußen? Weißt du nicht, wie gefährlich es ist? Hier können sich allerhand böse Männer herumtreiben!"


    Ein Lächeln lag in seiner Stimme, während er sie blinzelnd ansah.

  • Sie schrak zusammen als sie eine Stimme hinter sich vernahm. Anfangs vermochte sie diese nicht zuzuordnen, sodass ihr Kopf herumschnellte und sie ihn ansah. Sie hatte erst mit einem Fremden gerechnet, der anzügliche Bemerkungen aussprach und sonst etwas von ihr wollte. Aber es war nur Metellus. Sie schämte sich ob ihrer verquollenen Augen und wünschte sich, sich nicht umgedreht zu haben. Das Haar war vom Wind zerzaust. "Salve Marcus." sagte sie mit versucht ruhiger Stimme. Er hatte sie zu plötzlich aus zu tiefen Gedanken gerissen "Es wäre mir gleich, an mir würde sich niemand in irgendeiner Weise vergehen." vermutete sie mit leiser Stimme, die beinahe vom Wind zerrissen wurde.

  • Er schaute sie gespielt betrübt an.


    "Ach sag sowas nicht, Helena! Du bist eine Perle des Mittelmeeres! Auch für dich, würden Männer wohl Kriege führen!"


    Er näherte sich ihr langsam. Eine Böhe erfasste ihn erneut und sein Haar wurde ganz strubelig.


    "Du wirst für mich niemals etwas von deiner Schönheit einbüsen. Weder äußerlich, noch innerlich!"

  • "Schönheit kann ein Fluch sein." meinte sie ruhig und entfernte sich ein wenig vom Abgrund und näherte sich ihm ein Stück. "Was führt dich hierher?" fragte sie mit neutraler Stimme, die weder sonderliches Interesse noch Desinteresse zeigte. Der böige Wind ergriff wieder ihr Haar und ließ es aufwirbeln. Trotz der Wärme fror sie ein bisschen, denn ihre Tunika bestand nur aus sehr dünnem Stoff. Dies zeigte sich durch eine leichte Gänsehaut auf ihren Armen.

  • Nun ärgerte er sich sichtbar, dass er seine Toga nicht mithatte um sie ihr umzulegen. Er ging auf sie zu und fasste sie an ihre kalten Arme.


    "Alles auf dieser Welt bringt seine Vor- und Nachteile mit sich, bei allem besteht ein gewisses Risiko. Doch was wäre es für ein Leben, wenn man sich nicht auf das Ungewisse einlassen würde? Ist es dann überhaupt ein Leben?"


    Er schaute ihr in die Augen und sah deutlich, dass sie wieder geweint hat.


    "Nun, was suchst du hier draußen? Ich habe ein wenig Ruhe gesucht vor all' diesen Leuten. Hier draußen kann ich mich selber wieder hören und in mir hineinhorchen!"

  • Als sie seine warmen Hände auf ihren verkühlten Armen spürte, wich ihr Blick kurz dorthin. Einige Atemzüge lang ruhte er dort, dann blickte sie ihm wieder in die Augen. Sie antwortete nicht auf seine Worte, denn ihr war nicht nach Philosophie. Schon lange war ihr nicht mehr danach. "Mir wurde alles zuviel. Valeria ist ab morgen auf dem Weg nach Germanien, ich mache mir Sorgen um sie." erzählte sie von dem Auslöser ihres Ausbruchs, doch die Ursache lag viel tiefer. Sie war noch immer bei Maximus. Aber es würde Metellus gewiss wehtun, wenn er erfuhr, dass sie noch immer so viel an ihren verstorbenen Mann dachte. Sie wusste, sie musste die Vergangenheit hinter sich lassen, aber das alles war gar nicht so leicht. "Ich fühl mich so schlecht." flüsterte sie und machte den letzten Schritt in seine Arme und legte ihren Kopf an seine Brust.

  • Er legte seine Arme um ihren Körper und streichelte mit der einen Hand den Rücken, während die andere ihren Kopf sanft an seine Brust drückte.


    "Nun, es wird schon nichts geschehen. Das Wetter ist gut die Tage werden länger und es liegen keine Berichte über Vagabunden an den Strassen vor. Sie wird schon heil ankommen!"


    Er lachte kurz und leise.


    "Wenn, dann musst du dir um das Essen in den Mansiones des Cursus Publicus Sorgen machen! Aber mehr als eine kleine Magenverstimmung wird sie nicht zu befürchten haben!"

