Fern der Heimat/Der Sklavenmarkt.

  • Belenor hatte die Reise ins ferne Hispanien ziemlich mitgenommen. Zum ersten mal in seinem Leben fühlte er sich schlecht, krank, ausgelaugt und kraftlos. Seine Handgelenke brannten wie Feuer, fast schien es ihm als hätten ihm die Ketten das Fleisch bis auf die Knochen herabgescheuert und die Tatsache das man ihm kaum Bewegungsfreiheit liess, liessen ihm die Glieder schmerzen. Mit zehn weiteren Sklaven in einen Käfig gesperrt, tat er es ihnen gleich vollkommen geistesabwesend zwischen den Gitterstäben hindurchzustarren und die vorbeigleitende Landschaft zu betrachten.


    Wie oft und auf welche Art er die Wachen der eskorte in Gedanken schon erwürgt, erschlagen, totgetreten hatte, wusste er nicht. Denn jene Gesellen hatten in seinen Augen nichts weiter als den jämmerlichsten aller Tode verdient. Die Art wie sie höhnten, wie sie die anderen sklaven maltretierten, oder ihnen vermittelten das sie nur bessere Tiere seien. Mit im Käfig befand sich der Sohn eines Stammeshäuptlings, es brachte sein Blut zum kochen wenn sie den jungen Mann schikanierten oder auslachten. Eines stand fest, wenn Loki ihm die Möglichkeit gab, dann würde er jenen beiden Gesellen schneller zu ihren Ahnen befördern, als es ihnen wohl lieb war.


    Doch zogen sich die Tage schier endlos dahin, wohin auch immer die Händler ihn schafften, es schien das Ende der Welt zu sein. Schon lange waren keine grünen Tannenwälder mehr zu sehen, keine Hügel, keine morgendlichen Nebelschwaden. Die Gegend war ihm fremd, der sandige Boden kam ihm vollkommen unecht vor, ebenso wie die krüppligen Sträucher, die sich allenthalben am Wegesrand zeigten. Brennende Sonne den ganzen Tag und kaum Schatten, die Haut schon lange verbrannt und aufgesprungen. Die Zunge dick und beinahe schon taub, als gehöre sie nicht mehr zu ihm. Anfangs hatte nur das harte Metal der Ketten seine Gelenke geschunden, nun gesellte sich noch Sand dazu. Doch Schmerzen empfand er schon lange nicht mehr.


    Tagaus, tagein rüttelte ihn der Käfig durch, tagaus tagein warfen ihm die Wachen Brot zu, als sei er ein wildes Tier. Zu "besonderen" Anlässen gab es Hirsebrei, so klebrig verkocht das er schon als solcher nicht mehr zu erkennen war. Gleich wer sich an den Topf stellte und diesen Zubereitete, er hatte noch weniger Ahnung als er, was schon etwas zu bedeuten hatte. Fleisch zu braten war nicht schwer, doch sobald es mit Töpfen anfing, hörte es bei ihm auf.


    Wohl war ein Geistesverwandter dort am Werk. Und wie oft dieser seine Geschmacksknospen folterte, hatte er aufgehört zu zählen. Bald war es der blanke Hunger, der selbst die scheussliche Pampe schmackhaft machte...und der Wille nicht in diesem elenden Käfig zu verenden.
    Lange hatte er sich die Gesichter derer eingeprägt, die dieses Schicksal mit ihm teilten. Verwahrloste Gestalten, heruntergekommen, gebrochen. Männer in den besten Jahren, die zweifelsohne einmal stolze Krieger waren wie er. Frauen, denen wohl viele Krieger vielsagende Blicke nachgeworfen hatten, als ihre Haare noch nicht verfilzt und ihre Kleider wie auch sie dreckig waren.


    Eine dieser Frauen war ihm gegenüber angekettet, hätte er sie nicht in Ketten und auf diesem von den Göttern verfluchten Karren zum ersten mal gesehen, so hätte wohl auch er schöne Worte an sie gerichtet. Weizenblondes Haar,als hätte Sif ihr jene mit den Ähren eines goldgelben Weizenfeldes zu jener Farbe gerieben. Die Augen blau als ob Tyr selbst ihr etwas vom ungetrübten Himmel eines warmen Sommertages in jene entsandt hätte.
    Dieses Weib musste wahrlich von vielen Kriegern und wohl auch Häuptlingen umworben worden sein, bevor sie in die Klauen dieser niederen Kreaturen geraten war.


    Strahlend musste dieses Lächeln einmal gewesen sein, von den Göttern selbst gegeben. Doch auch sie, jene Schöne seines Volkes hatte wohl die Götter erzürnt, das sie solches Leid ertragen musste. Abend um Abend rissen sie sie aus dem Käfig, anfangs hatte Belenor diese Hunde noch versucht mit den Füssen davon abzuhalten, doch gab es den Knüppeln nichts entgegen zu setzen, da seine Hände an die Gitterstäbe gekettet waren. Abend für Abend musste er mit ansehen, wie sie der Schönen ein Stück mehr von ihrem Glanz nahmen, den Blick trüber werden liessen. Wieviele Worte er an sie gerichtet hatte. Worte, die ihr versuchten Mut zuzusprechen. Worte, die versuchten all das ungeschehen zu machen, was sie ertragen musste. Wieviel härter war ihr Los.
    Um so vieles Schwächer, gebrechlicher. Sie war eine schöne Tochter seines Volkes, nicht zu vergleichen mit den schwächlichen Römerinen, von denen er den Eindruck hatte das sie wohl zerbrechen würden, würde eine germanische Hand sie berühren. Und trotz ihrer Herkunft war sie doch verletzlich.


    Belenor begann bald alles und jeden in Frage zu stellen. Wo war Tyrs Speer, jene zu erschlagen die all dieses Leid brachten? Wo Loki, der sie ihnen auslieferte? Eir hatte sich abgewandt, als einer der Krieger krank wurde und täglich schwächer wurde, bis sie ihn eines morgens leblos aus dem Käfig zerrten und ihn am Wegesrand zurückliessen.
    Doch bald musste er erkennen das alles hadern und zweifeln nichts half. Hier würde gewiss niemand mehr helfen. Scheinbar waren sie zu weit von der Heimat, als das Tyr, Loki oder Vidan sie noch hätten erreichen können.



    Tage um Tage vergingen, bis sie die Stadt erreichten, in der jener Zug hielt. Belenor hatte viel Kraft verloren, viel seines unbändigen Willens und war beinahe genauso stumm und abwesend seinem Schicksal ergeben, wie all die anderen Gestalten, nun beinahe nur noch Kreaturen, die sie aus dem Käfig holten. Hüllen, Daseinsformen die es kaum wert waren noch Germanen genannt zu werden. Wohl für jene, die sein Volk nur aus Geschichten kannten groß und kräftig, aber tatsächlich nurmehr die Schatten jener, die vor langen Wochen die Reise in Germanien angetreten hatten.


    Belenor war es gleich, als man ihn als Barbaren auf dem Stand des Sklavenhändlers anpries. Er entgegnete nichts dazu, war es müde selbst etwas dazu zu denken. An einen Pfahl gekettet, wie die anderen, pries der Händler die "starken Sklaven aus den Barbarenländern" an.
    Viele gingen, viele aber standen noch immer auf der Empore, der etwa einen Schritt hohen Plattform. Belenor hatte den Blick gesenkt und trat vor, kaum das der Händler auf ihn zeigte. Die zwei Schritt langen Ketten waren schon mehr als alles was er in den letzten Tagen gewohnt war. So trat er vor, um sich begaffen zu lassen. Erduldete die Griffe an seine Oberarme, so sich jemand für ihn interessierte. Doch die blose Verachtung, jenes letzte bißchen Wille, welches noch nicht geschwunden war, liess den vermeindlichen Käufern dämmern das er gewiss nicht zögern würde sie zu erschlagen, so er die Möglichkeit dazu hatte.


