Ludi Plebei - Theatrum Marcelli

  • Furianus kam am frühen Morgen in das Theater und vergewisserte sich, dass alles vorbereitet und intakt war.
    Die Sonne stand hoch und es war heiß, so dass ein paar Erfrischungen angeboten wurden, bis das Stück anfing.
    Er selbst saß in der ersten Reihe, schließlich war er Organisator. Der Platz neben ihm war für seinen Kollegen reserviert, welcher als Mitveranstalter auch nicht hinten sitzen sollte.




    In das Theaterrund tritt ein grosser Mann und erhebt seine Stimme.




    „Wertes, hoch geschätztes Publikum....
    Wir geben uns die Ehre euch heute ein wahre Meisterwerk der Dicht- und Schauspielkunst zu präsentieren:
    Sophokles `Ödipus der Tyrann`“


    „In der ersten Szene trifft Ödipus sich mit einem Priester“


    Er tritt zurück und überlässt die Bühne den Akteuren....

  • Nur wenig später betrat Macer das Theater und begab sich zum für ihn reservierten Platz in der ersten Reihe. Er wechselte rasch einige Worte mit dem Kollegen sowie seinem Sitznachbarn zur anderen Seite, dann richtete er die Aufmerksamkeit auf die Bühne. Er hatte er hier im Theater erfahren, welches Stück gespielt werden sollte und da er sich mit Theaterstücken nicht unbedingt weitläufig auskannte, kannte er Autor und Stück nur dem Namen nach. Immerhin wusste er, dass es sich um eine Tragödie handelte.


  • Die Akteure beginnen ihren Vortrag, ihre Gesichter sind hinter fabelhaften Masken verborgen


    ÖDIPUS


    O ihr des alten Kadmos Kinder, neu Geschlecht,
    In welcher Stellung hier bestürmt ihr mich,
    Ringsum gekränzt mit bittenden Gezweigen?
    Auch ist die Stadt mit Opfern angefüllt,
    Vom Päan und von seufzendem Gebet;
    Das wollt ich nicht von andern Boten, Kinder,
    Vernehmen, selber komm ich hieher, ich,
    Mit Ruhm von allen Ödipus genannt.
    Doch, Alter, rede! denn du bist geschickt,
    Für die zu sprechen; welcherweise steht
    In Furcht ihr oder leidet schon? Ich will
    Für alles helfen. Fühllos wär ich ja,
    Hätt ich vor solcher Stellung nicht Erbarmen.


    DER PRIESTER



    O Herrscher meines Landes, Ödipus!
    Du siehest uns, wie viele niederliegen
    An deinem Altar, diese, weit noch nicht
    Zu fliegen stark, die anderen, die Priester,
    Von Alter schwer. Ich bin des Zeus! Aus Jünglingen
    Erwählt sind die. Das andere Gezweig
    Häuft sich bekränzt auf Plätzen, bei der Pallas
    Zweifachem Tempel und des Ismenos
    Weissagender Asche. Denn die Stadt, die du siehst,
    Sehr wankt sie schon, und heben kann das Haupt
    Vom Abgrund sie nicht mehr und roter Welle.
    Sie merkt den Tod in Bechern der fruchtbarn Erd,
    In Herden und in ungeborener Geburt
    Des Weibs; und Feuer bringt von innen
    Der Gott der Pest und leert des Kadmos Haus;
    Von Seufzern reich und Jammer wird die Hölle.
    Nun acht ich zwar den Göttern dich nicht gleich,
    Noch auch die Kinder hier, am Altar liegend,
    Doch als den Ersten in Begegnissen
    Der Welt und auch in Einigkeit der Geister.
    Du kamst und lösetest des Kadmos Stadt
    Vom Zolle, welchen wir der Sängerin,
    Der Grausamen gebracht; und das, von uns
    Nichts weiter wissend noch belehrt; durch Gottes Ruf,
    Sagt man und denkt, du habst uns aufgerichtet.
    Jetzt aber auch, o Haupt des Ödipus!
    Stark über alle, flehen wir dich an,
    Demütig, einen Schutz uns zu erfinden,
    Habst du gehört von Göttern eine Stimme,
    Habst du's von einem Manne, denn ich weiß,
    Daß auch Verhängnisse sogar am meisten
    Sich durch den Rat Erfahrener beleben.
    Wohlan, der Menschen Bester! richte wieder auf
    Die Stadt, wohlan, sei klug! Es nennt das Land
    Den Retter dich vom alten wilden Sinne;
    Zu wenig denkt man aber deiner Herrschaft,
    Sind wir zurecht gestellt und fallen wieder.
    Mit Festigkeit errichte diese Stadt!
    Denn herrschest du im Lande, wie du Kraft hast,
    Ist schöner es von Männer voll, als leer.
    Denn nichts ist weder Turm noch Schiff allein,
    Wenn Männer drinnen nicht zusammen wohnen.


