Triclinium | Milo, Aristides

  • Im Triclinium gab Milo einem Sklaven einige Befehle. Zusätzlich zu Wein und Essen bestellte er ein Zimmer für Aristides. Dessen Sklave würde gemeinsam mit den übrigen Sklaven untergebracht werden. Dann ließ Milo sich erleichtert auf einer Kline nieder, als wäre er wieder stundenlang auf den Beinen gewesen, und sah zu seinem Ziehbruder auf.
    "Setz dich doch, lieber Onkel."
    Bei dieser Anrede lächelte er wieder breit.
    "Du wirst dich also zwischen die Reihen der einfachsten Plebejer begeben, um als einfacher Fußsoldat dein Leben zu fristen?"

  • Mit klackenden Lauten schritt Marcus in den marmorbelegten Speiseraum. Ächzend ließ er sich auf die Kline plumpsen, gerade als Titus ihn dazu aufforderte. Er legte sich hin und legte seine dreckigen Stiefel hoch. Naserümpfend sah er auf die Soldatenstiefel und dann zu Hannibal. Dabei winkte er einladend mit dem Fuß. Hannibal grinste jedoch und setzte sich auf einen Stuhl im Hintergrund. Anscheinden gedachte jener Sklave nicht, seinem Herren die dreckigen Stiefel auszuziehen. Mürrisch verzog Marcus das Gesicht, aber er hatte nichts anderes erwartet. Drum widmete er sich wieder Titus.


    "Lieber Onkel? Was sind denn das für Töne? Hat Rom Dich schon mit der pompösen Art angesteckt?"


    Spöttisch lachend, schüttelte Marcus den Kopf. In dem Moment knurrte sein Magen und Marcus sah erwartungsvoll in Richtung der Tür, durch die die Skalven üblicherweise früher noch das Essen gebracht haben. Grummelnd setzte er sich wieder auf und fing an die Rüstung zu lösen, damit sie etwas bequemer saß.


    "Plebejer! Ach, es gibt Schlimmeres als die Plebejer. Die Marschkolonne jeden Tag. Aber ich habe fest vor, mich der Reiterei anzuschließen. Und Mutter sagte immer, dass nicht nur die Herkunft zählt, sondern was ein Mann aus sich zu machen vermag. Genauso ist es bei den Plebs. Es gibt ja wirklich einige Anständige unter ihnen. Im Gegensatz zu manchen Patriziern!"


    Leichte Verachtung huschte über Marcus Gesicht. Er hatte da ein paar Vertreter seines Standes vor Augen, die ihm in Baiae immer nur ein Ärgernis waren.

  • Milo lächelte und schenkte zwei Gläser Wein ein. Einen davon reichte er Aristides, den anderen behielt er für sich und trank etwas daraus.
    "Was wäre dir denn lieber, lieber Onkel? Kommst du dir dadurch zu alt vor oder zu nett?"
    Sein Lächeln ging noch etwas in die Breite und er lehnte sich gemütlich zurück.
    "Rom hatte mich mit seiner 'pompösen Art' doch schon immer angesteckt und schon immer hast du es verstanden, dich darüber zu mokieren. Doch ich habe dich durchschaut, Onkelchen. Der pure Neid spricht aus dir, nichts weiter."
    Die Reaktion seines Ziehbruders abwartend hielt er inne und trank noch etwas Wein.
    "Mir wollte man auch den Dienst im Militär ans Herz legen, doch tapfer habe ich mich dessen gewehrt. Ehe ich mich mit den niederen Soldaten im Schlamm suhle, ziehe ich doch die Rostra mit ihren Politikern dem vor."

  • Marcus nahm auch gleich das Weinglas und trank einen tiefen Schluck. Er seuftzte erleichtert und wischte sich einmal über den Mund, um gleich wieder einen Schluck zu nehmen. Dabei hörte er Titus zu. Prompt verschluckte er sich, hustete und dabei dröhnte eine tiefes Lachen aus seiner Brust. Nachdem er sich ausgehustet hatte, lachte Marcus immer noch. Dabei klatschte er sich amüsiert auf seinen Oberschenkel. Japsend holte er Luft, Husten und Lachen hatten ihn doch etwas röter im Gesicht werden lassen.


    "Haha! Titus...wie herrlich! Naja, man kann ja auch nicht annehmen, daß Du Dich innerhalb von ein paar Wochen verändert hast! Nett? Ich halte mich tatsächlich für recht nett. Wenn ich mich mit meinem Bruder vergleiche!"


    Kopfschüttelnd und grinsend stellte Marcus das Weinglas auf den Tisch und lehnte sich gemütlich zurück. Dabei knurrte erneut sein Magen und sein düsterer Blick fiel noch mal auf die Tür. Aber gleich heiterte sich sein Gesicht wieder auf.


    "Also auf der Rostra willst Du Dich schlagen, mit den Waffen der Toga und des Wortes? Hmm...nun, das mit dem Schlamm behagt mir ja auch nicht. Aber das was mir am meisten graut, ist doch die Hierarchie. Ich hasse es Befehle entgegen zu nehmen."


    Marcus zuckte dann jedoch mit der Schulter und griff erneut zum Weinglas. Wenn das Essen auf sich warten ließ, musste er halt seinen Magen mit dem roten Naß beruhigen. Dabei beäugte er Titus nachdenklich. So nachdenklich, wie Marcus erscheinen konnte. Dabei zeigte sich auch der Hauch von Hoffnung bei ihm. Vielleicht konnte er dem elenden Militär doch noch entkommen!??


    "Und wie willst Du Dir Ehre holen und Dir einen Namen machen? Die Tradition verlangt da doch schon den Militärdienst!"