    Belenor hatte mit allem abgeschlossen, das wohl war es, was ihn so bedrohlich dreinblicken liess. Als er mal um mal zurück an seinen Pfahl ging und sich neben der Schönen niederliess, die wohl ebenso allen Mut hatte fahren lassen, zuckte er kurz zusammen, als ihn ein kleiner Stein am Kopf traf. Kurz hob er jenen an und verfolgte dessen Ursprung, erkannte bald den kleinen dicken Jungen, der grinsend eine ganze Hand voller Steine aufgesammelt hatte. Ein zweiter Stein traf ihn, doch regte er sich noch immer nicht. Dem Knaben schien es zu gefallen, vor seinem geistigen Auge glich jener Bursche nur einem dicken Ferkel.
    Stein um Stein traf ihn, zwar verletzten sie ihn nicht, doch langsam aber sicher wurden seine Atemzüge tiefer. Bald wohl würde das kleine Ferkel von seinen Eltern mitgenommen und weiter gemästet werden. Belenor hoffte es. Doch als der Knabe erkannte das es dem Wilden egal schien...und dieser nichtmal die Hände hob, schien es ihm langweilig zu werden.


    Als der nächste Stein allerdings nicht ihn, sondern Kara, die Schöne traf, fuhr jene zusammen und riss die Hände nach oben. Das Kettengerassel von ihr übertönte nur kurz das Rasseln seiner Ketten, als er einen Satz nach vorne machte und den Arm vorschnellen liess, um dieses dicke, dumme Kind am Hals zu packen. Pure Mordlust in den Augen, riss er den Arm nach vorne, bereit den Hals zu packen und dem kleinen Bastard mit der Hand das Genick zu brechen. Beinahe hörte er es schon knacken, als er gewahr wurde das es seine Schulter war. Die Kette war nur einen halben Spann zu kurz gewesen, als sie straff gespannt war und unvermittelt den Schwung stoppte.


    Ein halber Spann war es, der den Jungen gerettet hatte. Die Hand wie eine Klaue geformt, den Blick wie ein wilder Bär, starrte der Bursche ihn einige Herzschläge kreidebleich an, ehe er die Steine fallen liess und die Beine in die Hand nahm. Ohne zweifel hatte er eben seinem Tod ins Auge gesehen, das schien selbst er begriffen zu haben. Belenus sah dem Burschen nach, der in Gedanken in seinem eisernen Griff gefangen war und zögerte, selbst als die Aufseher ihn mit den Stücken wieder zurücktreiben wollten. Zu viert zerrten sie ihn an den Ketten zurück und verkürzten jene.
    "Seht selbst, ist jener Barbar nicht gerade zu das Beste, was ihr Euch als Schutz ins Haus holen könnt? Seid versichert, junge Burschen mit Steinen wird er abzuwehren wissen!", einige lachten, Belenor tat es nicht, welcher sich Kara zuwandte und einige rauklingende Worte an sie richtete.

  • Aufgebrochen war Minervina noch vor wenigen Stunden mit ihrer Mutter gemeinsam, doch nun schritt sie allein entlang der Marktstände. Helena hatte sich an einem Stand aufgehalten, wo sie einer langen Unterhaltung mit der Verkäuferin frönte. Das war nichts für Minervina. Sie mochte lange Unterhaltungen nicht und lieferte sich stattdessen bevorzugter Weise Bilder für ihre Augen. Farbige, bunte Bilder die sich in ihr Gedächtnis einließen und dieses vielleicht verstärkten und lehrten, oder ebenso schnell wieder verschwanden wie sie gekommen waren. Sie war froh, dass ihre Mutter es gestattete, dass sie schon einmal allein weiter ging. Sie hatte sich ohnehin zu einer Einzelgängerin entwickelte, so wie es auch Löwinnen Afrikas waren. Ein leichtes Lächeln lag bei diesem Gedanken auf ihren Lippen. Es waren eindrucksvolle Tiere, wenn sie auch erst ein einziges Mal in ihrem Leben eine Löwin gesehen hatte. Sie hatten etwas an sich, was sie verkörperte, vieles, was sie gern verkörpern würde. Diese Eleganz wenn sie sich bewegten, die aufrechte und stolze Statur, der ungebrochene Wille. Doch waren sie nicht auch gebrochen? Jene Löwen, die sie zu Gesicht bekommen hatte, waren bereits zum Tode verurteilt, wenn sie die Arena betraten. Tötete der Gladiator sie nicht, würde es ein anderer tun. Ihnen wurde nicht die Freiheit geschenkt, wie es bei manchen Sklaven getan wurde. Warum eigentlich? Hatten sie sich diese nicht ebenso erkämpft wie ein Sklave? Machte es gar der Unterschied ihrer Statur, dass Sklaven einem Menschen gleich kamen?


    Minervina teilte durchaus die Meinung, dass Sklaven ordentlich behandelt werden müssten, doch warum tat dies niemand bei Tieren? Sie waren um nichts schlechter, mussten stumm nur noch mehr ertragen als ein Sklave. Nachdenklich glitt ihr Blick an den Ständen entlang, wo die unterschiedlichsten Waren gepriesen wurden. Manche Tiere, einiger Schmuck, Sklaven und viele Nahrungsmittel. Rom hatte es weit gebracht. Weit gebracht durch solche Männer wie ihren Vater, der sich ohne Zögern für sein Land aufopferte. Er kämpfte für seine Männer, mit seinen Männern. Mittlerweile hatte sich die Wahrheit auch bis zu ihr durchgesprochen, jene schmerzliche Wahrheit. Ihr Vater war nicht im Kampfe gestorben, sondern auf der Flucht zurück zu seiner Familie. Es war so ungerecht, dass er dies nicht geschafft hatte. Es war unmenschlich, dass sie ihn töteten. Viel hatte die mittlerweile junge Frau darüber nachgedacht, was gerecht und ungerecht war. Wäre ihr Vater in der Schlacht getötet worden, wäre es gerecht gewesen, denn hier hatten viele Männer ihr Leben gelassen und auch wenn es trotzdem sein Ende bedeutet hätte, es wäre nicht so heimtückisch gewesen. Stattdessen töteten sie ihn auf dem Heimweg, aus dem Rücken heraus und kurz vorm Ziel. Er hatte gewiss gehofft, sich auf seine Frau und seine Tochter, seine Söhne gefreut. Und dann war er zusammengebrochen, im Dreck vor seinen eigenen Mannen gestorben. Nach Jahren der Gefangenschaft. Minervina ballte eine Hand zur Faust und presste sich diese, stehen bleibend, auf den Bauch. Allein dieser Gedanke verursachte einen stechenden Schmerz. Ihr ehrenhafter Vater, einen so jämmerlichen Tod gestorben. So kurz vor seinem Ziel.


    Sie hatte kaum bemerkt, wie sie stehen geblieben war. Plötzlich fühlten sich ihre Beine unglaublich weich an, als hätte jemand ihre Knie zertrümmert. Sie musste sitzen, doch nirgendwo bot sich eine Gelegenheit an. So suchte sie mit ihrer Hand halt an einer kühlen Mauer. Es war mit einem Schlag gekommen, dass sie sich so schrecklich leer fühlte. Wie lange hatte sie gehofft, gebetet, dass ihr Vater zurückkehrte? Publius Tiberius Maximus, Sohn des Tiberius Ahala. Senator und Tribunus Laticlavus. Gestorben in einem kurzen Moment, da ihn die Hoffnung blind für Gefahr hat werden lassen. Eine Träne wand sich aus ihrem Augenwinkel. Niemals würde der Schmerz verblassen, niemals. Dessen war sie sich sicher. “Oh Vater, lass uns doch bitte nicht allein.“ flüsterte sie verzweifelt und auch ohne Hoffnung. Sie hatte seinen Leichnam längst erblicken müssen. Hatte gesehen, wie er den Flammen übergeben wurde und tief unter die Oberfläche gebracht wurde, wo sein Andenken immer gewahrt würde. Viele würden sich seiner nicht erinnern. Doch sie würde es, würde es immer tun. Würde ihn immer lieben. Sie war nicht so treulos wie ihre Mutter, die sich nur wenige Tage darauf mit Metellus einließ. Niemals würde sie diesen Zivilisten ohne Mut und Ehre als einen Vater ansehen. Sie würde lernen müssen, ihn als Freund und vielleicht Gemahl ihrer Mutter zu akzeptieren – wenn sie akzeptierten, dass er niemals ihren Vater würde ersetzen können.


