Ein ungleiches Paar

  • Minervina hatte ihn auf die Straßen Tarracos geführt, unsicher und hoffend, dass er sie nicht enttäuschen würde. Es war ein riskantes Unterfangen, aber irgendwie nahm sie nicht an, dass er einen Fluchtversuch unternehmen würde. Sie würde ihn nicht aufhalten können, aber er wusste sicherlich genau, dass sich hier niemals zurecht finden würde. Doch kaum dass sie die Straße betreten hatten, wirkte er ein wenig verloren und fast mitleidig sah sie ihn an. Er war viel größer als all die Leute um ihn herum und das was für sie gewöhnlicher Alltag war, musste für ihn eine völlig fremde Welt sein. Auch die Hitze schien ihm ziemlich zuzusetzen. Mochte es stimmen, dass es in Germanien immer so eisig kalt war?


    Als er sie so hilflos anblickte, lächelte sie ihn freundlich an. Doch so recht wusste sie nicht, wie sie ihm hier helfen konnte, außer ihn grob durch die Wirren zu leiten. Als er sich bückte, war sie mehr als überrascht. Warum tat er es? Und was sagte er? Ihr freundlicher Blick wurde fragend, als er den Sand wieder zu Boden rieseln ließ? War es so etwas wie ein Ritual? Minervina konnte schließlich nicht im Geringsten erahnen, dass dieser Boden im Gegensatz zu jenem, den er kannte, trocken und staubig war. Aber eine definierende Frage ersparte sie sich lieber, denn erst einmal würde sie diese gewiss nicht verstehen. Und sie die Antwort wohl genauso wenig. Also ließ sie auch dies auf sich beruhen und würde späterer Stunde einmal nachfragen.


    So schlug sie wie so manch anderer Römer auch den Weg in Richtung des Hafens ein. Dort war die Luft schon frisch und der salzige Geschmack, der in der Luft lag, mochte ihm vielleicht aus der Heimat bekannt vorkommen. Meer hatten sie gewiss auch in Germanien, denn von diesem aus konnte man beinahe jeden Winkel der Welt erreichen. Sie hielt noch immer an zwei seiner Finger fest, damit er sich in der Menge nicht verirrte. Mittlerweile wusste sie nicht mehr so recht, was sie mit ihm anfangen sollte. Er wirkte nicht mehr wie ein wilder Germane auf sie, sondern eher wie ein kleiner Junge, der elternlos durch völlige Fremde irren musste. Von weitem schon hörte sie das Gekreisch der Vögel näherkommen. "Meer!" meinte sie erklärend und zwinkerte zu ihm auf. Vielleicht würde ihm dies ja ein Gefühl der Heimat geben.


    Ihre Blicke fuhren kurz an den Wänden entlang. Selbst einige dieser Wandschmierereien die manche Schmierfinken einfach nicht unterlassen konnten, gehörten schon zu ihrem normalen Leben. Ob er eines Tages so gut Latein konnte, dass er ihr aus seiner Heimat berichten konnte? Ob er vielleicht sogar etwas von ihrem Vater gehört hatte? Vielleicht würde Belenor ja erklären können, warum man Maximus einfach getötet hatte.

  • Belenor folgte der kleinen Frau an seiner Seite durch diese seltsame Welt, die sich da vor ihm auftat. Schritt um Schritt setzte er neben ihr, extrem langsam, war ihm doch schon nach einigen wenigen Schritten klar geworden das sie fast anderthalb Schritte machen musste, wenn er einen machte. Die Hitze, der Staub, die Häuser aus Stein, selbst die Alten in seinem Dorf hatten nie Geschichten erzählt in denen solche Umgebungen vorkamen. Leidlich irritiert nahm er all die neuen Eindrücke auf, sah verwirrt gen Himmel zu jenen Vögeln die hier einen solchen Lärm machten.


    Die frische Brise fühlte sich zumindest gut an, die kühle die ihm bisweilen entgegenschlug, bis er schließlich zwischen den Häusern hindurch die Wassermassen sah, die sich vor ihm auftaten. Unvermittelt blieb er stehen und legte die Stirn in Falten, als er kein Ufer ausmachen konnte, auf der anderen Seite. Etwas verwirrt von dieser Dimension legte er den Kopf schief. Auch waren die Schiffe hier um einiges größer, als jene Boote die in seiner Heimat auf den Flüssen unterwegs waren. Vollkommen anders gebaut.


    Nicht das er Ahnung von Schiffen hätte, die Flüsse im Gebiet seines Stammes gaben kaum mehr her als kleine Boote, die einzigen großen Schiffe waren auf den breiten Flüssen unterwegs. Aber jener hier....
    Kurz rieb er sich die Augen, wähnte schon beinahe das der Staub ihm die Sicht getrübt habe. Langsam setzte er sich schließlich wieder in Bewegung und steuerte zielsicher auf den Strand zu, blieb an jenem stehen und machte einige Schritte aufs Wasser zu, hielt die Hand über die Augen und versuchte erneut am anderen Ende das Ufer zu erkennen. Aber dort war keines.


    "Bei den Göttern, hier ist die Erde zu Ende!", murmelte er kurzerhand und wühlte in seinen Gedanken. Leider drehten sich kaum Geschichten aus seinem Dorf ums Ende der Welt, irgendwie war es nicht nötig, denn er kannte kaum einen aus dem Dorf, der weiter als ein paar Wochen vom Dorf entfernt gewesen wäre. Wozu auch, das Land zuhause gab alles her was sie brauchten. Und was sie wollten und nicht hatten, nahmen sie sich schlicht und ergreifend von den anderen Stämmen, ob nun durchs Schwert, oder in dem sie tauschten. Es war einfach nicht nötig weite Reisen zu unternehmen....


    Hier stand er nun, offentsichtlich und ohne jeden Zweifel vor einem riesigen Fluss, oder aber vor dem Ende der Welt. Kurz beugte er sich hinab und tauchte die Hand ins Wasser, führte die nassen Finger an die Zunge und probierte es, spuckte alsbald aber wieder das salzige Wasser aus und erhob sich. Wieder suchten seine Augen das Meer ab, erkannten aber nichts ausser unendlichen Wassermassen, die sich ausbreiteten soweit sein Auge reichte. Wie gewaltig weit er sehen konnte, solche Sichtweiten hatte er wohl nie zuvor erlebt. Und mit einem male dämmerte es ihm wie klein er doch eigentlich war. Und wie gewaltig das, was die Götter erschaffen hatten. Noch ein Schritt gen Wasser folgte, sah hinab wie das Wasser seine Füße umspülte, ein weiterer Schritt. Bald stand ihm das Wasser bis zu den Knien, erreichte seine Oberschenkel.


    Warm war es...und so gewaltig! Kurzerhand sah er an sich hinab und sah, das noch immer der Dreck der vergangenen Tage an ihm haftete. So machte er das, was wohl jeder in diesem Moment getan hätte, er wusch sich den Dreck aus dem Gesicht und den Haaren, tauchte kurz unter, nachdem er noch ein gutes Stück ins Wasser gewatet war und sah gen Strand, wo wohl Minervine noch stand. Kurz machte er einige Züge und schüttelte ungläubig den Kopf, ehe er zurückschwamm und sich wieder zu ihr aufmachte.


    "Die Welt hört hier auf!", deutete gen Horizont. "Kein Ufer!", ignorierte das seine Handgelenke vom Salzwasser brannten und sah zu Minervine. Zudem war es gelegen das die klatschnasse Tunika angenehm kühlte und an ihm klebte wie eine zweite Haut, allerdings wohl deutlich sauberer als zuvor. Als er sich umdrehte und die Arme ausstreckte, mochte sein Kreuz wohl noch erheblich breiter und muskulöser erscheinen, als es ohnehin schon war. Die Arme ausgstreckt, deutete er mit beiden Händen gen Meer.
    "Hier hört die Welt auf! Ich bin der erste meines Dorfes, der das Ende der Welt gesehen hat!", sah dann wieder zu Minervine.
    "Da ist kein Ufer!", deutete erneut hinaus.

  • Als die frische Brise, die heute glücklicherweise sogar ein wenig stärker wehte als an den meisten Tagen, durch ihr Haar fuhr schloss sie für wenige, kurze Schritte die Augen. Sie genoss das sanfte Streicheln des Windes auf ihrer Haut sichtlich und wusste genau, dieses Gefühl würde sie, war sie erst in Rom, unglaublich vermissen. Den Ausblick auf das Meer. Als sie ihre Augen wieder öffnete, hatten sie sich der Weite schon ein ganzes Stück genähert und ihre Gedanken schweiften nach Rom. Ihr größtes Ziel war es, ihrem Vater Ehre zu machen und dies verlangte nach Einhaltung der Traditionen. Doch was sollte sie tun? Sollte sie sich der Keuschheit 'hingeben' und eine Vestalin werden oder lieber der Schutzgottheit der gens Tiberia widmen, der großen Minerva? Beide Wege würden ihrem Vater Ehre einbringen. Doch schränkten die Vestalinnen nicht allzu sehr ein?


    In diese Gedanken verstrickt bemerkte sie erst relativ verspätet, dass er erstaunt stehen geblieben war und ruckartig hielt auch ihr Gang inne. Verwundert sah sie nach hinten, um zu erfahren, warum Belenor auf einmal nicht mehr neben ihr ging. Ihr klappte für Bruchteile von Sekunden der Mund auf, als sie seine Verwirrung bemerkte, behielt ihre Gedanken aber für sich: Super gemacht, Minervina. Offensichtlich kannte er das Meer doch nicht und schien nicht zu glauben, was er da vor sich hatte. Sie seufzte leis und rieb sich nachdenklich die Schläfe. Als er sich wieder in Bewegung setzte, lief sie neben ihn, während sie ihn besorgt ansah. Sie wusste nicht wo sie mit ihm als nächstes hinsollte, denn am Ende würde ihm der nächste unbekannte Anblick einen riesigen Schrecken versetzen. Als sie am Wasser wieder stehenblieben, wollte Minervina zaghaft das Wort an ihn richten, doch er fiel ihr mit leisen Worten in dieses, die sie wieder einmal nicht verstand. Es schien beinahe, als würde seine ganze Weltanschauung durcheinander gerüttelt und so schloss sie den halb geöffneten Mund wieder um ein sachtes Lächeln zum Vorschein kommen zu lassen.


    So stumm lächelnd beobachtete sie ihn nun, was er vorhatte und wie er weiterhandeln würde.. Und er tat etwas, womit sie keineswegs gerechnet hatte: Er probierte dieses salzige Wasser. Zugegebenermaßen, als Kind hatte sie dies ebenfalls getan, aber als erwachsene Frau? Schien es für ihn so unbegreiflich, dass er kein Ufer erblicken konnte? Langsam begann in ihr die Frage zu reifen, ob er vielleicht wahnsinnig wurde. Das würde möglicherweise erklären, warum er nun auch noch ins Wasser hineinging. Mit einem Blick in sein Gesicht allerdings wurde diese Frage sinnlos, denn er schien nicht verwirrt sondern einfach nur erstaunt zu sein. Sie selbst allerdings hielt sich geziert am Ufer. Sie wollte nicht, dass sich ihre ohnehin schon schweren Kleider sich auch noch mit Wasser vollsogen. Zudem würde es bei ihr wohl noch alberner wirken als bei ihm.


