Mal wieder Kopfschmerzen

  • »Das bist du! Denn du überrascht mich!« sagte er ohne zu zögern und war sich dessen bewusst. Doch dann grinste er leicht schief. Er hatte ihre Mimik gesehen, als er gesprochen hatte und er glaubte, die Menschen ein wenig zu kennen. Er sah sie verschiedenen Gesichtszüge und versuchte sie zu deuten, doch es viel ihm heute sehr schwer, da siese Kopfschmerzen einfach nicht aufhörten.
    »Bei Falco würde ich nie geschlagen, das, was mir damals passierte, lag vor Rom ...« sagte er fast entschuldigend aber auch recht trocken und verächtlich, aber ihm lag daran, dass sie keinen falschen Eindruck seiner neuen Familie bekam.


    Auf das, was sie sagte, bezüglich seiner Ermittler-Tätigkeit hatte er nur wenige Worte: »Ich hoffe, ich werde meine Kunden zufriedenstellen.«


    Dann aber blieb er plötzlich direkt vor ihr stehen und blickte sie fest an. Ohne etwas zu sagen. Vielleicht mochte es aufdringlich wirken, er wuste es nicht. Und er selber wusste nicht, warum er es tat, aber ihm war danach. Aber er lächelte sie freundlich an und wirkte nicht bedrohlich.

  • Sie nickte zu seinen Worten, denn wenn er sagte, dass er bei den Didiern nie geschlagen worden war, musste es wohl stimmen. Er hatte schließlich auch keinen Grund zu lügen. Die schnelle Erwiederung zu ihrer stillen Herausforderung amüsierte sie, ließ sie etwas breiter lächeln, sodass ihr Gesichtsausdruck fast spitzbübisch wurde, die Augen schelmisch funkelten.
    Doch dieses Stehenbleiben und Betrachten - sie wurde aus diesem Mann einfach nicht schlau. Er schwankte so sehr zwischen Amüsement, Melancholie, Zorn, Stolz, dass sie sich immer wieder darüber wundern musste, wieviele seiner Gesichter sie innerhalb kürzester Zeit zu sehen bekam. Dennoch schien es nie, als würde er schauspielern oder sich in irgendeiner Weise untreu zu werden, er wirkte erstaunlich authentisch in dem, wie er war.


    So verharrte sie ebenfalls, den Blick erwiedernd - es musste recht seltsam wirken, und es gab so einige Passanten, die dieses ungleiche Paar misstrauisch beäugten, einige Träger fluchten sogar unverhohlen vor sich hin, weil sie mitten im Weg standen und den Verkehr aufhielten. Iulia Helena erwiedert das Lächeln des angehenden Ermittlers fast gelassen, die Haltung aufrecht, nicht aufreizend - vor Gabriel stand eine Frau, die selbstsicher genug war, um ihm nicht ausweichen zu müssen, die stolz genug war, sich für eine solche Musterung Zeit nehmen zu können. Erst nach einer Weile hob sich sehr langsam ihre linke Augenbraue an, fragend und amüsiert zugleich.

  • Gabriel war verwirrt. Das er Iulia so lange musterte, lag nicht etwa daran, dass er sie aufdringlich begutachten wollte, sondern schlicht daran, dass er gerade mal wieder einen Aussetzer hatte. Er hatte ihr etwas mitteilen wollen, von dem er nun keinen blassen Schimmer mehr hatte, was es war. Und weil die Situation so seltsam war und er überhaupt für diese Augenblicke nicht wusste, was gerade in seinem Kopf passierte, nämlich rein gar nichts, stand er viel länger als gewollt vor der Frau, welche stolz und selbstsicher dastand, gelassen lächelte und nun allmählich eine Augenbraue hob und fragend aber auch amüsiert zu ihm hochblickte.
    Sein Blick musste Bände sprechen. Sein Lächeln verschwand und er schien für einen Moment wie verloren da zu stehen, die Stirn gekräuselt, als würde er fieberhaft nachdenken, aber gleichzeitig auch unendlich verwirrt sein.
    Gabriel kam es wie eine Ewigkeit vor, bevor er sich plötzlich bewusst war, was geschehen war.