    In einer fahrigen Geste wischte sie sich die Tränen von ihren feuchten Wangen. Was gäbe sie, wenn sie ihm diese Worte sagen könnte. Was gäbe sie, um sein darauf folgendes Lächeln zu sehen. Doch sie würde es niemals wieder tun können, nicht in diesem Leben. Sie hatte gar schon einmal daran gedacht, sich das Leben zu nehmen um wieder bei ihrem Vater zu sein. Ob nun hier oder in den Feldern des Elysiums – es blieb sich doch gleich. Aber sie wollte ihrer Mutter nicht diesen Schmerz zumuten, den sie selbst durchleiden musste. Offensichtlich schien Helena den Tod ihres Mannes gut überwunden zu haben, doch würde sie auch den Tod eines zweiten Kindes so gut verkraften? Gewiss nicht. Und Minervina wünschte niemandem diese Pein in ein zerbrechliches Herz, wie es das Ihre war. Da plötzlich fuhr ein warmer Windstoß durch ihr Haar und schreckte sie aus ihren Gedanken. Verwirrt sah sie nach oben, wo der blaue Himmel, nahezu wolkenlos, auf sie herabsah. Dem Wind hatte etwas angehaftet, was ihr Herz erwärmt hatte. War es gar die streichelnde Hand ihres Vaters gewesen, durch die Hand der Götter gesandt um ihr weinendes Herz zu trösten? Sollte dies der Fall sein, so hatte der leichte Stoß beinahe jeden trüben Gedanken mit sich gerissen und Erfolg gezeigt, denn nun zierte ein Lächeln, wenn es auch kümmerlich war, ehrlich ihr hübsches Gesicht. Trauer würde ihr den Vater auch nicht zurückholen, doch sie würde alles tun, um ihn mit Stolz zu erfüllen. Sie mochte namentlich keine Tiberia mehr sein, doch im Herzen war sie es und würde sie es immer sein. Sie würde das tun, was damals ihr normaler Weg gewesen wäre: In den Dienst der Minerva treten und heiraten. Einen strebsamen, jungen Mann, wie er Maximus auch gefallen hätte. Sie würde den Weg einer wahren Patrizierin gehen.


    Mit diesen Gedanken gestärkt, stieß sie sich wieder von der Mauer ab und tat die wenigen Schritte zurück ins warme Licht der Sonne, die das Forum zierte. Alles würde anders werden, wenn sie nach Rom käme, dem Zentrum des Reiches. Kurz fuhr sie sich mit ihren feingliedrigen Fingern durch ihr dunkelbraunes Haar, welches sie, ebenso wie die Augen, von ihrem Vater geerbt hatte. Sie ließ es aus der Hand gleiten, langsam und sacht, ehe sie sich, mit einem ermutigten Lächeln, den Menschen zu stellen bereit fühlte. Schon jetzt, mit ihren zarten 14 Jahren, die langsam auf die 15 zugingen, war sie etwas größer als ihre Mutter. Doch groß genug um das Forum zu überblicken, war sie nicht, was sie dazu verleitete, einfach nur weiter zu schreiten. Sie sah an sich herunter. Sie hatte recht lange Beine und war schlanker Statur, alles in allem also zufrieden stellend. Ihre Toga Praetexta lastete schwer auf den Schultern, doch sie zeigte ebenso an, dass sie wohlhabend und unverheiratet war. Sie mochte dieses Kleidungsstück noch nie besonders, es war unhandlich und warm. Minervina hoffte sehr, dass ihr in Rom gestattet wurde, dass sie diese Last ablegen durfte.


    Während ihre Schritte sie nun weiter führten, beruhigte sich ihr Geist allmählich wieder. Nur noch einige dünne, geplatzte Äderchen in ihren Augen verrieten, dass sie noch vor wenigen Augenblicken geweint hatte. Da führten ihre Schritte sie näher an einen Sklavenstand. Doch es war nicht die angepriesene Ware, die sie näher kommen ließ, sondern eine Ungerechtigkeit, die ihr sofort ins Auge fiel. Da stand einer dieser kleinen, widerlichen fetten Jungs und warf Kiesel nach den Sklaven. Sie runzelte ihre Stirn zu einem missbilligenden Blick und ließ den Blick zu dem Opfer weiterschweifen, der ein wahrhaft gigantischer Hüne war. Gewiss ein Germane, denn welches Volk brachte sonst derartige Riesen hervor? Betrachtete sie nun die beiden Kontrahenten, war sie sich nicht mehr sicher, wen sie weniger mochte. Doch das Mitleid obsiegte, als sie die geschundene Frau neben dem Manne betrachtete. Sie sah mehr als übel zugerichtet aus und keiner konnte sich – oder anderen – vormachen, dass diese Frau noch lange leben würde. Minervina konnte nicht im Geringsten erahnen, was sie schon alles durchgemacht hatte, doch es mochte einiges sein.


    Da geschah das beinahe Unfassbare. Der Junge, wohl nichts ahnend, warf einen Stein nach eben jener Frau, die wahnsinnig erschreckte. Das Kettenrasseln klang selbst bis zu Minervina durch und ließ sie zusammenzucken. Denn im gleichen Moment schnellte der besagte Hüne nach vorn und schien nach dem Jungen packen zu wollen. Die Götter mussten ihm gewogen sein, denn die Kette langte nicht völlig bis zu ihm. Doch der Schreck war wohlverdient und Minervina gönnte es ihm, dass er nun voller Angst nach Hause rannte. Doch dann wandte sich ihre Aufmerksamkeit wieder dem Händler zu, der diesen Vorfall auch noch zu seinem Vorfall nutzte. Er war wohl weder für die Sklaven noch für den Jungen sonderlich schön gewesen. Sklavenhändler waren etwas widerliches, dessen war Minervina sich schon vor längerer Zeit bewusst geworden. Sie schienen aus wirklich jeder Situation Profit schlagen zu wollen und scheuten vor nichts zurück – was dieser Vorfall wieder bestätigte.


    Und all die Menschen, wie konnten sie nur darüber lachen? Vielleicht mochte sie humorlos sein, doch diese Schadenfreude konnte sie nicht nachvollziehen. Gleich aus welchem Grund. Es war wie mit den Löwen. Sie waren gefangen und man versuchte ihren Stolz zu brechen. Aber hatten nicht die Germanen dies auch verdient? Dieses blonde Hünenpack, welches ihren Vater ermordet hatte? Er, der nur aus dem einen Grund der Liebe gehandelt hatte? Eine Verachtung für dieses Volk hatte sich in ihr Gedankengut geschlichen, die wohl jeder nachvollziehen konnte, nachvollziehen musste. Jeder der seinen Vater auf diese Weise verlor, würde so denken. Sie begann sich, dem Stand zu nähern. Auch wenn es Germanen waren und auch wenn sie diese nicht mochte, der Hüne hatte ihr Interesse geweckt. Doch nicht an einem Kauf sondern als jene Person, als die er eben dort oben stand. Vermutlich war es das letzte Mal in seinem erbärmlichen Leben, dass er sich über Römer erhob. Allein der Gedanke, dass dieser vielleicht am Tode ihres Vaters verantwortlich sein mochte, ließ ihr Herz schmerzen. Ließ beinahe einen Hass aufflammen, den sie allerdings zu unterdrücken gelernt hatte.


