Fors-Fortuna-Feier auf einer Tiberbrücke

  • "Ich werde mich nicht darüber auslassen, ich bin sicher, du verstehst das." Victor legt soviel Neutralität in seine Stimme wie nur irgendwie möglich. Das Thema ist wirklich keins, was er mit Patriziern erörtern würde, nichtmal mit Factiokollegen, höchstens mit seinen Saufkumpanen oder Sev, was dann aufs gleiche rausläuft. "Allerdings werden sie dir sicher auffallen, wenn du dich ein wenig umschaust. Denn gerade zwischen denen, die ihre Arbeit erfüllen, fallen die anderen auf."


    Victor dreht den Becher in seiner Hand. "Dass der Name aber auch nicht immer hilft, das haben dann wohl die Kandidaten für den Aedilis Curulis gezeigt. Auch wenn ihr Scheitern anscheinend nicht am großen Namen lag, alles andere überdecken kann er auch nicht. Es gibt also solche und solche und es kann so und so passieren." Darauf ein großer Schluck.

  • Da der Valerier nicht direkt antwortete, tat ich es, und mit einem durchaus amüsierten Schmunzeln. "Meistens sind das wohl die Söhne patrizischer Senatoren oder deren nahe Anverwandte - da ist es am leichtesten, sich auf den Verdiensten und dem Vermögen anderer auszuruhen, ohne allzu viel selbst leisten zu müssen. Und das Ansehen der Väter verschafft einen deutlich leichteren Einstieg." Mein Lächeln hätte wohl der Sonne Konkurrenz mahen können, aber es interessierte mich auch, wie der Advocatus auf diese hintergründige Herausforderung reagieren würde - ob er klug genug war, den Scherz in meinen Worten zu erkennen oder ob er es gleich als Angriff werten würde, immerhin traf der geschilderte Sachverhalt auch auf ihn zu - bedachte man seine persönlichen Verdienste dabei nicht.

  • Durus schluckte. Jetzt ging es um seine Familie.
    "Ich habe nie behauptet, dass der große Name allein eine Garantie ist - natürlich gehört auch etwas Sachverstand dazu. Wobei ich mich nicht erinnern kann, dass meine Schwester den hat missen lassen...
    Gut, sie war auf der Rostra vielleicht teilweise etwas impulsiv, aber sie hat ihre Arbeit doch recht gut gemacht! Man kann sich ja auch nicht alles bieten lassen!"

    Er schmunzelte etwas. Honoria hatte ihre Quaestur - soweit ihm das bekannt war - gut erfüllt. Die Sache auf der Rostra hatte sich etwas hochgeschaukelt, aber da konnte sie wirklich nicht mehr dafür als dieser Aurelier...
    Dann drehte sich Durus zu dem Flavier, dessen Cognomen ihm schon wieder entfallen war.
    "Könntest du mir ein konkreteres Beispiel nennen? Ich kann mich jetzt nicht erinnern, einen zu kennen!"
    Das war wirklich ein starkes Stück, so eine spöttische Bemerkung aus dem Munde eines Flaviers - besonders eines, von dem er noch nie gehört hatte, sich also dem vita otiosa hingab.

  • "Ich habe meines Wissens nach auch keinen speziellen Namen genannt, Tiberius Durus," entgegnete ich lächelnd und wunderte mich, dass er sich von dieser kleinen Provokation tatsächlich aus der Reserve locken ließ. Aber gut, es zeigte mir etwas über ihn und ich wüde es mir sicherlich merken.
    "Sind das nicht die Worte, die man überall hören kann, sobald es um wenig verdienstvolle Mitglieder des Senats geht? Dass wir Patrizier uns allzu sehr auf dem ausruhen, was unsere Ahnen, Großväter und Väter geschaffen haben? Indes, die Wirklichkeit zu betrachten würde vielen auch eine genauere Beschäftigung mit der Politik abverlangen, ebenso mit den Verdiensten der einzelnen, aber wir wissen doch alle, wie sehr der gemeine Demagoge die Verallgemeinerung schätzt."

  • "Eben. Aber es ärgert mich, wenn derartige Vorurteile gegenüber Patriziern verbreitet werden. Nur weil es eine weit verbreitete Meinung ist, ist es noch lange nicht glaubenswert - das mag vielleicht vor vielen Jahren so gewesen sein!"
    Offensichtlich wusste der Flavier doch, dass er Unsinn erzählte. Wenn es ein Scherz gewesen sein sollte, fand er ihn jedoch nicht besonders treffend. Und schon gar nicht in Anwesenheit des Pöbels - aus dem Munde eines Patriziers würde es das sicher auch noch glauben!

