Sinn und Unsinn einer Wahlgesetzgebung

  • Zitat

    Original von Manius Aurelius Eugenius
    Bruder, so mag die Popularität wieder einmal über Leistung, Sitte und Tradition gesiegt haben..."


    Aus den hinteren Reihen vernahm man deutlich die Stimme eines Mannes, der mit den Worten des Aureliers gar nicht einverstanden war.


    "Gewonnen? Gewonnen? Niemand hat gewonnen, beide Kandidaten sind in diesem Wahldurchgang gescheitert! Die Konservativen und Liberalen scheinen einen beträchtlichen Teil des Volkes durch ihre ständig gleichen Reden ermüdet zu haben. Keiner der Kandidaten hat überzeugt, das zeigt das Wahlergebnis."

  • "Strabo, wohl gesprochen!"


    Als ich die Stimme irgendwo im Hintergrund bemerkte erhob ich erneut das Wort.


    "Nein, nein, ihr, wer ihr auch sein möget, dahinten versteckt in Menschenmengen! Es sind nicht gleiche Reden. Es gibt klare Ideale und Trennlinien, die entscheident sind und von denen ihr wissen würdet, hättet ihr denn den Reden, beispielsweise meines Bruders oder der schändlichen Kandidatur dieser Frau, gelauscht."

  • Der Mann, ein Händler aus Ostia, verschaffte sich Platz um gesehen zu werden.


    "Oh, ich hörte wohl zu. Ihr hörtet aber offenbar nicht mir zu. Ich sprach nicht davon, daß die Reden der beiden Kandidaten sich gleichen. Nein, ich sprach davon, daß beide immer wieder dasselbe predigten. Man mag es Festigung des eigenen Standpunktes nennen, die Wähler wurden dadurch aber offensichtlich genervt. Oder wie erklärt ihr euch den Fakt, daß kein Aedilis Curulis gewählt wurde?"

  • "Wenn ich etwas dazu sagen darf...", mischte ich mich höflich ein und sah den Mann in der Menge freundlich, aber bestimmt an.


    "Ich weiß genau, was du meinst. Das Volk war genervt, weil es dachte, die beiden Kandidaten würden nur ihr eigenes Wohl propagieren, ihren eigenen Standpunkt festigen und nichts Ehrliches für das Volk tun wollen.
    Das ist tragisch, aber ich denke, die Tagespolitik verhinderte oftmals einen anderen Kurs. Auch ich bin voll in der Tagespolitik inbegriffen, doch ich denke, dass das Volk mittlerweile gespalten ist."

  • Decius schaute sich die Szenen interessiert an... es schien so, als würden diese Wahlen noch einige Zeit lang für Diskussionsstoff sorgen. Er war gespannt, welche Seite sich wohl letztlich durchsetzen würde.

  • Milo fand die Rostra in den letzten Tagen überaus erheiternd. Er hatte große Mühe sich ein breites Grinsen zu verkneifen, angesichts der sich nun um das Ergebnis rankenden Dispute. So wurde er auch auf diesen Wortwechsel aufmerksam und mischte sich in entspannter Haltung ein wenig ein. Einen der Redner erkannte er vom Vortag wieder, als er bereits ein Wort mit dem Quaestor gewechselt hatte. Doch es war der ihm unbekannte Mann aus dem Volk, dem er zustimmen musste.
    "Das Problem liegt ganz genau so, wie es dieser Mann eben geschildert hat. Über den gesamten Wahlkampf hinweg hörte man von den betreffenden Kandidaten stets nur immer dieses eine Thema mit immer genau den gleichen Argumenten. Beide haben stur auf ihrem Standpunkt beharrt. Andere Inhalte, welche vielleicht mehr zu ihrem angestrebten Amt gepasst hätten, tauchten nur in geringfügigen Ansätzen auf und wurden nie lange diskutiert. Doch im Leben der Römer gibt es noch viele andere Dinge. Es ist eben nicht die alltägliche und größte Sorge unserer Bürger, ob die Frauen nun einige Rechte mehr haben oder weniger. Doch alles bis auf diese eine Frage fiel in diesem speziellen Wahlkampf ganz und gar unter den Tisch. Und dies ist vom Wähler nun honoriert worden. So sehe ich die Lage."

  • Der Händler lachte nur über die Reaktion des Aureliers.


    "Nur zu, gebt euch wieder eurer Selbstherrlichkeit hin. Viel mehr ist euch nach dem bedauerlichen Verlust von Argumenten wohl nicht geblieben."


    Der Händler lachte erneut auf, bevor er sich an den jungen Mann wandte.