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    ÖDIPUS


    O Kinder arm, Bekanntes, unbekannt nicht,
    Kommt ihr begehrend. Denn ich weiß es wohl,
    All seid ihr krank, und so, daß euer keiner
    Krank ist wie ich. Denn euer Leiden kommt
    Auf einen, der allein ist bei ihm selber,
    Auf keinen andern nicht. Und meine Seele
    Beklagt die Stadt zugleich und mich und dich,
    Und nicht vom Schlafe weckt ihr schlafend mich;
    Ihr wisset aber, daß ich viel geweint,
    Viel Sorgenweg' auf Irren bin gekommen.
    Was aber wohl erforschend ich erfand,
    Ich hab es ausgeführt, das eine Mittel.
    Den Sohn Menökeus', Kreon, meinen Schwager,
    Sandt ich zu Phöbos' Häusern, zu den pythischen,
    Damit er schauen möge, was ich tun,
    Was sagen soll, um diese Stadt zu retten.
    Und schon macht Sorge mir, durchmessen von der Zeit
    Der Tag, was er wohl tut. Denn mehr als schicklich
    Bleibt aus er über die gewohnte Zeit.
    Doch wenn er kommt, denn wär ich böse, tät ich
    Nicht alles, was uns offenbart der Gott.



    DER PRIESTER



    Zum Schönen sprachest du, und eben sagen.... eben sagen...äh


    Ein Flüstern ist zu hören, zwar nur leise doch auch merklich :


    Des Kreons Ankunft diese da mir an.


    DER PRIESTER



    Des... Kreons.... Ankunft ....diese ... da mir an.


    Der Akteur, der den Priester darstellt, atmet merklich auf


    ÖDIPUS



    O König Apollon! trifft er nämlich hier ein,
    Mag glänzend er mit Rettersauge kommen.


    DER PRIESTER



    Er scheint jedoch vergnügt; er käme sonst nicht
    So vollgekrönt vom Baum der Bäume, dem Lorbeer.


  • An den Rand des Theater tritt wieder der Erzähler.




    „ Im Zweiten Akt hören wir zunächst Ödipus...“


    Der Erzähler tritt zur Seite und die Akteure setzen an weiter zu spielen, der Zweite Akt beginnt...


    Ödipus bleibt stehen , der Priester tritt ab, an seiner Stelle baut sich in einem kleinen Halbkreis der Chor auf.


