Quarto nahm das Messer und berührte mit der Klinge den Rücken des Stiers. Das Tier zuckte kurz etwas zurück, beruhigte sich dann aber sofort wieder und ließ das weitere geschehen.
Danach gab Quarto das Messer zurück.
Quarto nahm das Messer und berührte mit der Klinge den Rücken des Stiers. Das Tier zuckte kurz etwas zurück, beruhigte sich dann aber sofort wieder und ließ das weitere geschehen.
Danach gab Quarto das Messer zurück.
Nachdem der Senator die rituelle Linie von Kopf bis Schwanz gezogen hatte, schnitt Flaccus dem Stier die Kehle durch. Durch kleine in den marmornen Altar geschlagene Rinnsäle floss das Blut in kostbar verzierte Schalen ab, die es auffingen. Vorsichtig schnitt Flaccus den Bauchraum auf, um die Exta freizulegen, dann trat er wenige Schritte zurück. Zusammen mit den anderen Popae wurden die Schalen mit dem Blut des Tieres in das Tempelinnere gebracht und dort zu den anderen Gaben des Aeliers vor das Abbild des Apoll gestellt.
Ein Sacerdos des Apoll erschien nun ehrwürdigen Schrittes und entnahm die Eingeweide, um sie auf einer großen Schale zu platzieren und zu untersuchen. Nur wenn diese keine Auffälligkeiten aufweisen sollten, würde der Gott das Opfer annehmen...
Gespannt wartete Quarto, ob sein Opfer angenommen würde, wobei er nach außen hin jedoch bemüht war, Gelassenheit und römische Gravitas zu demonstrieren.
Apollo lauschte den Worten des Senators, und besah die auf dem Altar hergerichteten Amphoren. Mmmhm, Lorbeer...
Der Priester schien seines Faches kundig zu sein, er hatte das Opfertier nicht beschädigt oder dergleichen. Und auch sonst schien alles gut zu laufen, denn die Innereien des Tieres waren makellos.
Die Kleidung der Iulierin ließ zumindest für eine römische Frau einiges mehr erkennen, ohne dass sie sich jemals hätte erklären müssen - die hochgesteckten Haare, die sich unter der palla verbargen, ließen auf eine verheiratete Frau schließen, auch die Qualität ihrer Kleidung mochte sie unter der Masse an zum Tempel drängender Plebejerinnen herausheben, denn die stola schien von guter Hand gefertigt und hatte gar einige gestickte Verzierungen am Saum, ein Luxus, den sich die normale, arbeitende Plebejerin nicht leisten konnte. Ihre Gesichtszüge offenbaren zudem ein Maß an Pflege und sorgsam schlicht gehaltener Unterstützung der Natur, für die eine Handwerkerin oder Familienmutter kaum jemals die Zeit gehabt hätte ...
Sachte steckte sie ihre palla über dem Haarknoten fest und blickte lächelnd in den Himmel, dann zurück zu Tiberia Livia, ein wenig sinnierend fast, denn dieser Ausdruck des Gesichts erscheint ihr seltsam vertraut - den hatte ihr Gemahl auch oft getragen, wenn ihn etwas sehr wichtiges innerlich beschäftigte, aber alle anderen Dinge nebenher noch funktionieren mussten.
"Schön wäre es," antwortete die Iulierin lächelnd und ließ Tiberia nicht aus ihrem Blick. "Ich habe von so einigen Seiten gehört, wie wenig der Glaube in Rom noch gelebt werden soll, aber es fällt mir immer schwerer, das zu glauben, sind doch bei den Ludi Martialis so viele Menschen gewesen und heute diese Menge an Gläubigen - aber ich glaube, der Pessimismus liegt uns Römern fast ein wenig im Blut, deswegen ragen diejenigen, die sich von ihrem Mut und dem Wunsch, etwas zu verändern, leiten lassen, umso mehr heraus."
Der Priester untersuchte die Eingeweide eine Zeit lang und stellte fest, dass es an ihnen keinerlei Makel gab.
Litatio
rief er aus und qittierte so diesen Befund. Das Opfer verhieß gute Vorzeichen und so trat Flaccus nun vor das Standbild des Apoll.