    Sie sah sich kurz um, hoffend, dass sie noch nicht allzu viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatten. Ihre Hoffnung bestätigte sich, lediglich eine ältliche, recht korpulente Frau ließ ihren Blick auf ihnen Ruhen. Minervina nickte ihr freundlich zu, doch diese schien davon keine Notiz zu nehmen. Sie schien auf Belenor zu starren. Und auch Minervina wandte sich wieder zu dem leisen Plätschern um und beinahe wäre ihr Kopf in theatralischer Geste nach vorne geruckt - er wusch sich. Hier beim Hafen wusch er sich. Möglicherweise waren die Germanen doch barbarischer, als sie geglaubt hatte. Immerhin waren sie auf einem Spaziergang, während sie ihm die Stadt zeigen wollte. Er hätte doch auch... Leichte Röte der Verlegenheit zog über ihre Wangen und durchaus etwas verschüchtert wandte sie den Blick wieder ab und starrte auf die Ringe im Wasser, die leichten Wellen, die von ihm ausgingen. Dezent hob sie wieder den Blick und wollte sehen wo er war. Er schwamm tatsächlich. Er schwamm, hier im Hafen. Ihre Augenbraue zuckte leicht.


    "Oh ihr Götter." flüsterte sie leise. Sie fühlte sich beinahe als wäre sie mit einem Welpen unterwegs der ebenfalls auf kein einziges Wort hörte. Und dieser 'Welpe' war ebenso unschuldig, denn er schien auch diese Sitte nicht zu kennen: Nicht am hellichten Tag durchs Hafenbecken schwimmen. es war unvorstelbar für sie, dass er sie nun einfach hier stehen ließ und sich offensichtlich den Schmutz vom Leibe waschen wollte. Als er sich wieder in ihre Richtung aufmachte, blickte sie ihm vorwurfsvoll entgegen. Auch in ihrem Blick stand Unglauben, doch weniger wegen des Meeres als wegen seines Verhaltens. Da hatte sie noch ein wirklich ordentliches Stück Arbeit vor sich. Barbar. So schlimm konnte es nicht einmal in den nördlichen Regionen vor sich gehen. Doch ernsthaft böse war sie nicht und so seufzte sie leicht. Vor kurzem hätte sie wohl noch gelacht.


    Als er begann zu plappern, tat sie, als hörte sie interessiert zu, wobei sie doch kein Wort verstand und letztlich auch mit den Schultern zuckte um diesen Gedanken zum Ausdruck zu machen. Wahrscheinlich wollte er mit diesen kehligen Worten ausdrücken, wie überrascht er war - natürlich, was auch sonst. Sie fasste sich allerdings dann wieder ein Herz und deutete auf das Meer, während sie "Mare internum" sagte und sich wieder ein schwaches Lächeln abrang. Wieder ging ihr Blick über seine klebende Tunika und sein nasses Haar, ehe sie den Blick hob und ihm ins Gesicht sah.

  • Scheinbar konnte die zweite Gwyn ,Minervine, nicht schwimmen, was ihn nicht sonderlich wunderte. Kurz warf er den Kopf nach hinten und wrang mit den Händen das Wasser aus der wilden Mähne, ehe er die Stirn runzelte. "Marinternum.", stellte er fest und sah nochmals hinaus. Dieser riesige, nicht endenwollende See war alsi der Marinternum.
    Oder war es ein gigantischer Fluss? Kurz rollte er die Schulter und strich sich mit den Händen über die Unterarme, ehe er mit schiefgelegtem Kopf zu der alten Frau sah, der er zunickte. Er, wie die Masse, eigentlich alle seines Stammes, respektierten die Alten als Quell der Erfahrung und des Wissens.
    Ein alter Krieger wusste um viele Kniffe, sich in der Schlacht zu behaupten, die alten Frauen konnten viele Fragen rund um Heim und das Leben an sich beantworten.


    Kurzerhand nickte er und deutete hinaus. "Marinternum.", spannte kurz die Halsmuskeln an und nickte ein weiteres mal. So hatte er denn wieder etwas gelernt und sah kurz an sich hinab, als sie ihn musterte. Etwas seltsam kam er sich schon vor, mit diesem seltsamen Ding, das ihm die Sklavenhändler zugeworfen hatten. Keine rechte Tunika, schien es eher ein ärmelloser, etwas zu lang geratener Wams, der gerade so bis zur Hälfte seiner Oberschenkel reichte. Wohl eher etwas, das Gwyn zum schlafen angezogen hätte, wenn sie denn überhaupt etwas getragen hatte.


    Das er eines Tages in Frauenkleidern vor so einem riesigen See enden würde, der am Ende gar noch ein gigantischer Fluss war, hätte er sich ganz sicher nicht träumen lassen.
    "Ich bin Belenor!", richtete er kurzerhand das Wort an die Alte. "Ich komme nicht von hier. Weisst Du wie groß Marinternum ist?", deutete erneut aufs Meer. Vielleicht sprach sie ja seine Sprache. Das die Tunika an ihm pappte und jede Wölbung seiner Brust, oder des Bauches abzeichnete, kam ihm zunächst weniger in den Sinn. Das war ohnehin unwichtig, denn er war sich ziemlich sicher das die Frau schon mehr Männer als ihn gesehen hatte. Kurz drehte er seinen Halsreif zurecht und deutete auf die Alte.
    "Viele alte Frauen sind weise! Helles Haar zeigt einem das sie schon viel gesehen und erlebt haben. Du tust gut daran mit ihnen zu reden, sie wissen viel!", schließlich sah er wieder zur Alten und wartete.

  • Eine ganze Weile lang betrachtete Minervina etwas ratlos den großen Germanen, den sie sich am Vortag angelacht hatte. 'Marinternum' nannte er etwas unbeholfen das große, mittige Meer. Dann allerdings begannen ihre Mundwinkel leicht zu zucken und ein leises Lachen bildete sich in ihrer Kehle. Doch war es ein freundliches Lachen, das zeigte, dass sie ihn damit offensichtlich nicht verhöhnen wollte. "Verzeih, aber.." Langsam schrumpfte ihr Lachen wieder zu einem leisen Kichern, welches den Abschluss mit einem glucksenden Schütteln des Kopfes fand. Langsam kam es ihr vor, als würden die ärgsten Gegensätze aufeinander prallen.


    Als ihr Blick wieder zu der älteren Dame abdriftete, errötete sie kurz wieder, doch der Frau haftete ein freundliches Lächeln an. Ein verständnisvolles Lächeln. Minervina kam sich so hiflos vor, wie schon lange nicht mehr. Was der Frau wohl durch den Kopf schoss? Langsam schlenderte Minervina auf diese zu, um diese in ein Gespräch zu verwickeln, vielleicht wusste sie sogar Rat. Und Belenor schien den gleichen Gedanken zu hegen, da auch er die wenigen Schritte auf die Frau zuhielt, sie allerdigs unverblümt ansprach. Die ersten Worte konnte Miinervina sogar deuten, denn offensichtlich war er so höflich, sich vorzustellen. So schwieg Minervina höflich, während sie ein Zwinkern der älteren Dame bemerkte, welches sehr zu ihrer Erleichterung beitrug. Als er geendet hatte, wandte sich Minervina mit freundlichen Worten an die Frau, worauf eine kurze Unterhaltung folgte.


    "Sein Name ist Belenor, ich bin Rediviva Minervina, Tochter des Tiberius Maximus." stellte sie sich vorerst höflich vor und brachte auf diesem Wege in Erfahrung, dass die Frau vor ihr Severa war und die Mutter eines jungen Fischers, deren Mann bereits in den elysischen Feldern wandelte.


    "Verzeih, doch er beherrscht unsere Sprache noch nicht so recht und langsam bin ich auch mit meinem Latein am Ende. Ich verstehe einfach nie, was er sagt. Und ich schätze, ihm geht es nicht anders."
    "Nun, das ist nicht verwunderlich. Höre ich nicht germanische Worte aus seinem Mund? Wer würde einem so jungen Ding wie dir auch zumuten, dass du diese Sprache sprichst."
    "Richtig, wenn dies auch kein Grund sein sollte, mich zu richten."
    "Keineswegs meinte ich dies abwertend, Minervina. Ich... RODRIK!"


    Minervina runzelte die Stirn. Was wollte die Frau mit diesem lauten Ausruf bezwecken? Rodrik war offensichtlich ein Name. Da sah sie auch schon recht bald einen Jungen heranlaufen, er mochte ein paar Jahre älter als sie selbst ein. Und an seinem blonden Schoß erkannte Minervina, worauf die Alte hinauswollte. Sicherlich würde er ihr ein wenig helfen können und grobe Unverständlichkeiten aus dem Weg räumen. Und sollte es auch daheim noch Probleme geben, gewiss sprachen Walburga oder wenigstens Gunhild auch die germanische Sprache.


    "Rodrik, dein Vater hat dir doch gewiss beigebracht, wie du dich in dieser uns fremden Sprache verständigst. Wärest du nicht bereit, dieser jungen Dame kurz zu helfen?" Der Junge grinste, nickte dann aber hilfbereit und betrachtete den Hünen, der selbst größer als er und sein Vater war. Viele Germanen traf man hier nicht, die größte Abnahme war vermutlich in Germanien selbst. Viele Sommersprossen zierten seine groß geratene Nase, das Haar war bis kurz unter die Ohren gestutzt. Er wandte sich allerdings nicht an Minervina, sondern direkt an den Germanen. In ihrer gemeinsamen Sprache begann er, wenn auch stockend und mit mangelnder Sicherheit: "Heilsa, ihr habt Verständigungsprobleme? Ich bin Rodrik." Er kratzte sich am Kopf. Ein wenig dumm kam ihm das ganze hier schon vor, was ihm an der Nasenspitze anzusehen war, denn was er sagen wollte war ihm nicht im Geringsten bewusst.


    Minervinas Lippen selbst zierte ein leichtes Lächeln. Was das ganze ergeben würde, konnte sie sich nicht im Geringsten vorstellen, aber sie würde einfach abwarten. Besseres fiel ihr auch kaum ein, denn dass sie zumindest eine kleine Beschäftigung für ihren triefend nassen Begleiter gefunden hatte, beruhigte sie doch sehr.

  • Wieder einmal kam sich Belenor vor, als würde er hier wohl der einzige weit und breit sein, den niemand verstand. Verständnislos sah er zwischen den beiden Frauen hin und her, runzelte lediglich die Stirn und lauschte dem nicht zu verstehenden Geplapper. Erst als der Junge kam, musterte er ihn kurz und schob die Augenbrauen zusammen, als jener sich verständigen konnte.
    "Heilsa Rodrik!", nickte jenem zu und betrachtete ihn. "Du bist der erste den ich hier treffe und verstehen kann!", sah zum Burschen hinab und kniete sich letztlich hin, um nicht stehts hinabschauen zu müssen.
    Kurzerhand streckte er den Arm aus und deutete gen Meer. "Ich habe nie zuvor soviel Wasser gesehen! Weiss die alte Frau ob dieser Fluss ein Ufer hat? Ich sehe keins!", kratzte sich kurz den Nacken.


    "Und wo ist dieses Tarraco hier? Es ist viele Wochen von der Heimat entfernt, aber ist das hier schon Rom?", zog erneut die Augenbrauen zusammen. "Niemand von meinem Stamm war wohl jemals so weit von unsrem Land weg, niemand hat Geschichten davon erzählt.", musterte den jungen Mann ernst und betrachtete ihn. Sicherlich noch jung an Jahren, zweifelte er doch etwas daran, das er eines Tages ein Sax würde führen können. Dazu waren seine arme zu dünn. Oder aber es würde sehr viel Arbeit kosten.