  • Milo versuchte sich zurückzuhalten und presste die Lippen fest aufeinander. Doch das ansteckende Lachen von Aristides war seiner Selbstbeherrschung überlegen und wenige Sekunden später stimmte er mit ein. Er empfand es als überaus befreiend, wieder so unbeschwert mit seinem Ziehbruder lachen zu können. In der Gegenwart von Furianus und Gracchus erschien ihm die Stimmung weitaus vornehmer und besonnener. Dass er sich während der Arbeit mit dem Aedil beherrschen musste, verstand sich für Milo von selbst. Er fasste sich wieder und grinste Aristides gut gelaunt an.
    "Es ist gut, dass du wieder da bist, alter Mann!"
    Auch wenn der Altersunterschied zwischen ihnen nur neun Jahre betrug, machte es Milo immer wieder Spaß, seinen 'Onkel' damit zu ärgern.
    "Du wirst es mir nicht glauben, aber im Vergleich zu den anderen Flaviern bin ich hier noch der normalste. Momentan scheinen zwei von ihnen in dieser Villa zu residieren und beide sind sie wohl patrizischer als der Kaiser selbst. Dein Vetter Manius Flavius Gracchus ist in den Dienst des Cultus Deorum eingetreten. Er scheint ein sehr interessantes Leben gelebt zu haben."
    Verschwörerisch zwinkerte er Aristides zu und hoffte, dass dieser die Andeutung in Richtung der Art von Baiaes Nachtleben verstand.
    "Der andere Bewohner der Villa hat mich mehr als nur überrascht."
    Er wurde wieder ernst und kratzte sich nachdenklich am Kopf.
    "Es handelt sich um meinen Bruder, ich meine, meinen leiblichen Bruder, einen Zwillingsbruder."
    Verlegen räusperte er sich und sah Aristides ein wenig ratlos an und zuckte dann mit den Schultern.
    "Er ist jedenfalls Aedilis Curulis und sehr wohlerzogen. Er wird dir gefallen."
    Der Ernst verschwand wieder und machte einem breiten Grinsen Platz. Milo wäre nur allzu gern dabei, wenn die beiden sich das erste Mal über den Weg liefen.


    Endlich kehrte der Sklave zurück und brachte mit noch zwei Helfern das bestellte Essen. Keiner von ihnen machte ein sonderlich glückliches Gesicht dabei, da sie die Reste längst für sich selbst verbucht hatten. Ohne zu Murren wurde es jedoch aufgetragen und auch durch weiteren Wein noch ergänzt. Die Wachteln waren von Milo beim eigentlichen Mahl längst restlos aufgegessen worden. Stattdessen hatte man auf die Schnelle zur Ergänzung noch etwas Fisch und gebratenes Fleisch zubereitet. Vom Anblick der Speisen angetan ließ auch Milo sich einen Teller reichen und bestückte ihn entsprechend. Das Nachfüllen des Weines übernahm von nun an der Sklave, welcher im Triclinium blieb und sich im Hintergrund aufhielt. Milo trank sein Weinglas leer und betrachtete die Speisen auf seinem Teller.
    "Unsere Küche versteht ihr Handwerk."
    Bevor er zu essen begann, antwortete er noch auf Aristides Fragen zum Militär.
    "Die Tradition hat es noch nie verlangt, dass ich mich in solchem Umfang so sehr unterhalb meines Standes bewege und mich dadurch übermäßig demütige. Ein Dienst unter den einfachen Legionären oder gar den Freigelassenen bei den Vigiles kommt für mich nicht in Frage. Ja, es entspricht den Traditionen, dass auch wir dem Imperium an der Waffe dienen und den Dienst in einer Legion verrichten. Doch noch nie sah man den Platz eines Patriziers unter denjenigen, welche die Gräben schaufelten und Steine umherschleppten. Ich sehe mich dort allein im Range eines Tribuns oder vergleichbarem. So lange diese Möglichkeit mir verwehrt bleibt, bleibe ich der Legion verwehrt. Die Rostra steht einem Mann unseres Standes bis dahin besser zu Gesicht."
    Milo nahm noch einen Schluck aus seinem Weinglas und begann mit Sorgfalt seinen Fisch zu verspeisen.

  • Marcus trank in einem Zug den Rest des Weines und hielt ihn über seinen Mund, leicht schüttelnd, um noch den letzten kleinen Schluck zu ergattern. Mit einer schwungvollen Geste, stellte er den Becher zurück. Dabei versuchte er seine dreckigen Stiefel loszuwerden, war jedoch zu faul die Schnürung aufzuknoten. Genauso faul und etwas erschöpft lag Marcus auf die Seite gestützt und sah Milo mal grinsend, mal mit gespielten Ärger an. Aber er war eigentlich noch nie so ein grandioser Schauspieler. Seine Stimmungen waren ihm oftmals ins Gesicht geschrieben, so jetzt auch. Und er war einfach froh, endlich in Rom zu sein und im Heim seiner Familie. Aber mit dem alten Mann konnte Milo ihn tatsächlich etwas ärgern. Einen Moment kniff er seine Augen etwas zusammen und sah Milo warnend an. Doch das verflog sofort.


    „Gracchus...? Ja, von dem hab ich mal gehört. Hab ich ihn nicht schon mal gesehen...hier in Rom? Ein Priester ist der also.“


    Nachdenklich schüttelte Marcus den Kopf. Er wußte es nicht mehr, immerhin hatte er die meiste Zeit seines Lebens doch in Baiae verbracht und war früher nur selten in Rom gewesen. Aber einen Priester in der Familie zu haben, konnte gewiss nicht schaden. Natürlich hoffte Marcus, dass Gracchus ein Priester des Mars war. Sollte Marcus tatsächlich in den Kampf müssen, wovor er sich zwar nicht so fürchtete, aber keine Lust zu hatte, dann wäre jemand am Ohr des Kriegsgottes wahrlich nicht schlecht. Doch der Durst schlug erneut zu und Marcus war kein Mann, der sich bei so was zurück hielt. Warum auch? Das Leben war eh zu kurz, um sich genug zu amüsieren. Besonders wenn er nach Germania musste. So nahm er sich selber Wein nach und trank den Becher wieder leer. Prompt verschluckte sich Marcus heftig bei der nächsten Offenbarung. Er hustete kurz und schüttelte verblüfft den Kopf.