Phoibe Apollon, Bezwinger der himmlischen Rösser, Lenker des strahlenden Wagens, der du deinen Schein auf die Haine dieses Mannes lenktest und seine Ernten furchtbar ausfallen ließest, lass deine wärmenden Strahlen auch weiterhin die Olivenbäume der Aelier durchfluten!
Apollon Medice, der du mit deinem gefüllten Köcher den Tod bringen und ihn aufheben kannst, der du Seuchen schickst und andere vor ihnen schützt, wehre ab die Krankheiten und Übel von dieser Familie!
Apollon Musagetes, Herr der Musen, Urheber der Künste, lass auch die Neun ihnen beistehen und sie inspirieren bei all ihren Taten
Flaccus erhobene Arme senkten sich langsam, er wandte sich rechts herum und ging auf den Aelier zu.
Lucius Aelius Quarto, du kannst vortreten und dem hohen Gott, dem Apollon Palatinus, Schutzgott des Kaisers, deine Bitten vortragen, so du es wünschst.
Quarto trat vor und sagte:
“Ich erbitte des Gottes Gunst und Schutz für meinen Bruder, den angenommenen Sohn des Kaisers der damit auch ein Sohn des kaiserlichen Geschlechts geworden ist. Ich bitte darum, dass ihm kein Unheil widerfährt und dass er eines Tages den Platz einnimmt, der ihm zugedacht ist.
Auch flehe ich darum, dass meine Familie behütet sei. Mein Weib, die mit meinem Kinde schwanger ist und Callidus, den Sohn des Vetters meines Vaters.“
ZitatOriginal von Iulia Helena
"Schön wäre es," antwortete die Iulierin lächelnd und ließ Tiberia nicht aus ihrem Blick. "Ich habe von so einigen Seiten gehört, wie wenig der Glaube in Rom noch gelebt werden soll, aber es fällt mir immer schwerer, das zu glauben, sind doch bei den Ludi Martialis so viele Menschen gewesen und heute diese Menge an Gläubigen - aber ich glaube, der Pessimismus liegt uns Römern fast ein wenig im Blut, deswegen ragen diejenigen, die sich von ihrem Mut und dem Wunsch, etwas zu verändern, leiten lassen, umso mehr heraus."
Die Worte Helenas in Bezug auf den Glauben der Römer versetzen Livia in Verwunderung und sie sieht die neben ihr stehende überrascht an.
"Soetwas erzählt man sich? Davon ist mir nichts bekannt. Auch wenn ich sicher nicht perfekt darin bin, versuche ich doch meinen Pflichten in Bezug auf die Götter einigermaßen verlässlich nachzukommen. Vielleicht fällt es mir aber auch dadurch leichter, dass mein Bruder als Popa im Cultus Deorum dient. Er weiß sehr wohl, wie er mir ein schlechtes Gewissen zu machen hat."
Sie schmunzelt leicht bei diesen Gedanken und erinnert sich wieder an Flaccus, den sie im Tempel flüchtig bei seiner Arbeit entdeckt hat.
"Doch du hast recht, dass viele römische Bürger mit offenbar großer Freude mit dem Pessimismus liebäugeln. Vor allem im gemeinen Volk scheint diese Stimmung leider vorzuherrschen. Aber solange wir uns davon nicht lähmen lassen, ist es noch kein Grund zur Besorgnis."
"Dein Bruder ist Popa? Da hat er heute sicherlich alle Hände voll zu tun - solche hohen Feiertage sind ja für alle Priesterschaften wichtig. Im Grunde ist Rom nach wie vor zu beneiden. Wenn ich mir überlege, wie wenig man in manchen Provinzen zu den hohen Feiertagen Würdenträger findet, oder überhaupt die Feste wirklich ausgerichtet werden, dann wird man hier wirklich sehr verwöhnt ..." bemerkte sie und ließ den Blick über die zum Tempel hin und vom Tempel weg wogende Menge gleiten. Es war wirklich kein Vergleich zu manchen Provinzstädten, in denen die römische Bevölkerung noch immer damit beschäftigt war, sich überhaupt als gesellschaftliche Einheit zu formieren.
