• Jeder Schritt schien neue Nervenzentren in Constantius Körper zu wecken. Jeder Muskel schien zu protestieren, wenn er gezwungen wurde sich zu bewegen. Der junge Mann schlich deswegen auch mehr als das er ging zur Casa der Iulier.
    Früher oder später würde er sich sicherlich an die Strapazen gewöhnen, doch im Moment schien alles darauf hinzudeuten, dass er den nächsten Tag nicht erleben würde. Jedenfalls war sich Constantius da fast sicher.


    Als die vertrauten Umrisse der heimischen Casa in Sicht kamen, verharrte Constantius. Sein Blick glitt an sich herab. Zwar hatte er seine Uniform in der Kaserne gelassen, doch das Bild, das er darbot, war nicht besonders vorzeigbar. Vor allem nicht wenn er gleich unter die Augen seiner Schwester treten sollte. Sie würde sich nur wieder zu viele Sorgen machen.


    Zwar blieben ihm nur wenige Stunden, bis er sich wieder im castra urbanae zurückmelden musste, doch ein anständiges Bad würde die kurze Zeit, die er mit Helena verbringen durfte, frei von sorgenvollen Blicken halten. Sie sollte wenigstens nicht noch durch seinen Anblick erschreckt werden. Und schon gar nicht sollte sie merken, dass es ihm nicht gut ging. So machte Constantius kehrt… und ging oder schlich zu einer der nahen Thermen der Stadt.

  • Nach dem Besuch in der Therme hatte sich eine wohlige Wärme in Constantius ausgebreitet. Zwar fühlte er sich immer noch müde, doch die Schwere, die seinen Geist belastet hatte, war für eine Weile gebannt. Das typische Lächeln war auf seine Lippen zurückgekehrt. Ein weiterer Vorteil, der sich durch den Besuch der Thermen ergeben hatte war von eher einfacher Natur. Er roch nun nicht mehr nach Schweiß und Kaserne. Ein Umstand, den selbst Constantius als vorteilhaft empfand.
    So war der Weg zur heimischen Casa schneller zurückgelegt als noch beim ersten Versuch. In diesem Zustand konnte er sich noch Hause wagen. In diesem Zustand würde man ihn wenigstens nicht bemitleiden oder ihn als zu schwach betrachten. Insgeheim freute er sich auch auf das Essen, was er mit Helena würde einnehmen dürfen.
    Das Essen in der Kaserne war schon nicht mit dem heimischen Genüssen zu vergleichen, geschweige den die Gesellschaft seiner Schwester im Vergleich zu dutzenden von müden und erschöpften Rekruten.


    Sein Herz klopfte laut in seiner Brust als er schließlich an der Casa ankam und eintrat. Er bedachte Wonga mit einem freundlichen Blick und wechselte einige nichts sagende aber freundliche Worte mit dem Türsklaven, bevor er die vertraute Stille des Heims genoss. Welch paradiesischer Ort es doch war. Warum bemerkte man erst wie gut man es doch hatte, wenn man dabei war es zu verlieren. Constantius begann eine weitere wichtige Lektion in seinem Leben zu lernen.

  • Constantius blickte sich in der Casa um. Es schien ruhig zu sein. Ein glücklicher Umstand, der ihm gerade recht kam. Es galt etwas zu erledigen, das er sonst wohl wieder vergessen würde, wenn er sich schweren Herzens auf dem Weg in die Kaserne würde machen müssen.
    Constnatius ging, entgegen seiner Natur, leise durch die Räume, bis er schließlich sein Ziel erreichte. Mit einem bedeutsamen Lächeln legte er einen kleinen Beutel auf den einzigen Tisch in diesem Raum. Ein leises Klimpern von Münzen ertönte, als der Tisch das Gewicht des Beutels zu tragen begann. Auch wenn es nicht viel war, so war es doch immerhin ein Anfang. Constantius empfand einen Hauch von Zufriedenheit. Er hatte seinen ersten Sold erhalten. Das erste Geld, dass einem guten Zweck zugeführt werden konnte. Das erste Geld, das dem Hause der Iulier in Rom diente und vor allem Helena dienen sollte.


    Constantius verließ den Raum und atmete tief durch.
    „Nun noch eine angenehmes Mal und dann schaffe ich selbst den weg zurück zur Kaserne“, sprach er leise mit sich selbst.