    „Bei dem Schosse der Aphrodite! Von Dir gibt es zwei? Ja, Olympos und Götter, das ist wahrlich ein Schock! Oh ihr Götter, womit habe ich das bloß verdient?“


    Dabei hob er theatralisch die Arme gen Himmel und blickte flehentlich zur Decke. Ächzend ließ er sie fallen, sah Milo groß an und schwieg für einen Moment. Das Schweigen kam auch in dem Moment als die Sklaven auftischten, was Marcus nutzte, um die Überraschung zu verarbeiten. Und bei solchen Dingen brauchte der Gute auch immer ein Weilchen. Immer wieder sah er zu Milo, schüttelte den Kopf und grinste nach einer Weile. Doch wie immer, wenn so etwas Neues auf ihn zukam, übermannte ihn die Sprachlosigkeit. So griff er lieber herzhaft zu. Dass die Wachteln fehlten, merkte Marcus wirklich nicht und er ließ sich das Aufgetischte schmecken. Dabei hielt er dem Sklaven, der nachschenkte, auch sein Glas hin und aß wie ein Bär. Auch dort schien er kein Mann der Mäßigung zu sein, sondern griff herzhaft zu, wie er es immer gemacht hatte. Immer wenn er nicht trainierte, schlug das auch schnell auf seine Figur um und er drohte immer kleine Rettungsringe um den Bauch zu entwickeln. Aber das schien ihn beim Thema Essen nicht zu bekümmern. Zur Küche nickte Marcus knapp. Schmecken tat es ihm wirklich und das sah man auch.


    Dabei hörte er Milo zu und brummte zustimmend. Irgendwie irritierte Marcus die Worte von Milo. Eigentlich hatte Milo ja Recht, aber warum hatte seine Mutter ihn dann dazu dringend aufgefordert. Marcus hatte das nie in Frage gestellt. Warum auch? Schließlich wußte seine Mutter, was am Besten für seine Karriere war. Oh wie er sie jetzt schon vermißte! Ihr Lachen, ihren Rat, die Art, wie sie ihn in den Arm nahm. Wenn seine Zukünftige nur halb so viel Elan wie seine Mutter hatte, könnte er schon froh sein. Marcus seufzte tief und ließ das Fischstück, was er mit seinen angefetteten Fingern hielt, runtersinken.


    „Du hast Recht, Titus, wirklich Recht! Aber Du weißt doch, wie sehr mich Agrippina dazu drängt, Soldat zu werden. Vielleicht lerne ich dort, trotz der widrigen Umstände, viel. Du weißt ja, was Mutter immer gesagt hat. Die wahre Größe kommt nicht von der Herkunft, sondern was ein Mann zu leisten vermag. Vielleicht soll ich mich deswegen mit den Plebs suhlen, damit ich das lerne!“


    Stolz nickte Marcus. So musste es sein und er war auch wahrlich stolz darauf, zu so einer ‚tiefsinnigen’ und ernhaften Interpretation gekommen zu sein. Er sah lobheischend von Milo zu Hannibal und aß dann das Fischstück.


    „Oder was meinst Du bewegt Mutter dazu, Brüderchen? Schließlich bist Du der Gelehrte von uns Beiden!“

  • Milo hatte sich an die Essmanieren seines Ziehbruders längst gewöhnt, so dass sie ihn nicht irritierten. Er ahnte jedoch, dass Furianus sich einen Kommentar nicht verkneifen würde und seine Spannung auf deren erstes Zusammentreffen wuchs. Nachdem Milo seinen Fisch restlos aufgegessen hatte, trank er wieder aus seinem Glas und sah zu Aristides hinüber.
    "Keine Sorge, alter Mann. Furianus ist aus anderem Holz geschnitzt als ich. Doch vielleicht liegt es auch am pompösen Rom und vielleicht bin bald auch ich ein wahrer Meister des geschliffenen Wortes und der gewitzten Rede."
    Er zuckte mit den Schultern und schüttelte den Kopf.
    "Es mag so sein, dass der Dienst beim Militär einen solchen Ruf hat, doch der Preis ist mir momentan zu hoch. Ich bin fest davon überzeugt, dass man auch ohne solche Demütigung zu wahrer Größe heranwachsen kann. Gilt nicht die Feder auch mächtiger als das Schwert? Soll es mir somit nicht vielleicht noch besser möglich sein, mich über die Künste des Schreibens und der Rhetorik weiter zu bilden? Ich weiß, was sie gesagt hat. Und ich liebe deine Mutter sehr, da sie mich wie einen eigenen Sohn aufgezogen hat. Doch ist nicht der Dienst an der Feder vielleicht sogar noch besser und mächtiger als der Dienst am Schwert?"
    Ein breites Lächeln zog sich über Milos Gesicht und gespannt wartete er Aristides Reaktion ab.
    "Agrippina hatte auf jeden Fall nur unser Bestes im Sinn. Lass mich die Feder als Waffe betrachten, auf dass mein Bestes mir auch am besten gefällt. Mit der Feder in der Hand werde ich Großes leisten und auch so zu wahrer Größe gelangen."
    Zufrieden mit seiner Interpretation der Dinge trank Milo sein Glas leer und ließ es von dem Sklaven nachfüllen. Dann wandte er sich seinem gebratenem Fleisch zu.

