Hortus | Des Sommersturmes Reiz

  • Furianus saß an einem milden Sommerabend im Hortus, empfang die Stille, die Besinnung ohne Sklaven, Klienten oder sonstige Menschen.
    Nein, in diesen Stunden war ihm ein Jeder verhasst. Wie sollte man die Natur betrachten, wenn man von dessen Geschöpfen abgelenkt wurde.


    Eine einfache Tunika hatte er an, zum Erstaunen aller Sklaven saß er nicht, wie des öfteren, auf der Marmorbank neben den Tulpen. An diesem Abend, lag er träumend auf den Gras.
    Warum, das wusste keiner, keiner außer ihm und den herrlichen Göttern in ihrem Wolkenschlosse dort oben, der unerreichbaren Welt der Heroen, Mythen und des ewigen Glückes.


    Es bahnte sich ein Gewitter an, nicht irgend eines, nein, ein Sommernachtsgewitter. Das Faszinierende war die Symbiose des herrlichen und milden Sommers, sowie des gewaltigen und stürmischen Windes. Das konnte und wollte Furianus nicht verpassen.
    Es erschien recht früh, kündigte sich an. Dort, umhüllt von Bäumen, durch den königlichen Ring der Baumeskronen, lag er, voller Faszination, voller Hingabe.
    Manch einer mochte ihn für eigenartig, gar verrückt oder wahnsinnig halten. Es war ihm egal, denn es waren Menschen, Menschen, die die Natur nicht verstanden, der Herrlichkeit verschlossen waren.


    Dunkle, graue, ja sogar weiße Wolken kündigten das Schauspiel an. Ein Spiel des wollenden, des durchdringenden Lichtes und die Schwärze der einst so wonnigen Himmelskörper rangen an diesem Abend. Wer gewinnen würde, stand fest, schaute man nach vorne, schaute ans Ende. Dort drüben war das schwarze Netz, verdrängte die liebevollen, die weichen Wolken. Wie ein Schleier, der Schwärze, der Angst, hüllte es den Himmel Roms ein.


    Ja, er konnte es sehen, ja, auch riechen, auch fühlen, auch schmecken würde er es. Der Wind zog auf und die Bäume schrieben seine Worte in den Himmel. Was wollte er ihm sagen? Was schrieben die Baumwipfel so kunstvoll, so unberechenbar und doch so wunderschön in den Himmel? War es Latein? Nein, die Natur spricht nicht die Sprache ihrer Abkömmlinge. Er hörte es, die leise, die laute Melodie der Blätter, die doch immerwährend so still. Sie erwachten zum Leben.
    Seinen Mund langsam und unbewusst öffnend spürte er den Geschmack, den Geschmack, welchen die Meeresluft besaß. Es war erfüllt von einer milden, nicht vollkommenen, Feuchte, einer Feuchte, die man nicht einmal durch das Trinken aus den reinsten Gewässern verspüren konnte. Nein, es war die Erinnerung an das Meer, welches zugleich wohl toben würde, gepeitscht durch die unberechenbare Stärke der Winde.
    Des Windes Wogen, und sie waren nicht schwach, berührten ihn sanft, ließen sein Haar spielend tanzen, durchdrangen den Stoff und liebkosten seine Haut. Welch Entzücken, welch sanfte Berührung konnte dem Gleichkommen? Furianus wusste, dass diese Frage unbeantwortet werden würde, in aller Zeit, auch außerhalb jener Grenzen, vor denen sich ein Sterblicher fürchtet.