    Plötzlich rempelte ihn ein Hüne von Mann an, der sich von den zwei Gestalten, die mitten im Weg waren, gestört fühlte, schnauzte Gabriel kurz an: »Pass doch auf, Mann!!« Und ging dann seines Weges.
    Dieses kurze Anrempeln, war der Augenblick, wo Gabriel aus seiner Lethargie gerissen wurde.
    »Verzeih ...« stammelte er desorientiert und blickte betreten zu Iilia und dann zu Boden, fasste sich mit seiner Handfläche auf den Hinterkopf, als könne er mit dieser Geste seine hämmernden Kopfschmerzen vertreiben.
    »Ich ... weiss nicht, was in mich gefahren ist.«
    Schien er eben eine Ewigkeit entfernt gewesen zu sein, war er nun wieder voll und ganz im Hier und Jetzt, nur eben etwas entgeistert. Da er Iulia eine Entschuldigung schuldig war für sein seltsames Benehmen, sagte er: »Ich habe immer wieder so seltsame Aussetzer seit der schweren Kopfverletzung ...«

  • Dieser Mann erstaunte sie wirklich immer wieder - dieses lange Herumstehen und Anblicken hatte sie doch etwas aus dem Konzept gebracht, auch wenn sie es wohl nicht freiwillig zugegeben hätte. Dass er es dann mit einem Aussetzer seines Kopfes und einer alten Verwundung erklärte, war für sie sogar glaubhaft, sie hatte einige alte Soldaten erlebt, die eine ähnliche Verhaltensweise an den Tag gelegt hatten, nur dass es bei einem doch noch recht jugen Mann so etwas auch geben konnte, erstaunte sie.


    "Vielleicht sollten wir uns einfach ein wenig abseits dieser Massen begeben, und Du ruhst Dich ein wenig aus, bis Du wieder ganz bei Dir bist?" fragte sie freundlich und wies mit der Hand auf eine Ecke des Marktes, an dem nur einige sehr teure Stände zu finden waren, die demzufolge auch weniger frequentiert waren als jene mit der alltäglichen Billigware für die ärmeren Familien. Würde er ihr jetzt umkippen, würde sie ihn wohl kaum hochwuchten können, da war sich die Iulierin ziemlich sicher.

  • Gabriel nickte und ging dann in Richtung des Marktes mit ihr, wo nicht so viel los war. Es war ihm richtig unangenehm und so sagte er so fest, wie er konnte: »Aber ich halte dich nur auf, das war nun gar nicht meine Absicht ... und es geht eigentlich schon wieder. Das kommt immer nur Phasenweise.«
    Er seufzte. Er wollte Iulia wirklich nicht aufhalten, war sie doch eigentlich am Einkaufen.
    Außerdem ärgerten ihn seine Kopfschmerzen, denn da befand er sich in Gesellschaft einer interessanten Frau, die zudem noch hübsch und zugleich klug war, und er konnte sich so gar nicht richtig konzentrieren. Außerdem wollte er sich um sie kümmern und nun war es umgekehrt.
    »Ich denke, ich solle euch zu eurem Ziel begleiten ... « murmelte er dann noch.
    Die Teuren Auslagen der Stände, auf die sie nun zugingen, nahm er nicht wahr. Und den Mann, der sich seltsam verhalten hatte, war verschwunden. Zumindest hatte Gabriel ihn aus den Augen verloren.

  • "Mein Ziel ist heute nur die Curia," meinte sie lächelnd und achtete darauf, dass er gegen niemanden stieß oder stolperte, während sie gingen. "Und bis dort ist der Weg nicht mehr sehr weit. Den werde ich sicher auch ohne Dich schaffen, Gabriel, ich denke vielmehr, dass Du Dich zur castra vigilum zurück begeben solltest, um zu ruhen. Die direkte Sonne ist bei solchen alten Verletzungen am Kopf nicht gut, damit strengst Du Dich nur noch mehr an, als es Dir guttun kann. Vielleicht hilf Dir ja auch ein wenig Schlaf, dich wieder besser zu fühlen, und dann sieht alles ganz anders aus."


    Für einen Moment lang hätte sie fast gelacht, denn wenn sie sich selbst so zuhörte, klang sie verdächtig nach Iulia Atia, ihrer Mutter, die sich oft genug um ihre wilden Kinder hatte Sorgen machen müssen. Entweder gelang es Constantius, sich Arme und Beine an irgendwelchen Steinen aufzuschlagen, oder sie selbst war zu wild auf einen Baum geklettert und mit einer in Fetzen hängenden Tunika zur Mutter zurückgekehrt. "Meinst Du, Du schaffst den Weg zur castra alleine? Ansonsten würde ich dafür sorgen, dass Du Begleitung hast."