  • Marcus hatte sich derweil wieder seinen Teller gefüllt. Genüßlich und mit großem Appetit aß Marcus weiter und hörte Milo mit halbem Ohr zu. Etwas schuldbewußt sah Marcus mal in Richtung seines Sklaven und Freundes Hannibal, der bestimmt auch Hunger hatte. Kopfschüttelnd wandte er seinen Blick wieder dem Essen zu. Hannibal würde später noch etwas bekommen und nach den Kommentaren, die Hannibal während der Reise gemacht hatte, hatte er ruhig eine kleine Strafe verdient. Nachdenklich kaute er auf einem Stück Fleisch herum und zog schließlich einen weiteren Teller heran, den er füllte und in Richtung Hannibal schob, damit er auch was essen konnte. So bekam er das erste Gesagte nicht wirklich mit und auch den Namen seines neuen Neffen nicht. Bei dem Rest der Rede verfolgte er das Gesagte aufmerksamer, schlug jedoch beim Essen weiter ordentlich zu.


    "Was, geschliffene Rede und gewitzte Worte? Ach, scheußlich. Erinnerst Du Dich noch an all die elenden Rethorikstunden?"


    Kopffschüttelnd seuftze Marcus theatralisch. Er reckte sich ein wenig, hob die linke Hand in bedeutungsvoller Geste. Mit der anderen Hand warf er sich eine imaginäre Toga über die Schulter und hob stolz sein Haupt. Mit feierlichem Ernst starrte er auf die mögliche Zuschauermenge herunter. Dann holte er tief Luft und setzte zu seiner Rede an.


    "Da die Kraft der Rede, oh mein guter Milo, eine Seelenleitung ist, so muß, wer ein Redner werden will, notwendig wissen, wieviel Arten die Seele hat!"


    Marcus Stimme donnerte durch den Raum so voluminös und voll der Kraft sprach er. Marcus könnte wohl in der Tat ein guter Redner sein, aber er hätte nie den klaren Verstand auf trickreiche Fragen schnell genug zu antworten. Aber ein Sokrates war er wirklich nicht. Nachdem er die Worte gesprochen hatte, wandte er sich um und äffte ihren griechsichen Rethoriklehrer von damals nach.


    "Marcus! Marcus, so geht das nicht, junger Herr! Heb Dein Kinn und strecke die Brust nach vorne. Und Deine Gestik, mießerabel, blamabel! Das kommt mehr einem sprechenden Kuhhirten nahe als einem römischen Senatorensprössling!"


    Mit heller und leicht fibsieger Stimme äffte er den alten Sklaven nach, was sich ein Wenig lächerlich anhörte. Ärgerlich und leicht amüsiert schnaubend fiel Marcus auf die Kline wieder zur Gänze zurück und nahm sich seinen Teller. Er kaute einige Bissen und grinste Milo an.


    "Und damit willst Du Dich wirklich abplagen? Und was willst Du machen, wenn ein Feind Dir sein Schwert entgegen hält? Eine Rede von Cicero zitieren?"


    Marcus lachte dröhnend und klopfte sich dabei gut gelaunt auf den Oberschenkel. Er sah zu Hannibal, ob der das auch so lustig fand. Lachend zupfte er einige Trauben an und warf sie sich in den Mund. Augenzwinkernd wollte er seinen Scherz etwas abmildern.


    "Erinnerst Du Dich noch an den alten Xanthros? Der hat immer wie ein Schwein gequieckt, wenn wir ihm davon gerannt sind...haha...das war wirklich lustig. Und seine Drohungen mit dem Rohrstock waren immer so lächerlich. Erinnerst Du Dich noch daran, als ich ihm den zerbrochen habe...quieckquieck...haha!"


    Marcus lachte weiter laut und gut gelaunt, vergass jedoch dabei nicht das Essen.

  • Natürlich erinnerte sich Milo nur allzu gut daran und ein breites Grinsen überzog sein Gesicht. Auch wenn er selbst in der Rhetorik nach Meinung des Lehrers meist besser abgeschnitten hatte als Aristides, war dieser einfach unschlagbar, wenn es um ein imposantes Auftreten und das Nachahmen anderer Personen ging. Entsprechend freute er sich auf die zu erwartende Vorstellung. Milo wurde nicht enttäuscht. Die gekonnte und so genau passende Nachahmung ihres einstigen Lehrers war perfekt wie immer. Es dauerte nicht lange und Milo hielt sich den Bauch vor Lachen. Nur mühsam bekam er sich wieder unter Kontrolle und wischte sich die Lachtränen aus dem Gesicht, bevor er atemlos antwortete.
    "Köstlich, einfach zu köstlich. Du bist fantastisch, Marcus."
    Er trank etwas aus seinem Glas und beruhigte sich langsam wieder. Das breite Grinsen war aber nicht mehr aus seinem Gesicht fort zubekommen.
    "Wer weiß, vielleicht wirst auch du eines Tages Gefallen an dieser Kunst finden. Deine Stimme und die Haltung sind einfach überwältigend und ich bin mir sicher, dass dir eine vielversprechende Karriere auf der Rostra bevorstünde."
    Milo grinste verschwörerisch, beugte sich leicht vor und sprach mit gedämpfter Stimme weiter.
    "Wenn du die wichtigsten und interessantesten Leute hier in Rom erst einmal kennengelernt hast, dann musst du mir unbedingt noch die ein oder andere Kostprobe davon geben. Deine Interpretation zum Beispiel des Aedilis Plebis oder auch meines Zwillingsbruders würde mich brennend interessieren."
    Er lehnte sich wieder zurück und sprach wieder normal weiter.
    "Für den Fall, dass mich tatsächlich jemand mit dem Schwerte anzugreifen wagt, werde ich mich vertraulich an meinen guten alten Onkel Marcus wenden. Wenn der erstmal seine Grundausbildung hinter sich bekommen hat, wird er meine Feinde schon das Fürchten lehren. Im späteren Verlauf meiner Karriere findet sich ja vielleicht sogar die ein oder andere kleine Legion unter meinem Kommando, auf dass ich sie den frechen Kerl schlicht überrollen lasse. Wahrlich, eine ansprechende Vorstellung. Wie würde es dir gefallen, in einer Legion unter meinem Kommanto zu dienen, Marcus?"
    Milo duckte sich vor eventuell heranfliegenden Wurfgeschossen. Sein Hunger war mittlerweile gestillt, so dass er nur rasch sein Weinglas nahm und dieses ebenfalls in Sicherheit brachte.

