• Dunkel und feucht waren sie, das reinste Rattenlicht. Ich mußte mehrmals schwer schlucken und es kostete Überwindung, als ich mich durch die unterirdirschen Gänge der Kanalisation der Colonia fortbewegte, begleitet von unserem Führer, Menelaos. Dazu kam der bestialische Gestank, der aus dem Abwasserbecken die Wände hochstieg. Eine dunkle, braune Brühe floss neben uns und ich hoffte, nur keinen falschen Schritt zu machen und da hinein zu fallen. Menelaos hielt als einziger eine brennende Fackel in der Hand und leuchtete uns spärlich den Weg. Er war aus Griechenland, hatte einen kleinen Laden, ehe er seine Heimat verließ, um hier in CCAA auf weitere Brüder zu stoßen. Er war Grieche, ich stamme aus Makedonien. Unsere Herkunft war uns gegenseitig bewusst, und doch lag weder eine subtile Abneigung noch eine offene Feindschaft zwischen uns. Menelaos kannte sich aus in den unterirdischen Kanälen. Er hatte schon viele Neulinge hier runtergeführt, und auch diesesmal war er wieder unterwegs mit einer kleinen Gruppe, die sich den Anhängern des Chrestos, dem sogenannten Menschengott, angeschlossen hatte. Neben mir waren noch zwei andere Brüder den Weg durch die Kanalisation gefolgt. Ihre Namen kannte ich nicht. Der eine war ein bärtiger Germane von wuchtiger Gestalt - was mochte ihn getrieben haben ? - der andere schien auch eher nördlicher Rasse zu sein. Sein Haa war blond und lang. Es reichte ihm bis zur Schulter. Sein Gesicht und seine Hände waren durch harte Feldarbeit geprägt. Ich hatte sie mir gut eingeprägt bei unserm ersten Aufeinandertreffen. Wer sie waren, woher sie kamen, konnte ich nicht sagen. Vielleicht waren sie Spione. War ihr Glauben echt ? Ich weiß nur wie es bei mir kam, denn ich muss sagen, dass ich nie ein ausgeprägt religiöser Mensch war, ja ich will sogar soweit gehen, dass ich die Götter größtenteils ignorierte. Das war auch schon vor meiner Versklavung durch die Römer so und mir hat auch nie etwas gefehlt. Umso verwunderlicher eigentlich, dass mich mein Weg ausgerechnet zu diesen Christen führte.
    Die Geschichte ist lang und begann bereits bevor ich meine derzeitige Stellung am Gutshof meines Herrn inne hatte. Eines Tages, es muss so um die Mittagszeit gewesen sein, denn die Sohne strahlte vom höchsten Punkt des Himmels auf uns herab, waren wir, ich und meine Mitsklaven, auf dem Feld bei der Arbeit unseres damaligen Besitzers, einem reichen, adligen Gutshofbesitzer in Raetia dessen Ländereien ungeahnte Größen hatte, als ich jenen fremden Mann begegnete. Die Felder führten unmittelbar an der Heerestraße von Augusta Vindelicum nach Mogontiacum entlang und an einem Meilenstein an dieser Straße saß ein Mann im besten Alter, er war gehüllt in eine weiße Toga, und ruhte sich von dem scheinbaren Fussmarsch aus, den er hinter sich hatte. Mir fiel dieser Mann sofort auf. Es gab nicht viel, was bei uns draußen auf dem Feld die Aufmerksamkeit erregen konnte, doch obwohl er angestrengt und müde aussah von der Wanderung, die er hinter sich hatte, wirkte sein Gesicht nicht gequält. Er blickte optimistisch und sah in die Ferne, als ob er ein klares Ziel vor Augen hätte. Langsam und vorsichtig näherte ich mich diesem Mann und es dauerte nicht lange bis er auch mich bemerkte. Mein Antlitz damals muss in einem bemitleidenswertn Zustand gewesen sein. Mein Gesicht war geschunden und von Narben gezeichnet, die aus den Qualen, welche uns unser Besitzer zugefügt hatte, resultierten. Doch er sah nicht wieder weg und ignorierte mich. Er besah mein Äußeres und lächelte. Sein Lächeln strahlte eine Zuversicht aus, die beruhigte. Er winkte mir zu, ich solle zu ihm kommen und bevor ich mich versah, begannen meine Füsse schon zu ihm zu eilen. Er holte eine Flasche aus seiner Tasche und bot mir etwas zu trinken an. Dankbar nahm ich es entgegen und trank. Ich war erstaunt über die Höflichkeit meines Gegenübers zu mir, der ich erkennbar nur ein Sklave war. Ein Römer vermochte dieser Fremde nicht gewesen sein. Ich hatte die Römer nur als tyrannische Despoten und brutale Menschenverächter kennengelernt, doch dieser Mann war anders. Ohne dass wir viel sprachen, vertraute ich ihm, doch seinen Namen habe ich nie erfahren.