    ÖDIPUS


    Du bittest, wie du bittest, willst von mir du
    Zum Ohr die Worte nehmen und der Krankheit weichen,
    Kraft sollst du haben und Erleichterung
    Des Übels. Forschen will ich, bin ich gleich
    Fremd in der Sache, fremder noch im Vorgang.
    Nicht weit hätt ich geforscht, hätt ich kein Zeichen.
    Nun aber komm, ein später Bürger, ich
    Den Bürgern, ruf euch, allen Kadmiern,
    Wer unter euch den Sohn des Labdakos,
    Lajos, gekannt, durch wen er umgekommen,
    Dem sag ich, daß er's all anzeige mir,
    Und wenn die Klag er fürchtet, gibt er's selbst an,
    So wird unsanft er anders nicht erleiden.
    Vom Lande geht er unbeschädiget.
    Wenn aber einen andern einer weiß,
    Von andrem Land, er schweige nicht den Täter;
    Denn den Gewinn vollbring ich, und der Dank
    Wird auch dabei sein; wenn ihr aber schweigt,
    Und fürchtend für den Lieben oder sich
    Es einer wegschiebt, was ich darin tue,
    Das hört von mir. Um dieses Mannes willen
    Fluch ich (wer er auch sei im Lande hier,
    Von dem die Kraft und Thronen ich verwalte),
    Nicht laden soll man noch ansprechen ihn,
    Zu göttlichen Gelübden nicht und nicht
    Ihn nehmen zu den Opfern, noch die Hände waschen,
    Soll überall vom Haus ihn treiben, denn es ist
    Ein Schandfleck solcher uns. Es zeiget dies
    Der Götterspruch, der pythische, mir deutlich.
    So bin ich nun mit diesem Dämon und
    Dem toten Mann ein Waffenbruder worden.
    Ich wünsche, der's getan, sei einer nur,
    Verborgen, sei's mit mehreren, er soll
    Abnützen schlimm ein schlimm unschicklich Leben;
    Wünsch auch, wenn der von meinem eignen Haus
    Ein Tischgenoß ist und ich weiß darum,
    Zu leiden, was ich diesem hier geflucht.
    Doch euch befehl ich, dieses all zu tun
    Von meinet- und des Gotts und Landes wegen,
    Das fruchtlos so und götterlos vergehet.
    Nicht, wär auch nicht von Gott bestimmt die Sache,
    War billig es, so unrein euch zu lassen,
    Da umgekommen ist der beste Mann, der Fürst,
    Hingegen zu erforschen. Aber jetzt hab ich
    Erlangt die Herrschaft, die zuvor er hatt,
    Erlangt das Bett und das gemeinsame
    Gemahl, und Kinder auch, wenn das Geschlecht
    Ihm nicht verunglückt wäre, wären uns
    Gemein; doch traf das Schicksal jenes Haupt.
    Für das, als wär's mein Vater, will ich streiten,
    Auf alles kommen, greif ich einst den Mörder,
    Zulieb des Labdakos und Polydoros Sohn
    Und alten Kadmos, der vormals regiert.
    Und die dies nicht tun, über diese bet ich,
    Zu Göttern, daß sie nicht ein Land, zu pflügen,
    Noch Kinder ihnen gönnen von den Weibern,
    Daß sie vergehn durch solch Geschick und schlimmers.
    Doch uns, den andern Kadmiern, denen dies
    Gefället, die im Falle Waffenbrüder,
    Allzeit sei'n wohl mit uns die Götter alle.


    CHOR


    Da du im Fluche mich anfassest, König, red
    Ich so, nicht mordet ich, nein! nicht kann ich
    Den Mörder zeigen. Sucht man aber nach,
    Muß Phöbos Botschaft sagen, wer's getan hat.


    ÖDIPUS


    Recht sprachest du. Doch nötigen die Götter,
    Wo sie nicht wollen, kann nicht ein Mann, auch nicht einer.


    CHOR


    Das zweite möcht ich sagen, das mir dünkt.


    ÖDIPUS


    Ein drittes auch, versäum's nicht, daß du schwiegest.


    CHOR


    Am meisten weiß hierin vom König Phöbos
    Tiresias, der König, wenn den einer fragt',
    Am deutlichsten, o König! könnt er's hören.


    ÖDIPUS


    Nicht hab ich dies, wie Träge, dies auch nicht
    Versucht. Ich sandt, auf Kreons Rat, zwei Boten,
    Und lang schon wundert man sich, daß er ausbleibt.


    CHOR


    Auch sind die andern längst umsonst die Worte.


    ÖDIPUS


    Wie sind sie dies? denn alle Worte späh ich.


    CHOR


    Man sagt, er sei von Wanderern getötet.


    ÖDIPUS


    Ich hört es auch, doch den sieht niemand, der's gesehn.


    CHOR


    Doch wenn von Furcht er mit sich einen Teil hat
    Und deinen hört, er hält nicht solchen Fluch aus.


    ÖDIPUS


    Der, wenn er's tut, nicht Scheu hat, scheut das Wort nicht.


    CHOR


    Doch einer ist, der prüft ihn. Diese bringen
    Den göttlichen, den Seher, schon daher,
    Der Wahrheit inne hat allein von Menschen.



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    Im Rund des Chores entsteht eine kleine Lücke und aus dieser tritt ein weiterer Akteur.


    ÖDIPUS


    O der du alles bedenkst, Tiresias!
    Gesagtes, Ungesagtes, Himmlisches und was
    Auf Erden wandelt. Siehst du auch die Stadt nicht,
    So weißt du doch, in welcher Krankheit sie
    Begriffen ist. Von ihr, als ersten Retter,
    O König, finden wir allein dich aus.
    Denn Phöbos, wenn du gleich nicht hörst die Boten,
    Entgegnete die Botschaft unsrer Botschaft,
    Es komm allein von dieser Krankheit Rettung,
    Wenn wir die Mörder Lajos', wohl erforschend,
    Umbrächten oder landesflüchtig machten.
    Du aber neide nun die Sage nicht von Vögeln,
    Zu lösen dich, die Stadt, auch mich zu lösen,
    Zu lösen auch die ganze Schmach des Toten.
    Dein nämlich sind wir. Und daß nütz ein Mann,
    Soviel er hat und kann, ist schönste Mühe.