  • Marcus Blick schweifte über den Tisch und er zog sich noch eine Fischplatte heran. Zufrieden, dass Milo schon satt war, widmete er sich den Speisen nun allein. Er lachte leise und zerschnitt mit dem Messer ein Fischstück in kleine Happen, die er mit den Fingern zurecht zog.


    „Mal sehen, mal sehen! Agrippina will mich doch in einigen Jahren auf der Rostra sehen. Auch nicht gerade etwas, wozu ich Lust habe!“


    Weder zum Militär, noch zu großer Politik hatte Marcus Lust und hatte vor seiner Mutter eigentlich nie einen Hehl daraus gemacht. Doch er brachte es nicht übers Herz, seine Mutter weiter so zu enttäuschen. Schließlich war sie die einzige Frau in seinem Leben, die ihm wirklich von Bedeutung war und die er aufrichtig liebte. Er aß einen großen Bissen von dem Fisch und leckte sich über die Lippen. So brauchte es ein paar Sekunden, ehe die Worte in seinen Geist sickerten. Gespielt empört schnaubte Marcus auf.


    "Ich sehe schon, Titus, Du brauchst wieder eine kleine Demutslektion!"


    Marcus griff rüber und packte Milo an der Toga. Mit einem bemüht drohenden Knurren warf er sich auf Milo, statt mit irgendwelchem Essen nach ihm zu schmeißen. Dabei stieß sein Ellbogen gegen die Fischplatte, die prompt herunter fiel. Doch Marcus ignorierte das und packte Milo an der Schulter, um ihn von der Kline zu werfen. Genauso als sie noch kleiner waren und sich noch öfters gebalgt haben. Doch inzwischen waren sie beides Männer und für Marcus nicht mehr so ein Kinderspiel Milo unter sich zu bringen. Ein tiefes Lachen löste sich bei der Balgerei aus Marcus Kehle, der so was immer lustig fand.


    „Ehe Du Consul geworden bist, bin ich noch eher zum Legaten aufgestiegen!“

  • Milo blinzelte Aristides irritiert an.
    "Du willst gleichzeitig zum Militär und auf die Rostra? Onkelchen, so funktioniert das aber nicht."
    Er verstummte jedoch augenblicklich, als sein Ziehbruder sich tatsächlich von ihm schon so provozieren ließ und die kurze Distanz zu Milos Kline rascher überquerte, als dieser reagieren konnte.
    "Argh! Nein, Marcus!"
    Das Glas überaus hinderlich in der Hand kämpfte Milo um sein Gleichgewicht, hatte in seiner Überraschung diesem Angriff jedoch nichts entgegen zu setzen. Er fiel rückwärts die Kline hinunter und landete hart. Sein Ellenbogen traf schmerzhaft auf dem Boden auf, das Glas sprang ihm aus der Hand und zerschellte. Jetzt erst fasste er sich wieder und Milos Überraschung wich Rachegelüsten. Er grinste unheilverkündend.
    "Na warte, du!"
    Im Nu war er wieder auf den Beinen und stürzte sich nun seinerseits auf Aristides. Auch wenn er ahnte, dass er nicht als Sieger aus dieser Auseinandersetzung herausgehen würde, machte der freundschaftliche Kampf Milo durchaus Spaß.
    "Das werde ich dir heimzahlen!"
    Mit einem Satz stand er auf seiner Kline und versuchte aus dieser erhöhten Position Aristides den Arm um den Hals zu legen, um diesen in den Schwitzkasten zu nehmen. Mit der anderen Hand zog er kräftig an dessen Toga, um ihn so aus dem Gleichgewicht zu bringen.
    "Als Consul werde ich dir schon noch zeigen, wie der Hase rennt. Aber bevor du Legat bist, musst du erst einmal Senator werden. Nur, während du mit den Plebejern am Straßen bauen bist, wird das ziemlich schwierig werden!"
    Er grinste breit ob dieser Vorstellung und lehnte sich mit seinem ganzen Gewicht gegen Aristides.

  • Überrascht riß Marcus die Augen auf als Milo so auf Gegenangriff ging. Damit hatte er nicht wirklich gerechnte. War es doch früher immer ein leichtes Spiel mit seinem kleinen Ziehbruder. So keuchte er kurz auf als er in den Schwitzkasten kam. Doch das Grinsen auf seinem Gesicht wurde nur kurz gemindert, wenn es ihm am Hals doch schon arg weh tat. Dass Milo so zugelegt hatte, sollte er sich in Zukunft merken. Oder Hannibal, der ihm beim nächsten Mal warnen sollte. Sein Gesicht lief etwas röter an, dann griff Marcus schnell nach hinten und packte Milo wieder an der Toga. Dann machte er seinen Rücke krumm, nahm seine Muskelkraft zusammen, um Milo von sich runter über den Rücken zu werfen. Hustend und lachend sank Marcus neben Milo auf den Boden.


    "Du bist stärker geworden, Brüderchen!Erstaunlich! Hmmm.... Du Consul, ich Legat?"