    "Kannst Du sie fragen warum ich kein Ufer sehen kann? Oder haben die Götter das Ufer genommen, weil hier die Welt zu Ende ist?", Fragen über Fragen, aber diese waren ihm zunächst einmal vorrangig.
    Kurz sah er zu der Alten, dann zu Minervine. Die Arme auf dem Knie abgestützt harrte er der Antwort aus und betrachtete Minervine einige Zeit, die scheinbar ebenso ihre Mühe hatte ihm zu folgen, wie er Mühe hatte allen anderen zu folgen. "Und sag ihr...", deutete auf Minervine, "...das ich ihr danke das sie mir ihr Bett angeboten hat...und mich von diesen Mistkerlen befreit hat. Wie auch immer sie das geschafft hat. Sie muss sehr schlau sein.", nickte abermals. "Sag das für mich."

  • Zweifel zeichneten sich in dem Gesicht des schmächtigen Jungen ab, während er den Worten des weitaus älteren Germanen lauschte. Er war hier in Hispania geboren, wenn sein Vater auch aus Germanien stammte. Auch eine besonders gute Bildung hatte der Junge nicht genießen können, lediglich die Sachen die Vater und Herren ihm nahe gebracht hatten. Und er entstammte eines armen Haushaltes, der kaum genug Brot für seine zwei Sklaven aufbringen konnte. Entsprechend sah auch sein Kiefer aus, denn es fehlten gut und gerne zwei oder mehr Zähne in seinem Mund, viele waren schief. Und doch glitzerte in seinen Augen etwas wie Freude über das Leben. "Das ist kein Fluss sondern ein Meer. Es liegt zwischen vielen römischen Provinzen. Und es gibt die Möglichkeit über das Wasser nach Rom zu kommen, auch nach Griechenland und sogar Germanien." Das zumindest hatte er immer vermutet, wissen tat er es nicht. Er ließ wieder ein lückenhaftes Grinsen sehen. "Ein Meer ist viel größer als ein Fluss, viel gefährlicher. Es ist das Reich des römischen Gottes Neptun." erklärte er weiter.


    Rodrik blickte zu seiner Herrin, die ihm aber nur ein sanftes Nicken schenkte, also wandte er sich wieder an Belenor. "Ich bin hier geboren und kann dir gut helfen, wenn du möchtest. Die Herrin hat mir alles beigebracht, was ich wissen muss, um mich hier zurecht zu finden." versuchte der Junge dem Älteren Mut zu machen, weitere Fragen zu stellen. "Tarraco ist eine große römische Stadt in der Provinz Hispania, wie die Römer sie nennen. Also ist dies schon Rom." Doch wirklich verstand der Junge die Schwierigkeit des Germanen nicht. Wie kam er darauf, dass dies nicht Rom war? Langsam begann der Junge ein wenig daran zu zweifeln, ob der Germane überhaupt wusste, in welcher Lage er war. Das Ende der Welt? Dem jungen Mädchen sagen, dass er ihr dankbar war? Er antwortete allerdings erst auf seine Frage, eher er das Mädchen ansprach. "Und nein, das Ende der Welt ist noch einmal ganz woanders. Ich glaube dieses kennen nicht einmal die Römer, die sich doch schon so gut in der Welt auskennen." lächelte er, ehe er sich an Minervina wandte und in lateinischer Sprache fortfuhr.


    "Der Gute sagte, er danke dir dafür, dass... du ihm dein Bett angeboten hast und ihn vor irgendwelchen Männern befreit hast. Kann es sein, dass du ihm noch nicht mitgeteilt hast, dass er ein Sklave ist?" Minervina blickte in die funkelnden Augen des Jungens und eine heiße Röte ergriff ihre Ohren, wovon auch ihre Wangen nicht verschont wurden. Hatte Belenor wirklich diese Wortwahl benutzt? Was musste dieser kleine Bengel jetzt nur denken, in welcher Form sie ihm sein Bett angeboten hatte. Sie machte kurz den Mund auf, aber zuerst brachte sie kein klares Wort heraus. Erst beim zweiten Versuch, zu sprechen, sagte sie: "Doch, doch ich habe es ihm gesagt, aber er schien mich nicht verstanden zu haben. Vielleicht könntest du es ihm... erklären, dass er in dieser Lage ist. Und bitte so, dass er sich nicht allzu sehr erschreckt." Minervina blickte dem Jungen bittend in die Augen. Dass Belenor das alles missverstand, tat ihr sehr leid. Da fiel ihr noch etwas ein. "Ach und... erkläre ihm bitte, was eine Lupa ist." fügte sie an, worauf sie allerdings einen verständnislosen Blick von Seiten der Alten und auch des jungen Germanen erntete.


    Der Junge wandte sich wieder dem nassen Belenor zu, doch noch hatte er nichts aufgrund seiner nassen Tunika verlauten lassen. Er wusste nicht recht, wo er anfangen sollte und suchte noch kurz den Blick seiner eigenen Herrin, die ihm wieder aufmunternd zunickte. Also machte er sich daran, die schlechten Nachrichten zu übermitteln. "Also erst einmal bat die Herrin mich, dir zu erklären, was eine Lupa ist. Nun... eine Lupa... ist.." Nur zu deutlich merkte man dem Jungen die Verlegenheit an. Insgesamt konnte er noch nicht viel mit diesen Dingen anfangen, war die einzige Liebe die er bisher erhielt doch von seinen Eltern gewesen. "Sie ist eine Frau, die körperliche Liebe an... Männer verkauft." brachte er es dann endlich hervor. Doch im Gegensatz zu jenen Ohren Minervinas liefen seine nicht rot an. Langsam fuhr er dann, mit leicht bedrückter Stimme allerdings, fort. "Und.. was deinen Stand betrifft hast du wohl einiges falsch verstanden. Sicher war es die Herrin, die dich von den Männern erlöste, doch..." Er hoffte, dass Belenor den Wink mit dem Zaunpfahl verstand und sah fragend zu ihm auf.


    Auch Minervina hatte an der Mimik des Jungen erkannt, in welche Richtung sich das Gespräch nun gewandt hatte und langsam verschwand die Röte wieder und wich einem nervösen, wie auch mitleidigem Blick. Sie betrachtete Belenor, der noch vor wenigen Augenblicken das Meer kennengelernt hatte. Und der hier in völliger Fremde allein war, sich wahrscheinlich gar nicht zurecht fand und nun auch noch solche Worte übermittelt bekam. Unsicher verschränkte sie ihre Arme vor dem Bauch. "Belenor.." sagte sie mit leiser Stimme und suchte seinen Blick.

  • Belenor lauschte dem Jungen und nickte, kurz verengten sich die Augen, als er versuchte all das zu begreifen was er ihm da vorsetzte und sah erneut aufs Meer hinaus. Schwer zu glauben was der Knabe da sagte, aber scheinbar kannte jener sich hier besser aus als er. Und demnach musste er erstmal dem glauben schenken, was er da hörte. Als er jedoch endlich begriff was Lupa nun bedeutet, spannten sich kurz seine Muskeln an.
    Wenn er diese Mistkerle nochmals sehen würde, dann wusste er, wie er ihnen begegnen würde. Dann würde das allergrößte Unheil über jene hereinbrechen, das sie wohl jemals gesehen hatten. Ein weiteres Nicken folgte, als er den Entschluss gefasst hatte. Soviele Knochen konnte kein Mensch haben, wie er ihnen brechen würde und erst als der Junge das Wort Herrin erwähnte, schoben sich die breiten Augenbrauen zusammen.


    Kurzerhand versuchte er das zu verstehen, was der Bursche ihm nicht gesagt hatte, wohl aber den Sinn seiner Worte stellen sollte. "Bin ich ihr Gefangener?", eindringlich sah er den Jungen an. "Ihr Sklave?", die Antwort musste er erst garnicht hören, sondern hob kurz die Hand und liess sie wieder sinken. Nein, antworten musste der Bursche sicherlich nicht. Langsam, Stück für Stüch fügte sich alles für ihn zusammen, sah kurz auf und musterte Minervine eingehend, irgendetwas lag in seinem Blick, was dort nicht gelegen hatte. Es war nicht im mindesten auszumachen was es nun war, ob es eine Drohung, Verachtung, Unglaube, Enttäuschung oder Klarheit war. Seine Züge waren hart, das waren sie eigentlich immer, doch wenn man ihm bisher Überraschung, Dankbarkeit oder ähnliches hatte aus den Zügen ablesen können, oder jene deuten konnte, schien es vielmehr als ob er nun einen Schild hob und den Gegenüber vollkommen im unklaren liess was folgen wollte. Er hatte einen Schild erhoben, der ihn abschirmte und nicht erahnen liess was die Folge sein würde. Ob er einen Schritt zurücktreten würde, um auszuweichen, oder aber einen Hieb vorbereitete.


    Belenor reimte sich alles zusammen, so das es ihm einen Sinn ergab und reihte die Geschehnisse aneinander, fügte die Lücken mit Vermutungen so zusammen, das es ihm einen Sinn ergab. Ein tiefer Atemzug folgt, bevor er sich erhob. Er erhob sich langsam, sah sich kurz den Sand vor den Füssen des Jungen an, bevor er an jenem hinauf sah, ihm die Hand auf die Schulter legte und jene dort liegenliess.
    "Ich habe hier keinen einzigen Soldaten gesehen. Sie haben hier sicher Soldaten. Sind es viele?", sah den Jungen weiterhin an. "Es sind gewiss viele."


    Auch hierzu brauchte er keine Antwort, im Grunde hatte er weit mehr Antworten erhalten, als er es eigentlich wollte. Zuviele Antworten. Viel zu viele Antworten und ein weiteres mal sog er tief die Luft in die Lungen. Schließlich wandte er sich wieder dem Meer zu und verschränkte die Arme vor der Brust. Es wurde ihm klar das es im Grunde gleich war, ob er nun ein Schwert hatte, oder keines. Ob er einen Schild und ein Pferd finden würde. Es war schrecklich gewesen die römischen Ketten an den Handgelenken zu spüren, doch was im Moment viel erdrückender war, war die Tatsache das er viele Wochen von der Heimat entfernt war....und zwischen ihm und der Heimat weit mehr als die Frau stand. Soldaten, zuviele als das er sich wohl seinen Weg durch sie hindurchschlagen konnte.


    Ein langes Schweigen folgte, das scheinbar kein Ende mehr finden wollte, als er all dies in seinem Kopf bewegte. Hier alleine zu stehen. Ohne Waffen, Pferd und Wochen von der Heimat entfernt. Das Land nicht zu kennen, nicht zu wissen wo die Römer ihre Soldaten aufgestellt hatten. All das wog im Moment mehr als tausend Mahlsteine und dennoch blieb er stehen.
    Besiegt von Soldaten und nun Sklave einer Frau. Belenor wusste nur zu gut das es kaum mehr als einen Handgriff brauchte um ihr das Genick zu brechen. Seltsamerweise wusste er aber ebenso, das sie die einzige hier zu sein schien, die in ihm kein Tier sah. Zumindest hatte sie ihn bisher wie einen Menschen, einen Gast behandelt.

    Es gab so vieles das er überdachte und abwog, während er aufs Meer sah. Mit einem mal schob sich die eiskalte Erkenntnis in seinen Kopf das er womöglich nie wieder zu seinen Leuten kommen würde. Und nichts mehr hatte. Garnichts mehr. Keine Freunde, keine Familie, nichts. Er hatte all jene tausendmal verflucht für das, was sie Kara auf der Reise angetan hatten. Und noch weitere tausend mal sollten sie verflucht sein, was nach alledem noch hinzu kam. Das, was er eben versuchte zu verarbeiten.
    Was sollte er nur machen, beinahe ohnmächtig stand er vor den Tatsachen und wog ab ob es nicht vielleicht besser war es einfach darauf ankommen zu lassen. Sich ein Schwert zu beschaffen und einfach zu sehen wie weit er kam. Um, im schlimmsten Falle, als Krieger in die Halle der Ahnen einzugehen. Er hatte gewiss keine Todessehnsucht, aber welche Alternativen boten sich ihm noch?