    TIRESIAS


    Ach! ach! wie schwer ist Wissen, wo es unnütz
    Dem Wissenden. Denn weil ich wohl es weiß,
    Bin ich verloren; nicht wär ich gekommen!


    ÖDIPUS


    Was ist's, daß du so mutlos aufgetreten?


    TIRESIAS


    Laß mich nach Haus. Am besten wirst du deines,
    Ich meines treiben, bist du mir gefolgt.


    ÖDIPUS


    Nicht recht hast du geredt, noch Liebes für die Stadt,
    Die dich genährt, entziehend diese Sage.


    TIRESIAS


    Ich sehe nämlich zu, wie dir auch, was du sagst,
    Nicht recht geht; um nicht Gleiches zu erfahren.


    CHOR


    Bei Göttern nich! sei's mit Bedacht auch! kehre
    Nicht um! denn all knien flehend wir vor dir.


    TIRESIAS


    Denn alle seid ihr sinnlos. Aber daß ich nicht
    Das meine sage! nicht dein Übel künde!


    ÖDIPUS


    Was sagst du, sprichst du nicht, wenn du es weißt,
    Willst du verraten uns, die Stadt verderben?


    TIRESIAS


    Ich sorg um mich, nicht dich; du kannst im Grund
    Nicht tadeln dies. Du folgtest mir ja doch nicht!


    ÖDIPUS


    Sprichst du, der Schlimmen Schlimmster (denn du bist
    Nach Felsenart gemacht), einmal heraus?
    Erscheinst so farblos du, so unerbittlich?


    TIRESIAS


    Den Zorn hast du getadelt mir. Den deinen,
    Der beiwohnt, siehst du nicht, mich aber schiltst du.


    ÖDIPUS


    Wer sollte denn nicht solchem Worte zürnen,
    Mit welchem du entehrest diese Stadt?


    TIRESIAS


    Es kommet doch, geh ich auch weg mit Schweigen.


    ÖDIPUS


    Mitnichten kommt es! sagen mußt du's mir!


    TIRESIAS


    Nicht weiter red ich. Zürne, wenn du willst,
    Darob mit Zorn, der nur am wildsten ist.


    ÖDIPUS


    O ja! ich werde nichts, wie auch der Zorn sein mag,
    Weglassen, was ich weiß. Verdächtig bist du mir,
    Mit angelegt das Werk zu haben und gewirkt,
    Nur nicht mit Händen mordend; wärst du sehend,
    Das Werk auch, sagt ich, sei von dir allein.


    TIRESIAS


    In Wahrheit! Ich bestätig es, du bleibst
    Im Tone, wo du anfingst, redest noch
    Auf diesen Tag zu diesen nicht, zu mir nicht,
    Du sprichst mit dem, der unsrem Land ein Fleck ist.


    ÖDIPUS


    So schamlos wirst du dieses Wort heraus?
    Und glaubest wohl, nun wieder dich zu sichern?


    TIRESIAS


    Gesichert bin ich, nähr ich Kräftigwahres.


    ÖDIPUS


    Von wem belehrt? denn nicht aus deiner Kunst ist's.


    TIRESIAS


    Von dir. Du zwangst mich wider Willen zu reden.


    ÖDIPUS


    Und welch Wort? wiederhol's, daß ich es besser weiß.


    TIRESIAS


    Weißt du's nicht längst? und reden zu Versuch wir?


    ÖDIPUS


    Nichts, was man längst weiß, wiederhol's!


    TIRESIAS


    Des Mannes Mord, den du suchst, ich sag, auf dich da fällt er.


    ÖDIPUS


    Mit Lust jedoch nicht zweifach mißlich sprichst du.


    TIRESIAS


    Sag ich noch anders nun, damit du mehr zürnst.


    ÖDIPUS


    Wieviel du willst! vergebens wird's gesagt sein!


    TIRESIAS


    Ganz schändlich, sag ich, lebst du mit den Liebsten
    Geheim, weißt nicht, woran du bist im Unglück.


    ÖDIPUS


    Glaubst du allzeit frohlockend dies zu sagen?