    Nun stand sie auf ungefähr jener Höhe wie der Junge von vor wenigen Augenblicken, doch sie wagte diesen einen Schritt und näherte sich dem Hünen um jene besagte halbe Spanne und ein wenig mehr. Sie hatte keine Angst und ihr war auch nicht mulmig zumute. Lediglich die umstehenden Leute warfen ihr ein paar seltsame Blicke zu, teils bewundernd, teils verächtlich. Sicher hielt man sie für irgendeine Spinnerin, der ihr eigenes Leben nicht mehr als ein Ass wert war. Doch von alledem nahm die Tochter des Senators keine Notiz. Sie blickte dem Hünen in die Augen, selbst nicht wissend, warum. Sie wusste nicht, wonach sie in seinem Blick suchte, vielleicht nach einer Antwort? Nach einer Antwort, warum ihr Vater sterben musste? Noch nie hatte sie einen Germanen erblickt. Keinen männlichen, keinen, der augenscheinlich nach dem Aufstand in die Sklaverei gekommen war. Ihre Statur war aufrecht, ihr Blick fragend und beinahe verloren. Durch einen solchen Mann war ihr Vater also gestorben? Gegen eine solche Übermacht an Masse hatte Rom verloren? Lautlos formten ihre Lippen an den Unbekannten. Irgendetwas ging von ihm aus, was sie nicht mehr loszulassen schien und jede Stimme wurde von ihr aus dem Gehör verbannt.

  • Diese ganzen Leuten, Belenor kam nicht umhin ein ums andere mal jene anzustarren, die sich da um den Sklavenstand versammelt hatten um den Reden des Verkäufers zu lauschen, der es nicht misste lautstark wie ein Wasserfall seine Sklaven anzupreisen. Nun, ganz wie es aussah war es der größte Stand am Markt, hier saßen noch gut 30 weitere Sklaven angekettet, aus aller Herren Länder. Nubier, Ägypter, eine solche Vielfalt das sich Belenor fragte wo dieser vermaledeite Geselle überall unterwegs gewesen war. Die Sensationslust stand manchen der Leute ins Gesicht geschrieben, scheinbar gab es hier ganz unterschiedliche Belange für viele, sich die Sklaven anzuschauen. Wohl wusste der Verkäufer recht gut, das es galt auch jene zu überzeugen, die schlichtweg nur dastanden um sich die Zeit ein wenig zu vertreiben.


    Nun, Angebote hatte er genug, unaufhörlich richtete er das Wort an die Menge und pries die Kreaturen an, derer er habhaft geworden war.
    Ein Nubier wurde nach vorne gezogen, pechschwarze Haut, als hätten die Götter ein Stück Kohle ergriffen um einen Mann daraus zu formen.
    "Seht! Aus dem fernen Nubien ein wahres Prachtstück! Über das weite Meer hierhergebracht, um Euch zu dienen!", hob den Arm des Nubiers an, der wohl alles andere als schwächlich zu sehen war. "Sie fangen Tiere mit den Händen, diese Burschen! Seht!", schlug ein paarmal gegen den Arm des Mannes.
    "Harte Muskeln! Vom Verstand her nieder, aber habt ihr einen Steinbruch, wird er dort gewiss gut aufgehoben sein!", sah sich um und registrierte das wohl von jenen, die dort vielleicht Verwendung hätten nicht anwesend waren. Der Nubier mochte vielleicht 1,65 messen, aber dennoch bor er im Gegensatz zu dem eher kränklich blassen und hageren Verkäufer ein wesentlich imposanteres Bild.


    "Greift zu! Ein wahres Prachtstück!", als sich auch schon ein Mann zu Wort meldete. "Kann er denn Kämpfen?", der gut gekleidete Herr schien eine Gladiatorenschule zu betreiben. "Wie kein zweiter. Ein herausragender Kämpfer, der es versteht mit blosen Händen zu töten!", ein guter Ansatz, wie der Verkäufer dachte.
    "Ich meine mit einem Gladius, oder einem Dreizack..", entgegnete der Mann etwas gelangweilt.
    "Nun, er lernt schnell. Es wird wenig geben, was er nicht durch Eure lehrende Hand beigebracht bekommen könnte!", doch winkte der Mann bereits ab. "Doch vermag er weit mehr! Im fernen Nubien scheinen nicht nur Muskeln im Übermass zu gedeien! Seht selbst das er nicht nur mit den starken Armen Eure Einkäufe tragen könnte! Ihr sucht einen Ianitor? Hier steht er! Einen Arbeiter? Auch ihn habt ihr gefunden! Aber ihr Damen, ihr seid des Nachts oftmals alleine?", kurzerhand riss er ein paar Herzschläge die schlichte Leinentunika nach oben. "Habt ihr ebenso einen guten Kauf gemacht!", Gemurmel setzte ein. Manche schüttelten ungläubig den Kopf, andere wendeten sich beschämt ab, oder hielten sich gar die Augen zu.


    Eine etwas beleibte Frau hob die Hand. "500 Sesterzen!", was scheinbar der fehlende Startschuss gewesen war. Eine weitere Hand hob sich. Jene Frau war wohl kaum beleibt, aber dafür mit einer Nase gesegnet, die wohl einen jeden Morgen die Götter zu einer Diskussion anregten, ob nicht eine Sonnenfinsterniss geraten sein. "600 Sesterzen!", worauf die Beleibte mit "700 Sesterzen!" dagegen hielt.
    Sehr zur Freude des Verkäufers schien er ein recht gutes Argemunt aufgezeigt zu haben, weshalb sich die Damen für seinen Nubier nun doch interessierten.
    "Verkauft für 1200 Sesterzen an die Dame!", ein kurzer Deut in die Menge folgte, dann wurde der Sklave von der Tribühne geführt.


    Scheinbar war das Eis nun gebrochen und die richtige Kundschaft um den Stand versammelt, so liess der Verkäufer eine Ägypterin nach vorne bringen. "Nun etwas für die Herren!", warf er Lautstark ein, innerlich schon die Hände reibend. "Eine wahre Augenweide! Tochter eines mächtigen Pharaos, von edelster Herkunft!".
    Soviele Pharaonentöchter wie er hier schon verkauft hatte, musste Ägypten riesengroß sein, in keinem Vergleich mehr zum römischen Reich stehen. Doch das mussten die Leute hier ja nicht unbedingt wissen, hörte doch bei vielen die Welt hinter den Grenzen Hispaniens auf.
    "Haut wie Honig! Beine, wie sie länger nicht sein könnten!", riss auch jener die Tunika hinab und deutete ihr sich zu drehen. "Unterwiesen in allen nur erdenklichen Liebesspielen und wie ihr seht jung genug um auch noch die Euren zu erlernen!", doch seltsamerweise schienen die Herren der Schöpfung keineswegs so bietfreudig zu sein wie die Damen.


    Scheinbar saßen hier jene auf den Börsen ihrer Männer. "100 Setserzen!", lautete das erste Gebot. Der Verkäufer hielt inne. "100 Sesterzen? Du scherzt!", sah kurz etwas verweifelt in die Menge und überlegte. "Nun, für bescheidene 500 Sesterzen werde ich Euch jene Schönheit und....", deutete auf Kara, die schöne Germanin neben Belenor, "....jene hier anbieten!", eine der Wachen zog Kara auf die Beine, während Belenor vollkommen entsetzt aufsah. "Für jeden Lupanar eine mehr als exklusive Bereicherung!", Belenor sah hinüber zum Verkäufer, wusste zwar nicht was Lupanar bedeuten mochte, aber als er die zarte Ägypterin dort stehen sah, konnte er nicht mehr an sich halten. Rasch angelte er mit den Beinen nach der Wache und brachte sie zu Fall, zerrte ihn an seiner Tunika an sich und warf die Ketten um den Hals des Mannes. Wenn jener dachte das er einfach so eine seines Volkes vorführen konnte, hatte er sich geschnitten.


