[Cubiculum] Iulia Livilla

  • Ruhig erhob sich Helena, und auch wenn sie die Angst ihrer Cousine nicht nachempfinden konnte, so vermochte sie diese doch zumindest zu verstehen. Und so erhob sie sich, schritt zur Türe und setzte so zumindest ein stilles, körperliches Zeichen, dass zwischen Livilla und einem möglichen Angreifer noch immer sie stehen würde und nicht gewillt war, einen Fremden zu ihrer Verwandten zu lassen. "Ich glaube nicht, dass Wonga einen Menschen ins Haus lassen würde, der hier nicht hingehört, aber ich werde nachsehen, einverstanden?"


    Diesmal sprach nicht mehr nur eine Frau mit Livilla, die versuchte, sie zu trösten - diesmal stand eine Offizierswitwe vor ihrer Cousine, die lange genug in einem castellum gelebt hatte, um einem Mann furchtlos entgegen zu treten und ihm zumindest gewaltige Schmerzen zu verursachen, bevor sie sich geschlagen geben würde. Fragend blickte sie zu Livilla, wohl deren Antwort abwartend, bevor sie die Türe öffnen würde.

  • Wollte ich mich doch noch einen Schritt auf Helena zubewegen, zögerte ich dennoch und mein Blick fixierte nur noch die Türe. Die Schritte schienen kurz anzuhalten, setzten aber dennoch in Richtung dieses Raumes fort. Immerhin stand fest, das sich diese Person auf dem Flur befand. Sie kamen immer näher und so nickte ich Helena heftig bejahend zu, das sie disem Vorschlag doch ausführen möchte.


    Nicht einmal ihre Ruhe schien ich zu registieren, so sehr konzentrierte ich mich auf die Schritte. Sicherlich lies Wonga keinen Fremden passieren, doch immerhin hatte der Täter auch Secundus überwältigt um sich den Weg zu mir zu verschaffen. Innerlich glaubte ich auch das es Constantius war, aber ich benötigte eine Bestätigung. So erwartete ich mit Aufregung wie sich Helena der Türe zuwandt.

  • "Dann warte hier, Livilla," sagte Helena sanft, aber bestimmt, bevor sie die Türe öffnete und hinaus trat, um sich auf dem Flur umzublicken. Wer auch immer die Casa betreten hatte, sie würde ihn zweifelsohne sehen, das Haus war schließlich nicht groß genug, dass ein Besucher einfach verloren ging oder sich verstecken konnte. Aber eigentlich war sie sich recht sicher, dass es Constantius war, sie kannte seinen Schritt gut genug dafür. Vor allem diesen etwas müde wirkenden Schritt, der nach vielen Stunden des Laufens in der Stadt zustande kam, wenn sich jede Faser seines Körpers eigentlich nach dem Bett und etwas Entspannung sehnte.
    "Constantius?"

  • Die Schritte waren schwer. Der Körper entkräftet.
    Die Müdigkeit stand dem jungen Mann förmlich ins Gesicht geschrieben, als er die Stufen hinaufstieg, die zu dem Flur führten, an dessem Ende sein eigenes Cubiculum lag. Ein kleiner Raum, der alleine ihm gehörte und wie ein ein sicherer Hafen in der rauen See der täglichen Uwägbarkeiten erschien. Manchmal spielte Constantius mit dem Gedanken, den Raum eine Weile nicht mehr zu verlassen, doch die Pflicht rief ihn jeden Tag aufs neue in das raue Leben zurück.
    An heutigen Abend - oder war es schon eher der nächste Morgen- wollte er jedoch vorher nach Livilla sehen. Er war sich nicht sicher, ob sie ihn würde sehen wollen. So angstvoll hatte sie ihn wenige Stunden zuvor noch angesehen. Doch es war dem Iulier ein inneres Bedürfnis sich ein Bild über ihren gegenwärtigen Zustand zu machen.