    TIRESIAS


    Wenn irgend etwas nur der Wahrheit Macht gilt.


    ÖDIPUS


    Sie gilt bei dir nicht, dir gehört dies nicht,
    Blind bist an Ohren du, an Mut und Augen.


    TIRESIAS


    Elend bist aber du, du schiltst, da keiner,
    Der bald nicht so wird schelten gegen dich.


    ÖDIPUS


    Der letzten Nacht genährt bist du, mich nimmer,
    Nicht einen andern siehst du, der das Licht sieht.


    TIRESIAS


    Von dir zu fallen, ist mein Schicksal nicht,
    Apollo bürgt, der dies zu enden denket.


    ÖDIPUS


    Sind Kreons oder sind von dir die Worte?


    TIRESIAS


    Kreon ist dir kein Schade, sondern du bist's.


    ÖDIPUS


    O Reichtum, Herrschaft, Kunst, die Kunst
    Im eiferreichen Leben übertreffend!
    Wie groß ist nicht der Neid, den ihr bewachet!
    Wenn dieser Herrschaft wegen, die die Stadt mir
    Gegeben, ungefodert anvertraut hat,
    Kreon von der, der treue, lieb von je,
    Geheim anfallend mich zu treiben strebet?
    Bestellend diesen list'gen Zauberer,
    Den trügerischen, bettelhaften, der Gewinn
    Nur ansieht, aber blind an Kunst geboren.
    Denn siehe, sag, ob du ein Seher weise bist?
    Was sangst du nicht, als hier die Sängerin war,
    Die hündische, ein Löselied den Bürgern?
    Obgleich das Rätsel nicht für jeden Mann
    Zu lösen war und Seherkunst bedurfte,
    Die weder du von Vögeln als Geschenk
    Herabgebracht, noch von der Götter einem.
    Doch ich, der ungelehrte Ödipus,
    Da ich dazu gekommen, schweigte sie,
    Mit dem Verstand es treffend, nicht gelehrt
    Von Vögeln. Auszustoßen denkst du
    Den, meinest nah an Kreons Thron zu kommen.
    Mit Tränen wirst du, wie mir dünkt, und der's
    Zusammenspann, es büßen. Wärst du alt nicht,
    Du würdest leidend fühlen, wie du denkst.


    CHOR


    Es scheinen uns zugleich von dem die Worte
    Im Zorn gesagt und deine, Ödipus.
    Doch dies bedarf's nicht, wie des Gottes Spruch
    Am besten sei zu lösen, ist zu sehn.


    TIRESIAS


    Bist du noch eigenmächtig, muß ein Gleiches
    Ich dir erwidern. Hierin hab ich auch Macht.
    Nicht dir leb ich ein Knecht, dem Loxias,
    Nicht unter Kreon werd ich eingeschrieben.
    Ich sage aber, da mich Blinden du auch schaltst,
    Gesehen hast auch du, siehst nicht, woran du bist
    Im Übel, wo du wohnst, womit du hausest.
    Weißt du, woher du bist? Du bist geheim
    Verhaßt den Deinen, die hier unten sind
    Und oben auf der Erd, und ringsum treffend
    Vertreibet von der Mutter und vom Vater
    Dich aus dem Land der Fluch gewaltig wandelnd,
    Jetzt sehend wohl, hernach in Finsternis;
    Und deines Geschreies, welcher Hafen wird
    Nicht voll sein, welcher Kithäron nicht mitrufen bald
    Fühlst du die Hochzeit, wie du landetest
    Auf guter Schiffahrt an der Uferlosen?
    Der andern Übel Menge fühlst du auch nicht,
    Die dich zugleich und deine Kinder treffen.
    Nun schimpfe noch auf Kreon und auch mir
    Ins Angesicht, denn schlimmer ist als du
    Kein Sterblicher, der jemals wird gezeugt sein.


    ÖDIPUS


    Ist wohl von dem zu hören dies erduldbar?
    Gehst du zu Grund nicht plötzlich? wendest nicht
    Den Rücken hier dem Haus und kehrst und gehest?


    TIRESIAS


    Nicht wär ich hergekommen, riefst du nicht.


    ÖDIPUS


    Wohl wußt ich nicht, du würdest Tolles reden,
    Sonst hätt ich nicht dich her ins Haus geholt.


    TIRESIAS


    Wir sind also geboren, wie du meinst,
    Toll, eines Sinns, den Eltern, die dich zeugten.