    Ein Griff gen Kara, die er wieder hinabzog und die Hand auf die Brust drückte, um sie dort zu halten, in der rechten die Schlinge der Ketten, mit der er die Wache am Boden hielt. Ein wilder Blick folgte, der einmal durch die Runde ging. Was er nicht sah, war das sich eilends eine der zweiten Wachen hinter der Tribühne zu ihm aufmachte und den Holzknüppel zog.
    "Seht selbst! Er wird wissen warum er sie nicht mehr hergeben möchte!", versuchte der Händler wenigstens dieses eine Geschäft zu retten, den Wilden dort würde er wohl nur mit viel Glück an die Arena verkaufen können.
    "Ah, werter Lucius, wäre jener Bursche hier nicht ein nahezu perfektes Stück für Eure Arena? Im Kampf gegen wilde Tiere gewiss eine gute Unterhaltung! Ich werde Euch im Preis ein wenig entgegen kommen...", lächelte und sah hinüber zu dem germanischen Kleinaufstand.
    "Leider scheint es mir das er zu dumm ist, zu erkennen wann er besiegt ist! Nahezu ideal für die Arena!", dann traf wohl Belenors Blick auf den von Minervina. So sie denn über die japsende Wache hinwegsah und in das kantige Gesicht sah, mochte sie wohl einen kleinen Teil von Germanien erkennen. Seltsame Zeichen auf den Armen, eine Narbe im Gesicht, schien jener Wilde hier eines gewiss nicht fürchten, den Tod.


    Selbst in der Niederlage noch unbesiegt, schien es. Fest sah Belenor das Mädchen an, welches sich dort in der Menge befand und betrachtete ihre Züge. Kurz mochte man wohl etwas Unglaube und Verwirrung sehen, als er noch genauer hinsah. Er musterte die kleine Statur, schüttelte unmerklich den Kopf, sah jedoch ein weiteres mal zu ihr, ehe der Knüppel der Wache ihn zur Seite sinken liess, auf den Schoss von Kara, die sogleich ihre Hände auf den massigen Schädel legte, als könnten jene einen weiteren Schlag abwehren.

  • Kurz wurde ihr Blick wieder abgelenkt, als sie die Anpreisungen für den Nubier vernahm. Sie sah den Händler mit einem nahezu missbilligenden Blick an. Sklavenhändler. Es war erstaunlich, was dieser Nubier nicht alles konnte, doch am meisten verwunderte sie sein Stillschweigen. Was mochte man ihm angetan haben, dass er sich so sehr davor scheute, den Mund zu öffnen und sich gegen diese Behandlung zu wehren? Oder verstand er gar nicht, was sein ‚Herr’ über ihn erzählte? Es war gut möglich. Die Frage reifte heran und sie begann zu überlegen, wie viele von diesen Sklaven überhaupt fähig waren, die römische Sprache zu sprechen. Ihre linke Hand, die den langen Schleier der Toga hielt, ballte sich abwechselnd zur Faust und entspannte sich wieder, wie sie es immer tat, wenn sie in unschöne Gedanken versunken war oder sogar log. Minervina selbst wusste, dass ein Sklave unabkömmlich war und wenn sie ihr Dasein erst in Rom fristete, würde sie spätestens ebenfalls eine Leibwache benötigen, auf die sie sich verlassen konnte.


    Wie von selbst wandte sich ihr Blick wieder zu dem blonden Hünen, der sich eben gerade noch so erbost hatte, als man der Frau, die neben ihm saß, den fürchterlichen Schrecken eingejagt hatte. Einen Herzschlag lang blickte sie diesen an, als sich neben ihrem Ohr ein entsetztes Jauchzen vernehmen ließ und auch der Blick der jungen Frau wieder zum Sklaven und dem Händler zurückging. Ihre Augen wurden vor Unglauben weit. Gewiss mochte dies auch dem Verkauf zuträglich sein, aber welch Demütigung mochte das für den Sklaven sein? Welche Zumutung für Menschen wie sie selbst einer war, ganz und gar nicht verbittert? Unmerklich hatte sich ihre Rechte auf den Bauch gelegt und auch sie wandte beschämt den Blick ab, wie es sich halt auch gehörte. Und dann stand dieser elende Händler auch noch so nahe. Sie spürte wie ihr die Hitze ins Gesicht schoss. Aber wer konnte ihr dies auch schon verübeln? Eine Ungehörigkeit. Sicher gehörte… ‚so etwas’ auch zum gewöhnlichen Leben dazu, aber in ihrem zarten Alter wurde ihr so etwas noch nicht zugemutet. Lediglich ihren kleinen Bruder hatte sie einst wickeln müssen, als ihre Mutter Hilfe brauchte. Aber dieses anzügliche Verhalten… O tempores, o mores. Das wollte einfach nicht in den Kopf der jungen Frau und beinahe wie gebannt hielt sie den Blick auf dem Boden gehaftet.


    Als ihr, wie eine absolute Abnormalität, das erste Gebot einer Frau in die Ohren drang. Hatten diese Weiber denn keinen Stolz? Neugierig geworden wer auf solche Geschäftsmethoden anschlug, wandte sich Minervina um und erblickte auch prompt die zweite Bieterin mit der unglaublichen Nase, die erste fiel ihr nicht mehr ins Blickfeld. Neben sich vernahm sie zwei Frauen, nein, Mädchen, die in ihrem Alter waren und angeregt kicherten. Minervina runzelte die Stirn. War sie einfach nur zu behütet aufgewachsen, oder warum war sie die Einzige, die entrüstet war? Beinahe ängstlich wandte sie ihren Blick wieder zum Händler, der den Sklaven an den Höchstbietenden abliefern ließ. Sie war erleichtert zu sehen, dass seine Lenden wieder bedeckt waren.


    Doch da holte er schon die nächste ‚Ware’ nach vorn, eine hübsche junge Frau. Und sie wusste schon, als sie den wohlgeformten Körper erblickte, was er der Menge raten würde und die Verachtung in ihren Augen nahm zu. Ihr Verdacht bestätigte sich und diese arme Frau wurde der Menge noch intensiver präsentiert als der Nubier vor wenigen Augenblicken. Nein, das wurde Minervina allmählich zuviel. Wenn sie dies schon anstößig fand, wie war dann erst Rom was als Gipfel solcher unmoralischen Handlungen galt? Und doch konnte sie den Blick von der Frau dort oben nicht abwenden. Wem würde sie in die Hände fallen? Sie hatte wirklich einen schönen Körper, wenn jeder, der glaubte, dass sie eine Pharaonentochter war, auch dumm sein musste. Ein Römer würde gewiss nicht wagen, eine solche zu verkaufen und selbst wenn dies eintreffen sollte, würde sie gewiss nicht dem niederen Volk dargeboten werden. Dass hier weniger Gebote folgten, überraschte das junge Mädchen, doch hielt die Überraschung nicht lange an. Sie würde lange brauchen, bis sie die Moral ihrer Mitmenschen verstehen würde.