  • Gabriel wollte sich zusammenreissen und tat es auch. Er schüttelte den Kopf und spannte ein wenig seine Brust an. »Ich danke dir, aber erst bringe ich dich sicher an dein Ziel. Danach kann ich immer noch ruhen. Das wäre ja gelacht, wenn ich dem nicht trotzen würde!« Seine Stimme klang richtig gehend trotzig, als er dies so sagte. Er lachte und Iulia konnte bemerkten, dass er sich nun ziemlich zusammenriß.


    »Aber dennoch vielen Dank für deine Sorge, aber bin ich Vigil oder eine Mimose?« Er grinste breit. Nein, er würde sich von seinem Kopfschmerz nicht kleinkriegen lassen. Stattdessen bot er nun Iulia höflich seinen Arm an. Vielleicht eine zu vertraute Geste, er würde sehen. Aber ihr Zusammentreffen war eben auch nicht gewöhnlich.
    »Also? Wo müssen wir lang?« Er hob nun eine Augenbraue und schaute sie gespielt stolz an, während ein schelmischer Ausdruck auf seinem Gesicht lag.

  • "Wie Du meinst," sagte sie lächelnd, wenngleich ein nachdenklicher Blick auf ihm ruhen blieb. Sachte berührte sie seinen Ellenbogen mit den Fingerspitzen, als hätte sei die Geste nicht erkannt und würde ihn in die richtige Richtung dirigieren, um dann an seiner Seite die Stände entlang zu schreiten. Ihm jetzt schon die Hand auf den Unterarm zu legen war eindeutig viel zu vertraulich, und von solchen Gesten nahm sie in der Öffentlichkeit auch zumeist Abstand, wenn es sich nicht gerade um ihren Bruder handelte.


    Neulich nachts hattest Du aber nicht so viele Vorbehalte, sagte eine leise, neckende Stimme in ihrem Hinterkopf, aber sie zog es vor, nicht darauf allzu sehr einzugehen. Das Gespräch mit dem Tribun war gänzlich anderer Natur gewesen als jenes hier, es ließ sich kaum wirklich vergleichen, wenn man von der Tatsache absah, dass es sich beide Male um eine Unterhaltung gehandelt hatte.


    Gemächlich schritten die beiden nun in Richtung der Curie, immer wieder anderen Passanten oder Händlern ausweichend, die zu den Ständen drängten, während Iulia Helena immer wieder einen Blick auf Gabriel warf, sich seines Zustandes versichernd. "Eine Mimose scheinst Du jedenfalls nicht zu sein, ich habe schon weitaus stärkere Männer sich nach einem solchen Angriff nicht mehr so schnell erheben sehen," versetzte sie schließlich mit einem Schmunzeln.

  • Gabriel hatte eigentlich auch nicht erwartet, das Iulia seinen Arm an nahm. Aber er war dann wohl doch nicht so ganz gewöhnt mit solch hohen Damen zu verkehren und so kannte er auch nicht alle Umgangsformen. Er hatte höflich sein wollen, stattdessen war es eine wohl zu vertraute Geste gewesen.
    Naja, das machte ja alles nichts, denn Iulia lächelte ihn weiterhin freundlich an und führte ihn sacht am Ellenbogen die Stände entlang.


    So freundlich diese Geste nun aber auch gemeint war, so löste er sich vorsichtig von ihren Fingern, denn es war ihm nun selber ein wenig unangenehm, von ihr dirigiert zu werden auf diese Weise. Doch nun ging er mit ihr weiter und blickte kurz zu ihr. Ihr Schmunzeln war einmalig, wie er feststellen musste.


    Und so drängten sie sich an den Menschen vorbei, obwohl es hier nicht ganz so voll war. Und langsam liessen sogar seine Kopfschmerzen nach. Würde er Iulia wieder sehen? Nur warum sollte sie? Es war einfach der Zufall, der sie zueinander geführt hatte und es gab keinen Grund, sich einmal zu verabreden.
    Auch wenn Gabriel sich oft nicht darum kümmerte, das er nur ein Libertus war, so war er es nun einmal und sie wusste es.