    Marcus lachte kehlig und rauh, dabei fuhr er sich über seinen Hals, der noch brannte. Dann stützte er sich auf dem Boden ab. Seine Hand griff in die Weinpfütze und auch in eine kleine Glasscherbe, doch er grinste und sah nur auf seine rote Hand. Rot vom Wein, was sich nun mit etwas Blut mischte. Empfindlich war er jedoch nie, deswegen saugte er die Scherbe heraus und spuckte sie in einen Schatten. Achtlos wischte er seine Hand an seiner Tunika ab und stand auf. Er reichte Milo die Hand, lächelnd und wieder mal mit einem gutmütigen Gesichtsausdruck. Und er zog sie auch nicht zurück, wie er es früher immer gemacht hatte.


    "Militär und Rostra zusammen? Nein, am Liebsten Beides nicht!"


    Das Geständnis kam ihm einfach über die Lippen. Aber Milo wußte davon ja eh. Plumpsend und seufzend ließ sich Marcus auf die Kline fallen. Seine Fröhlichkeit war verschwunden und er seuftzte 'bitter'.


    "Ich denke, dass ich nächste Woche aufbrechen werde nach Germanien. Ich dachte da an die Legio IX! Hast Du von der schon gehört?"

  • Milo lachte auf und schüttelte den Kopf.
    "Stärker vielleicht, aber nicht stark genug. Du wirst wohl immer der Athlet von uns beiden bleiben."
    Er war hart auf dem Boden aufgekommen, doch das machte ihm nicht viel aus. Wer mit Aristides zusammen aufwuchs, war Schmerzen gewohnt. Da mit Mitleid ohnehin nicht zu rechnen war, verzog er nur leicht das Gesicht und stöhnte nicht allzu übertrieben vor Schmerzen.
    "Aber eines Tages wirst du mich noch umbringen, Marcus."
    Betont mühselig stemmte er sich vom Boden hoch und kam umständlich wieder auf die Beine. Missmutig betrachtete Milo seine verdreckte Toga und klopfte halbherzig etwas Staub ab. Um die Weinflecken würden sich später die Sklaven kümmern müssen. Er seufzte theatralisch und legte sich vorsichtig wieder auf seine Kline. Noch immer vorwurfsvoll sah Milo zu Aristides hinüber.
    "Lass dir deine Wunde von einem der Sklaven versorgen. Agrippina würde darauf bestehen."
    Er ahnte, dass dies das vermutlich einzige Argument war, welches seinen Ziehbruder in diesem Punkt möglicherweise zur Vernunft bringen konnte. Also diskutierte Milo auch nicht weiter darüber und wandte sich interessanteren Themen zu.
    "Von mir aus gerne. So es mir tatsächlich vergönnt sein sollte, wäre es mir eine große Ehre eines Tages das hohe Amt des Consuls ausführen zu können. In dem Fall könnte ich dich auch als Legatus Legionis akzeptieren. Doch bis dahin wird wohl noch viel Wasser den Tiber hinab fließen. Nach Germanien willst du?"
    Milo war nicht sonderlich begeistert und verbarg dies auch nicht. Kritisch zog er die Augenbrauen hoch.
    "Ist es denn wirklich notwendig, dass du dich derart weit von der ewigen Stadt entfernst? Ich werde sterben vor Langeweile. Von der IX habe ich bislang noch nicht viel gehört. In der Acta Diurna las ich von einigen ihrer Aktivitäten, erinnere mich aber nicht mehr so genau. Doch wenn du Informationen benötigst, könnte man sich bei meinem Vorgesetzten erkundigen. Der Aedilis Plebis erzählte mir, dass er vor seinem Eintritt in den Cultus Deorum der Statthalter von Germanien war. Wären die Cohortes Urbanae nicht auch eine gute Möglichkeit?"
    Ganz hatte er die Hoffnung noch nicht aufgegeben, des Nachts gemeinsam die Stadt erkunden zu können.

  • Marcus saugte an seinem Handballen und zuckte gleichmütig mit der Schulter. Es tat ihm nicht sonderlich weh. Als Kind war er doch eindeutig wehleidiger gewesen als heute. Aber das lag eher daran, dass er so noch mehr um die Aufmerksamkeit seiner Mutter buhlen konnte, besonders seit Milo sich dazu gedrängt hatte. Nachdenklich sah er auf seine kleine Schnittwunde und hob den Blick in Richtung Hannibal, den er jedoch nicht mehr ausmachen konnte.


    "Später!"


    Das war sein einziger Kommentar zu dem Verbinden lassen. Er wischte noch mal seine Hand an der Tunika ab und musterte dann Milo. Irgendwie fand er es schon seltsam, dass sein kleiner Ziehbruder im Hause eine Toga trug. So ein umständliches Teil und unbequem war es zudem. Seufzend rieb er sich sein Kinn und lehnte sich auf der Kline zurück.


    "Ja, wer will schon nach Germanien? Und ehrlich gesagt, würde ich auch lieber in Rom bleiben! Aber Agrippina wäre wohl nicht damit zufrieden. Aber ich hab ehrlich gesagt, auch nicht sonderlich Lust als einfacher Legion zu enden. Aber die Cohortes...?"


    Unschlüssig sah Marcus Milo an. Seine Worte fruchteten durchaus in Marcus und er begann darüber nachzudenken. Er wäre Soldat, könnte sich einen Namen machen, müsste jedoch nicht im Schlamm kriechen oder gar Lager und Strassen erbauen. Nicht, dass er sich scheuen würde auch mal zu arbeiten, aber jeden Tag und das auch noch in eiskalten Landen?


    "Ich weiß nicht so recht...!"


    Entschlossenheit gehörte aber auch nie wirklich zu den großen Tugenden des Marcus Flavius Aristides. Er traf in brenzligen Situationen zwar sehr schnell Entscheidungen und offenbarte da tatsächlich einen kühlen und überlegten Kopf, aber sobald man ihm Zeit zum Nachdenken gab, war er verloren.