    Kam er sonst in ziviler kleidung heim, sollte er heute immer noch seine Uniform tragen. Selbst den Waffengurt hatte er heute nicht abgelegt. Im Zwielicht, das im Flur vorherrschte, war zum Glück nicht der Dreck zu erkennen, der die Uniform unschön verunstaltete.
    Er ging ruhigen Schrittes den Flur entlang, auf das cubiculum seiner Cousine zu, als eine Stimme ihn aus seinen Gedanken riß. Nicht weit entfernt erkannte er die vertraute Silhouette seiner Schwester.


    „Ja Helena. Ich bin es. Wie geht es ihr?“

  • Er war es - der letzte Zweifel wurde durch den vertrauten Klang der Stimme ausgeräumt, und sie atmete merklich auf. Warum hatte sie eigentlich Angst gehabt? Es war dumm zu glauben, dass ein Feind an Wonga vorbei gekommen wäre, der Nubier hatte ihr seine Kampfkraft schon früher bewiesen und ihr Vertrauen damit erworben. Langsam trat sie näher zu Constantius und betrachtete ihn ihm Zwielicht des Ganges, bevor sie ihm leise antwortete:
    "Sie ist ziemlich durcheinander, aber nach einem solchen Abend darf das nicht erstaunen. Ich denke, es würde sie beruhigen, wenn sie Dich sehen würde, Caius, auch wenn ich fast befürchte, dass sie heute nacht nicht von alleine den Schlaf finden wird." Sie klang sorgenvoll, fast ebenso müde, wie er sich fühlen mochte, und tatsächlich fühlte sie sich fast hilflos. Livillas leidenschaftliche und gleichzeitig kalte Selbstanklage hatte sie tiefer erschüttert, als sie es zugeben wollte.

  • Die Antwort seiner Schwester überraschte ihn keineswegs. Er glaubte selbst kaum daran, dass er trotz seiner Müdigkeit noch etwas Schlaf finden würde, auch wenn er in wenigen Stunden bereits auf dem Apellplatz wieder antreten werden müsste. Aus matten Augen glitt sein Blick musternd über das Antlitz seiner Schwester. Sie wirkte Müde und nicht minder erschüttert. Hätte er diesem Kerl doch nur den Hals gebrochen, als er die Gelegenheit dazu gehabt hatte…
    Trotz der schweren Gedanken entbehrte seine Stimme weitesgehend ihrer Härte.


    „Ich werde nach ihr sehen, Helena.“, er kämpfte sich ein leichtes Lächeln ab.
    „Versuch noch etwas Schlaf zu finden. Du wirst morgen einen weiteren anstrengenden Tag haben und brauchst deine Kraft.“


    Er machte einen Schritt auf sie zu, legte kurz seine freie rechte Hand auf ihre Schulter und gab ihr einen flüchtigen Kuss auf ihre Wange.
    „Heute Nacht wird niemanden mehr etwas geschehen. Leg dich zur Ruhe, Helena. Ich werde später in meinem cubiculum sein.“


    Er wusste, dass seine Schwester stark war und fügte nicht an, dass sie ihn jederzeit würde aufsuchen können, sollte sie etwas bedrücken. Doch ebenso wie er wusste, dass es sich bei seiner Schwester um eine starke Frau handelte, vertraute er darauf, dass sie auch ohne Worte wusste, dass sie jederzeit zu ihm kommen könnte.


    Das Gladius an seiner linken Hüfte gab bei jedem weiteren Schritt ein leises aber beständiges Klappern von sich, als er schließlich weiter auf die Tür zu Livillas Zimmer zu ging.


    Vorsichtig klopft er an die hölzerne Tür.


    „Livilla. Ich bin es, Caius. Darf ich eintreten?“

  • Die geschlossene Türe, minderte meine Angst nicht, ganz im Gegenteil sie stieg dabei sogar an. Ich fühlte mich eingesperrt in einen Raum ohne einen Fluchtweg und jeder der ihn betrat, konnte die Türe hinter sich schließen und niemand würde erfahren, was genau im innern geschehen würde. So verweilte ich weiter in der Mitte des Raumes, blickte dabei immernoch zur Türe und konzentrierte mich auf jedes Geräusch von drausen. Erkannte ich Helenas Stimme, doch konnte ich nicht genau feststellen, wem die Stimme des anderen gehörte. Bis sie auf einmal erstarb und ich dieses verdächtige Scheppern wieder vernahm, das ich schon vor der Casa hörte.