    »Nun, ich habe gelernt, viel in meinem Leben einzustecken. Was dich nicht umbringt, macht dich härter!« lachte er plötzlich vergnügt. Eigentlich war es nämlich ein herrlicher Tag, außer dem schmerzhaften Zwischenfall. Aber der Schmerz war ja sozusagen zu einem guten Zweck gewesen. Er zwinkerte Iulia fröhlich zu.

  • Sie verließen den überdachten Teil des Marktes und traten nun in den hellen Sonnenschein hinaus, der einen weiteren, fast wolkenlosen Tag verkündete. Sofort umgab beide die drückende Hitze der fast vollständig gepflasterten Stadt Rom, die so überwältigend schien wie eine sehr feste Umarmung. Manchmal konnte man sich fast fühlen, als würde man direkt in einen offenen Backofen treten.


    "Ich hoffe dennoch für Dich, dass Dir so etwas nicht jeden Tag passiert," meinte sie lächelnd und betrachtete ihn fast amüsiert von der Seite. "Es wäre nämlich schade um einen so hilfsbereiten und stolzen vigil mit interessanten Zukunftsaussichten." Vergnügt schritt sie aus und zupfte die Palla etwas zurecht, sodass die Hitze darunter nicht zu drückend wurde. Warum musste es ausgerechnet heute so warm sein? Sie würde völlig verschwitzt in der Curie ankommen, und unter den ganzen Patriziern sicher noch unangenehm auffallen. "Warst Du schon einmal in der Curie?"

  • Gabriel grinste leicht schmelmisch, um seine Verlegenheit wegen des Komplimentes auch ein wenig zu überspielen.
    »Nein, jeden Tag passiert mir das nicht, nur jeden zweiten ...« Es klang deutlich als Scherz und er lachte vergnügt.
    Das es ihn in Zukunft durch einen ehemaligen Kumpel schwer erwischen würde, ahnte er natürlich nicht.


    Dann richtete er seinen Blick gerade aus und sah sich ein wenig suchend um. »Nun, soviel ich weiss, nicht unbedingt. Ich war mal für Falco Botengänge zur Verwaltung machen, aber das war es dann auch schon« antwortete er.

  • "Na, da hast Du nichts verpasst - ich hätte mich heute morgen wegen der vielen Officien fast darin verlaufen. Welcher der Götter uns Römern auch immer eingegeben haben mag, dass man Häuser mit vielen Räumen bauen soll, ab und an hätte ich nicht übel Lust, seine Altäre niederzureißen," scherzte sie vergnügt und wusste natürlich, dass es eine solche direkte Weisung eines Gottes nie gegeben hatte - eine direkte Lästerung hätte sie nie ausgesprochen. In der Vielgötterwelt der römischen Mythologie musste man stets vorsichtig mit dem sein, was man sagte.


    "Wo verbringt ein Vigil eigentlich seine Freizeit?" fragte sie unvermittelt, als sie eine größere Menschentraube passiert hatten und wieder etwas mehr freie Luft zum Atmen und Ausschreiten zur Verfügung stand. "Ich meine, mein Bruder sitzt dann meist zuhause, wenn sein Dienst beendet ist, irgend etwas müssen junge Männer in Rom doch mit ihrer Freizeit anstellen können?"

  • Gabriel schaute Iulia mit einer hochgezogenen Augenbraue an, als sie das mit dem Altar niederreißen sagte, doch er grinste. Es war eine lustige Vorstellung, als er sich vorstellte, wie Iulia dies tat. Aber ihm war schon klar, dass sie dies im Cherz meinte. Allerdings hätte er als Libertus so etwas vor den falschen Leuten ausgesprochen, so war er sich gewiss, dass man ihn deswegen eine Klage wegen Gotteslästerung anhängen würde.


    »Ja, ja, die Gebäude Roms: Ein ewiger Irrgarten.«


    Auf ihre Frage der Freizeit betreffend, musste Gabriel kurz überlegen.
    »Nun ...« begann er und kratzte sich am Kopf, während er wieder nach vorne schaute. »Es wird dir sicher langweilen. Aber so richtig viel mache ich nicht in meiner Freizeit. Ich besuche manchmal Tavernen und dann rette ich Frauen!« Er lachte, weil er an die Szene mit Medeia denken musste, wegen der er sich geprügelt hatte, als ein Mann recht ungehalten ihr gegenüber war.