    In jenem Moment, da der Händler die blonde Frau nach vorne zerrte, erahnte Minervina schon die nächste Katastrophe. Doch sie so offen als lupanartauglich anzupreisen, empfand auch sie als den Gipfel der Unverschämtheit, zumindest was den Geist der Frau angehen musste. Manches Mal empfand sie schon die Behandlung römischer Frauen als schlimm, denn dergleichen wie hier hatte sie noch nicht erlebt. Mutter hatte sie zumeist von den Sklavenständen ferngehalten und nun begann das Mädchen zu verstehen, warum. Hier zeigte sich ein unschönes Ereignis nach dem Nächsten. Erst der wild gewordene Hüne und dann folgten noch der Nubier und die zwei armen Frauen. Auch in Minervinas Augen waren Sklaven etwas Niederes, aber deshalb konnte man sie dennoch ordentlich behandeln. Immerhin hatte Minervina gelernt, dass auch jene Gefühle empfanden und im Traum würde es ihr nicht einfallen, ein armseliges Geschöpf wie die Frau des Hünen, denn als solche sah sie Kara an, derart zu misshandeln. Jeder Mann der auf ein solches Angebot einging, war verabscheuungswert. Es sei denn, er wollte diese armen Frauen vor einem solchen Schicksal bewahren. Minervina schüttelte sich.


    Und die Reaktion des Hünen überraschte sie kein Stück, wenn ihr Atem doch auch stehen blieb. Derartige Vorstellungen wurden ihr nicht einmal im Theater geboten. Neben sich vernahm sie ein Klatschen und als sie sich umwandte erblickte sie einen ältlichen Herrn, der dieses Ereignis anscheinend sogar als Theaterstück betrachtete. Sie schüttelte missbilligend den Kopf und wandte sich wieder der Tribüne zu, wo in diesem Moment eine zweite Wache auf den Plan trat. Die Frau saß mittlerweile wieder auf dem Boden und der Wächter sah schon äußerst mitgenommen aus.


    Mitleid zeigte sich in den Zügen des jungen Mädchens, als sie den Germanen starr anblickte. Sie wusste nicht, für wen, denn die Wachen verrichteten auch nur ihre Arbeit, die sie sich selbst nicht aussuchen konnten. Als der Blick des Wilden sie traf, erstarrte sie kurz und sah ihn einfach nur an. Warnend, ob der Gefahr die sich ihm näherte. Verwundert registrierte sie seinen Blick, er schien ihn nicht von ihr wenden zu können. Als der Schlag den Blonden niederriss, war es, als habe man sie aus einem Traum gerissen und erschrocken sog sie tief die Luft ein. Sie wollte fort von hier, aber sie konnte doch diesem Wahnsinn nicht weiter freie Bahn lassen. Ein paar Herzschläge lang blickte sie der Germanin ins Gesicht, sah dann zu dem Hünen hinab und ging dann zielstrebig zum Händler, denn ein lautes Ausrufen wollte sie nicht.


    Sie wusste nicht einmal, was sie zu diesem wahnwitzigen Zug führte, denn dies war ihr Handeln offensichtlich. Doch ihre Mutter musste bald hier eintreffen und diese würde ihr dann das Geld sicherlich ohne ein Zögern aushändigen. Sie hatte schon öfter Sklaven gekauft und wenn sie, ihre Tochter sich nun Begleitung für Rom suchte… Die Blonde würde den Hünen gewiss im Zaume halten können und… Ach, sie musste wahnsinnig sein. Aber hatte der Wahnsinn nicht auch Iulis Caesar geleitet, als dieser sich Germanien zuwandte? „Die beiden Germanen!“ hörte sie sich selbst laut sagen, hoffend, dass sie schnell genug war. Doch sie wusste, sie durfte keine weitere Sekunde mehr zögern.

  • Der Händler mochte wohl kaum Skrupel haben, doch war der Handel mit Sklaven ein dankbarer und einfacher Richter. Hier wurde keine Moral gefordert, sondern der Erfolg an den Sesterzenbeuteln gemessen, die in seine Truhe wanderten. Die blose Erwähnung des Schnäpchens die beiden Frauen zusammen anzubieten, brachte eine weitere Welle in Gang. Die Gebote kamen anfangs zögernd, doch kaum das die Zuschauer einen Blick auf die Germanin und die Ägypterin werfen konnten, konnten, kamen auch die Gebote.
    Betuchte Herren gaben sich nun die Ehre die Hände in die Höhe zu werfen und weit mehr als einer oder zwei, versuchten diesem Schnäpchen habhaft zu werden. Kara musste man nicht erst die Tunika hinabreissen, um einen Eindruck von ihrem makellosen Bau zu bekommen.


    Zudem hatte der Stand weiteren Zulauf bekommen und auch jüngere Bieter gesellten sich dazu, scheinbar war hier ein Herr auf der Suche nach einem guten Geschenk für seinen Bruder, der gerade ins Mannesalter gekommen war.
    Hände flogen nach oben, Rufe wurden laut und kurz strich sich der Händler über die Stirn, der Einwurf Minervinas ging dabei vollkommen unter.
    Viel zu sehr damit beschäftigt das ihm auch ja kein Gebot entging, sah er sich rasch in der Menge um und rasselte die zugerufenen Gebote hinab.
    "2000 Sesterzen? Ich bitte Euch, schaut sie Euch an!", weit mehr hatten die beiden eingebracht als er es für möglich gehalten hätte.
    Dann riss er die Hand nach vorne. "Verkauft an den edlen Herren für 2500 Sesterzen! Meinen Glückwunsch, ihr habt einen prächtigen Kauf getan!", woraufhin jener sich zur Kasse begab und die beiden Frauen von der Tribühne geführt wurden.
    "Und eine Amphore guten Wein geb ich dazu, auf das der Abend vergnüglich werde!", grinste er und warf dem Mann die Worte noch nach, um dann einen kurzen Blick zu Minervina zu werfen.


    "Ja?", rief sich ins Gedächtnis das er das Stimmchen im Gewirr vernommen hatte, aber kaum als zahlungskräftige Kundschaft eingestuft hatte. Wohl eine Kinderlaune.
    "Tut mir leid, junge Dame, aber die Frau ist soeben verkauft worden. Und....", kurz sah er sich um und beugte sich etwas hinab, "....denkst Du nicht das ein etwas jüngerer....und zahmerer Sklaven eher geraten wäre? Nein?", legte den Kopf schief und lächelte. "Hast du denn...400 Sesterzen?", legte den Kopf schief.
    "Nun, gewiss ein stattlicher Barbar, aber denkst Du denn auch das Du mit ihm fertig wirst? Sie sind recht wild....für den Haushalt wohl nicht die beste Wahl. Und auf Deinem Zimmer wohl zu wild! Vielleicht als Ianitor zu gebrauchen, wenn Du ihm denn beibringst nicht auf Dich loszugehen und Freund von Feind zu unterscheiden.", lacht kurz.


    "Glaube mir, ich habe bessere Sklaven hier. Jener wird wohl eher bei den Löwen am besten aufgehoben sein. Hier, schau Dir den Griechen dort an! Jung, folgsam und...", zwinkerte kurz vielsagend, "...ein Grieche!", als ob es ihr etwas sagen sollte. "Sehr...fürsorglich und einfühlsam!"

  • Wieder schoss Minervina Röte ins Gesicht, doch dieses Mal entstammte sie nicht der Verlegenheit, sondern des Zornes. Sie fand es nicht schlimm, dass die Leute ihre leise Stimme überboten, aber dass der Händler sie völlig übersah, stimmte sie nicht gerade gut. Erst als die Germanin und die Ägypterin verkauft waren, bekam sie die gewünschte Aufmerksamkeit, was ein missbilligendes Stirnrunzeln mit sich zog, welches dem Händler galt. Kurz schwieg Minervina sich noch aus und hörte sich an, was der Mann zu sagen hatte. Völlig ruhig. Doch ihr Zorn wuchs Schritt für Schritt, denn er schien sie nicht für voll zu nehmen. Sie war kein Kind mehr, eine Tatsache, die sie mit Stolz betrachtete. Und er sprach mit ihr wie mit einem kleinen Kind, welches zudem noch stark gekränkt wurde, durch was auch immer. Sie schnaubte leise, ehe sie kühl meinte: „Du kannst in vernünftigem Tonfall mit mir sprechen, Händler.“ Ihr Blick wanderte kurz zu dem besagten Griechen, doch bei seinem Anblick erkaltete ihre Miene noch weiter.