  • "Dann müsstest Du einige unserer hochgerühmtesten Literaten genauso mit Deinem Zorn verfolgen, denn die Kritik an der Trägheit der Nachkommen der Nobilitas ist so alt wie die Republik selbst und wird sicherlich so alt werden wie das Kaiserreich. Es ist eine schöne Tradition unserer bekannten Autoren, sich stets darüber zu beklagen, wie verkommen die Werte in ihrer Gegenwart sind, und wie golden doch die Vergangenheit war - in sofern wird dieser Vorwurf wohl nie verstummen. Entweder wir lernen damit zu leben und wissen damit umzugehen, oder aber man wird uns mit diesem Vorwurf ewig auf die Füße treten und damit Schmerzen verursachen - was davon ist Dir lieber?"
    Ich hob eine meiner Augenbrauen an und betrachtete mein Gegenüber fast amüsiert. Dieses Gespräch kam langsam in eine Richtung, die mir Spaß zu machen begann, wenngleich die Stummheit unserer anderen Gesprächspartner mir noch Fragen aufwarf - wollten sie nicht oder war es ihnen schlichtweg zu heikel?

  • "Ich persönlich gehe damit gar nicht um - ich ignoriere es für gewöhnlich. Ich weiß so gut wie du, dass es bei den Patriziern genauso viele faule Menschen gibt wie bei allen anderen auch. Und außerdem: Wenn die Nobilitas schon immer so träge wäre, wie alle sagen, wäre sie sie schon längst nicht mehr die Nobilitas."
    Irgendwie fand Durus es verwunderlich, dass dieser Flavier während des gesamten Gesprächs eine belustigte Grundstimmung vermittelte. Er fand dieses Thema bestenfalls leidig, aber keinesfalls komisch!

  • "Die Nobilitas hat einen großen Vorteil - wenige wirklich engagierte tragen diejenigen, die nichts tun. Manchmal glaube ich fast, wir sind tatsächlich so träge geworden, wie es die Literaten unseren Vorfahren bereits angekreidet haben, aber ... es wird die Zukunft weisen müssen, ob diesem Weg entgegen getreten werden kann. Vielleicht sind bei den nächsten Wahlen schon wieder mehr Männer bereit, sich dem Volk und dem Reich zur Verfügung zu stellen," meinte ich gelassen und lehnte mich an das Geländer der Brücke, bevor ich aus meinem Weinbecher einen weiteren Schluck nahm, denn das Reden hatte mir die Kehle trocken werden lassen.

  • "Hm, ich würde das zwar andersherum sehen, aber darüber lässt sich kaum streiten."
    kommentierte Durus den Kommentar seines Gegenübers.
    "Und die Entwicklung geht ohnehin wieder zu mehr Patriziern im Cursus Honorum!"
    Jetzt konnte er das ganze wieder von vorn anstoßen, aber er hatte keine Lust dazu.

  • "Hoffen wir, dass es so bleibt. Planst Du den Einstieg in den Cursus Honorum in absehbarer Zeit?" Damit richtete ich den Blick wieder auf Tiberius Durus, nachdem ein vorbei laufender Pulk an offensichtlich angeheiterten Frauen für eine Weile meinen Blick doch deutlich abgelenkt hatte.

  • Was die mehr Patrizier auf dem Weg durch den Cursus Honorum bringen, das hat man anscheinend an der Rostra gesehen. Doch Victor will sich zu dem Thema nicht weiter äußern. Patrizier, die über Patrizier reden und dabei keinen Hehl darum machen, dass sie über Patrizier reden und nicht einfach nur über irgendwen, sind ihm suspekt, wie ihm auch die meisten Patrizier überhaupt eher suspekt sind, da man nie genau wissen kann, woran man bei ihnen ist. Drum schweigt er und trinkt etwas gelangweilt von seinem Wein.

  • "Früher oder später schon." antwortet er, ohne dass er erwähnt, dass er zuerst noch etwas mehr Geld anhäufen muss - über Geld spricht er niemals gern! Und schon gar nicht mit Fremden!
    "Und du? Welcher Tätigkeit gehst du nach?" fragte er zurück, nachdem er irritiert die Stirn gerunzelt hatte, weil Aquilius einem Haufen leichter Mädchen nachsah - mitten im Gespräch!

  • "Ich bin nach Rom gekommen, um mich dem Cultus Deorum anzuschließen," erwiederte ich gelassen und nahm einen weiteren Schluck Wein. Zu schade, dass diese hübschen Nymphen nicht bei uns stehen geblieben waren, dieser allzu ernste Advocatus hätte sicherlich auch ein wenig Freuden gebrauchen können, um sich an diesem Festtag zu entspannen. Aber anscheinend konnte er sich wohl nicht für die Reize der Schönheit begeistern, so empört, wie er mich gerade ansah.