"Manchmal könnte man meinen, wir hätten verlernt zu lächeln und den Herausforderungen des Lebens mit einem frohen Herzen entgegen zu treten," fügte sie nachdenklich an und ließ den Blick in den Himmel schweifen. Einige Vögel jagten einander, wahrscheinlich würde ein Augur daraus nun die absonderlichsten Dinge lesen können. "Was das Opfern anbelangt und die Dienste an den Göttern - manchmal scheint es mir, als sei die Priesterschaft etwas geschrumpft. Man sieht nicht mehr oft Priester durch die Straßen gehen, wie es früher einmal war - vielleicht liegt auch darin etwas begründet, dass es dem einfachen Volk schwer fällt zu hoffen. Manche wenden sich ja den absonderlichsten Sekten zu."
"Ja, wohl wahr. Die meisten Priesterschaften kümmern sich mittlerweile wirklich vorbildlich um ihre Götter und die Pax Deorum. Ich erinnere mich noch gut an meine Zeit in Hispania. Damals nahm ich dort solche Aktivität weitaus weniger wahr. Allerdings scheint sich auch in Hispania die Lage verändert zu haben. Wenn ich an die Informationen denke, welche über die Acta Diurna auch hier nach Rom gelangt sind, dann scheinen sich die Tempel Tarracos wieder mit regem Leben zu erfüllen. Allein der Bericht zu den Vestalinnen aus der letzten Ausgabe ist vielleicht Anlass zur Sorge. Doch insgesamt scheint sich seit meiner Anwesenheit in Rom eine stetige Besserung der Zustände zu vollziehen. Wie es noch davor war, das ist mir leider nicht bekannt."
Nachdenklich streicht Livia eine widerspenstige Haarsträne aus ihrem Gesicht und befestigt diese wieder notdürftig in ihrer Frisur. Die Worte der Iulierin zu den Herausforderungen des Lebens wecken wieder die Erinnerung an ihr eheliches Dilemma und Livia ist versucht zu seufzen. Sie verkneift es sich jedoch und lächelt nur müde.
"Und doch gibt es Herausforderungen im Leben, die einem das Lächeln gründlichst zu verleiden wissen. Man sollte dem nach Kräften nicht nachgeben, doch mein Verständnis ist den daran Scheiternden gewiss."
Livia ist sich keinesfalls sicher, ob sie in dieser Hinsicht nun zu dejenigen mit oder ohne Erfolg gehören wird. Eine gefährliche Gleichgültigkeit scheint sich von Zeit zu Zeit in ihr auszubreiten. Sie schüttelt den Gedanken ab und wendet sich ihrer Gesprächspartnerin nun gänzlich direkt zu.
"Verzeih, dass ich mich noch garnicht vorgestellt habe. Ich bin Tiberia Livia."
"Man kann eigentlich nur hoffen, dass die 'Acta' übertreibt, um die Leser für ein Problem aufmerksam zu machen ... ich könnte mir Rom ohne Vestalinnen eigentlich nicht vorstellen. Keine andere Priesterschaft ist so eng mit den Werten und Traditionen unserer Ahnen verbunden, es wäre schlichtweg entsetzlich, gäbe es keine jungen Mädchen mehr, die sich dieser Aufgabe stellen wollen, das Herdfeuer zu hüten ... als ich noch jung war, habe ich eine Weile auch mit diesem Gedanken gespielt, aber mein Vater war anderer Meinung und gab mir stattdessen einen Gemahl," meinte die Iulierin mit einem stillen Schmunzeln, wenngleich auch mit einem ins wehmütige tendierenden Gesichtsausdruck. Damals hatte sie ihren Vater verflucht, ihre Mutter für ihr Schweigen ebenso und ihren Gemahl noch viel mehr - aber es war mehr als zehn Sommer her, inzwischen betrachtete sie manches anders.
Wie erschöpft die andere doch wirkte, überlegte sich Helena und für einen Moment empfand sie spontan ein gewisses Mitgefühl. So wirkten nur Menschen mit vielen Sorgen und noch mehr Aufgaben - als Livia ihren Namen nannte, wurde ihr auch klar, wie recht sie mit dieser Annahme gehabt hatte.