    Mit diesem eisigen Blick wandte sie sich wieder an den Mann und begann mit ruhiger, aber bitterböser Zunge zu sprechen. „Du solltest lernen, die Wünsche deiner Kunden zu respektieren. Ich habe gesagt, ich wünsche die Germanen und da du die Frau, die ihn gewiss jederzeit zu zähmen gewusst hätte, einfach verkauft hast, solltest Du mir entgegen kommen. Ich stehe in enger Verwandtschaft zum Proconsul und mit Freuden würde er es gewiss nicht aufnehmen, wenn er hört, dass die Sklaven direkt vor den Gesichtern kleiner Kinder und junger Frauen entblößt werden. Hast du einen Funken Ehre in dir, gibst du mir den Germanen für hundert Sesterzen weniger, denn was hier abgezogen wurde sollte eigentlich mit sich ziehen, dass der ganze Stand aufgelöst wird.“ Sie sprach mit völliger Sicherheit und das gefährliche Funkeln in ihren Augen zeigte, dass sie jedes Wort so meinte wie sie es formulierte. Und es zeigte ebenso, dass sie durchaus in der Lage war, es auch umzusetzen. Es wurde Zeit, dass ihre Mutter…

  • „Minervina?“ rief Helena mit verwunderter Stimme und stellte sich neben die gleichgroße Tochter, welche sie an einem Stand für Sklavenhandel aufgetrieben hatte. Die Miene eben jener sagte recht deutlich aus, dass Minervina wutentbrannt war und gewiss nicht mehr leicht zu erheitern. Sie runzelte es die Stirn, wie es auch die Tochter so gut konnte, und blickte mit fragendem Blick zu dem Händler. Der niedergeschlagene Germane im Hintergrund fiel der Frau im mittleren Alter noch gar nicht auf. Was mochte hier nur geschehen sein? Dass Minervina von sich aus auf andere Menschen zuging, war eigentlich mehr als selten und dass sie dann noch diese Entschlossenheit aufwies, regte weitere Skepsis in der Mutter.

  • „Mutter, wie gut dass du hier bist.“ Rief Minervina wahrlich erleichtert aus, diese hier zu sehen. Sie würde die Geschichte nun ein wenig umgestalten. „Ich habe hier einen wundervollen Sklaven erblickt, und ich konnte nicht anders als ihn zu kaufen. Ich brauche für Rom doch unbedingt noch eine Wache, wie du es mir ja selbst sagtest. Nun will der Händler ihn aber weit über seinem Wert verkaufen, ich habe die Leute noch selbst reden gehört, als wie wertvoll sie ihn betrachten! 300 Sesterzen war das Höchste was ich vernommen habe. Du kaufst ihn mir doch, nicht wahr?“


    Ihr altbekannter, bittender Blick ruhte ruhig in Helenas Augen, der schon so manches Herz erweichte und so hoffentlich auch das Herz ihrer Mutter. Zumindest heute. Sie griff nach einer der zarten Hände der Mutter und wandte sich wieder dem Händler zu, wobei ihr Blick kurz wieder zu dem Germanen abschweifte. Er tat ihr furchtbar leid, wenn sie auch wusste, dass dies wohl eine große Fehlentscheidung war. Nun ließ es sich auch nicht mehr ändern. Ausgerechnet ein Germane…

  • Helena folgte dem Blick ihrer Tochter hin zu dem Sklaven und wieder zurück zum Händler. Doch in ihrem Kopf arbeitete es und so schwankte ihr Blick wieder zum Germanen hin. Der Anblick, der sich ihr bot, war mehr als angenehm. Ein solch wildes Tier sollte sie ihrer Tochter kaufen? Einer der beiden Wächter dort stand mit hochrotem Gesicht an einen leeren Pfahl gelehnt und der andere starrte wachsam auf den Germanen hinab, der offensichtlich bewusstlos am Boden lag. Was mochte sich dort nur ereignet haben? Bei Eretha hatte sie Callidus Zweifel nicht verstehen können, doch hier würde es ihr leichter fallen. Wenn er nur dabei wäre.


    „Gut, 300 Sesterzen.“ Meinte Helena wieder an den Händler gewandt und blickte ihn mit etwas zweifelndem Blick an. Vielleicht würde der angus clavus auf ihrer Tunika ihr den nötigen Respekt von diesem Händler einbringen. Sie konnte Sklavenhändler nicht leiden und irgendwie schien es ihr, als habe Minervina diese Ihre Meinung nun ebenfalls aufgegriffen.

  • Der Händler, welcher nun scheinbar der Mutter gegenüberstand, faltete kurz die Hände und schien zu überlegen. Nun, wie es schien war im Fortuna nun doch noch gewogen und zumindest ein annehmbares Geschäft in aussicht. Nicht das er in der Arena mehr bekommen hätte, wohl eher weniger. Kurz sah er zu dem niedergeschlagnenen Sklaven und überlegte eine Weile, sah dann wieder zu Helena und ihrer Tochter. "Sagen wir 350 Sesterzen und meine Unkosten wären gedeckt.", lächelt etwas schmierig und bedachte das er wohl gewiss 100 Sesterzen verlieren würde, würde das Geschäft nicht zum Abschluss kommen. Schließlich war er sich fast sicher das er ansonsten Belenor nur an die Arena würde veräußern können. "Und....", überlegte einen Moment, "...ich werde dafür sorgen das er in eure Casa geschafft wird. Ich nehme an das er so rasch nicht wieder auf die Beine kommt.", sah Helena kurz an und nickte. "350 Sesterzen und er ist Dir."


    Alsbald erhob er sich und nickte den beiden Wächtern zu. "Macht ihn los!", sah dann abwartend zu Helena und deren Entscheidung, die sich sonst wohl würde Gedanken machen müssen wie sie mit ihrer scheinbar recht eigensinnigen und verwöhntenTochter 110 Stein Germane bewegt bekommen würde.
    "Ich denke dann hast Du ein.....gutes...Geschäft gemacht und brauchst Dich um den Transport nicht zu sorgen.", kurz sah er zu den beiden und runzelte einen Moment die Stirn. Als Haussklave würde dieser Wilde niemals taugen und scheinbar hatte Helena einen eher exotischen Geschmack. Kurz versuchte er sich auszumalen wie die gebrechliche Frau mit diesem Tier zurecht kommen wollte, beschloss aber sich darum kaum weitere Gedanken zu machen. Stattdessen liess er Belenor losketten und wies zwei der Wachen an jenen nach vorne zu ziehen.


    Die beiden Männer, beide alles andere als gebrechlich wirkend, griffen nach den Ketten des Hünen und schleiften ihn an jenen über die Tribühne nach vorne, wo sie ihn fallen liessen. Aus der Ferne mochte Belenor schon recht groß wirken, aber nun, da er wie ein gestrandeter Wal vor den beiden lag, wurde etwas offensichtlicher womit sich die Legionen in Germanien abmühten. Die Hand des Germanen schien groß genug um das Gesicht der zwarten Minervina abzudecken. Zumindest machte er in diesem Zustand einen eher friedlichen Eindruck. Noch, zumindest.


    "Sind wir uns einig?"

