Inspizierung der Handwerkerviertel

  • Am Morgen, gleich nach dem Frühstück, war ich aufgebrochen. Ich hatte mich mit Cassio in der via XII verabredet, gleich hinter dem Praetorium, nur zwei Straßenecken fernab des decumanus maximus und er wartete auch schon zusammen mit zweien seiner Sklaven, einem architectus und dem scriba Quartus.


    "Ich grüße Dich, Livius. Bereit für die Ochsentour ?"


    Livius grinste, als er sich von seinem utensilium erhob, und mich ankommen sah. Und außer Liktor mit den typischen Rutenbündeln über der Schulter gelehnt, hatte ich keine Begleitung. Numerius hatte mir geschrieben, er würde in einigen Tagen zurückkommen. Das war in der Tat eine gute Nachricht und so war ich gut aufgelegt an diesem Morgen.


    "Salve Didius."


    Er tat einen Schritt zur Seite und deutete auf den architectus neben ihm, dessen Antlitz mir vollkommen unbekannt schien.


    "Das hier ist Minicius. Der architectus." deutete Livius auf den kleinen, untersetzten Mann. "Er wird uns begleiten und Schwachpunkte in der Architektonik zeigen."


    Ich nickte. Dieser Minicius schien ein recht aufgeweckten Eindruck zu machen. Er trug eine knielange Tunika und einen grünen Umhang, der mit je einer Fibel an den Schultern befestigt war. Ein Gürtel hielt das Gewand an der Taille, der mit kleinen vergoldeten Knöpfen beschlagen war. Die calligae reichten knapp bis über die Knöchel und waren im besten Zustand.
    Er begrüßte mich schließlich und sah fragend zu mir und Livius, ob wir zum Aufbruch bereit seien. Ich sah Livius an und der nickte schließlich mir und dann Minicius zu, und so setzten wir uns in Bewegung, gefolgt von einer stattlichen cohors in Begleitung.


    Der Weg führte uns zunächst durch ein überwiegendes Wohngebiet, welches ausschließlich aus dreigeschößigen insulae bestand und über unseren Köpfen hatten die Bewohner zwischen den Hauswänden Wäscheleinen gespannt, auf die die nasse Wäsche zum Trocknengehängt wurde.


    "Sprich, Didius, kennst Du schon das neuste Gerücht, das die Runde macht ?" wandte sich der neben mir laufende Livius an mich und grinste dabei breit. Ich zuckte nur mit den Schultern, war jedoch brennend interessiert, was dieser Livius nun wieder ausgemacht hatte."Du wirst es nicht glauben.." und konnte sein Grinsen nicht verbergen, "man erzählt sich, dass der Duumvir nun endgültig genug von endlosen Gestank des Weins und dem ewig gleichen Duft der Schlagreden hat, dass es ihn fortan nur mehr zu besonders wichtigen Anlässen in die Öffentlichkeit zieht. Den Rest der Zeit soll er sich in seiner Villa im eigenen Weinkeller eingeschlossen haben." Ein leichtes Schmunzeln glitt über meine Lippen, angeregt hauptsächlich durch Livius' heitere Erzählweise. "Wo man Recht hat, hat man Recht." Ob das Gerücht existierte oder nur Livius' wilder Phantasie entsprungen war, konnte ich nicht zweifelsfrei sagen, aber es passte wie die Faust aufs Auge. Der amtierende Duumvir, Fabius Sextus, war ohnehin ein wenig sonderbar, und um seinen Weinkeller, der Schätze aus allen Regionen des Reichs beherbergte, rankten sich wahre Legenden.
    Ich zwinkerte Livius zu. Minicius hatte sich ein wenig abgesetzt und wartete an der Ecke zwischen der IXten und VIIten auf uns. Die beschauliche Ruhe in den Wohnvierteln der Stadt, wo höchstens mal Kinder zwischen den Gängen und Hausfluren spielten, war der emsigen Betriebsamkeit und dem Klopfen, Pfeiffen, Hämmern und Sägen der Gewerbe-und Handwerkerviertel gewichen.

  • Minicius kannte den Weg und er wollte uns etwas zeigen. Zielsicher bahnte er sich seinen Weg durch die stark frequentierte Gasse. Die Leute staunten nicht schlecht, als sie Delegation um die beiden Magistrate an ihnen vorbeitraben sahen. Werkstätten reihten sich an Werkstätten, vor den einen lagen geflechtete Körbe, aus einem anderen flatterten weiße Laken, die jemand zum Trocknen aufgehängt hatte, eindeutig eine Wäscherei. Das spürte ich am penetranten Gestank des Urin, der mir in die Nase stieg.
    Fortuna sei dank, verweilten wir nicht lange an einer Stelle, sondern zogen weiter. Dabei hatte ich Gelegenheit mir die Gegend eingehender zu betrachten. Oberflächlig erhaschte ich einen kurzen Blick in die dunklen Gänge, die in das Innere der Häuser führten. Als jemand, der vom Lande kam und nicht innerhalb der Mauern der Colonia lebte, kam mir das alles recht beengt vor.


    Der architectus hatte seinen Schritt verlangsamt und blieb vor einer Häuserfront stehen, deren Vorderseite leicht über die Straße ragte. Livius und meine Wenigkeit schlossen zu ihm auf. Hier irgendwo in der via VII war es ruhiger, als auf der großen Straße. In dem linken Gebäude hatte ein Metzger seinen Betrieb. Daneben führte eine dunkle Eingangstüre in das Treppenhaus der insulae, deren Weg zu den Wohnungen im ersten und zweiten Stock führte. Rechts von dem Eingang hörte man das Klopfen eines Schreiners und eine kleine Gruppe vor diesem Laden schien sich sehr angeregt darüber zu unterhalten. Man beachtete uns nicht weiter und Minicius begann mit seinem rechten Arm uns Dinge zu zeigen, die ihm eindeutig mißfielen.


    "Seht, im oberen Stockwerk, die Risse an den Wänden" wuselte er eifrig mit dem Arm hin und her. "Das gefällt mir überhaupt nicht. Die Außenwand ist porös und zeigt eindeutig fachliche Mängel auf. Das hier, das sind Fehler im Mischungsverhältnis. Der Kalk hält nicht, zu wenig Wasser. Wenn wir da nichts unternehmen, bricht der uns irgendwann völlig runter und dann könnte jemand zu Schaden kommen." Das Gesicht des architectus wirkt besorgt. Mit prüfender Miene betrachte ich die Stellen, auf die Minicius deutet. Die Risse sehe ich ganz gut. Livius' kritische Stimme erhebt sich.


    "Sind das alle in Erscheinung tretenden Fehler ?" Sein prüfenber Blick wandert von Zerstörungen an der Hauswand zu Mincius, der vehement beginnt seinen Kopf zu schütteln. "O nein. Das ist längst nicht alles. In den oberen Stockwerken im Inneren treten diese ebenso auf. Allerdings erscheinen sie dort weniger gravierend, aufgrund der geringeren Aussetzung der Sonne."


    Livius nickte mir zu, sah dann zu Minicius und ging geradewegs auf den Eingang des Mietshauses zu, neben dem sich noch immer die Gruppe bestehend aus Bewohnern dieses Viertels, Kunden und Geschäftsleuten unterhielt. Als Livius auf sie zukam, verstummten sie und sahen ehrfürchtig zu dem Magistrat.
    Minicius und ich fakelten nicht lange und folgten, begleitet von dem Rest des Tross.


    /edit: Satzbau

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!