"Ich freue mich sehr, dich kennenzulernen, Tiberia Livia ... ich bin Iulia Helena. Dann musst Du die Prätrix sein, von der man mit Respekt spricht ..." Ein freundliches Lächeln galt der anderen Frau, denn sie hatte durchaus schon das ein oder andere über sie vernommen, wie über alle Politiker Roms. Über die Menschen, die den Cursus Honorum als Herausforderung angenommen hatten, sprach man eben immer, Gutes wie Schlechtes. "Du wirkst sorgenvoll an einem so strahlenden Festtag ..."
Nachdem die wichtigsten Persönlichkeiten geopfert und den Tempel verlassen hatten, galt das letzte Opfer dem Kaiserhaus, dessen erster Princeps, Imperator Caesar Divi Filius Augustus, das Haus des Gottes auf dem Palatin erbauen ließ.
In reinen Gewändern traten fünfzehn Männer in einer Reihe vor den Tempel. Die Sacerdotes und Popae, unter ihnen auch Flaccus, stellten sich links und rechts auf. Einer der Popae führte nun einen weißen Ziegenbock vor den Altar, dessen Kopf mit einem Lorbeerkranz geschmückt war. Nachdem dieser entfernt worden war wurde die Mola Salsa über den Kopf des Tieres gestreut und etwas Wein hinüber gegossen; einer der Quindecimviri strich mit dem Opferdolch über den Rücken des Tieres, und sogleich wurde dem Bock die Kehle durchschnitten. Noch während das Blut in die dafür aufgestellten Schalen floss, sang der vorstehende Quindecimvir den hexametrischen Päan zu Ehren des Apollo Palatinus als Sühne- und Bittlied für die kaiserliche Familie.
Als er geendet hatte, trat der Quindecimvir zurück und ein Sacerdos des Apoll schnitt den Leib des Bockes auf, um Leber, Lunge und Darm zu entnehmen. In ihnen las man, um festzustellen, ob der Gott der kaiserlichen Familie noch wohlgesonnen war.
Abschließend begaben sich die Popae mit Amphoren, in welchen sämtliche Eingeweide platziert wurden, in den Tempel, wo diese gekocht werden sollten. Musik der Flötenspieler begleitete diesen Einzug und den Popae folgten die Sacerdotes und ihnen die Quindecimviri.
ZitatOriginal von Iulia Helena
Livia schmunzelt leicht.
"Ich hoffe nicht, dass die Acta übertrieben hat. Anderenfalls müsste ich doch einmal ein ernstes Wort mit dem betreffenden Redakteur reden. Doch er befasste sich wohl vor allem mit dem Auftreten der Vestalinnen in der Öffentlichkeit. Ich gehe davon aus, dass die Vestalinnen -wenn auch vor unseren Augen verborgen- weiterhin zuverlässig ihre Dienste ausführen und ihr Feuer wohl zu schützen wissen."
Die Erwähnung der Zweckehe entgeht Livia natürlich nicht. Sie glaubt jedoch der Iulierin anmerken zu können, dass es zumindest nicht ein solcher Alptraum war wie bei ihr selbst. Es fällt ihr nicht leicht, die Sorgen aus ihrer Miene zu vertreiben, doch sie gibt sich alle Mühe. Es ist nie ihre Art gewesen, ihr Inneres nach außen hin sichtbar zu zeigen.
"Danke. Doch nicht jeder spricht so gut von mir. Ich habe schon genug unerfreuliche Diskussionen auf der Rostra führen müssen, als dass ich diesbezüglich noch große Illusionen hege. So strahlend dieser Festtag auch sein mag, so trüb erscheint wohl manchmal der Alltag. Es gibt so viel zu tun, dass für die schönen Dinge des Lebens häufig schlichtweg kein Raum bleibt."
Wo auch immer dieser Raum in der Casa Vinicia wohl sein sollte. Livia versucht zu lächeln und winkt ab, um das Thema lieber zu wechseln.
"Wie dem auch sei. So ist nun einmal der Lauf der Dinge. Die letzte Phase dieser Amtsperiode naht und schon bald werden wir sicher die Spiele der Aediles erleben. Sicherlich werden sie eine interessante Ablenkung vom Einerlei des Alltages bieten. Ich hoffe, dass meine Pflichten mir einen dortigen Besuch gestatten werden. Auch wenn mich die Kämpfe an sich eigentlich weniger fesseln, sind solche Veranstaltungen meistens ein Erlebnis für sich. Interessierst du dich für Gladiatoren?"