    Belenor stand wie ein Felsblock da, wie ein steinernes Standbild und starrte mit zusammengezogenen Augenbrauen in die Ferne. Scheinbar hatten ihn die Götter verlassen. Unvermittelt sah er kenn Himmel und versuchte jene zu erblicken, die scheinbar beschlossen hatten ihn fallen zu lassen. "Thor, gib mir ein Zeichen! Vidan! Loki!", tief atmete er ein und wisperte gen Himmel, spannte die Wangenmuskeln an. "Bin ich von Euch verlassen?"


    Das rauschen der Wellen drang weit mehr als nur in seine Ohren, so das Anfangs das donnern nicht zu hören war, welches leise zu vernehmen war. Fast schon hätte er sich damit abgefunden, wohl für sich beschlossen das es wohl so war, hätte er nicht beim umdrehen die dunklen Wolken um Süden bemerkt. Lange starrte er dorthin und verfolgte deren Zug, als es erneut donnerte und Blitze zuckten. Thor war mit seinem Kriegswagen unterwegs und warf seine Speere. Blitze waren in der Ferne, irgendwo weit draussen auf dem Meer zu sehen und ein unerkliches Nicken folgte, welches langsam intensiver wurde. Die Götter hatten ihn nicht verlassen, er war sich sicher das es gewiss nicht sein Schicksal sein würde wie ein Hund fern der Heimat zu sterben. Wahrscheinlich hatte all dies irgendeinen Sinn, den er weder sah, noch verstand. Aber eines Tages würde er wohl verstehen, was der Plan der Götter war.


    "Ich danke Dir, Rodrik!", sah zum Knaben und nickte. "Ich bin Belenor. Krieger der Chatten.", an Minerva gewandt. "Ich danke Dir das Du mich aus den Händen meiner Feinde befreit hast und mir Dein Bett angeboten hast. Ich danke Dir das Du meine Wunden versorgt hast. Und sei versichert das ich all das nicht vergessen werde. wenn Thor den Kriegswagen besteigt und über Dein Haus fahren wird, werde ich ihm sagen das Du kein Feind bist.", nickte knapp. "Dann werde ich, Belenor, meinen Schild heben und ihn über Dich halten!"

  • Rodrik's Miene zeigte Bedauern für den Hünen, denn dieser schien gerade frisch seiner Heimat entrissen. Es würde gewiss nicht leicht für ihn werden, sich an diesen nicht unbedingt schönen Gedanken zu gewöhnen. Und doch hoffte er für die junge Herrin, dass der Germanie dies vermochte, denn mit einem Rebellen würde sie nicht zurecht kommen. Dafür war sie viel zu zart und gebrechlich. Für ihn, Rodrik, würde es auch nicht leicht werden, wenn er von hier entrissen würde, denn die arme Fischerfamilie war für ihn etwas wie eine eigene Familie geworden. So gerne er Germanien auch einmal mit eigenen Augen erblicken würde, dieses Leben wollte er nicht tauschen. Er kannte den Hauch der Freiheit nicht und vielleicht war es auch gut so.


    Und auch in Minervinas Augen konnte man gemischte Gefühle erkennen. Sie empfand ebenfalls Mitleid für diesen Germanen, diesen Wilden. Für zivilisierte Menschen wie es die Griechen waren, mochte es keine allzu schwere Umstellung sein, doch Belenor kannte diese Art des Lebens offensichtlich nicht. Es musste wie ein Sprung ins kalte Wasser sein. Wenn nicht sogar schlimmer. Und auch wenn sie es nicht ändern konnte, dass er sich an ihre Welt gewöhnen musste, so wollte sie ihm doch bei diesen Schritten helfen und ihm nie wieder Ketten anlegen. Diese Zeit, so kurz sie auch war, sollte für immer vorbei sein, das nahm sich die junge Frau fest vor. Da vernahm sie in dieser erdrückenden Stille wieder einen Laut.


    Rodrik sagte mit leiser und wohl auch etwas rauher Stimme: "Ja, so wird es sein. Aber auch ein Sklavenleben muss nicht schlimm sein. Es kommt drauf an wie man sich benimmt und wie die Herren sind - du scheinst mir ein gutes Los gezogen zu haben." Auch Rodrik schien die Ungewissheit in Belenors Augen genauso wenig zu behagen, wie es bei Minervina der Fall war. Vor Allem wenn man sich versuchte, die Tragweite dieser Nachrichten für ihn, vorzustellen. "Und Soldaten.. Sie werden nichts das einzige Hindernis sein, doch du wirst diese Welt gewiss noch besser kennenlernen und verstehen." Damit schwieg der Junge, denn er fürchtete, dass er den Schmerz Belenors nur verschlimmern würde.


    Und auch Minervina wurde das Gefühl nicht los, dass dieser Stunde etwas sehr Trauriges anhaftete. Es fiel ihr nicht leicht, zu beobachten, wie sehr sich Belenors Schicksal zu seinem Nachteil veränderte. Gerne würde sie nach seiner Hand greifen und ihm auf diese Weise irgendeiner Art Trost spenden, doch sie zweifelte, dass er dies nun überhaupt noch duldete. Er ahnte gewiss, was Sklaverei bedeutete, denn auch die Germanen nahmen sich römische Bürger, Soldaten um diese mit fürchterlichen Aufgaben zu quälen. Minervina nahm sich fest vor, dass er erkennen würde, dass sie sich nicht solche bestialischen Dinge einfallen lassen würde. Er sollte lernen, dass das zivilisierte Leben der Römer weit anenehmer war als jenes der Germanen. Als sie seine Worte hörte, lief ihr ein leichter Schauer über den Rücken. Auch wenn es schien, als wolle er keines seiner Gefühle nach außen dringen lassen, diese Worte verrieten viel seines Schmerzes. Ihr Blick wandte sich kurz zum Meer...


    ... und dort draußen erblickte sie etwas, was ihr nicht nur einein leichten, sondern einen eisigen Schauer hinter dem ersten hinterherjagte. Dort am Horizont baute sich schon jetzt am frühen Morgen eine nicht zu verachtende Wolkenfront auf und sie erblickte Blitze in den finsteren Bergen. Auch ein entferntes Grollen war schon zu hören. Als ihr Blick den Himmel in ihre Richtung absuchte, konnte sie erkennen, dass sich auch hier schon ein paar Wolken auf dem Himmel verteilten. Sie seufzte leicht. Das würde wieder ein ordentliches Desaster geben und trocken kämen sie gewiss nicht mehr nach Haus. Aber wollte sie dies überhaupt? Sie hatte gesehen, wie sehr ihm die Hitze zusetzte und konnte es auch jetzt in seinen Augen sehen, dass ihm dieses Wetter ein wohliges Gefühl gab. Sie glaubte zumindest, oder fühlte, dass es so war. Da war Iuppiter wieder, und verdunkelte den Himmel mit Wolken um ihn sogleich wieder mit den Blitzen zu erhellen. Deshalb war also am heutigen Tage auch der Wind ein wenig schwerer als an anderen Tagen. Fröstelnd zog sie die Palla etwas fester um ihren Oberkörper. Sie mochte Gewitter nicht unbedingt gerne, ihnen haftete immer etwas Bedrückendes an.


    "Deine Götter haben dich nicht verlassen, doch hier herrschen andere." riss der Junge sie wieder aus ihren Gedanken. Er lächelte, doch war es ein ernstes Lächeln, dessen Minervina gewahr wurde. Und es richtete sich ganz allein auf Belenor Nun ruhten auch ihre Blicke wieder auf dem stämmigen Germanen, aus seinem Blick konnte sie deshalb allerdings nicht mehr erkennen. "Es scheint ein ordentliches Gewitter aufzuziehen, ich schätze ich mache mich wieder an meine Arbeit." meinte der Junge wieder in der latinischen Sprache zu Minervina und blickte Belenor an, der nun endlich wieder das Schweigen brach und seine Stimme erhob. Minervina hatte nicht erahnen können, was als nächstes folgte und hatte die ganze Zeit in beinahe ängstlicher Ungewissheit gewartet. Nun seine Worte und keine unschöne Tat zu vernehmen, erleichterte sie ungemein. "Lebe wohl, Belenor. Ich wünsche euch Glück." sagte der Junge wieder in seiner Heimatsprache und wandte sich noch einmal kurz Minervina zu, die völlig verständnislos den Worten des Kriegers lauschte.


    Der Junge erklärte Minervina mit einem Zwinkern: "Er bedankt sich ein weiteres Mal bei seiner Wohltäterin. Er ist ein aufrichtiger Mann, enttäusche ihn nicht und er wird Dich nicht enttäuschen, Herrin. Er hat dir gerade etwas ungemein Wichtiges gegeben. Sein Wort, dich vor allem zu beschützen." Minervina betrachtete den sich abwendenden Jungen mit einer Mischung aus Überraschung und... Bestürzung? Ja, solche war es, denn sie schämte sich beinahe, einen solchen Mann als Sklaven zu halten, was beinahe untypisch für sie war. Es würde Zeit, dass sie wieder unter Claudias Fittiche kam. Sie ahnte nicht, das der Junge etwas nicht Unwichtiges ausgelassen hatte, als er ihr seine Worte übersetzte. Nämlich, dass Belenor auf Rache seiner Götter wettete. Doch befand Rodrik selbst es nicht wichtig, denn hier waren sie in Rom, hier waren es die römischen Götter.


    Als Rodrik aus ihrem Blick verschwunden war, sah sie noch immer eine ganze Weile in diese Richtung, ehe sie sich der Frau zuwandte und sich, unfähig eines weiteren Wortes, mit einem Nicken bei dieser bedankte. Sie hingegen warf Minervina ein munteres Zwinkern zu und folgte Rodrik, denn der Wind frischte auf. Nur zögerlich und äußerst unsicher wagte sie es nun, den Blick zu heben und Belenor in die Augen zu schauen. Er sah sie noch immer an und einen Moment lang schlug ihr Herz doller, als sie glaubte es ertragen zu können. Sie schämte sich wirklich, doch er sollte nicht denken, dass sein Eid sie traurig stimmte. Und so lächelte sie. Sie lächelte ein trauriges Lächeln, während hinter ihm und somit gut für sie sichtbar, das Unwetter näher kam.

  • Belenor sah dem Knaben nach und bedauerte im Stillen das jener sich wieder trollte. Mit ihm hatte er reden können, doch schon nach kurzer Zeit nickte er schließlich, denn zum einen schien jener hier arbeiten zu müssen, zum anderen und wohl größeren Teil verschwand wohl auch mit ihm so manche bittere Erkenntnis und somit weitere Offenbarungen entfernten, von denen er vorerst genug hatte.


    Kurz schloss er die Augen als er wieder in der Ferne das dunkle und bedrohliche Donnergrollen hörte. Weit entfernt noch, doch hörbar, wenn man das Rauschen der Wellen verbannte und genau hinhörte. Wenn der Tag schon angebrochen war, an dem Thor seine Speere werfen würde, dann würde er bereit sein. Wenn es die Bestätigung war, das er ihn nicht hatte fallenlassen, dann war es ihm ebenso recht. Der Tag würde kommen, dessen war er sich sicher.
    Und wenn er dann ausritt und die Pferde ihre donnernde Hufe auf die Wolken setzten und die Seinen kommen würden, dann würde der Tag gekommen sein abzurechnen. Und dann würde er mit ihnen suchen, bis er die Mistkerle fand, die ihn hierher gebracht hatten.