    Rückwärts näherte ich mich daher immer mehr dem Fenster zu, als das Geräusch immer lauter wurde. Wieso kam Helena nicht zurück? Sofort blickte ich zu einem kleinem Tischchen und suchte dort noch einem brauchbaren Gegenstand, eine Art Waffe. Doch nichts spitziges erspäte ich, außer einer harten Schüssel die noch mit Wasser gefüllt war und eine Vase in der eine rosane Lilie steckte. Eben wollte ich auf den Tisch zugehen, da klang endliche eine Stimme durch die Tür und mein Herz machte einen Sprung.


    "Caius? Bist du es wirklich?", antwortete ich ihm mit einer zittrigen Stimme und eilte zur Türe. Sicherlich es war risikant sie jetzt zu öffenen, aber konnte ich mich doch so nicht geirrt haben. Langsam öffnete ich sie einen winzigen Spalt.

  • Das Licht, dass mühsam durch den schmalen Türspalt fiehl, sollte nicht völlig ausreichen, um das Gesicht Constantius vollständig ausleuchten zu können. Doch reichte es seine Gesichtzüge, die vorhin noch im Zwielicht verborgen waren, vertraut, erkennbar werden zu lassen. Vielleicht konnte man sogar ein schwaches, mitfühlendes Lächeln auf seinem Gesicht erkennen.


    Mit ruhiger Stimme antwortete er auf ihre ängstliche Frage.


    „Ja ich bin es Livilla. Habe keine Angst. Dir kann nichts mehr passieren.
    Wie fühlst du dich? Darf ich einen Moment eintreten?“

  • Helena nickte still zu den Worten ihres Bruders, aber sie wollte mit ihrem Rückzug warten, bis sie sicher sein konnte, dass Livilla nicht vor Angst in ihrem cubiculum vergehen würde, bis sie Constantius erkannt hatte. Und dann galt es schließlich auch noch dafür zu sorgen, dass ihre Cousine einen guten Schlaftrank erhielt - mit einem Mal schien das beschauliche, fast ruhige Dasein der Iulier in Rom auf eine Weise durcheinander gewirbelt, der sie kaum wirklich folgen konnte. Aber es war nun einmal geschehen, nun mussten sie mit den Folgen klarkommen.


    "Ich komme gleich wieder, Constantius - und, Livilla: Er ist es. Du musst Dich nicht fürchten!" sagte sie deutlich lauter, damit die junge Frau im Inneren des Raumes sie auch hören konnte. Dennoch ahnte sie, dass auch ihre Worte an der Furcht Livillas nicht viel würden ändern können. Vielleicht würde aber Constantius' Beistand ein wenig die Folgen zu lindern wissen, die dieser Abend an Schmerz und Unsicherheit hinterlassen hatte. Und sie würde herausfinden müssen, wo Secundus Mela untergebracht war ... viel zu tun, wieder einmal.

  • Langsam öffnete ich die Türe weiter und gewährte dadurch Constantius den erhofften Einblick in mein Zimmer. Ich stand ihm gegenüber, doch kein Lächeln war zu erkennen, keine einzige Regung auf meinen Gesicht, als war mir es nun gleich wer vor der Türe stand, wenn es nur nicht dieser Widerling war.


    "Ich halte dich nicht auf, trete ruhig ein.", antworte ich ihm erst ruhig, doch die brennende Frage, ob dieses Scheusal tot war oder nicht, ich musste es wissen und so ging ich einen Schritt auf Constantius zu.


    "Hat er es überlebt? Oder ist er jämmerlich innerlich verblutet?" Der Schmerz war wieder in meinen Augen zu erkennen, der Hass spornte mich an, solche schrecklichen Worte von mir zu geben. Doch der Hass wurde von der Angst begeleitet, die mich vollkommen schwächte. Wie sollte ich jemals gegen sie ankommen? Daher fixierte ich Constantius Augen, beobachtete jede Regung von ihm, wie er auf diese Frage reagierte. Doch mein eigener Blick hatte nichts mehr von dem, an meiner Ankuft oder auf dem Quirinal.