  • Milo ließ sich ein neues Glas Wein geben und trank etwas daraus. Angesichts der Worte Aristides' verzog er das Gesicht und schüttelte sich leicht.
    "Germanien! Ich kann mir beileibe nicht vorstellen, was einen Menschen in diese Provinz ziehen kann. Es ist kalt, wenig zivilisiert und ständig diese Bedrohung durch die Germanen. Wie willst du es dort nur so lange aushalten? Ich glaube kaum, dass auch nur in einer der dortigen 'Städte', so man sie denn so nennen kann, über ein auch nur halbwegs akzeptables Nachtleben verfügt. Du wirst wahrscheinlich schon froh sein, wenn dich die germanischen Lupae überhaupt verstehen. Da lobe ich mir doch Rom, den Nabel der Welt. Hier gibt es alles, was das Herz begehrt. Natürlich könntest du als Soldat der Cohortes Urbanae nicht mehr in unserer Villa wohnen und dich auch nicht jeden Tag in der Stadt herumtreiben. Doch wenn sich tatsächlich einmal ein freier Tag ergibt, dann steht dir alles an Unterhaltung zur Verfügung, was der Mensch sich wünschen mag. Nur..."
    Er lächelte verschmitzt, sah sich kurz um und sprach dann mit gedämpfter Stimme weiter.
    "...gehe bitte nicht zu den Vigiles. Ich weiß, dass mein Bruder da anders zu denken scheint, aber für mich sind sie noch immer nichts als eine Bande Freigelassener. Es sind Feuerlöscher oder Eimerträger, aber in meinen Augen keine wirklichen Soldaten. Sie wären eines Flaviers nicht würdig, Marcus."
    Milo zuckte mit den Schultern. In dieser Angelegenheit dachte er einfach ganz anders als sein Zwilling. Auch wenn er dessen Meinung natürlich akzeptierte, hinderte ihn das natürlich nicht daran, seine eigene gegenüber Aristides zu äußern. Er fuhr in normaler Tonlage wieder fort.
    "Die Cohortes Urbanae sind in jedem Falle eine Einheit von hohem Ansehen. Doch wenn du natürlich die germanische Abgeschiedenheit dem vorziehst, dann will ich dir nicht im Wege stehen. Vielleicht solltest du vor der endgültigen Entscheidung noch mit jemandem sprechen, der die Provinz ein wenig besser kennt."
    Er zuckte ratlos mit den Schultern, machte es sich auf seiner Kline gemütlich und trank wiederum etwas Wein.

  • Mißmut und Unentschlossenheit zierte das Gesicht von Marcus. Doch bei einem der Äußerungen von Milo musste Marcus wieder grinsen. Er schüttelte leicht den Kopf und griff nach seinem Weinglas, das die Tollerei überlebt hatte. Er schenkte sich selber aus der Karraffe nach und trank einen tiefen Schluck. Seufzend lehnt er sich zurück und warf zwischendrin einige Worte in einer Pause von Milos sinnieren über Marcus Zukunft.


    "Wer sagt denn, dass ich mit einer Lupa reden will? Das ist eher ein Argument für Germania!"


    Marcus lachte tief und auch die letzten Reste seines Mißmuts verschwanden. Aber Marcus war einfach ein viel zu lebensfroher Mann, um länger Trübsaal zu blasen. Bei der Erwähnung der Vigilen riß Marcus die Augen auf und schüttelte wieder lachend den Kopf.


    "Beim Fell des Pluto, die Vigilen? Es wird mich gewiß nicht zu der Feuerwache ziehen. Das wäre so was von peinlich! Ach...pff...puh! Mal sehen, ich werd es mir die nächsten Tage noch durch den Kopf gehen lassen."


    Mit einer Handbewegung wischte Marcus die gesamte Sache vom Tisch, wenn auch nur bildlich. Suchend sah er sich auf dem Tisch um, doch die meisten Speisen waren nicht mehr genießbar. Seufzend strich sich Marcus über den Bauch. Zwar hatte er auch keinen Hunger mehr, aber Essen konnte er eigentlich den ganzen Tag.


    "Kommen wir doch zu angenehmen Dingen. Sind nicht bald Spiele hier in Rom? Wirst Du hingehen? Oder musst Du arbeiten?"

  • Milo schmunzelte und stellte sein Weinglas beiseite.
    "Zumindest um ihr deine Vorlieben klar zu machen, sollte sie dich doch verstehen können. Aber wahrscheinlich hast du Recht. Das lässt sich auch ohne Worte irgendwie regeln. Die römischen Frauen sind in dieser Hinsicht manchmal doch allzu schwatzhaft. Wobei ich zugeben muss, dass ich hin und wieder ein angeregtes Gespräch auf hohem Niveau mit einer gebildeten Dame durchaus zu schätzen weiß. Denke allein an Agrippina, die nun wirklich eine fabelhafte Gesprächspartnerin abgibt."


    Die Nahrungssuche seines Ziehbruders nahm er zwar wahr, reagierte aber nicht darauf. Wenn Aristides noch mehr essen wollte, würde dieser sich schon selbst helfen.
    "Sowohl als auch, Marcus. Mein Arbeitgeber ist schließlich der Aedilis Plebis und wünscht mich zu diesen Gelegenheiten in seiner Nähe. Ich schätze jedoch, dass es im Normalfall weniger zu arbeiten und mehr zu sehen geben wird. Ich denke, dass ich diesbezüglich wohl die optimale Arbeit gefunden habe. Fabelhafte Plätze in den ersten Reihen sind mir gewiss. Wie steht es mit dir? Soll ich dir einen guten Platz freihalten?"