    Das sich die Römer nicht ewig in Germanien würden halten können wusste er. Er hoffte es zumindest. Und es würde ein neuer, starker Anführer von den Göttern gesandt werden, der sich zum Kriegsfürsten ausrufen lassen würde. Und sie würden sich wieder vereinen, um mit Tyr Seite an Seite Blut mit Blut wegzuwaschen, bis auch der letzte Römer in Germanien erschlagen, oder vertrieben worden war. Und der letzte Germane der verschleppt wurde, wieder den Weg in die Heimat finden würde.
    Irgendwie war diese Hoffnung im Moment das einzige, das ihn davon abhielt sein ungewisses und eher klägliches Schicksal in die Hand zu nehmen.


    So stand er am Strand und für diesen Moment hatte wohl selbst das Meer seine ganze Magie bei ihm verloren. Es war nur Wasser. Und solange dort keine Boote zu sehen waren, welche die Seinen brachten, war es nur Wasser. Irgendwann, irgendwann würde Rom lichterloh brennen, Stein zerbersten und die Erde sich erheben, um alles römische zu zerschmettern. Wahrscheinlich sahen die Götter im Moment nur zu und stellten sie vor Gericht, um schlicht und ergreifend zu erkennen ob sie etwas übriglassen sollten. Oder warteten darauf das ein letzter römischer Fehler begangen wurde. Um dann ihren ganzen Zorn auf sie niedergehen zu lassen.


    Belenor zog alle Register um sich etwas Halt in seiner beschissenen Situation zu schaffen und rief sich immer wieder die Worte der Alten ins Gedächtnis. Das die Götter mit ihnen waren. Und sie waren auch noch mit ihm. Sif würde geben das seine Wunden heilen würde und seine Arme sich ihrer alten Kraft besannen. Und scheinbar hatte sie die kleine Frau dazu ausgesucht, die ihn an Gwyn erinnerte. Loki würde den Tag kommen lassen, an dem sich ihm die eine, entscheidende Gelegenheit bieten würde mit seinen Feinden abzurechnen....und ganz sicher, Vidar würde ihn zu seinem Sax wählen, um diese alle in Stücke zu hacken. Kurz schloss er die Augen und spannte die Wangenmuskeln an trat einen Schritt auf Minervine zu. Im Grunde war sie keine Römerin, sondern nur eine arme Seele die im falschen Volk geboren worden war. Sie hatte wahrscheinlich nichtmal Ahnung was ihre Landsleute in Germanien getan hatten...und wohl noch immer taten. Und auch sie hatte er gehasst, als er gegen die Römer aufbegehrt hatte und unzählige male einem jeden den schändlichsten aller Tode an den Hals gewünscht hatte.


    Auch sie war eine jener, die er damals verflucht hatte und den Schwur an die Götter hinausgebrüllt hatte das er seinen Feinden den Kopf nehmen wolle. Tausend Köpfe für zwei Leben, das und nichts weniger hatte er damals als ausreichend befunden. Kurz hob er die Hand an, nachdem er auf sie zugegangen war und legte ihr die Hand auf die Wange, sah sie ein letztes mal an und liess sie alsbald wieder sinken. Sie war viel zu sehr wie Gwyn, als das er sie als eine der verhassten Feinde sehen konnte. Oder aber sie war noch verschlagener und hinterlistiger, als alle die er bisher gesehen hatte, was er allerdings nicht annahm.


    Schließlich blieb er stehen und sah sich nochmals um, zum Meer, zur Stadt und alsbald gen Himmel. Und wirkte einmal mehr vollkommen unentschlossen. Wäre er noch Herr seiner selbst, hätte er wohl strack den Weg nach Osten eingeschlagen, aber das war er ja nicht mehr.

  • So standen sie also nun da. Sie musste ziemlich weit zu ihm aufsehen, wie ihr nun wieder stark bewusst wurde. Nicht sie fühlte sich wie eine Herrin, sondern empfand er ihn als einen solchen. Und das lag nicht nur an der Größe, sondern auch an den Gefühlen die sie hegte. Irgendetwas war falsch, doch Minervina hoffte, dass sie nicht die Schwäche ihrer Mutter geerbt hatte. Diese würde sie nirgendwo weiterbringen, weder in Tarraco, in Rom und schon einmal gar nicht in dieser Situation. Solange sie ihre Gefühle nicht unter Kontrolle bekam, würde sie ihm die Möglichkeit geben zu dominieren. Und diesen Schritt wollte sie nicht dulden. Eine gute Beziehung zwischen ihnen, konnte ihr nur Recht sein, aber sie wollte sich nicht durch ihre Gefühle leiten lassen, denn das war falsch.


    Doch in dem Moment, da sich seine Hand auf ihre Wange legte, zuckte sie unmerklich zusammen. Und mit diesem Zucken schienen auch ihre Vorsätze für zumindest diesen Moment abzufallen. In ihrem Blick lag keine Angst mehr, weder Trauer noch Hass. Sie schien sich für den Moment in sich selbst zu verlieren und erwiderte ohne tiefere Gedanken seinen Blick. Es schien, als wollte sie niemanden bis in ihren Geist vordringen lassen. Dabei war es ihr in diesen Momenten selbst verwehrt. Als er seine Hand von ihrer Wange nahm, sank auch ihr Blick zu Boden. Jetzt wusste sie, was in ihrem Herzen wiederhallte. Pentesilea. Sie war die Sklavin ihres Vaters gewesen und dieser hätte sie nach ihrer Flucht gewiss nicht zimperlich behandelt, hätte sie wohl auch nicht getan. Aber heute blieb Pentesilea aus freien Stücken bei Mutter und ihr. Als Freigelassene und eine enge Freundin. Aus der Sklavin war ein wunderbarer Mensch gewesen. War sie nicht auch schon vor der Freilassung so gewesen? Alleine ihr verdankte doch Minervina ihr Leben, die doch krank zur Welt gekommen war.


    Minervina schüttelte sich kurz, als wollte sie diese Gedanken abschütteln. Doch gegen die Melancholie, die wahrscheinlich die Wolken in ihr auslösten, konnte sie nichts tun als zu lächeln. Aber ob das weitergehend helfen würde? Ihre Gedanken wanderten kurz zurück in die naheliegende Vergangenheit, nach gestern. Die junge Frau war eigentlich der Grund gewesen, weshalb sie ihn gekauft hatte. Sie hätte ihr nur zu gern geholfen und dies wurde ihr verwehrt. Stattdessen wurden ihre Gewissensbisse nun stärker, weil sie geholfen hatte. Sie ruckte plötzlich mit ihrem Gesicht wieder hoch und lächelte ihn schlagartig an. Es schien, als habe sie die Trauer schneller besiegt, als diese gekommen war. Doch wer genauer hinsah, konnte sehen, dass dem nicht so war.


    Und damit rechnete auch Minervina. Sie wirkte dem Aufspüren entgegen, indem sie nach seiner Hand griff und mit warmer Stimme "Komm!" sagte und sich umwandte. Fast wäre ihr aus den verräterisch funkelnden Augen eine Träne gewichen, doch mühsam hatte sie sich unter Kontrolle gehalten. Ihre Melancholie rührte von vielen Gedanken her. Gedanken, die ihrem Vater galten und wohl auch ihrem aktuellen Begleiter. Was würde dieser erst sagen, wenn ihr Weg sie nach Rom führte? Viel Zeit würden sie nicht mehr in Tarraco haben. Er war dann nicht unbedingt weiter von seiner Heimat entfernt, was die geographischen Dinge anging, eher wohl noch weniger. Aber die Distanz würde dort in seinem Herzen noch drastischer zunehmen. Nun, vielleicht würde das alles noch eine gute Wendung nehmen, erst einmal war es wichtig, dass sie den Schatten aus ihrem Herzen vertrieb. Er passte nicht zu 'Minervina' wie alle sie kannten und liebten.


    Ihre Schritte waren nur langsam, während sie am Wasser entlang ging. Ihr Griff verlor nach und nach an Kraft, denn sie konzentrierte sich etwas mehr auf die Umgebung und die Kontrolle ihrer Gedanken. Sie wusste nicht, ob sie Belenor mögen oder lieber doch nicht mögen sollte. Er war auch einer jener Männer, die ihr ihren Vater genommen hatten. Und wenn sie ihn an der Grenze geschnappt hatten, wovon sie ausging, dann mochte es sogar sein, dass er seinen Tod verantwortete. Sie stieß die Luft in einer resignierten Geste aus, während ihre Hand aus der seinen Glitt. Sie blickte Belenor mit einem tiefen Blick an, ehe sie versuchte, ihm eine Frage zu stellen. Doch sie achtete weniger auf die Worte, denn auf den Ton. "Meinst du, wir werden das schaffen? Wir zwei?" Wobei sie einmal zu ihm und dann zu sich deutete.

  • Irgendwie schienen die Götter einen ziemlich seltsamen Weg für ihn gewählt zu haben. Stehts hatte er sich gemüht die Vernunft über den Drang siegen zu lassen. Oft hatte er nur die Faust geballt und den Römern in der Heimat bösartige Gedanken hinterhergeworfen und keinen Speer, was ihm ungleich lieber gewesen wäre. Er hatte Ruhe gehalten bis zu jenem Tag, an dem es mit Vocchio durchging, als der eine Tropfen zuviel gewesen war und alles aufbrach was nur dürftig verheilt war. Zu vergessen und zu vergeben war um so vieles schwerer als zu hassen. Und niemals wollte er vergessen, noch weniger vergeben.


    Sicherlich hatte er wie viele andere seines Stammes auch furchtbares Leid über Familien in Rom gebracht, Siedlungen der Römer dem Erdboden gleichgemacht. Doch war im Krieg eben oftmals der Wahnsinn der oberste Kriegsherr und jedes noble Ziel vergessen, wenn der erste nahe Verwandte, Freund oder wertvolle Mensch durch die Hand des Feindes starb. Er hatte jene nicht gekannt, die er erschlagen hatte. Um so vieles mehr hatte er aber jene gekannt die an seiner Seite gestanden hatte. Und wie schnell es dann ging Kriegsziel als Kriegsziel einfach nur stehenzulassen, um Vidan zu folgen und sich furchtbar zu rächen, war dann keine rechte Frage mehr.
    Dann wurde Leid mit Leid vergolten und mit einem Saxhieb Rache genommen, aus der auf der anderen Seite zehn neue Rächer für jene Rache geboren wurden.


    Ein Teufelskreis. Und wie lange schon in Germanien Rache für Rache genommen worden war. Im Grunde reifte langsam die Erkenntnis das es wohl Kriege geben musste, die nie ein Ende fanden. Und scheinbar war er Teil eines solchen geworden. Das Minervine nicht weniger in diesem ganzen Wahnsinn verloren hatte als er, wusste er nicht. Aber irgendetwas schien auch ihr auf der Seele zu liegen. Mit jedem Herzschlag der verging, erinnerte in die kleine Frau mehr an Gwyn. Wieviele Jahre war es schon her, aber noch immer sah er sie vor sich als ob sie noch immer existierte. Und wieviel steckte in der vermeindlichen Herrin, die ihn hier gefunden hatte.


    Belenor atmete tief aus, fast schnaubend und fegte die ganzen Gedanken beiseite. Er war kein großer Kopfmensch und es für den Moment leid ewig weiterzugrübeln. Als sie ihn an der Hand nahm, runzelte er die Stirn und fühlte sich irgendwie an Tage erinnert, die in weiter Vergangenheit lagen.
    Wieder sah er zu das er seine Schritte nicht zu groß machte und lief neben ihr her, sah dem Wasser zu wie es über den Strand gespült wurde, jenen glattfegten von den Fußspuren, die noch kurz zuvor dort zu sehen gewesen waren.