    Sieben Jahre später, ich war mittlerweile in Colonia Agrippinensis angekommen, schlenderte ich einst ein wenig durch die beengten Gassen, nachdem ich einige Besorgungen für meinen jetzigen Herrn übernommen hatte. Da fiel mir in einer der Seitenwände eines kleinen Torbogen, welcher in das Innere einer Insula führte eine Zeichnung auf, welche in den bröseligen Putz der Wand geritzt war. Ein merkwürdigs Symbol, was aussah wie eine Schlaufe mit zwei abstehenden Enden. Das Symbol kam mir deswegen bekannt vor, weil ich jenes bereits in Griechenland öfter gesehen hatte, aber aufgrund meiner Ungläubigkeit keiner Bedeutung zugemessen hatte. Das Zeichen gehörte zu einer Sekte aus Iudäa oder Asia, die genaue Herkunft wußte ich nicht, die einen verstorbenen Gott ehrten, oder so ähnlich, und das Symbol sollte einen Fisch darstellen, weil ihre Mitglieder sich als Fischer, genauergesagt als Menschenfischer, verstanden. Wahrscheinlich wäre ich einfach weitergegangen, wäre ich nicht just in diesem Moment mit einem kleinen Jungen zusammengestoßen, der eilig von der Straße richtung Hausinneres wollte und mich dabei nicht bemerkte und gegen mich rannte. Etwas säuerlich blickte ich drein, doch der Junge schien sich gar nicht zu stören. Er bekreuzigte sich kurz und rannte an mir vorbei ins Hausinnere. Verwundert sah ich ihm hinterher. Von der Neugier gepackt verfolgte ich dann aber die Spur und erreichte nach einem längeren Gang den Innenhof der Insula, in dem sich die Ballustraden von Stockwerk zu Stockwerk zogen. In der Mitte vegitierte ein kleines Bäumchen, dass schon bessere Tage gesehen hatte und in einem Bassin plätscherte das Wasser. Zielstrebig wanderten meine Augen umher, den Jungen nicht zu verlieren. Ich sah von Wohnungstür zu Wohungstür, blickte die Stockwerke rauf, und schon meinte ich ihn verloren zu haben, als ich in dem hellhörigen Haus aufeinmal das Schlagen einer Tür hörte. Erschrocken drehte ich mich um und sah den Jungen wie er ein Stockwerk höher aus einer Tür herauskam und über den hölzernen Boden der Ballustrade zwei Wohnungen weiter wieder verschwand. Rasch bemühte ich mich, die Treppe hinaufzulaufen und näherte mich vorsichtig der Tür, aus der der Junge gekommen war. Vorsichtig öffnete ich diese einen Spalt und lugte zwischen durch hinein. Der Spalt wurde größer und mein Risiko geringer, als ich merkte, dass scheinbar niemand in der Wohnung war. So betrat ich den kleinen Raum, der außer einem Bett und einem Tisch nicht viel zu bieten hatte, und sah mich um. Dann viel mein Blick auf einen Vorhang in einer Wandnische, und dahinter befand sich ein weiterer Raum. Wieder näherte ich mich dem Vorhang und diesesmal blieb ich besonders vorsichtig, denn ich vernahm Stimmen von dahinter kommend, konnte sie aber wegen ihres Gemurmels nicht verstehen. Ich versuchte an dem Vorhang vorbei in den zweiten Raum zu schauen und sah einen Mann von der Seite auf einem Stuhl. Vor ihm kniete ein zweite Person und der Mann hielt seine Hand über den Kopf der knieenden Person. Eine dritte Gestalt stand andächtig daneben in der Ecke. Der Mann, der scheinbar irgendein Ritual vollzog, hatte inzwischen einen fülligen Bart bekommen und sein Haar war etwas lichter. Ich kannte ihn und wieder staute sich in mir dieselbe Erregung wie ich sie erfahren hatte, als ich ihm das erstemal begegnete. Es war der mysteriöse Fremde an dem Meilenstein. Gebannt starrte ich auf die Zeremonie, doch deren Handlungen und Floskeln, die er sprach, waren mir völlig fremd und neuartig.
    Nachdem ich eine Weile der Procedur zugesehen hatte, verschwand ich wieder. Ich kann nicht sagen wie und warum, aber damals schien irgendein Funke über mich zu springen. Ich versuchte den Kontakt offiziell herzustellen, verfasste Briefe, erhielt Antwortschreiben, bis es dann endlich zu einem Treffen kommen sollte.


    Der Eingang zu den Katakomben, in denen wir uns jetzt befanden und schon eine ganze Weile umherirrten, befand sich tatsächlich in jener Insula, in der ich damals auftauchte, doch ich konnte ihn einfach nicht finden, dazu war zu gut versteckt. Es stellte sich heraus, dass der Zugang sich in der Wohnung befand, in die der Junge damals verschwand, nachdem er aus der Wohung des alten Priesters herausgeeilt kam. Über eine interne Stiege ging es hinab in den Keller und von dort, führte eine eingelassen Öffnung im Boden hinab in die Untiefen der kölner Unterwelt.
    So erreichten wir nach einer letzten Biegung eine etwas höher gelegene und trockenere Ebene, bei der man, um zu ihr gelangen, sich bücken mußte, um durch den niedrigen Eingang hindurch zu kommen. Dafür war man aber auch ziemlich abschottet und keine Ratte oder sonstiges Getier würde sich hier her verirren. Geduldig wartete Menelaos bis wir alle drei durch die niedrige Öffnung hindurch gekrochen waren, und ich fragte mich derweil, unter welchem Gebäude oder welchem Platz wir uns wohl befinden mußten.

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