  • Sie nahm mit einem wohligen Wärmegefühl wahr, wie er sie in seine Arme schloss. Es tröstete sie, seine Nähe so innig zu spüren. Ein leises Seufzen entrang sich ihrer Kehle und sie schloss genießend die Augen. Sicher vermochte seine Nähe nicht all den Kummer hinfort zu treiben, doch er wurde erträglicher und biss nicht mehr so. Ein kleines, rettendes Eiland inmitten des riesigen Ozeans, in dem sie so leicht zu ertrinken drohte. "Valeria ist hochschwanger - das macht mir Sorgen." erwiderte Helena leis'. Und dies besorgte sie wahrlich, sagte allerdings nichts weiter dazu. Metellus konnte mit alledem nicht viel anfangen. Sein Scherz weckte in ihr zwar nicht den Drang zu lachen, aber böse machte es sie auch nicht. Er mochte durchaus Recht haben, kannte er dies doch aus eigener Erfahrung. "Ich bin froh, dass du hier bist." sagte sie leis und kuschelte sich mit ihrem Kopf in seine Tunika ein.

  • Metellus umschloss Helena noch enger. Er war froh, dass die Distanz, die er zwischen den beiden wahrgenommen hatte, anscheinend nun überwunden war.


    "Nun, wenn sie mit einem Reisewagen fährt, dürfte sie die Erschütterungen durch das Strassenpflaster kaum wahrnehmen! Und sie fährt ja nicht durch unzivilisiertes Land! Da wird schon nichts schief gehen, Helena!"

  • Sie ließ ein wohliges Seufzen vernehmen. Das Gefühl, auf dieser Welt nicht völlig allein zu sein, minderte ihre Anspannung ins erträgliche. Sanft streichelte sie mit ihrer Hand seinen Arm hinauf. "Lass uns nicht länger davon sprechen. Mehr als für sie beten und hoffen kann ich nicht. Möge es ihr in Germanien gut ergehen." sagte sie nur und blickte zu ihm auf. "Bist du zu Fuß hier?" fragte sie eine recht unsinnige Frage, denn sie konnte kein Pferd sehen.

  • Metellus nahm kurz etwas Abstand von ihr und zeigte zum Himmel.


    "Nein Hermes hat mich ein Stück mitgenommen!"


    sagte er scherzend.


    "Ich hoffe er kommt gleich wieder hier vorbei und nimmt mich mit zurück ansonsten darf ich laufen, es sei denn Pegasus kommt vorbei geflogen. Aber ob Tarraco schon so beliebt bei den Göttern ist?"

  • Nun zeigte sich doch ein leises Lächeln auf ihren Lippen. Vor wenigen Minuten noch hatte sie gedacht, dass sie ihren Lebtag nicht mehr lächeln würde. Sie gab ihm einen leichten Knuff auf die Brust und nuschelte etwas davon, dass er blöd sei. Sie schüttelte ihr blondes Haar und sah zu ihm auf. "Und wenn Pegasus nicht vorbeikommen möchte, biete ich dir gerne an, dass du auf Marcellas Rücken mitreitest. Sie ist ebenfalls ein wahrhaft göttliches Tier." sagte sie mit warmer Stimme. Dann ließ sie von ihm ab und griff lächelnd nach seiner Hand. "Ich glaube dir sogar, dass die Götter deinen Weg hierher geführt haben." hauchte sie.

  • Er hob und senkte nur die Schultern.


    "Mag sein! Niemand kann genau sagen, was die Götter wirklich bezwecken wollen aber vielen Dank, dass du mir einen Platz auf deinem Gaul anbietest auch wenn ich vielleicht gar nicht in die Stadt möchte...!!"


    Sein Blick war auf das Landesinnere auf die fruchtbaren Ebenen gerichtet. Igrendwo dort würde das Landgut der Familie stehen.


    Er spürte ihren leichten Druck an seiner Hand.


    "Nanu willst du mich entführen?"


    Metellus zwinkerte Helena zu. es erfreute sein Herz dass sie wieder lachen konnte.

  • "Gaul". Entrüstet sah Helena ihren 'Liebsten' an und schüttelte vorwurfsvoll den Kopf. Wie konnte er ihre Marcella nur so abwertend betiteln. Sie war ein besonderes Tier und spätestens wenn er auf dem Boden lag würde auch er dies merken. "Wohin möchtest du denn? Ich habe nicht vor dich zu entführen, würde ich mich doch viel lieber entführen lassen." erwiderte sie leise und mit einem zärtlichen Lächeln. Sie hob sacht seine Hand an und hauchte einen zarten Kuss auf seinen Handrücken, während sie liebevoll zu ihm aufblickte.

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