  • Auf dem Weg in die Casa hatte sich Constantius vorzustellen versucht, wie es Livilla wohl gehen würde. Doch was er nun durch die sich langsam öffnende Tür zu Gesicht bekam, übertraf seine schlimmsten Befürchtungen.


    Sie trug nicht mehr das erfreute Lächeln auf den Lippen, dass sie oft offenbart hatte, wenn er heim gekehrt war. Nein heute schien es ihr förmlich egal zu sein ihn zu sehen.


    Sorgenvoll blieb sein Blick auf Livilla gerichtet, als sie ihm Zutritt zu ihrem Zimmer gewährte.


    „Wenn du Petronius Mela meinst, ja er hat überlebt. Der Medicus der Cohortes urbanae versorgt ihn und er wird ein paar Tage im Lazarett in der Kaserne verbringen müssen. Er hat viel Blut verloren.“


    Dann hielt er kurz inne und gewährte sich einen Moment der Stille. Einen Moment, in dem er Livilla ebenso still betrachtete.


    „Und wenn du den Angreifer meinst, auch er lebt, doch sitzt er nun hinter Gittern. Bewacht von einer Cohorte Soldaten. Er wird dir nichts mehr tun können. Ihm wird seine gerechte Strafe zuteil werden.“


    Er ging einen kleinen Schritt auf sie zu und ließ seine Stimme weiche erklingen.


    „Wie fühlst du dich Livilla?“

  • Nach dem ich endlich eine Antwort von ihm gekam, atmete ich nicht gerade erleichert aus. Beide leben, auch dieser Mann, der mein Leben zerstört hatte. Wieso hatten die Götter erbarmen mit ihm, was war schon eine Zelle für ihn, in der er saß, er hatte immerhin seine Rache ausgeübt, zwar nicht körperlich, aber seelisch. Mir war bewusst, das nun das nächste Verhör beginnen würde, wie viele werde ich wohl noch überstehen müssen. Konnte man es nicht in einen Brief verfassen und ihn jedem überreichen? Dies war wohl kaum möglich, denn meine Gefühle konnte man nicht in Worte fassen, nur ein Blick von mir reichte um meinen Zustand zu erkennen.


    "Secundus Mela lebt! Die Götter hatten einsehen mit mir, sonst hätte ich zwei Familien zerstört.", fügte ich leise Constantius Worte zu und regte mich immer noch nicht. Kaum dachte ich in den letzten Momenten an ihn immerhin war er mein Retter, doch wenn es eine Strafe war, das ich diesen Fremden begnete, vielleicht war es auch im Sinn der Götter, mich noch mehr zu quälen, doch Mela konnte mich vor dieser Bestrafung bewahren, als er den Täter neiderschlug. Wie war es nur möglich, das mir so etwas navies in den Kopf kam?


    "Als ich die Casa erreicht hatte, fühlte ich gar nichts, doch jetzt scheint es mir schon besser zu gehen, immerhin bin ich jetzt in Sicherheit und du und Helena ihr seid auch hier. Glaub mir es geht mir schon besser."


    Keines dieser Worte kam glaubwürde über meine Lippen, doch wollte ich mich aufmuntern, mich motivieren, es musste doch noch etwas von dieser Freude existieren, mit der ich durchs Leben ging.

  • Constantius, den man gewiss nicht als sehr redseligen Mann umschreiben würde, tat das, was er am besten konnte, er schwieg einen Augenblick lang. In seiner Rolle als stiller Beobachter, fühlte er sich weitaus wohler, als die Position eines aktiven Gesprächsführers einnehmen zu müssen. Auch wenn das Schweigen so einfach erschein, war ihm durchaus bewusst, dass er Livilla so nicht helfen konnte. Doch ihr Blick ließ ihn noch einen weiteren Augenblick lang still neben ihr stehen.


