Minervina hatte ihn auf die Straßen Tarracos geführt, unsicher und hoffend, dass er sie nicht enttäuschen würde. Es war ein riskantes Unterfangen, aber irgendwie nahm sie nicht an, dass er einen Fluchtversuch unternehmen würde. Sie würde ihn nicht aufhalten können, aber er wusste sicherlich genau, dass sich hier niemals zurecht finden würde. Doch kaum dass sie die Straße betreten hatten, wirkte er ein wenig verloren und fast mitleidig sah sie ihn an. Er war viel größer als all die Leute um ihn herum und das was für sie gewöhnlicher Alltag war, musste für ihn eine völlig fremde Welt sein. Auch die Hitze schien ihm ziemlich zuzusetzen. Mochte es stimmen, dass es in Germanien immer so eisig kalt war?
Als er sie so hilflos anblickte, lächelte sie ihn freundlich an. Doch so recht wusste sie nicht, wie sie ihm hier helfen konnte, außer ihn grob durch die Wirren zu leiten. Als er sich bückte, war sie mehr als überrascht. Warum tat er es? Und was sagte er? Ihr freundlicher Blick wurde fragend, als er den Sand wieder zu Boden rieseln ließ? War es so etwas wie ein Ritual? Minervina konnte schließlich nicht im Geringsten erahnen, dass dieser Boden im Gegensatz zu jenem, den er kannte, trocken und staubig war. Aber eine definierende Frage ersparte sie sich lieber, denn erst einmal würde sie diese gewiss nicht verstehen. Und sie die Antwort wohl genauso wenig. Also ließ sie auch dies auf sich beruhen und würde späterer Stunde einmal nachfragen.
So schlug sie wie so manch anderer Römer auch den Weg in Richtung des Hafens ein. Dort war die Luft schon frisch und der salzige Geschmack, der in der Luft lag, mochte ihm vielleicht aus der Heimat bekannt vorkommen. Meer hatten sie gewiss auch in Germanien, denn von diesem aus konnte man beinahe jeden Winkel der Welt erreichen. Sie hielt noch immer an zwei seiner Finger fest, damit er sich in der Menge nicht verirrte. Mittlerweile wusste sie nicht mehr so recht, was sie mit ihm anfangen sollte. Er wirkte nicht mehr wie ein wilder Germane auf sie, sondern eher wie ein kleiner Junge, der elternlos durch völlige Fremde irren musste. Von weitem schon hörte sie das Gekreisch der Vögel näherkommen. "Meer!" meinte sie erklärend und zwinkerte zu ihm auf. Vielleicht würde ihm dies ja ein Gefühl der Heimat geben.
Ihre Blicke fuhren kurz an den Wänden entlang. Selbst einige dieser Wandschmierereien die manche Schmierfinken einfach nicht unterlassen konnten, gehörten schon zu ihrem normalen Leben. Ob er eines Tages so gut Latein konnte, dass er ihr aus seiner Heimat berichten konnte? Ob er vielleicht sogar etwas von ihrem Vater gehört hatte? Vielleicht würde Belenor ja erklären können, warum man Maximus einfach getötet hatte.