• Das Schloss schnappte ein und ich hatte die Familie und den Rest der Welt hinter mir gelassen. Mein Blick war auf nichts Bestimmtes gerichtet, als ich - mit dem Rücken an die Tür gelehnt - Minute um Minute dastand und den Tränen freien Lauf ließ. Schließlich wischte ich mir über die Wangen, drückte mich vom warmen Holz ab und strebte dem Fenster entgegen. Die Sonne erreichte mein Innerstes nicht … Gleich welches Wetter, es beeinflusste nie mein Gemüt. Mehrfach strichen meine Finger über Stirn und Schläfen, so als könnten sie Gedanken fortwischen, was natürlich nicht gelang ...

  • Es gab Momente, in denen die Traurigkeit einmal hinaus musste. Zumeist schwamm mit den Tränen auch die Bedrückung fort und so kam am nächsten Tag mein eigentliches Wesen wieder zum Vorschein. Das Leben war ein Geschenk, vieles glich einem Wunder und es gab tausend Kleinigkeiten, die Freude spenden konnten.


    Ich schwang meine Füße aus dem Bett, stand auf und lief zum Fenster. Die gestrige Sonne war verschwunden, stattdessen wehte eine leichte Brise, die mich frösteln ließ. Schützend legte ich die Arme um den Körper, der sich zwar warm von der Nacht, aber zum Zeichen, dass ich fror, mit einer winzigen Gänsehaut überzogen hatte und dementsprechend uneben anfühlte. Mein Blick wanderte zum Himmel, der soeben feinen Nieselregen auf die Erde schickte.


    ‚Das ist gut für die Pflanzen’, dachte ich und streckte eine Hand zum Fenster hinaus. Wie zur Bestätigung nickte ich unmerklich dazu, drehte mich um, lief zur Tür und rief nach den Sklavinnen.

  • Die allmorgendliche Prozedur des Frisierens und Ankleidens nach dem Waschen begann, aber ich war mit meinen Gedanken wo anders. Eine vor längerem aufgegebene Freizeitbeschäftigung hatte mich unlängst wieder gefangen genommen und so sah ich den folgenden Stunden mit einem Lächeln auf den Lippen entgegen, während mehrere Sklavinnen an mir herumzupften. Nicht jede Sklavin ließ ich an meine Haare - nur diejenigen, die sanfte Hände hatten und so gestaltete sich auch dieser Abschnitt des Zurechtmachens erträglich.


    Als eine der Frauen jedoch zur Tusche griff, nahm ich ihr unmissverständlich die Schminke aus der Hand. DAS war nun etwas, was ich niemandem gestattete. Wie in vielem, hatte ich meinen eigenen Kopf und eigenen Geschmack – nicht zu viel Farbe, aber klare Konturen. Mit geübter Hand zog ich den Lidansatz nach, betonte dezent die Brauen und verstärkte ein wenig das Lippenrot. Ein Hauch Rouge auf die Wangenknochen und automatisch lächelte mich mein Spiegelbild an.


    In diesem Moment klopfte Aristos an die Tür. Onkel Titus ließ ausrichten, dass er mich zu sprechen wünschte und da ich ohnehin fertig zurechtgemacht war, lief ich noch vor dem Frühstück zu seinem Cubiculum.

  • Hyacinthus betrat das Gemach und verneigte sich.


    "Verzeiht, Herrin, mein Herr läßt fragen, ob Ihr Platz für seine beiden Hunde habt, wenn er abwesend ist."

  • Mehr als überrascht blickte ich auf, als die Frage nach der Unterbringung von Hunden kam. Damit hatte ich nicht gerechnet, aber ich legte sofort dieses ungeliebte Handarbeitszeug zur Seite und stand auf.


    "Du bist Galerianus' Leibsklave, richtig? Oder bist du ein neuer Sklave, den Sophus angeschafft hat?"


    Nur kurz hing ich diesem Gedanken an, verwarf ihn aber alsbald.


    "Nein, Quatsch. Sophus hat ja keine Hunde. Natürlich ist Platz, ich mag Tiere sehr gern leiden. Wo sind sie denn jetzt? Und vor allem, über welche Größenordnung sprechen wir gerade?"


    Während des Redens war ich näher getreten und schaute nun äußerst gespannt der Antwort entgegen.

  • Ein verlegenes und gleichzeitig gewollt mutiges, kurzes Lachen, gefolgt von einem ernsteren Gesichtsausdruck zeigte meine widerstreitenden Gefühle.


    „Uh, Molosser? Klingt schon recht mächtig. Sabbern die? Na, egal, dann bring sie mal rein.“


    Ich drehte mich fix um und machte große Augen, die meine gespannte Stimmung ausdrückten. Ansonsten mochte ich Hunde ja sehr gern, also warum nicht solche großen? Mal sehen, wie gut sie erzogen waren …

  • "Ich denke, sie sind durchaus stubenrein, o Herrin. - Sehrwoh, ich werde sie Euch bringen."


    Hyacinthus verneigte sich und holte die zwei Hunde, mit denen er nach einer Weile wiederkam.

  • ‚Bei den Göttern’, dachte ich, als der Sklave den Raum erneut betrat – die Hunde an seiner Seite. Und es waren welche, die sabberten - ihre Lefzen lagen nicht an. Na gut, kuscheln war also nicht drin. Dennoch entschlossen näherte ich mich den Kolossen, legte dem rechten meine Hand auf den Kopf und tätschelte ihn leicht. Große braune Augen sahen mich an und ich musste lächeln. Auch in so einem massigem Kerl steckte offenbar ein fühlendes herz, das dankbar für Liebkosungen war.


    „Sind das Rüden oder Hündinnen?“, fragte ich, ohne den Sklaven anzublicken. „Und welche Kommandos kennen sie schon?“

  • 'Hmhm, Rüden also. Oft schwieriger in ihrem Wesen als Hündinnen. Na, mal sehen ...'


    "Ich wüsste gerne, welche Kommandos sie beherrschen, denn wenn sie bei mir untergebracht sind, dann sollte ich sie auch lenken können. Und keine Sorge, ich sehe zwar nicht furchtbar stabil aus, aber mein Wille ist umso stärker. Ich werde den beiden Herren schon zeigen, dass ich ihnen übergeordnet bin."

  • "Angriff?!"


    Meine Augen wurden kugelrund. Da ergaben sich ja Möglichkeiten bei unliebsamen Mitbürgern ... Daumen und Zeigefinger hielten das Kinn und im Geiste malte ich mir diverse Begegnungen aus.


    "Sag, hören die Hunde zum Teil auch auf dich?"

  • "Na gut. Das klingt zwar alles nicht beruhigend, aber beim nächsten Stadtbummel durch Mantua werde ich auf deine Begleitung mit den Hunden bestehen."


    Kaum damit abgeschlossen, ergab sich das nächste "Problem".


    "Wo schlafen diese Gesellen denn? Haben sie Decken oder eine Hütte?"

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