    "Wie ihr meint. Man kann jedoch nicht abtun, daß das Volk in 3 Lager gespalten ist, nicht nur in deren 2. Das dritte Lager, jenes welches die Debatte um das Thema der Frauen nicht mehr hören wollte, wurde offenbar unterschätzt.
    Wohlan, ich wünsche noch frohe Stunden bei der Analyse dieser Wahl, meine Meinung hab ich nun kundgetan."

  • "Die Frauenfrage ist sehr wohl von Bedeutung. Aber über Zahlen zu diskutieren überlasse ich gerne den Kleingeistigen unter uns die sie gerne so und so interpretieren mögen." Eugenius wahrte Haltung und belächelte innerlich die großspurigen Worte dieser ein oder zwei Personen die soweit von der Wahrheit entfernt wahren. Dummköpfe die keine Ahnung haben, das war passend. Sollen sie lachen in ihrer Selbstherrlichkeit. Iuppiter wird ihnen schon das Mündchen stopfen.

  • Ich kam näher zu Eugenius heran und legte ihm die Hand auf die Schulter.


    "Gib dich nicht mit diesen Belangen ab, denn wir beide kennen die Wahrheit. Doch fürchte ich um das Volk, das zwischen den Mühlsteinen unseres Kampfes fast zermahlen wird. Für dieses Volk müssen wir sprechen, nicht für irgendwelche überkandidelten Reiche, die sich sonst einen Dreck um das Volk scheren.


    Aber sag, mein Freund, warum hat dich dein Interesse bisher nicht in die Politik geführt? Du wärst ein glänzender Redner. Und jeder konservative Mann bei den Wahlen mehr garantiert eine Abschwächung der Frauenvorrechte."

  • Es war wohl wieder einmal höchste Zeit mich einzumischen. Nachdem ich mir verstohlen die Tränen der Rührung von jenem, leider kurz vorher vergangenem, Momente aus den Augen wischte, mischte ich mich unters Volk und fragte:
    Unsere Väter und deren Väter sahen eine Frau als Frau an und zollten ihr höchste Achtung, wenn sie tugendsam, umgänglich und gehorsam war. Man ehrte sie, wenn sie keusch lebte und feierte sie, wenn sie Rom und ihrem Manne 3 Kinder gebar. Warum sollte man darüber diskutieren? Ist es nicht mannhafter derjenigen den Respekt, die Ehre, ja, den ganzen Stolz des Mannes ihr zu geben, der ihr gebürt? Hat es die Ehrlose denn verdient, daß man über sie mehr spricht, als die Ehrbare?


  • Macer tippte Annaeus Florus leicht auf die Schulter und lächelte ihm zu angesichts dieser unerwartet raschen erneuten Begegnung, nachdem sie sich erst kurz vor der Wahl noch hier auf dem Forum getroffen hatten.


    "Da hast du gut zitiert, mein Freund, doch ich frage mich, ob dieser Paragraph in unserem Fall vollständig passt. Das Gesetz verlangt eine Nachwahl für die nicht besetzten Plätze. Und diese Nachwahl soll unter den bestplatzierten nicht gewählten Kandidaten stattfinden. Nun haben wir aber nur zwei Kandidaten und nur einen Platz. Dass heißt, die Nachwahl würde unter exakt den selben Bedingungen stattfinden wie die eigentlich Wahl.
    Ich bin nun kein Jurist, sondern eher praktisch veranlagt und frage mich daher, was es bringen soll, unter der exakt selben Konstellation noch einmal zu wählen. Das Ergebnis dürfte kaum anders ausfallen. Und dann? Erneute Nachwahl, weil das Gesetz es so vorsieht?


    Oder ist es nicht vielmehr so, dass man analog zu Satz 1 des gleichen Paragraphen den Kaiser entscheiden lassen müsste?"

  • Jemand tippte mir auf die Schultern. Als ich mich umdrehte erkannte ich Macer.


    Salve! begrüsste ich ihn erst, hörte ihm dann zu.


    Nun, wenn der Kaiser eine Entscheiden trifft, dann steht diese über dem Gesetz, das steht für mich ebenfalls fest. Demnach ist es absolut möglich, dass er dies tun könnte. Ob er das will, das kann ich nicht wissen und ob es sinnvoll ist eine Nachwahl zu machen, darüber habe ich nicht gesprochen, sondern lediglich die vom Gesetz genannte rechtmässige Vorgehensweise zitiert. Wenn der Kaiser entscheidet, dass es eine bessere Lösung gibt, dann soll es so sein.


    Ich war mir sicher, dass Macer genau wusste, was ich meinte.


    Aber wenn er entscheidet, dass die Patrizier sich noch etwas länger gegenseitig zerfleischen sollen, dann wird mir das meine Amtszeit sicherlich auch erleichtern :D fügte ich mit einem breiten Grinsen noch an.

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