    Was immer Minervine dort zu schaffen machte, sie schwieg so laut das es ihm beinahe in den Ohren schmerzte. Kurz sah er zurück, zu dem riesigen Dorf, das immer weiter weg geriet und lauschte den Wellen. Keiner war mehr zu sehen, niemand mehr zu hören. Nur das Meer war da...und Thor, in weiter Ferne. Als Minervine das Wort erhob und er einmal mehr kein Wort verstand was sie sprach, auf ihre Hände sah und sich versuchte zusammen zu reimen was sie meinte, legte er den Kopf schief.
    Endlos lange sah er sie nur an und grübelte sichtlich, schien nicht sofort zu verstehen was sie meinte und sah sich kurz um.


    Irgendetwas schien sie zu beschäftigen und die Frage, so wie sie klang, schien nicht wirklich eine zu sein, die er beantworten konnte. Was hatte sie ihn gefragt? Ob sie ihn mögen durfte? Lieben durfte? Ob er sie mochte? Ob er sie hasste? So wirklich wusste er es nicht zu deuten, aber gleich welche der unzähligen Varianten es auch sein mochte, im Grunde war die Antwort die er nicht geben konnte einfach.
    "Du musst dem zuhören.", deutete auf linke Brust und tippte ihr ans Ohr. Schließlich deutete er auf sich. "Ich höre auch darauf und das ist manchmal der beste Ratgeber!", deutete auf das seine und den Bauch.
    "Zuviel nachzudenken ist nicht immer gut!", wahrscheinlich begriff sie kein Wort von dem was er sagte.
    "Du verstehst kein einziges Wort, oder?"

  • Während sie ihn ansah, begann sie sich zu fragen, was wohl ihm momentan durch den Kopf zog. Gewiss am Meisten die Erinnerungen an seine Heimat. Ganz bestimmt musste er nun oft daran denken, wie gering die Aussichten für ihn doch waren, Germanien wieder zu sehen. Und wie sehr er seine Freunde dort doch vermisste. Und ob er Familie hatte? Ob die blonde Frau vorhin in der Tat seine Frau gewesen war? So wie er um sie gekämpft hatte, würde es sie nicht verwundern, wenn es so war. Während sie so da stand, senkte sie den Blick wieder gen Boden.


    Dann vernahm sie, wie er begann zu sprechen und erblickte, wie er dabei auf sein Herz deutete. Und sie konnte sehr gut erahnen, was er damit sagen wollte. Als er dann auf seine Ohren deutete, bestätigte sich ihr Verdacht und ein leichtes Lächeln trat in ihr zartes Gesicht. Was seine Darauffolgenden Worte bedeuteten, wusste sie wahrlich nicht. Vielleicht brauchten die Germanen mehr Worte um sich auszudrücken, als die Römer. Vielleicht suchte er aber auch nach mehreren Definitionen um ihr seine Gedanken verständlich darzustellen. "Ja, ich schätze du hast Recht." erwiderte sie mit leiser Stimme, ehe ihr klar wurde, dass er sie ja genauso wenig verstand wie sie ihn. So nickte sie also nach ihren Worten noch bekräftigend.


    Dann blickte sie ein wenig abwesend wieder hinauf aufs Meer und ließ ihre Hand unbewusst zu ihrem Herzen tasten, wo diese dann ruhte. Allzuviel Fleisch hatte sich noch nicht gebildet, wenn auch unschwer zu erkennen war, dass sie einmal eine recht weibliche Figur erhalten würde. Ob dieser Körper eines Tages der Welt einen neuen Sohn schenken würde? Oder auch nur eine Tochter? Sacht schloss sie die Augen und versuchte ihren Herzschlag zu fühlen, dessen Rhythmus wahrzunehmen. Langsam und gleichmäßig begann sie in dessen Takt zu atmen. Es war eigenartig, dachte sie in dieser Dunkelheit, dass sie sich und Belenor schon soviel zutraute. Es war ungewöhnlich, dass sie sich mit einem Germanen und noch dazu einem Fremden in diese Einsamkeit hinauswagte. Und doch hatte jede Angst Auszug aus ihrem Herzen gehalten. Sicher, bis einiges an Vertrauen aufgebaut war, würde lange Zeit vergehen. Eine längere Zeit, als wenn sie Kaya wieder vor sich hätte, die ihrer Mutter Gift eingeflößt hatte.


    Denn Belenor war ein Germane.


    Sacht öffnete sie wieder die Augen und blickte über das Wasser, das nunmehr an eine wabernde Masse erinnerte. Der Glanz verschwand zunehmend und nur noch die wenigen Sonnenstrahlen, die zwischen der Wolkendecke hindurchbrachen, erhellten das Grau zu ihre Füßen ein wenig. Auch schien das Meer zunehmend unruhiger zu werden. Es würde kein leichter Gewitter werden und vielleicht sogar verheerende Folgen für jene haben, die direkt am Hafen wohnten. Auf der anderen Seite möglicherweise aber auch nicht. Das würde die Zukunft zeigen. Wie so alles, wozu sie immer Fragen hatte, auf die sie aber so rasch keine Antwort würde finden können.


    Eine Bö griff nach ihrem Haar und ließ es in unregelmäßigen Abständen flattern. Es war nicht mehr das ausgeglichene auf und ab, was noch vor dem Gespräch am Hafen geherrscht hatte. Deses Mal wirkte es wie eine Warnung, die da lauten sollte, dass sie sich besser in Sicherheit begeben sollten. Aber warum? Wenn es ihr vorbestimmt war zu sterben, dann würde alles verstecken nicht helfen. Dies hatte sie von ihrer Mutter gelernt und es war eine der wenigen Lehren von eben jener, die sie auch angenommen hatte. Alles andere war eher konservativ. Niemals würde es ihr einfallen, in die Politik einzusteigen, wie ihre Mutter damals diesen Schritt gewagt hatte. Frauen gehörten ihrer Meinung nach einfach nicht dort hin. Viele zumindest nicht, die diesen Weg mit Gewissheit beschritten.


    Sie drehte sich mit ihrem wehenden Haar wieder zu dem Germanen um, wobei ihr Haar nun unpraktisch in ihrem Gesicht hing, da der Wind vom Meer auf das Festland getragen wurde. Eine Zeit lang blickte sie ihn an. Das Schweigen, das hier herrschte, sagte mehr als tausend Worte es jemals konnten. Sie musste keine Angst haben, dass er ihr in den Nacken fiel. Rodrik hätte lügen können, doch in den Worten des Quelles dieses Versprechens lag keine Lüge. Darin, Gefühle und Gedanken aufzudecken, war Minervina schon immer sehr gut aufgewesen. Noch zu jener Zeit, da die Beziehung zwischen ihrer Mutter und Metellus als Inzest gegolten hätte, hatte sie die Beziehung gespürt.


    Und so hoffte sie auch, dass sie sich nicht in ihrem 'Sklaven' täuschte. Es wäre ein herber Verlust, wenn er sich letztlich doch als Lügner und Betrüger herausstellte. Vermutlich sogar der Verlust ihres Lebens. Wenn er Römer hasste, würde er auch sie verabscheuen, denn immerhin hielt sie ihn als Sklaven. Das musste sehr verletzend für ihn sein. Sie deutete hinaus auf die Wolken. Auch über germanische Götter hatte sie einmal gesprochen und nach wie vor wollte sie, dass er ihre Bemühungen sah. Doch sie konnte sich nur an wenige Namen erinnern, noch weniger daran, mit welchen Eigenschaften sie zusammen hingen. "Tyr?" scholl es aus ihrem Mund und sie musste etwas lauter sprechen als bisher, da der Wind sonst ihre Worte zerrissen hätte.

  • Belenor blieb stehen wo er war und folgte ihrem Blick, irgendwo im Nichts dort draussen schien sich der Unmut der Götter aufzubrauen und mit jeder Bö schienen die Asen ihre Vorboten zum Festland zu schicken. Was sie gerade denken mochte wusste er nicht, aber der zunehmend kühlere und kräftigere Wind der ihm entgegen schlug, liess auch sein Haar und wohl auch die lächerliche Tunika ziemlich im Wind tanzen. Ab und an schien es, als ob ihn der Wind umwerfen wolle, doch hielt er jenem trotzig stand und sah zu Minervine, die zu den Gewitterwolken deutete. "Donar!", entgegnete er knapp.
    Kurz formte sich ein kurzes Lächeln im kantigen Gesicht. "Oder Thor. Er sendet seine Speere zu Boden!", deutete auf einen recht gewaltigen Blitz, der sich irgendwo auf dem Meer entlud.


    "Die Asen sind zornig!", deutete gen Gewitterwolken. "Vidar wird Donar gesprochen haben und nun wüten sie über den Wolken. Wodan zieht mit ihnen aus!", lächelte erneut, auch wenn es eher etwas grimmig, oder trotzig wirken musste. Kurz wankte er und breitete die Arme aus. Solche Urgewalten waren eben ein Zeichen das hier die Asen noch herrschten.
    Tief atmtete er ein und liess den Wind an sich zerren, schloss die Augen und wankte etwas, als er den Böen mehr Angriffsfläche bot. "Donar",obwohl er schon brüllte, riss der Wind den trotzigen Ausruf mit sich mit. Das Gewitter, dieser Sturm der da aufzuziehen schien, schien ihn nicht im mindesten zu beeindrucken. Vielmehr schien er jenen gar willkommen zu heisen. "Donar!", ballte die Faust und riss sie gen Himmel. Wild und heroisch bot er dem Wind die Stirn und sah den Blitzen zu, die von den Wolken niederfuhren.


    "Glaub mir, wenn man nichts fürchten muss, die Asen sollte man fürchten.", funkelte Minervine an und lächelte. "Ein Speer und Donar zerreisst den stärksten Baum von der Spitze bis zur Wurzel!", lächelte grimmig und streckte die Arme wieder aus.
    "Spürst Du wie zornig sie sind! Heute wird ein guter Tag!", sog frische Luft in seine Lungen. Der Wind blies recht stark vom mehr herrüber und kurz sah er zu Minervine. "Gwyn hatte große Angst vor Donar! Sie verkroch sich immer unter die Decke, wenn er wütete!, lachte und ballte erneut die Faust, die er den Wolken entgegenstreckte. "Donar!"

  • Minervina konnte kaum mehr den Blick von der näher rückenden Gewalt abwenden. Ob Iuppiter ihnen zürnte? Ob es daran lag, dass dem Capitol nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt ward, als das Grundstück seine Weihe erhielt? Der kühle Wind zog an ihren Kleidern. Es war erstaunlich, wie rasch sich soch der Himmel verdunkelt hatte, während das Gewitter immer näher rückte. Doch da hörte sie seine Antwort und folgte seinem Fingerzeig auf die Blitze. Doch er sprach zuviel und wusste nicht, was nu Vorrang hatte. Sie hatte den Namen Thor verstanden, diesen immerhin kannte sie. Also schien es sich... Aber natülich, es war auch nicht Tyr, sondern Thor gewesen. Diese Namen waren für ihre römischen Ohren zugleich und da germanische Götter nicht zu ihrem Alltag gehörten vertauschte sie diese rasch einmal.