  • Helena war mulmig, als sie den Enthusiasmus des Händlers bemerkte. Einzig die gute Erfahrung, die sie mit der Amazone gemacht hatte, ließ sie nicht augenblicklich zurückweichen. Für ihren Geschmack war der Germane zu groß und... zu germanisch. Dieses Volk mied sie weitesgehend, aber Minervina hatte Recht gehabt. Helena hatte ihr eine Wache versprochen und sie wusste besser, was für ein Wesen in dem Hünen steckte. Schließlich hatte Helena diesen nur im schlafenden Zustand erblickt. Plötzlich wurde es Helena mulmig. Oder hatte ihre Tochter den Giganten auch nur in dieser Situation erlebt und hatte geglaubt, dass er im wachen Zustand ebenso friedfertig aussah? Sollte dies der Fall sein, würde sie Minervina den Kopf waschen. Und dies gehörig.


    Auch ihr Blick war versteinert, während sie diese Gedanken hegte und sie beobachtete, wie die Wächter diesen Berg Fleisch, Muskeln und Knochen zu ihnen herüberschleiften. Immer ungeheuerlicher wurde ihr der Anblick. Wenn er nach Minervina greifen würde, versuchen würde, ihr etwas anzutun: Ihr Leben wäre sofort verwirkt. Aber das bisschen Ehre, dass sie keine Kinder und Frauen angriffen, mussten doch sogar Germanen haben. Immerhin hatte sie sich damals blendend mit Duccius Germanicus unterhalten. Er war auch ein gebürtiger Germane, Leif, wenn sie sich richtig entsann. Aber er war nicht wild und völlig fremd in dieser Welt. Hier zweifelte Helena sogar daran, dass Eretha mit Belenor fertig werden würde.


    "Ahm... Ja." meinte Helena noch etwas wirr, als sei sie gerade aus einem schlechten Traum erwacht. Aber würde dieser nicht gerade erst beginnen, wenn das Monstrum in der Casa angelangt war? Callidus würde gewiss nur ein resigniertes Kopfschütteln zustande kriegen. Doch gerade dieser Gedanke war es, der Helena wieder ermutigte und sie etwas sicherer nicken ließ. "Die 350 Sesterzen sind gemacht, auch wenn ich denke, dass es dieses Mal ein Geschäft zu deinen Gunsten sein wird." meinte sie und ein leichtes Schmunzeln lag auf ihren Lippen. Immerhin versprachen die nächsten Wochen wieder durchaus interessant zu werden.


    "Hat.. hat er bisher für viel Ärger gesorgt? Das würde ich gerne noch wissen, denn ich spiele mit dem Gedanken ... Nein." Helena kappte ganz rasch wieder ihre Rede, denn dann würde der Händler wohl jeden erdenklichen Ärger erfinden, den der Sklave nicht einmal wagen würde. Die Ketten konnte sie sich notfalls gewiss auch bei der Gladiatorenschule beschaffen lassen. "Wird er direkt mitgeliefert oder bringt ihr ihn zu einer anderen Tageszeit?" fragte sie also stattdessen und blickte dem Händler wieder in die geldgierigen und hinterhältigen Augen.

  • Der Händler rieb sich tatsächlich die Hände. "Sei versichert, ich werde ihn sogleich in Deine Casa bringen lassen! Auf das er Dir gut dienen möge...", grinste etwas schief und nickte. "Schafft ihn mir nur weg...", etwas leiser an die beiden Wachleute gewandt, die ohne zu zögern nickte. Zwar waren die Worte kaum zu hören gewesen, aber wie es schien, war der Händler bemüht ihn so schnell wie möglich loszuwerden. Noch etwas länger und am Ende würde er sich nach einem neuen Angestellten umschauen müssen.


    Es war offensichtlich das es nicht ganz so einfach war Belenor zu bewegen, als sie erneut die Ketten an den Händen ergriffen und ihn zur Kante der Tribühne zerrten, wichen sofort einige derer zurück, die Belenor scheinbar bei Sinnen erlebt hatten. Mit Aufbietung einiger Kraft zogen sie ihn über die Kante und liessen ihn auf den Boden fallen, zogen ihn noch etwas weiter und hielten inne. "Ist es weit zu Eurer Casa?", wandte sich die beinahe strangulierte Wache an Minervina. Scheinbar würde dieser Weg für die beiden recht anstrengend werden und man sah jenem an, das er Belenor liebend gerne....und nur zur Vorsicht nochmals den Knüppel überziehen würde.


    Kaum das sie sich daran machten ihn über den staubigen Boden durch die Menge zu zerren, liessen ihre Gesichter erkennen das er doch eher zu den Schwergewichten zählen musste. Die einfache Leinentunika, die er trug, hatte schon den einen oder anderen Schaden genommen und war auch nicht sonderlich sauber. Kaum mehr als ein Fetzen Stoff, der an allen Ecken und Enden spannte. So warteten jene auf die Weisung Minervas, um ihn zur Not quer durch die ganze Stadt zu schleifen.

  • Minervina hatte aufatmend dem Gepräch zwischen ihrer Mutter und dem Händler gelauscht. Es war ihr völlig gleich, dass Belenor offensichtlich eine Bestie war, denn die Freude des Händlers und die Nervosität der Wächter war nur zu deutlich. Nach einer kurzen Rücksprache mit ihrer Mutter einigten sie sich darauf, dass Helena noch ihre Aufgaben erledigen würde und Minervina die bemitleidenswerten Männer doch schon einmal den Weg weisen sollte. "Nun, eine kurze Strecke ist es nicht, aber seid unbesorgt. Ich werde euch bei der Ankunft ein kleines Essen bereitstellen lassen, damit ihr euch kurz stärken könnt." erwiderte Minervina in einem kühlen Tonfall, der vermuten ließ, dass die das Befehlen gewohnt war.


    Nun da ihr Weg sie von dem Forum wegführte und über den gepflasterten Weg hinweg, begann sich Minervinas Gewissen zu rühren. Sie war sich nicht mehr sicher, ob diese Anschaffung eine so weise Entscheidung gewesen war. Noch würde sie den Sklaven nicht brauchen und ein bereits geformter wäre für sie sicherlich ratsamer gewesen. Sie hatte keinerlei Erfahrung im Umgang mit aufsässigen Sklaven, wusste nicht ob sie mit diesem Germanen zurechtkäme. Und dann war da auch noch ihr Vater. Ihm gegenüber begann sie sich zu schämen. Das Schweigen, welches eingetreten war, trug auch nicht sehr zu ihrem Wohlbefinden bei.


    Und wohin sollte sie mit dem Sklaven? Sie konnte ihn schlecht direkt in den Keller sperren, dafür tat er ihr zu sehr leid. Doch irgendwo ins Haus legen konnte sie ihn auch nicht. Die Sklavenunterkünfte mussten erst klarer getrennt werden. Verzweifelt seufzte sie leicht auf und freundete sich mit dem Gedanken an, dass er zuerst in ihr Zimmer gebettet würde. Dort lag er niemandem im Weg und sie hatte genügend Zeit, ihn zu beobachten. Es schien als schaltete sich in ihrem Kopf jemand anderes mit 'Na Prima gemacht, Minervina' ein, doch diesen Jemand überhörte sie dezent.


    Doch schon recht bald näherten sie sich der Casa. Zumindest Minervina, die sich keiner Last bewusst war, kam der Weg irgendwie kürzer als sonst vor. Sie schritt in Richtung der Porta und ließ sich diese vom Iantor öffnen, der erst nur einen verwunderten Blick für den getragenen Sklaven übrig hatte, aber nichts weiter außer ein verwirrtes 'Öhm' hervorbrachte. "Folgt mir bitte auf mein Zimmer." meinte sie an ihre beiden Träger gewandt und führte sie die letzten Schritte in Richtung Atrium, wo sie eine Sklavin anwies, dass diese ein wenig Speis und Trank bereiten sollte.


    Weiter Hier

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!