[Ante Castellum] Eine Welt bricht zusammen....

  • Livianus trieb sein Pferd an als ob Dämonen der Unterwelt hinter ihm her wären. Immer schneller und schneller galoppierte sie durch die dichten Wälder Germaniens und der Regen prasselte unaufhörlich auf seine aufglänzende Legatenrüstung. Der völlig durchnässte Offiziersmantel bäumte sich immer wieder im Wind auf und klatschte auf den Rücken des Pferdes.


    Wie in Trance und mit starr nach vorn gerichtetem Blick holte Livianus unbewusst das Letzte aus seinem Pferd. Ohne jegliche Rücksicht auf seine Umgebung galoppierte er über den nassen Erdboden, sprang über das Unterholz und lies weder sich noch dem Pferd eine Chance wieder zur Ruhe zu kommen. Die lauten Schreie, mit denen er das Pferd antrieb, hallten durch den Wald. Bittere Tränen flossen dabei über seine Wangen und vermischten sich mit dem kalten Regenwasser, dass von seiner Stirn herabtropfte.


    Irgendwann erreichten sie eine Lichtung und das Pferd wurde langsamer. Es war am Ende seiner Kräfte angekommen. Schaum stand ihm vor dem Maul und seine Nüstern blähten sich immer wieder auf um nach frischer Luft zu ringen. Völlig erschöpft lies auf Livianus die Zügel los, lies sich zuerst nach vorne sinken und glitt dann vom Rücken des Pferdes hinunter auf den Boden. Das Pferd blieb einige Schritte weiter stehen und versuchte sich wieder zu beruhigen.


    Livianus hingegen sank sofort auf die Knie als seinen Beine den Boden berührten und lies seinen Gefühlen nun freien Lauf. Alles was sich in der letzten Zeit aufgestaut hatte musste nun aus ihm heraus. Mit völlig schmerzverzehrtem Blick sah er zum Himmel und lies die kalten Regentropfen in sein Gesicht prasseln. Er war völlig außer Atem und sein Herzschlag pulsierte durch seinen ganzen Körper.

  • Die Gedanken kreisten wie wild durch seinen Kopf. Wie konnte das nur geschehen? Warum hatte sein bisher so glückliches Leben eine so dramatische Wendung genommen? Hatte sie die Götter gegen ihn verschworen? Konnte es wirklich sein, das er seine geliebte Aemilia nun nie wieder sehen würde?


    Wie ein harter Schlag ins Gesicht traf ihn letztendlich wieder die schreckliche Realität. Er hatte sie verloren! Das liebste und wertvollste, dass er jemals in seinem Leben hatte wurde ihm mit einem Schlag entrissen und er konnte nichts dagegen tun.


    Er sah Aemilia vor sich… wie sie alleine auf dem Sterbebett lag und seinen Namen rief. Doch er war nicht da. Er hatte sie in der Stunde ihrer größten Angst und Verzweiflung alleine gelassen um in Germanien dem Reich zu dienen. Das würde er sich niemals verzeihen. Warum hatte er sie überhaupt gehen lassen? Warum war er nicht mit ihr gegangen?


    Sein Brustkorb hob sich unter der schweren Rüstung und gleich darauf hallte ein ohrenbetäubender Schrei über die Lichtung, der im Umkreis von einigen Meilen jedes Tier vertreiben musste und die Vögel selbst bei diesem Regen zum aufsteigen brachte. Livianus brüllte sich für einen kurzen Moment allen Kummer und Schmerz von der Seele, bevor sein Schrei wieder verhallte und er mit seinem Oberkörper erschöpft zu Boden sank.

  • So kauerte er da, im strömenden Regen und jegliches Gefühl für Zeit und Raum verloren. Es war schwer zu sagen, wie lange er dort wirklich ohne jegliche Bewegung ausharrte, aber ihm kam es wie Tage vor. Der tiefe Schmerz wollte einfach kein Ende mehr nehmen. Er fühlte sich alleine, zurückgelassen, von den Göttern um sein Glück betrogen. Alles hätte er dafür gegeben, nur um Aemilia wieder in seine Arme schließen zu können. Was nutzten ihm nun all die Würden und Ehren, all die Reichtümer und Privilegien? Er konnte sie jetzt mit niemand mehr teilen. Seit Aemilia nach Britannien gegangen war fühlte er sich einsam… und nun…. war er sein restliches Leben einsam? Livianus konnte regelrecht spüren, wie seine bisher so fröhliche und glückliche Lebensart aus seinem Herzen wich und nur noch Schmerz und Trauer zurückblieben.


    Nach einiger Zeit rappelte er sich wieder langsam auf und brauchte etwas, um sich zu orientieren und wahrzunehmen wo er sich befand. Seine Rüstung war völlig verdreckt und sein durchnässtes Untergewand hing wie schweres Metall an seinem Körper. Langsam stand er auf und ging wieder auf sein Pferd zu, dass immer noch friedliche einige Schritte weiter stand und mittlerweile seinen Hunger an dem nassen und saftigen Gras stillte. Zärtlich strich er am Hals des Pferdes entlang, fast als wolle er sich für den Höllenritt entschuldigen, jedoch ohne etwas dabei zu sagen.


    Dann ließ er das Pferd weiter in Ruhe grasen und ging weiter zu einem großen Baum, der in der nähe Stand. Dort lies er sich wieder nieder und starrte in den Himmel.

  • Es waren bestimmt zwei Stunden vergangen, in denen Livianus einfach nur ins Leere gestarrt und seine Gedanken sortiert hatte. Der Regen hatte bereits ausgesetzt und nur die dicken, dunklen Wolken waren über geblieben. Erst als er merkte wie stark er in seinen völlig durchnässten Kleidern fror und zitterte, kam er wieder zur Besinnung und rappelte sich auf. Langsam trottete er zu seinem Pferd, das immer noch friedlich und ruhig an der Stelle stand, an der er es zurückgelassen hatte. Mit einem großen Satz schwang er sich hinauf, nahm die Zügel zur Hand und ritt langsam und föllig erschöpft wieder zurück in Richtung Castellum.

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