    Wie war das mit den Göttern eigentlich? Sie glaubte fest an jene der römischen Bürger, wie sollte es auch anders sein. Doch die verschiedenen Götter hatten so unsagbar viele Gemeinsamkeiten. Thor schien dem Iuppiter sehr ähnlich zu sein. Kannten sich diese beiden Götter vielleicht oder mochte es gar möglich sein, dass es die gleiche Person war, von den verschiedenen Völkern aber nur anders betrachtet wurde? Menschen hatten seltsame Gedankenwege und Minervina konnte sich diese Theorie nur zu gut als bestätigt vorstellen. Sie schrak allerdings aus ihren verstrickten Gedanken auf, als sie einen lauten Ausruf vernahm.


    Ihr Kopf schnellte wieder zu Belenor, der sich trotzig der göttlichen Gewalt zu stellen schien. Was bewog ihn zu diesem Schritt? Und vor Allem, was rief er da? War es eine Herausforderung oder ein Name einer Gottheit? Ob ihrer Unsicherheit legte sie ihren Kopf schief, während sie fröstelnd die Palla enger um ihren Leib schlang. Die morgendliche Wärme war einer erdrückenden Schwüle gewichen, die wiederum von den Winden hinfort getragen wurde. Wie spät mochte es sein? Gewiss noch nicht ganz die Mittagszeigt, aber schon fortgeschrittener Tag.


    Und wietere Fragen kamen in ihr auf. Wie lange würde sie noch warten müssen, bis er Regen kam und sie durchnässte? Bis auf die Haut? Sie mochte es nicht sonderlich gern, so klatschnass zu sein, wie es der Germane an ihrer Seite bereits war. Sie betrachtete seine Gestalt nachdenklich. Er war wirklich groß gebaut und musste unter seinesgleichen auch als groß gelten, selbst wenn sie alle ein wenig stämmiger gebaut waren. Und sein Haar war blond. Ob Mutter auch derlei Blut in ihrem Leib trug, dass auch sie blondes Haar hatte? Selten war Minervina blonden Römern begegnet. Doch sie wusste nichts über die gens Rediviva, nicht einmal die Namen ihrer Ahnen. Es war nur ein Name, der sie zeichnete, keine Geschichte und keine Familie. Ihre Familie weilte ihn Rom, denn sie fühlte sich ganz und gar der gens Tiberia verbunden.


    Als er wieder begann zu sprechen, trat ein verlegenes Lächeln auf ihr Gesicht. Sie lauschte aufmerksam und verstand wieder das Wort Gwyn. War Gwyn vielleicht der Name der blonden Sklavin am Stand gewesen? Seine große Liebe, sein Weib? es war durchaus möglich. Doch eine Antwort gab sie nicht, denn alsbald wandte er sich wieder "Donnar" zu, oder wie auch immer das Wort lautete, welches er den Winden entgegenschrie.


    Nun besorgter traf ihr Blick abermals die Wolkendecke und die kargen Lichtstrahlen, die den Weg zum Boden fanden wurden immer spärlicher. Es herrschte beinahe ein Zwielicht und das Meer wirkte nicht mehr freundlich wie sonst. Wellen waren auf die fast glatte Oberfläche getreten und es schien nach etwas greifen zu wollen. Aber eines mochte sie, eigenartiger Weise, doch an diesem ungemütlichen Wetter. Das Donnern und das laute Rauschen des Windes. Ihr Haar, welches durch ihr Gesicht flatterte, schmerzte beinahe und doch sah sie weiterhin stolz in die Weite hinaus. Das Lachen ihres Begleiters klang bezwingend, doch sie hatte aufgegeben, zu versuchen, seine Gedanken nachzuvollziehen und genoss still die kurze Zeit, die ihr noch blieb, ehe sie durchnässt würde.

  • So hatte er doch tatsächlich gedacht das die Asen hier wohl nicht die Macht hatten, alle Geschicke zu lenken. Fast schien es ihm als ob sein Zweifel sie nahezu dazu anspornten ihm vom Gegenteil zu überzeugen. So pechschwarz wie die Wolken sich nun zeigten, mit welcher Urgewalt sich aus jenen die Blitze lösten, war es keine Frage mehr, ob er auch nur noch den leisesten Zweifel daran hegte. So wie der Wind ihm entgegen blies und an ihm zerrte, war es offensichtlich das die Asen hier am Werk waren. Solchen Wind und solch ein Schauspiel hatte er so nur selten erlebt.


    Noch die Hand erhoben und zur Faust geballt, sah er dem Wind dabei zu, wie er die Wellen peitschte. Wie Blitz und Donner sich über das Rauschen des Meeres erhoben und ein Schauspiel boten, das grandios war. Das was Donar hier aufbot, liess Belenor einmal mehr begreifen wie winzig klein und unbedeutend er war. Irgendwo dort oben, hoch über den pechschwarzen Gewitterwolken saßen jene, die ihn lange Zeit begleitet hatten. Wohl auch Vocchio, zumindest schien ihm ein Platz unter den Kriegern an Tyrs Tafel mehr als gerecht.


    Die Augen leicht verengt ob des starken Winds, hatte er noch immer den Blick auf die Gewitterfront gerichtet. Ob Vocchio nicht ein besseres Schicksal von den Asen zugedacht bekommen hatte? Als tapferer Mann mit dem Schwert in der Hand zu sterben. Ungebrochen, aufrecht und frei. Kurz spannten sich seine Wangen an, der Arm, der noch immer trotzig erhoben war.
    Das Getose war mittlerweile so laut geworden, das die Worte nicht mehr zu verstehen waren. Im Grunde waren es nur die Lippen die sich bewegten.
    "Ihr Asen, hier stehe ich vor Euch! Jeden von Euch rufe ich an! Weit von der Heimat stehe ich und rufe Euch an! Lasst mich über meine Feinde siegen. Lasst Eure Speere über sie kommen! Fegt sie fort wie reifes Korn! Und bringt mich in die Heimat!", ballte die Faust erneut und reckte sie ein letztes mal empor. "Donar!", drehte leich den Kopf zur Seite, als ein Regentropfen ihm ins Auge getragen wurde. Ein einzzelner Tropfen war es, der ihn traf. Ein zweiter folgte, bis der Regen einsetzte, der sich fast zu einem Platzregen wandelte. Dicke Tropfen, die vom Wind getragen wurden. Einen jeden einzelen der ihn traf spürte er mehr als deutlich.


    Es war schwer den Blick aufs Meer gerichtet zu lassen, da solche Wassermassen begannen herniederzugehen, das man kaum mehr gegen den Wind schauen konnte.
    So drehte er sich zur Seite und schirmte kurz die Augen ab, sah gen Minervine und verengte zwangsläufig die Augen, als der Wolkenbruch sich unverminderst stark fortsetzte.
    Nicht das er den Regen scheute, mehr als nass werden konnte man nicht.
    "Zweifel besser nie an den Asen. Ich hab eben auch den Fehler gemacht.", brummend.


    Kurz schaute er gen Stadt, wie weit sie sich von jener entfernt hatten, war ihm während des gehens kaum aufgefallen. Kaum zog er den Kopf ein, schüttelte jenen nur ein paarmal, als er merkte wie sich der Regen den Weg in sein Ohr bahnte. Kurz sah er auf und sah zwischen dem Ried, das beinahe flach am Boden lag ein Holzgedecktes Dach, auf das er kurz deutete. Eine Lagerhütte, wie es schien.

  • Nachdem sich für eine etwas längere Zeit Schweigen eingestellt hatte, wandte sie sich wieder der tosenden Kraft zu, die sich dort entfaltete. Und sie wagte einen Schritt weiter in Richtung des Meeres, während ihr Blick in diesen Weiten zu versinken schien. Aus den Augenwinkeln konnte sie knapp noch Belenor erkennen, doch sie nahm keine weitere Notiz von ihm. Das, was sich dort hinten abspielte zog ihre gesamte Aufmerksamkeit auf sich. Sie spürte ihre angespannte Haut, die deutlich zeigte, dass sie schauderte. Doch dieses Schaudern wurde nicht nur durch den kalten Wind verursacht, sondern ebenso durch eine ungewohnte Stimmung, die sich in ihr breit machte. Dieses Grau zog sie wie magisch an und sie blinzelte so selten es nur ging.


    Bis sie den ersten Regentropfen auf ihrer Stirn fühlte und nur kurz darauf ein weiterer knapp neben ihrer Lippe landete. Erst dachte sie, dass sie sich dies einbildete und hob die Hand um sich einen Beweis zu erbringen. Doch kaum, dass sie die Feuchte von ihrer Stirn fortwischte, prasselte immer mehr Tropfen in immer kürzeren Abständen auf die so trockene Erde. Dieser Regen war für die junge Römerin etwas fast vollkommen Ungewohntes, denn auch wenn es hin und wieder einmal in Hispania nieselte - eine solche Masse war eine absolute Ausnahme. Sie rieb sich sacht über ihre nassen Arme, während sich in ihrem, durch den Wind zerzausten, Haar der Regen sammelte und auch die Kleider wurden immer schwerer und lagen unangenehm auf ihrer hellen Haut. Ja, Minervina hatte keine allzu dunkle Haut, denn sie war nicht der schweren Sonne ausgeliefert, wie manch anderer, der auf dem Feld arbeitete. Die Bräune die sich mittlerweile schon vererbte war natürlich da, aber jene die sich durch Arbeit nachbildete fehlte beinahe gänzlich.


    Nun da der Regen sie hart im Gesicht traf und sie zwang, ihre Augen zusammenzukneifen, wuchs das Gefühl in ihr, dass sie sich nicht gut fühlte. Sie wusste nicht, welchen Ursprung dieses Gefühl hatte, aber sie empfand Ketten. Unsichtbare Ketten die sich um ihr Herz schlossen und Zweifel in ihr sähten, als habe man ihr Gift injiziertl. Sie wusste in diesem Moment nicht mehr genau was sie wollte. Ob sie ihr eigenes Leben von Anfang an bestimmen wollte oder sich gänzlich nach den Wünschen ihres Vaters richten sollte, die sie nicht einmal mit Sicherheit festlegen konnte. Schließlich war er tot und eine Antwort auf ihre Fragen würde sie nicht bekommen. Noch am vorigen Tag hatte sie einen warmen, sanften Hauch in ihrem Gesicht gespürt, den sie als eine sanfte Geste ihres Vaters deutete.


    Und was war der Sturm? Zorn? Iuppiters Zorn? Es wirkte so skurril. Der Wind konnte ihr Wärme schenken, doch verstärkte sich dieser zu einem wütenden Sturm, sähte der Wind Angst in ihrem ohnehin zerrissenen Herzen. "Oh Vater, gib mir doch ein Zeichen. Was soll ich tun? Ich bin ohne dich wie ein Schiff in den Weiten von Neptuns Reich." Sie spürte kaum, wie sich das salzige, warme Wasser sich mit dem Wasser, welches sich aus dem Himmel ergoss, vermischte. Sie weinte, stille und traurige Tränen rannen ihre Wangen hinab. Doch der Regen hüllte diese in seinen Mantel und ließ nicht zu, dass sie verräterisch im ohnehin spärlichen Licht schimmerten. Einzig ihre Miene, die sich traurig und fast verzweifelt verändert hatte, verriet ihre Gefühle.


    Doch nicht ihre Gedanken die wie ruhelose Geister in den Weiten ihres Kopfes herumspukten. Ein wenig fühlte sie sich auch wie eine Verräterin. Sie hatte ihren Bruder sterben lassen, der den gleichen Namen wie ihr Vater hatte getragen. Es war pure Unachtsamkeit und wohl auch Naivität gewesen, aber das brachte ihn nicht zurück. Kurz zuckte ihre Hand auf, da sie sich aus einem inneren Reflex die Tränen zurückwischen wollte, als ihr wieder gewahr wurde, dass sie nicht alleine war. Ein ganz kleines Stück drehte sie ihr Gesicht wieder in Richtung des Germanen, doch außer der Leere die ihr Herz umfasste, war nichts in ihren Augen zu erkennen. Und nun machte sie doch diese verräterische Geste, aber es konnte ja genauso gut sein, dass sie sich nur das Wasser aus den Augen wischen wollte.