    Das Schauspiel schritt voran, die Melodie, stärker, angsteinflössender, unbekannter. Ein unglaublicher Moment, ein Wunder, des Vater Juppiters Zeichen - ein Blitzeschlag. Ein Moment der Furcht, doch zugleich ein Moment nimmerwährender Faszination. War es ein Geschenk, dies unglaubliche Himmelslicht, wenn ja, dann zu kurz. Wollte gar Vater Juppiter ihm diese Faszination verwähren, wollte er ihn durch den kurzen Moment entzücken, ihn mit einem weiteren locken wollen? Furianus fürchtete, das dies ein Spiel der Sinne, ein Spiel, welchem er erlag, werden würde.
    Und wieder - der Moment zu kurz.
    Wie verhasst musste er ihm sein, wie kaltherzig der große Vater? So entzückte er der Götter Abbild mit seiner Kraft, seiner unendlichen Macht, doch bestand dieser Augenblick nicht lang.
    Und wieder - zu kurz.
    Furianus wollte das Licht greifen. Was mochte geschehen? War es der Weg ins Himmelreich oder gar des Todes Hand? Wer wusste dies schon, welcher Philosoph maßte sich an darüber zu urteilen, welcher sich mit der Erkenntnis zu brüsten? Nein, so einen Mann gab es wahrlich noch nicht. Und die, welche dies zu erfahren suchten, warin entschwunden. Wohin, das wusste keiner, hinterließen sie doch ein letztes Wort, eine letzte Form - Asche. War dies ein Symbol, ein Zeichen der Glücksseeligkeit? Asche, der Stoff, welcher sich durch Verbindung des Menschen mit dem Feuer ergab. War dies die Antwort, des Prometheus Geschenk an die Menschen? War das Feuer ein Rätsel, welches dem Menschenwesen auferlegt, es aber zu dumm dies zu lösen, gar zu begreifen?
    Doch darüber wollte er nicht urteilen, denn er genoss.
    Nun nahm die Schwärze vollends alles rings um ihn herum ein. War es nicht zu dieser Tageszeit hell am gestrigen Abend? Ja, das war es. Doch dies hatte keine Bedeutung, wusste er doch, dass die schwarzen Himmelskörper tief standen, das Licht dem Menschen verwehrten. Wieder der Moment der Faszination - wieder zu kurz.
    Vereint traten sie niemals auf, der Himmelsstrahl und die Stimme des Unbekannten. War dies ebenso eine Botschaft der unsterblichen Götter? Erst die Faszination, dann das Mahnwort? War dies überhaupt ein Wort oder das Produkt eines großen Instrumentes?
    Nun kam, was er erwartet und ersehnt. Das nasse Kühl, welches sich schon in der Luft bemerkbar machte, nun war es zu sehen, vollends zu fühlen und zu schmecken. Welch lächeln kam in ihm auf, als der erste Tropfen den Hals berührte. Es war so erfrischend, so anders, als umring von diesem Elemente in den Thermen zu sitzen. Dieser Überraschung, ob des Aufschlages dieser Tropfen, sah er wie ein Kind entgegen. Wo mochten sie ihn treffen, wohin mochten sie gelenkt werden? Ungewissheit.
    So gab er sich vollends hin, fühlte den überraschenden Glücksanfall an den unbedekten Stellen seines Körpers. Leider dauerte auch dieser Moment nicht lange, denn das Schauspiel nahm zu, bedeckte seine Haut und die Überraschung verwandelte sich in Einsicht, denn die Tropfen waren nun mehr Wasserfall, als das ungewisse Kleine.


    Was wollte es allgemein Vermitteln, eine Botschaft Vater Juppiters oder war es ein Fest der Natur? Warum begann es so plötzlich und entschwand, entglitt aus seinen Augen? Natürlich sehnte er sich nach Antworten, nach Antworten der Götter, welche doch meist stumm.
    Das Schauspiel ward vorüber und die Stille eingekehrt. Die Sonne jedoch entschwunden. Der Bann verflog.


    Zeigte der große Vater so Präsenz, seine starke Hand? Furianus würde am nächsten Morgen in den Tempel gehen, würde ihn um Rat fragen, ob er was falsch gemacht. Doch nun war seine Tunika von dem Nass durchtränkt, er vollends der Kälte nah. Ruhigen Schrittes und einem Lächeln auf dem Gesichte schritt er hinein und legte sich, nach dem abendlichen Ritual, in sein Bett. Dem Reiche des Morpheus war er nah und seine Gedanken, diese waren angereichtert von Fragen, bildeten den Rohstoff des unbegreiflichen Reiches dieses Mannes.

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