  • Marcus lachte leise und fing an, an seinen Stiefeln zu zerren. Doch der Schlamm an der Seite war derweil getrocknet und machte es zu einem schwierigen Unterfangen. Fluchend sah er noch mal in die Ecke, wo Hannibal verschwunden war. Bestimmt kümmerte sein Sklave sich wieder um seine Schriftrollen und seine philosophischen Schriften. Wie konnte ein Mensch nur derart in solche öden Dinge vernarrt sein? Bei der Erwähnung von Agrippina in dem Zusammenhang einer Lupa, verzog sich Marcus Gesicht ein wenig. Außerdem kehrte der altbekannte Ausdruck von Eifersucht in sein Gesicht. Natürlich war Agrippina, seine Mutter, eine hervorragende Gesprächspartnerin. Sie war eine Frau, wie ein Mann sich nur wünschen konnte und das in jeder Hinsicht. Wie oft hatte Marcus es schon betrauert, dass sie seine Mutter war. Aber auch als Mutter war sie die großartigste Frau der Welt. Aber sie war seine Mutter und gehörte nur Marcus. So fand eindeutig Marcus.


    „Eigentlich interessieren mich die wenigsten Frauen, was das Gespräch angeht. Meine Mutter ist da eine Ausnahme, eine wirklich große Ausnahme. Frauen schwatzen doch sonst nur, sind sentimental und wollen ständig hören, wie schön man sie doch findet. Eigentlich will man sie jedoch nur im Bett unter sich haben und nicht ihnen schöne Komplimente machen! Das mag sich etwas grob anhören, ist aber nun mal die Wahrheit.“


    Marcus zuckte mit der Schulter. Die Spiele, wie sehr würde er zu ihnen kommen. Aber wahrscheinlich konnte er sich nicht so lange in Rom aufhalten. Das mit den Urbanern war ihm eher zu unpassend, auch wenn es Marcus sehr verlockte. Und wenn er nach Germanien wollte, sollte er das gute Reisewetter ausnutzen.


    „Ich bin mir nicht sicher, ob ich überhaupt zu den Spielen komme. Wagenrennen sind nicht so mein Fall. Blutige Tierhetzen und Gladiatorenkämpfe mag ich doch mehr. Da geht es richtig zur Sache!“


    Marcus seufzte leise und legte seine dreckigen Stiefel jetzt auf die Kline. Er gähnte leicht. Anscheinend war jetzt noch das letzte Blut aus seinem Kopf gewichen, nach dem schweren Mahl. Marcus streckte sich genüßlich und sah fragend zu Milo.


    “Und? Meinst Du es gibt ein Zimmer für mich in diesen vier Wänden?“

  • Aristides Eifersucht konnte Milos Lächeln nicht trüben. Er hatte die Gespräche mit seiner Ziehmutter immer genossen und würde dies auch weiterhin tun. Es war schließlich fraglich, ob er eines Tages eine Gattin finden würde, die Agrippina das Wasser reichen könnte. Um seinen Onkel aber nicht noch weiter zu reizen, ließ er das Thema auf sich beruhen und rettete sich in eine scherzhafte Bemerkung.
    "Nicht unbedingt, Marcus. Es kann auch überaus erquicklich sein, ein geschicktes Weib auf sich zu haben." lächelte er anzüglich.


    "Die blutigen Spiele werden erst gegen Ende der Amtszeit der Aedile stattfinden. Und nachdem dein Neffe zu den Ausrichtern gehört, wirst du dich dort wohl sehen lassen müssen. Es sei denn, du bist bis dahin schon über die Alpen geflüchtet, Onkelchen."
    Milo grinste und winkte einen Sklaven herbei. "Natürlich bekommst du ein Zimmer. Es dürfte bereits vorbereitet sein. Er wird dich hinführen." Milo deutete mit dem Kopf in Richtung des Sklaven. "Und bestimmt kann er dir auch dabei helfen, deine Stiefel auszuziehen."
    Milo nahm sein Weinglas noch einmal zur Hand und trank es nun gänzlich leer. Dann sah er abwartend zu Aristides, ob dieser sogleich aufbrechen wollte.

  • Marcus dröhnendes Lachen tönte wieder durch den Raum. Er nickte bekräftigend und hob seinen Becher in die Höhe, womit er seine Zustimmung zu Milos Positionenvorschlag gab. Er trank ab und an einen Schluck und lachte dabei tief. Der Wein hatte sein Gesicht derweil schon ein wenig gerötet.


    „Das kann ja noch Monate dauern. Wenn ich mich recht erinnere ist die Amtszeit doch erst zur Hälfte abgelaufen. Nun ja, ich werde da sein, wenn ich nicht durch Schlamm waten muß oder Straßen bauen...wuaha!“


    Marcus schauderte und lachte aber auch gleichzeitig. Der Wein hatte seine Stimmung gehoben und solche Kleinigkeiten wie das Militär, Disziplin und Drill konnten ihn im Moment nicht erschüttern. Auch die Aussicht auf ein warmes, wanzenarmes Bett, nach dem letzten Marsch durch die Pampa, erhellte das simple Gemüt von Marcus erheblich.


    „Sehr gut! Sehr gut! Dann, bei Morpheus Gelüsten, mache ich mich auf in sein Reich! Ich muss sagen, hier fern von Baiae scheinst Du mir doch ein lustiger Tischgeselle zu sein, Titus. Na, hast Dich ja auch gemausert in letzter Zeit!“


    Marcus lachte wieder und stand auf, wobei er kurz schwankte und sich an der Lehne der Kline festhielt. Stöhnend stellte er den Becher ab, der sowieso wieder leer war. Mit Kopfnicken winkte Marcus dem Sklaven, ihn zu führen.


    „Also Titus, hat mich gefreut! Bis morgen Mittag! Ach, ich vergaß, Du musst ja arbeiten. Na, dann bis irgendwann.“


    Marcus hob grinsend die Hand zum Abschied und marschierte stramm, so wie es sein angetrunkener Zustand noch erlaubte, nach draußen.

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