"Vielleicht suchen die Vestalinnen derzeitig die Besinnung auf das Innere, die Tempeldienste und die stille Lobpreisung, wer weiss das schon - auch wenn ich es sehr schade finde, die üblichen Gesänge und das Flötenspiel bisher noch nicht gesehen zu haben ... man kann nur hoffen, dass das alles noch kommt," sagte sie sinnierend und schob eine Haarsträhne, die sich vorwitzigerweise aus ihrer Frisur gelöst hatte, energisch unter den Rand der Palla zurück. Na wunderbar, nun, da sie sich mit einer Patrizierin unterhielt, begann sich ihre Frisur aufzulösen - sie würde ein ernstes Wort mit der Sklavin sprechen müssen, die heute am frühen Morgen anscheinend nicht wirklich Sorgfalt hatte walten lassen. Peinlich! Aber augenscheinlich schien sie für solcherlei ein seltsames Talent zu entwickeln, wichtigen Persönlichkeiten immer irgendwie derangiert vor die Augen zu kommen ...
Wahrscheinlich würde mir vor dem Kaiser selbst eine Fibel an der Stola brechen und alles herunterrutschen, überlegte sie kurz und schob den blasphemischen Gedanken eilends beiseite.
"Ich möchte wetten, die Diskussion über den Sinn von Frauen in politischen Ämtern dürfte Dir oft begegnen - einige Stimmen sprechen davon, dass ein sehr konservativer Teil der Patrizierfamilien erreichen möchte, Frauen ganz aus der Politik und der Verwaltung zu verdrängen. So ungewohnt es für mich auch war, bei meiner Rückkehr nach Rom zu erfahren, dass nun auch Frauen in den Cursus Honorum gehen können, so seltsam erscheint es, diese Neuerung nun aufgeben zu wollen - denn eine Frau wird sich ihren Platz mit Können erarbeiten müssen, nicht durch Geburt allein ...es kann dem Staat nicht vollkommen schaden," führte sie ihre Gedanken fort und blickte zurück zu Tiberia Livia.
"Was die Gladiatoren angeht ... nunja. Wenn es gute Kämpfe sind, mit Kriegern die wirklich zu kämpfen verstehen, dann ist es kein schlechter Anblick, aber es würde mir nichts fehlen, gäbe es sie nicht. Hier in Rom scheinen mir die Gladiatorenkämpfe noch sehr viel mehr darauf ausgerichtet zu sein, einen großen Effekt zu erzielen - das ist von den Spielen zum Gedenken an tote Soldaten und Verteidiger des Reiches und zum Ruhm der Götter doch sehr weit entfernt."
"Bestimmt werden wir sie pünktlich zu den Vestalia wieder zu Gesicht bekommen."
Liva lächelt zuversichtlich. Als Helena auf die Frauenproblematik zu sprechen kommt, wird ihr Gesichtsausdruck wieder ernst und sie nickt. Nur allzu gut kann sie sich an die unschönen Szenen auf der Rostra und auch den kürzlichen Besuch des Aureliers erinnern. Doch dieses wenn auch wenig erfreuliche Thema lenkt sie endlich ein wenig von ihrer unglücklichen Ehe ab. Nachdenklich streift Livia eine Falte ihrer Palla glatt, bevor sie den Blick wieder zu Helena hebt und ihr antwortet.
"Leider begegnet mir diese Diskussion nur allzu oft. Es ist kaum mehr möglich auch nur einen Schritt auf die Rostra zu tun, ohne in solch eine Grundsatzdiskussion hineingezogen zu werden. Zum aktuellen Zeitpunkt würde ich keiner Frau empfehlen können, sich diesem Ärger auszusetzen. So gesehen ist es sehr betrüblich, dass viele Chancen auf eine wirklich konstruktive Diskussion schon von vornherein so leichtsinnig vergeben werden. Einen einzigen Schritt zur Besserung dieser Vorgehensweise konnte ich vor kurzen beim amtierenden Quaestor Principis entdecken. Er besuchte meinen Gemahl und mich in unserer Casa und führte dort ein längeres Gespräch mit Hungaricus. Noch unter den Eindrücken von ihm und seiner Tochter auf der Rostra stehend schwieg ich und hielt mich zurück. Die Argumente wurden auch von seiner Seite aus erstaunlich ruhig und sachlich vorgebracht. Doch darauf, dass er sich auch nach meiner Meinung erkundigen würde, konnte ich lange warten. Nicht, dass ich groß damit gerechnet hätte..."