  • In einem anderen Teil der Casa war die Hausherrin gerade damit beschäftigt, einer ihrer Lieblingstätigkeiten nachzugehen - Sklaven scheuchen. Noch immer waren zwei der Gästeräume nicht angemessen hergerichtet und sie sorgte dafür, dass dieser Tatsache bald abgeholfen werden würde - die Dienerschaft hatte schon einige Tage zuvor bemerken müssen, dass nun ein anderer Wind in der Casa Iulia herrschte und dieser Wind ziemlich eisig und kühl werden konnte, wenn man sich nicht mit Sorgfalt seinen Aufgaben widmete. Doch als dieser Teil ihres täglichen Bemühens um eine angemessene Unterkunft abgeschlossen war, zog sich Iulia Helena in ihr eigenes Cubiculum zurück, um sich ein wenig frisch zu machen - bald würde Constantius zurück nach Hause kommen und ihrem Bruder wollte sie nie als die Hausfrau gegenüber treten, sondern als stolze Römerin, die ihren Platz gefunden hatte.


    Der Beutel auf ihrem kleinen Tischchen ließ sie stutzen - hatten die Sklaven etwa wieder ...? Aber als sie es hoch hob, überzeugte sie das leise Klimpern darin und die Schwere des Beutels davon, dass sie es hier keineswegs mit nachlässig herumliegenden Haushaltsgegenständen zu tun hatte. Mit einem verblüfften Blick begann sie die Münzen aus dem Beutel zu nehmen und zu zählen - fünfzig Sesterzen, ein halbes Vermögen, bedachte man ihr eigenes Gehalt als Scriba. Und diese fünfzig Sesterzen konnten nur von einem kommen ... Den Beutel ordentlich verschnürend, barg sie ihn in der abschließbaren Kassette unter ihrem Bett, bevor sie sich schnellen Schritts auf die Suche nach ihrem Bruder machte, ihrem Instinkt folgend in die Richtung des Esszimmers, denn wer täglich trainierte, brauchte ordentliches Essen. Und da stand er auch schon ...


    "Constantius!" rief sie aus, lief nun auf ihn zu und flog in seine Arme, sodass der überraschte Römer sie einmal im Kreis schwenkte, um mit ihrem Schwung zurecht zu kommen. "Ich danke Dir ..." sagte sie lächelnd, und in diesem Lächeln stand auch nicht zu geringer Stolz. Sein erster Sold!

  • Die Hände hinter dem Rücken verschränkend, beobachtete Constantius mit einem sachten Lächeln auf den Lippen die Tätigkeiten der Sklaven. Er schwieg wenn sie geschäftig in den Raum eilten, etwas auf dem Tisch platzierten und ebenso schnell wieder verschwanden. Er schwieg ebenfallsund lächelte, wenn sie den Raum bereits wieder verlassen hatten. Alles was er tat, war einem jedem Neuankömmling ein fröhliches Lächeln zuzuwerfen.
    Der temperamentvolle Geist des jungen Mannes hatte seine Energie und Kraft in der Kaserne gelassen und nun breitete sich Zufriedenheit mit sich selbst und der Welt in ihm aus.


    Der Ausruf seines Namens erfüllte ihn mit Überraschung. Hatte ihn jedoch die bloße Erwähnung seines Namens schon überrascht, so überwältigte es ihn förmlich, als er plötzlich seine Schwester in seinen Armen wusste. Und hätte er sich nicht mit ihr einmal im Kreis gedreht, wären sicherlich beide auf dem Fußboden gelandet.
    Doch wäre dieser Fall eingetreten, wäre das glückliche Lächeln sicherlich nicht aus seinem Gesicht gewichen. Das glückliche Strahlen in Helenas Augen zu sehen, war mehr wert als jede Sesterze, die er verdienen würde. So verwundert es auch nicht, dass der Protest der ermüdeten Muskeln, der normalerweise in diesen Tagen auf jede Bewegung folgte, diesmal ausblieb.


    Doch was sagte ein kräftiger, junger Probatus in einem solchen Moment, um nicht wie der kleinere Bruder zu wirken, der vor Freude am liebsten in die Luft gesprungen wäre?


    „Gern geschehen!“


    Zugegeben, es war nicht gerade eine rhetorische Meisterleistung gewesen, doch der Blick, der seine Worte begleitete, erzählte einmal mehr all das was seine Worte verschwiegen.

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