  • "Ah, ein Priester! Welchem Gott willst du denn dienen?"
    Langsam ging das Gespräch wieder in einen Smalltalk über, was Durus ganz recht war. Da musste er wenigstens nicht so viel argumentieren und diskutieren.

  • Er musste ja nicht unbedingt wissen, dass ich zu allererst nach Rom gekommen war, weil mir in Athen das Geld ausgegangen war, um mich weiterhin dem philosophischen Leben zu widmen - Wein, Weib, Gesang in genau dieser Reihenfolge, ein höchst philosophischer Ansatz, den tieferen Sinn des Lebens zu ergründen.
    "Nun, mein Streben gilt dem Kult des Mars und ich hoffe sehr, dass ich dort angenommen werde."

  • "Ah, der Kult des Mars! Eine gute Entscheidung. Unser Stammvater kann immer ein paar gute Priester gebrauchen!"
    Ihm wäre wohl zu jedem Gott etwas derartiges eingefallen...
    "Du warst doch Priester des Mars, Victor! Was meinst du? Haben die Sacerdotes Martialis noch Bedarf für Neue?"

  • "Was?" fragt Vic irritiert, da sein Blick und seine Aufmerksamkeit auch den schönen Frauen auf der Straße hinterhergeeilt ist. Er schaut von Durus zu Aquilius und ordnet die letzten Gesprächsfetzen, die er aufgeschnappt hat. "Sacerdotes Martialis? Ou, öhm, ja, so ziemlich jede Priesterschaft kann immer Nachwuchs gebrauchen. Was hat dich denn zu Mars gebracht, wenn ich fragen darf?" Vic überlegt, wer wohl die Ausbildung des Flaviers macht und nimmt sich vor, das gleich in der Regia nachzuschauen. Womöglich Tiberius Flaccus, ein anderer würde ihm momentan nicht einfallen.

  • Ich bemerkte mit einem gewissen Amüsement, dass sich der Septemvir nicht zu schade dafür gewesen war, den Frauen nachzusehen und gratulierte ihm insgeheim zu dieser Ansicht. Man musste schließlich als Priester nicht sämtliche Freuden aufgeben, vielleicht noch als flamen Dialis, aber doch nicht als Septemvir.
    "Hmm, was mich zu Mars gebracht hat. Eigentlich war er immer der Gott, dem meine Gebete am meisten gegolten haben, und ich fühle mich seiner Verehrung einfach am nähesten. Gibt es denn einen Gott, der besser verkörpern würde, welche Werte uns wichtig sind? Kraft, Stärke, den Willen zu Siegen - Sutz derjenigen, die uns wichtig sind, das ist doch ein Kult, dem jeder Römer dienen sollte, um das zu sein, was wir sein wollen. Ich fühle mich den Traditionen unseres Volkes sehr verbunden, und deswegen gibt es zum Cursus Honorum nur eine wirkliche Alternative."

  • Victor zieht einen Mundwinkel nach oben. Dieser Flavier scheint mit seinem ehemaligen Discipulus Gracchus nur den Gensnamen zu teilen, das merkwürdige Verhalten scheint also nicht in der Familie zu liegen. "Besser kann man es wohl nicht ausdrücken." Ein bisschen bedauert Victor fast, dass er nicht mehr für die Ausbildung zuständig ist. Aus dem Jungen könnte eines Tages ein guter Sacerdos Martialis werden. "Außerdem sind die Feiertage des Mars natürlich die besten im ganzen Jahr, die meisten haben mit Wagenrennen zu tun, hrhr. Hast du im Militär gedient?"

  • "Nein, das habe ich nicht," erwiederte ich wahrheitsgemäß und hoffte, es würde jetzt nicht allzu viele Minuspunkte bedeuten. "Ich wurde von meinem Vater nach Achaia geschickt, um dort die Ausbildung eines Rhetoren zu erhalten, studierte die griechische Redekunst und Philosophie... aber nun, nach seinem Tod, sehe ich einen anderen Weg für mich selbst als jenen, der mich auf die Rostra führen würde." Wahrscheinlich würde der Septemvir eher verstehen, warum man sich ein paar faule Jahre im sonnigen Süden gönnte, aber ich hielt es für politisch bedeutend klüger, die nicht ganz so gesellschaftsfähigen Teile meiner Vergangenheit einstweilen unter den Tisch fallen zu lassen.

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