    Es half alles nichts, sie musste wieder aus ihrer Welt zurück in die Realität finden. Doch machte die Tatsache dies nicht leichter, dass sie fest daran glaubte, es nicht zu schaffen. Wie sollte man so einfach wieder aus den vielen Wirren eines Herzens herausfinden, dass sich über den Weg uneins war? Sie machte langsam wieder ein paar Schritte auf ihn zu, dpch mied sie seinen Blick und schien stets woanders hin zu schauen. Sie befürchtete, dass man ihre Gefühle ergründen konnte. Niemand würde davon erfahren, denn er sprach weder ihre Sprache, noch kannte er jemanden hier in Tarraco, dem er es erzählen könnte. Und doch wollte Minervina nicht, dass ein anderer Einblick in ihre chaotische Gefühlswelt hatte, die, wie sie vermutete, mit dem Erwachsenwerden zusammenhing. Und doch hatte dieser Gedanke etwas lächerliches. Das Erwachsenwerden sollte so schwer sein und so viel Schmerz bergen? Das konnte sie sich kaum vorstellen.


    Auch ihre Kleider klebten ihr mittlerweile schwer am Leib und wirkten doch hauchdünn. Es war ihr Stand, der ihr erlaubte, solch fein gewebte Stoffe zu tragen, die aber nun durch den Regen für ihren Geschmack deutlich zu eng an ihrem Körper saßen und zuviel von diesem verrieten. Sie war beinahe ebenso durchnässt wie Belenor, der aber doch freiwillig ins Wasser gegangen war. War es nicht so gewesen, dass sie sich, obwohl sie der Wolkenfront bewusst gewesen war, ebenfalls freiwillig diesen Weg gewählt hatte? Und sie fror. Obwohl es in Hispania im Vergleich zu Germanien noch immer richtig warm war, war die Luft doch so weit abgekühlt, dass die Gänsehaut allein den Regen als Ursprung hatte.


    Mit leicht schiefgelegtem Kopf lauschte sie seinen Worten, während der Regen weiterhin niederprasselte. Doch sie hatte sich schon beinahe an das Trommeln auf ihrem Kopf gewöhnt und machte keine Anstalten mehr, gleich eine Krise zu kriegen. Sie verstand seine Worte nicht, aber sie klangen ohnehin eher zu sich selbst gerichtet. Kurz folgte sie seinem Blick und fast hatte sie das Gefühl, doch verstanden zu haben was er sagte. Gewiss wurde ihm der Regen allmählich ebenfalls zuviel und er sah sich nach einem geeigneten Unterstand um.

  • Belenor schienen die Wassermassen nicht sonderlich viel auszumachen, bis auf die Tatsache das sie sich allenthalben in die Augen niedergingen, was es nicht einfacher machte noch klar zu sehen. Regen war nur Regen. Er kam und ging, durchnässte und nährte den Boden. Nichts, wovor man flüchten müsste, auch wenn dieser hier schon mehr ein Wolkenbruch war, als ein starker Regen. Vielleicht wollten die Götter manchen Schmutz von der Erde waschen.
    Lange Zeit sah er zu ihr, betrachtete sie und liess kaum vermuten was er denken mochte, sonderlich viel regte sich kaum im kantigen Gesicht. Stattdessen wischte er ein ums andere mal das Wasser aus den Augen und fuhr sich übers Gesicht. Nun, warum sich die Frau schämte und ihn bat sich umzudrehen verstand er nun noch weniger als noch vor kurzem in ihrem Zimmer, betrachtete sie knapp und fand das sie eine Frau wie viele andere war, alles dort zu sein schien wie wo es hingehörte. Den Kopf etwas schiefgelegt wartete er einfach ab was sie wohl gedachte zu tun, wandt dem Wind den Rücken zu und deutete ein weiteres mal auf das Lager, sah zu ihr und runzelte die Stirn.


    Ein Blick nach links folgte kurz darauf, ein knapper Blick zur weiter entfernten Stadt und dem Haus, was da wohl irgendwo stehen musste. Wieder sah er zu ihr und wartete, hob fragend die Hände. Wohin? Was tun? Kurzerhand ging er in die Hocke und schlang die Arme um die Knie, zum einen da es dem Wind weniger Angriffsfläche bot, zum anderen um eine Muschel aufzuheben, die zwischen seinen Füssen lag. Kurz drehte er jene in der Hand und sah wieder auf. Sie hatte einiges von Gwyn, zwar nicht alles, aber genug um sie ihr nun ähnlicher zu machen. Kurz schoben sich seine buschigen Augenbrauen zusammen, wischte beiläufig den Sand aus der Muschel und harrte aus, wohin es nun gehen sollte. Wild riss der Wind an seinen nassen Haaren, auch wenn er noch lange nicht so weit war eine ausgeprägte Gänsehaut zu bekommen, war jener Wind doch deutlich kühler als heute morgen. Kaum das die Muschel vom Sand befreit und vom Wolkenbruch saubergewaschen war, wie er, sah er jene erneut an und schloss die Finger um sie. Sie gefiel ihm, vielleicht konnte man sie an ein Lederband befestigen.

  • Etwas verwirrt beobachtete sie, wie er sich bückte. Doch mit einem kurzen Blick konnte sie die Muschel erkennen, nach der er wenige Augenblicke hernach griff. Eine ganze Weile beobachtete sie ihn weiter, während er die Muschel reinigte. Es schien ihm wie ein Stück Heimat zu sein. Sicher hatten sie in Germanien auch Muscheln. Und wenn er schon das Meer nicht kannte, dann doch sicherlich Flüsse. Dann dachte sie an seine 'Frage' zurück, wohin es nun am Besten gehen sollte. Doch sie selbst konnte sich auch nicht so recht entscheiden. Würden sie nach Hause gehen, wären sie noch recht lange dem Regen ausgesetzt und auch wenn sie ohnehin schon so nass war, so schien der Weg unendlich. Sie wollte nicht gegen Sturm und prasselnden Regen ankämpfen, hatte dafür einfach keine Kraft. Andererseits würde sie sich gern andere Kleider anziehen, wenn dies auch schier unmöglich schien, betrachtete man dass sie sich hier völlig abgeschieden befanden. Sie fühlte sich mehr als nur unbehaglich in dieser Hülle, die wie eine zweite Haut an ihr klebte.


    So überlegte sie noch wenige Augenblicke, in denen sie weiterhin angestrengt die Augen zusammenkniff. Dann deutete sie in einer beinahe fest entschlossenen Geste in Richtung der Hütte oder was auch immer das war. Sie konnte es durch den dichten Regenschleier nicht erkennen. Beinahe verkrampft hielt sie die Hände vor den Leib und hoffte sich dadurch ein wenig zu wärmen, aber es schien hoffnungslos. der Wind drang durch jeden Spalt zu ihrem durchnässten Körper durch und ließ sie frieren. Die Unsicherheit in ihrem Herzen ließ sie allerdings ebenso frösteln. Warum nur kam sie gerade am heutigen Tag so schlecht mit dem nun schon verjährten Verlust ihres Vaters zurecht? Lag es daran, dass sie mit einem Germanen unterwegs war?


    Mühsam schleppte sie sich nun in Richtung des Holzverschlags, wieviel Schutz auch immer dort zu bieten war. Ihre Beine kamen ihr ungewohnt müde vor und der Wind zerrte noch immer so stark. Sie kam voran, doch trotz des gleichen oder stärkeren Aufwands ebenso langsam wie vorhin, als sie noch in Gedanken versunken war. Kurz wandte sie sich um, um sicherzustellen, dass Belenor auch nahe hinter ihr war.

  • Nun, da die Entscheidung scheinbar gefallen war, hatte er sich ebenso erhoben und folgte ihr, besah sich die schlichte, doch recht solide Lagerhütte, oder was es auch immer sein mochte. Die schlichte Tür war recht solide gemacht und mit einem Riegel versehen, um welchen eine Kette gelegt war. Das Schloss schien zwar von einfacher Machart, doch nicht sonderlich stark zu sein. Zudem hatte das Wetter jenem schon deutlich zugesetzt.
    Als er sah das Minervine schon eine Gänsehaut hatte, brummte er kurz und besah sich die Kette, nahm das Schloss in die Hand und legte es quer, griff sich die beiden Ketten und zog einmal kräftig daran. Doch rührte sich wenig.


    Kurzerhand runzelte er die Stirn und zog die Ketten erneut, zog fester und liess kurz einen seltamen Laut hören, während die Adern am Hals deutlich schwollen und wohl ebenso seine Oberarme. So primitiv das Schloss auch wirkte, schien es doch gut zu halten, zumindest einige Zeit, denn nach mehrmaligem kräftigem Zerren an den Ketten, zersprang es alsbald. Rasch wickelte er die Kette vom Riegel und öffnete die Tür, sah kurz hinein und wendete sich zu Minervine, streckte die Hand aus und fasste sie an der Schulter. Sacht schon er sie hinein und aus dem Wind, trat alsbald selbst ein und schloss die Tür. Zumindest bot sie etwas Schutz vor dem Wind und auch das Dach war gut gearbeitet. Ein Boot war zu erkennen, ein paar Kisten und Körbe, Netze und was das erste war, was ihm ins Auge fiel, war eine Decke, welche im Boot zusammengerollt lag. Recht einfach, doch besser als nichts.


    Jene ergriff er kurzerhand, rollte sie auf und legte sie um Minervine, rieb jene kurz an ihr, rieb sie darin eingewickelt kurz durch. Eine etwas ungeholfene Geste folgte, die wohl deutlich machen sollte das es wohl wärmen solle. Auch wenn er etwas daran zweifelte das die noch trockene Decke lange helfen würde.
    Abermals wanderte sein Blick umher, die Stirn in Falten, bis er eine einfache Öllampe auf einem Brett stehen sah, die er sich nahm. Kurz suchte er das Brett ab und werkelte an jener herum, stellte sie alsbald auf eine Kiste und war von dem eher sehr mickrigen Feuerchen zwar nicht sonderlich begeistert, doch hatte es wenigstens etwas symbolischen Wert und erhellte die Hütte etwas.


    Alsbald krallten sich seine Finger in die schlichte Leinentunika und wrangen etwas das Wasser aus jener, ehe er sich weiterhin kurz umsah. Viel mehr war nicht zu finden, aber immerhin war es schonmal Schutz vor dem Wolkenbruch, wie er fand. Ein prüfender Griff an die Holzwand, ein kurzes Rütteln an einem der Balken, ein Blick gen Decke und ein zufriedenes Nicken folgte, ehe er sich vor der Öllampe abhockte, nach oben sah und das Fischernetz in Augenschein nahm, das unter der ganzen Decke ausgebreitet hing. Erneut erhob er sich, löste es von den Holzhaken und rollte es zusammen, warf es neben die Kiste mit der Lampe und drückte mehrmals die Hand hinein, sah zu ihr, klopfte auf das Netz und nickte.


    Das war wohl besser als auf dem Boden zu sitzen. Schließlich ging er wieder in die Hocke und verschränkte die Arme vor der Brust.
    "Eine gute Hütte!", sah zu ihr und schlug kurz gegen die Wand derselben und nickte. "Gute Hütte."

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