Sie schmunzelt leicht, da sie sich des Eindrucks nicht erwehren kann, dass die Anhänger dieser Bewegung zwar überaus engagiert sind, aber teilweise den Bezug zur Realität ein wenig verloren haben.
"Er scheint jedenfalls mit dem Kaiser darüber sprechen zu wollen. Wir werden sehen, was sich aus alldem ergibt. In einer Hinsicht kann ich dich jedoch zumindest teilweise beruhigen. Ganz und gar wollen sie uns noch nicht aus den Ämtern drängen. Es geht ihnen vorerst lediglich darum, den Senat in Zukunft für die Aufnahme weiterer weiblicher Senatoren zu schließen. Betätigst du dich in einem Amt?"
Interessiert mustert Livia ihr Gegenüber. Deren gepflegtes Äußeres und die hochwertige Kleidung ließen darauf schließen, dass sie zumindest aus Notwendigkeit nicht zum Geldverdienen gezwungen war.
"Nun, wie auch immer die amtierenden Aedile ihre Schwerpunkte setzen werden, komme ich um den Besuch der Spiele wohl kaum herum. Als Person im öffentlichen Leben ist mah wohl mehr oder weniger dazu verpflichtet, sich bei solchen Gelegenheiten sehen zu lassen. Ich bin daher nur allzu froh um die privilegierten Plätze, welche wir als Senatoren einnehmen können. Das Gedränge der Masse wäre mir doch ziemlich unangenehm."
"Wahrscheinlich solltest Du in den Augen des Quaestor Principis froh sein, dass er Dich nicht offen verunglimpft hat," meinte die Iulierin trocken, bei wirklich sehr konservativ eingestellten Männern hätte sie ein solches Denken nicht gewundert. "Letztendlich ist doch der Wille des Kaisers entscheidend, egal, wieviel sich beide Seiten bemühen - und ich kann mich nicht erinnern, dass er die Kandidatur von Frauen öffentlich verboten oder unterbunden hätte. Die Effizienz, mit der auch Frauen öffentliche Ämter ausfüllen, sollte eigentlich viele Gegenargumente aus dem Weg räumen können. Zumindest kann man bei einer Frau in einem wichtigen Amt sicher sein, dass sie es sich verdient und nicht ererbt hat, allein schon wegen der Widerstände, gegen die man antreten muss, um so weit zu kommen."
Zumindest war das für die Iulierin eine logische Erklärung, in der Geschichte der Stadt hatte es zu oft Männer in Ämtern gegeben, in die sie durch den Reichtum ihrer Familien hinein gelangt waren und nicht durch eigene Kompetenz.
"Ich arbeite als Scriba in Ostia. Letztendlich ist die Verwaltung nichts anderes als ein Haushalt, nur dass man für die Organisierung fauler Sklaven und für Magistrate Sesterzen erhält," meinte sie schmunzelnd. "Auch wenn ich sagen muss, dass meine Tätigkeit in Ostia nicht unbedingt anstrengend ist - es gibt keinen Magistraten und der Duumvir scheint bis auf weiteres verreist, ich kümmere mich also eher darum, dass in keinem der Officien Spinnenweben an den Ecken kleben." Im Grunde war die Curie von Ostia nicht viel anders als die Casa Iulia - ein leeres Gebilde, das man mit viel Ordnung und Leben zu füllen versuchte, um darüber hinweg zu täuschen, dass es kaum Bewohner gab. Sie seufzte leise, doch ihr Lächeln kehrte wieder zurück.