    ÖDIPUS


    Und welchen? Bleib! wer zeugt mich unter Menschen?


    TIRESIAS


    Der Tag, der! wird dich zeugen und verderben.


    ÖDIPUS


    Wie sagst du alles rätselhaft und dunkel!


    TIRESIAS


    Dennoch glückt dir nicht sehr, derlei zu lösen.


    ÖDIPUS


    Schilt das, worin du wirst mich groß erfinden.


    TIRESIAS


    Es hat dich freilich dies Geschick verderbt.


    ÖDIPUS


    Doch rettet ich die Stadt, so acht ich's nicht.


    TIRESIAS


    Ich geh also. Du Knabe, führe mich!


    ÖDIPUS


    Er mag dich führen, wenn du so dabei bist,
    Du möchtest vollends noch das Elend häufen.

  • TIRESIAS


    Ich hab's gesagt, ich geh, um des, warum ich kam,
    Dein Angesicht nicht fürchtend. Nichts ist, wo du mich
    Verderbest, sage aber dir, der Mann, den längst
    Du suchest, drohend und verkündigend den Mord
    Des Lajos, der ist hier; als Fremder, nach der Rede,
    Wohnt er mit uns, doch bald als Eingeborner,
    Kund wird er als Thebaner sein und nicht
    Sich freun am Unfall. Blind aus Sehendem,
    Und arm, statt reich, wird er in fremdes Land
    Vordeutend mit dem Zepter wandern müssen.
    Kund wird er aber sein, bei seinen Kindern wohnend
    Als Bruder und als Vater und vom Weib, das ihn
    Gebar, Sohn und Gemahl, in einem Bette mit
    Dem Vater und sein Mörder; geh hinein! bedenk's!
    Und findest du als Lügner mich, so sage,
    Daß ich die Seherkunst jetzt sinnlos treibe.


    Wieder öffnet sich das Halbrund des Chores und die beiden Akteure treten ab.



    CHOR


    Wer ist's, von welchem prophezeiend
    Gesprochen hat der delphische Fels,
    Als hab Unsäglichstes
    Vollendet er mit blutigen Händen?
    Es kommet die Stunde, da kräftiger er
    Denn sturmgleich wandelnde Rosse muß
    Zu der Flucht die Füße bewegen.
    Denn gewaffnet auf ihn stürzt
    Mit Feuer und Wetterstrahl
    Zeus' Sohn, und gewaltig kommen zugleich
    Die unerbittlichen Parzen.
    Geglänzt hat nämlich vom
    Schneeweißen, eben erschienen
    Ist von Parnassos die Sage,
    Der verborgene Mann sei überall zu erforschen.
    Denn er irret unter wildem Wald
    In Höhlen und Felsen, dem Stier gleich,
    Der Unglückliche mit Unglücksfüßen, verwaist,
    Die Prophezeiungen flieht er,
    Die, aus der Mitte der Erd,
    Allzeit lebendig fliegen umher.
    Gewaltiges regt, Gewaltiges auf
    Der weise Vogeldeuter;
    Das weder klar ist noch sich leugnet,
    Und was ich sagen soll, ich weiß nicht,
    Flieg aber in Hoffnungen auf,
    Nicht hieher schauend noch rückwärts.
    Denn was ein Streit ist zwischen
    Den Labdakiden und Polybos' Sohn,
    Nicht vormals hab ich's
    Gewußt, noch weiß ich jetzt auch,
    In welcher Prüfung
    Ich begegne
    Der fremden Sage von Ödipus,
    Den Labdakiden ein Helfer
    Im verborgenen Tode.
    Zeus aber und Apollon
    Sind weis und kennen die Sterblichen.
    Daß aber unter Männern
    Ein Seher mehr ist geachtet denn ich,
    Ist nicht ein wahres Urteil.
    Mit Weisheit die Weisheit
    Erwidre der Mann.
    Nicht möcht ist aber jemals, eh ich säh
    Ein gerades Wort, mich unter
    Den Tadelnden zeigen. Denn offenbar
    Kam über ihn die geflügelte Jungfrau
    Vormals, und weise erschien sie,
    In der Prüfung aber freundlich der Stadt. Darum
    Nach meinem Sinn niemals
    Wird er es büßen, das Schlimme.


    Die Akteure zogen sich zurück und alle kamen heraus, für das obligatorische verbeugen und Feiern lassen.

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