  • "Hm," sagte sie und gab sich keine Mühe, ihr Seufzen zu unterdrücken. So leicht würde es also nicht werden, Constantius passende Möglichkeiten der Freizeitbeschäftigung vorzuschlagen.


    "Weisst Du, mein Bruder ist nicht gerade der große Ausgeher und wenn er sich in eine Taverne begibt, dann allerhöchstens, um etwas zu essen. Ich möchte nicht, dass er ewig in der castra oder der casa versauert, er ist noch so jung und sollte nicht diese Jahre verplempern, die einem jungen Mann die aufregendsten Abenteuer verspricht. Ich hatte wirklich gehofft, Du könntest mir vielleicht den ein oder anderen Hinweis geben, womit man sich hier als Mann in Rom beschäftigen kann, ohne ins Lupanar zu gehen oder den ganzen Tag nur zu trinken." Eine weitere Gruppe an Bürgern kam ihnen entgegen, aber da sie beide diese Leute schon hatten kommen sehen, war es nicht schwer, ihnen auszuweichen.


    "Frauen zu retten ist, glaube ich, eher eine Sache, die ein bisschen kompliziert werden würde - wo kriegt man denn bitte jeden Tag Frauen in Schwierigkeiten her?" Dieser Gedanke ließ sie leise auflachen, dann schüttelte sie wieder den Kopf. Irgend etwas musste man in einer so großen Stadt doch unternehmen können, ohne gleich bei den Lupae zu landen.

  • Wieder kratzte sich Gabriel am Kopf und grinste breit. »Ich gebe zu, dass ich noch nicht so ewig hier in Rom bin. Und als Sklave hatte ich zwar auch Freizeit, aber kaum Geld. Und ich bin recht genügsam. Entschuldige, wenn ich da enttäuschen muss, was die Freizeit angeht. Als ich Libertus wurde, genoss ich erst einmal meine Freiheit. Erst in der letzten Zeit habe ich mal ein paar Menschen näher kennen gelernt, wovon ich manche auch besuche. Naja, und dann war ich lange krankgeschrieben, da war eh nicht viel mit mir anzufangen. «


    Er blickte Iulia an. Ja, sie hatte vorhin schon von ihrem Bruder gesprochen. Doch auf Grund seiner Kopfschmerzen erinnerte er sich nun nicht mehr genau. Verdammt, das musste doch mal wieder weggehen, wie sollte er denn mit diesen Erinnerungslücken anständig einer Arbeit nachgehen. Gerade als Vigil oder angehender Ermittler war doch ein klares Erinnerungsvermögen von grosser Bedeutung.
    »Ist dein Bruder ein Vigil? Vielleicht kenne ich ihn ja?« Doch er erinnerte sich gerade an keinen mit dem Namen Constantinus.
    »Und ich gebe dir Recht, in einem Lupanar war ich nie und dort treibt mich auch nichts hin. Aber vielleicht interessiert er sich für Wagenrennen? Gladiatorenkämpfe oder für das Theater?«
    Interessiert blickte er die Frau neben sich an, als sie weiter ihres Weges gingen. Hier lichteten sich die Menschenmassen endlich ein wenig.


    »Und was das Retten von Frauen angeht ... naja, es ist mir nur einmal passiert!« Er lachte. »Und auch da habe ich mir eine blutige Nase geholt.« An das Attentat an Medeia wollte er lieber nicht denken, denn er ärgerte sich maßlos, den Täter nicht gefasst zu haben.

  • "Er ist bei den cohortes urbanae und hat leider auch nicht so viel Freizeit, wie ich es ihm wünschen würde. Gerade deswegen wäre mir viel daran gelegen, dass er sich da nicht nur in irgendeiner dunklen Stube verkriegt, denn das hat er eigentlich gar nicht nötig ..." Ihre Gedanken verloren sich ein wenig, denn ihr war sehr wohl klar, wieso er die Öffentlichkeit immer wieder zu meiden schien. Es lag an Samira, der er noch immer nachtrauerte - manchmal fragte sie sich, ob es richtig gewesen war, eine Lupa für ihn zu kaufen, und ob sie seinen Kummer nicht hätte verhindern können. Aber sie wusste es nicht, denn wenn sie dies nicht getan hätte, hätte er sich vielleicht irgendwann in eine vollkommen unpassende Frau verliebt ... ach, es war alles nicht so einfach mit der Liebe. Könnte man ganz darauf verzichten, wäre das Leben sicher einfacher, aber auch deutlich langweiliger.