"Die Wagenrennen finde ich noch am interessantesten von allen Möglichkeiten der Spiele - blutige Auseinandersetzungen habe ich in meinem Leben wahrlich genug gesehen, um mich nicht danach zu sehen, sie auch in der Arena betrachten zu müssen. Du kannst Dich hoffentlich mit interessanten Gesprächspartnern ablenken, wenn Du schon hingehen musst ..." Sie wirkte vergnügt, als sie sprach, und für einige Momente schien es, als sei die gute Laune der Iulierin ausgesprochen schwer zu erschütten.
Livia lächelt leicht ob der Energie, welche die Iulierin noch an den Tag zu legen scheint. Ihr selbst fehlt eine derart starke Motivation zur Zeit. Doch sie findet es ermutigend, dass es doch noch so energiegeladene Frauen in Rom gibt.
"Der Wille des Kaisers stand zumindest meiner Kandidatur mitnichten entgegen. Aus verschiedenen Gründen war es mir leider nicht möglich, selbige innerhalb des dafür vorgesehenen Zeitraums zu verkünden. Die Genehmigung für die verspätete Kandidatur gab er mir ohne Zögern."
Während Helena von ihrer Arbeit als Scriba spricht, fühlt Livia sich unweigerlich an ihrer Zeit in Carthago Nova erinnert. Sie lächelt verstehend und nickt.
"Genau so hat es bei mir auch begonnen. Ich war Scriba in Carthago Nova, wo die Verwaltung auch nicht übermäßig stark beansprucht wurde. Mein... Bruder... war Magistratus und der Arbeitsalltag spielte sich in beschaulichen Bahnen ab. Doch es hat mir wohl nicht geschadet, diese Erfahrungen auch einmal zu machen. Die Tätigkeiten in den höheren Ebenen fand ich allerdings um einiges interssanter. Doch vielleicht kommt dies auch darauf an, wo man seine Stelle antritt und wie sehr die Vorgesetzten bemüht sind. Es ist sehr wichtig, ein angenehmes Arbeitsklima zu haben. Ich bin mir sicher, dass du deinen eigenen Weg zu gehen wissen wirst."
Ein frischer Wind kommt auf und Livia fröstelt. Sie hält inne und überlegt. Für den heutigen Tag hat sie keine wichtigen Erledigungen mehr eingeplant. Somit würde sie sich nun nach Hause in die Casa Vinicia begeben. Das Gespräch mit der Iulierin erschient ihr dagegen jedoch weitaus angenehmer und sie entschließt sich kurzfristig anders. Fragend sieht sie nach einem kurzen Blick über den Vorplatz des Tempels ihre Gesprächspartnerin an.
"Was hältst du davon, wenn wir unser Gespräch in den Thermen fortsetzen? Es wird allmählich kühl hier oben."
"So scheint der Kaiser Dir und Deinem Weg wohlgesonnen - und ist das nicht entscheidender als alles vergrätzte Geschwätz jener, die glauben, sie könnten durch die Klugheit einer Frau etwas von ihrer Macht verlieren?"
Aufmunternd lächelte sie Tiberia Livia an und fröstelte für einen Moment unter dem aufgekommenen, kühlen Wind. "Du hast Recht - und mit den Thermen bin ich sehr einverstanden, ein wenig Wärme und Ruhe wird uns sicher guttun nach den vielen Menschen hier." Noch immer drängten Bürger der Stadt in Richtung des Apollo-Tempels, um dort dem Gott an seinem Festtag zu huldigen, und die beiden Frauen wirkten ungewollt wie eine Insel in einem reißenden Strom.
So setzten sich die beiden Frauen schließlich in Bewegung, den Thermen zustrebend, während Helena die eben aufgeworfenen Gedanken fortführte. "Bisher kann ich mich nicht über ein schlechtes Arbeitsklima beschweren der Comes Italia hat sich sehr gut um mich gekümmert, auch wenn er das nicht müsste - aber ihm scheint sehr viel daran gelegen, dass Ostia wieder eine funktionierende Verwaltung erhält. Wenn ich bedenke, wieviele Menschen dort täglich ein und aus gehen, so scheint mir das auch sehr wichtig zu sein - eine Bürgerschaft ohne Betreuung wird früher oder später unzufrieden sein, und ein Ostia mit Wut im Bauch ist sicher nicht gut für Rom."
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