    Nun tauchte das Gebäude der Curie bereits in Sichtweite auf, ein deutliches Zeichen für das nahende Ende des Spaziergangs. "Na, wenn Du jedes Mal für die Rettung einer Frau derartig einstecken müsstest, wäre das auch auf Dauer sicher keine gute Freizeitbeschäftigung. Zumindest kannst Du nun mit Stolz sagen, dass Du ein zweites Mal einer Frau geholfen hast, und auch, dass Dir dafür die Dankbarkeit dieser Frau gilt. Du hast etwas gut bei mir ... und wir Iulier bezahlen stets unsere Schulden, auch wenn dies nicht in Münzen aufgerechnet werden kann. Solltest Du jemals Hilfe brauchen, erinnere Dich an unser Gespräch." In diesem Moment stand nicht nur eine Frau vor ihm, sondern auch die stolze Nachfahrin einer alten Familie mit einer nicht zu übersehenden Tradition, die ihr Wort genau so meinte, wie sie es ausgesprochen hatte.

  • Gabriel musste nun sehr grinsen, als er ihre letzten Worte vernahm, was die Rettung der Frauen anging. Dann wurde er etwas ernster, als sie ihm ihre Hilfe anbot und er etwas bei ihr gut hatte. Er lehnte dies auch nicht ab, denn das wäre unhöflich gewesen. Zu ihren Bruder konnte er nicht mehr viel sagen, da er ihn auch nicht kannte und nicht wusste wo seine Interessen lagen.


    Sie waren nun vor dem Gebäude stehen geblieben, in welches Iulia gleich verschwinden würde. »Ich danke dir sehr, Iulia!« sagte er freundlich und blickte sie an. In ihrem Gesicht konnte er Stolz und Aufrichtigkeit sehen. Dann deutete er eine Verbeugung an und sprach: »Es war mir eine Ehre und wer weiss, vielleicht komme ich dich einmal besuchen, wenn ich Hilfe brauche! Pass auf dich auf und viel Erfolg bei der Arbeit!«


    Er blickte Iulia, die viel kleiner war als er, freundlich an und ihm fiel auf, dass er das Zusammentreffen sehr interessant fand, mal von dem kleinen Zwischenfall am Anfang abgesehen. Vielleicht war es ihre Freundlichkeit und die Art, wie sie entspannt und ohne arrogant zu sein, mit ihm umging, denn das tat nicht jeder Mensch ihres Standes.

  • "Es würde mich freuen, dieses Gespräch fortsetzen zu können, sobald es Dir besser geht, Gabriel," erwiederte sie mit einem freundlichen Lächeln. "Versprich mir, dass Du nun wirklich zur castra zurückkehrst und Dich etwas ausruhst, ja? Bei dieser Hitze solltest Du wirklich nicht zu viel Zeit an der prallen Sonne verbringen, das kann Dir nicht auf Dauer guttun."


    Eine Weile lang betrachtete sie den Vigil prüfend, und auch mit einem gewissen Ausdruck der Sorge im Blick. Er war zwar ein vollkommen Fremder, aber die Tatsache, dass er ihr geholfen hatte, würde sie ihm nicht vergessen. Er sollte sich schließlich nicht seine Gesundheit bis zu dem Zeitpunkt ruinieren, bis zu dem sie ihm seine Hilfe wieder zurückgezahlt hatte - bei dem Gedanken, wie egoistisch diese Einlassung klingen musste, lächelte sie etwas, aber letztendlich war es so. Ihr Vater hatte sie so erzogen, und so würde sie wohl nie aufhören können zu denken.


    "Und solltest Du einmal nach Ostia kommen, scheue Dich nicht, mich zu besuchen, die Curia Ostia ist recht leicht zu finden, jeder wird sie Dir weisen können," fügte sie noch lächelnd an und neigte den Kopf zu ihm, bevor sie sich umwandte. "Vale bene, Gabriel!" Mit diesem Gruß betrat sie das Gebäude und wurde recht schnell vom darin herrschenden, kühlen Schatten verschluckt.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!