    „Du hast keine Familie zerstört. Und schon gar nicht hättest du zwei Familien zerstört Livilla. Welcher Familie solltest du Schaden zufügen? Das was heute geschehen ist, war niemals deine Schuld und wird niemals deine Schuld sein.“


    Er trat ein Stück näher an sie heran und umschloss ihre Hand mit der seinen. Blickte sie still und sorgenvoll an. Ihr Worte schienen ihn keineswegs beruhigt zu haben.

  • Innerlich wütete die Wut in mir, da Helena und Constantius versuchten, mir keinerlei Schuld zu zuweisen, doch war mir klar, das schon der erste Fehler begangen worden ist, als ich die Casa alleine verlassen hatte. Wusste ich damals nicht warum ich überhaupt diesen Treffen zustimmte, war es mir nun klar oder redete ich mir eben ein, das ich es aus Spaß und Vergnügen hat oder um Secundus förmlich zappeln zu lassen, bevor ich seine Bitte trotzdem ablehne. So suchte ich nach Worten um mir wenigstens eine Teilschuld anzuhängen und da Helena nicht mehr im Raum war, konnte ich daher auch ganz offen zu ihm sein, ohne zurückhaltend zu wirken.


    Caius! Es ist meine Schuld, denn ich denke nur an mich. Dieser Vorfall war meine Strafe für Feigheit, Ungehorsam, Naivität und Eitelkeit. Ich habe nichts anderes verdient. Wieso versteht ihr mich nur nicht?"


    Erst wollte ich von Constantius weichen, als er näher kam und seine Hand um die meinige schloss, doch war er sicherlich zu stark und würde mich zurückhalten. Gewalt wollte ich jetzt gerade am wenigsten spüren. Als ich das erste mal, genau in Constantius Augen blickte, errötete sich leicht mein Gesicht, da ich die Wahrheit sprach.

  • Obwohl Constantius sicherlich Livilla ohne größere Probleme hätte festhalten können, war seine Hand so sachte um die ihre gelegt, dass nur eine schwache Bewegung ihrerseits ausgereicht hätte, um sich zu befreien.
    Als die Berührung seiner Hand in ihren Augen keinerlei Reaktion erkennen ließ, ihre Körpersprache diese Berührung sogar ablehnte, ließ er sie kurz darauf wieder los.
    Unschlüssig über eine richtige Reaktion lauschte er ihren Worten. Hörte genau hin, als sie sich erneut die Schuld zuwies. Und erst als sie geendet hatte, wandte er sich von ihr ab, ging die wenigen Schritte zum Fenster und verharrte dort erneut. Wie still es doch manchmal in Rom sein konnte. Und warum war es dann so still, wenn Stille genau das Falsche war? Wieso schien alles um einen herum zu verstummen, wenn man es sich am wenigsten wünschte? Constantius seufzte und atmete daraufhin tief ein. Zog die kühlere Nachtluft ein und behielt sie einen Moment in den Lungen. Der junge Iulier war ratlos, vielleicht auch etwas hilflos. Doch er hatte keine Hilfe zu erwarten, weder sein eigener Vater, noch sein Onkel waren anwesend. Er war der einzige Mann im Hause, nun sollte er sich auch wie dieser verhalten.
    Zunächst richtete sich sein Blick alleine durch die Drehung seines Kopfes auf Livilla. Sein Gesicht war ernst und die Augen verengt. Ein Wenig später, drehte er sich mit dem gesamten Körper zu ihr. Seine Stimme klang nun deutlich härter und kühler.


    „Du siehst diesen Vorfall als deine Strafe für Feigheit, Ungehorsam, Naivität und Eitelkeit an? Du denkst die Götter hätten dich für alle diese Fehlverhalten derart bestraft?“


    Er verschränkte die Arme vor der Brust und in seinen Augen flammte das Temperament eines Iuliers auf.


    „Wer bist du Iulia Livilla, dass du glaubst, dass die Götter dich derart bestrafen würden? Männer wurden wegen Feigheit zu ewiger Pein in der Unterwelt verdammt. Frauen wurden wegen übertriebener Eitelkeit mit abscheulichen Krankheiten bestraft und Ungehorsam wurde nicht selten selbst durch den Göttervater durch einen wütenden Blitz geahndet. Ich weiß nicht, warum du dich der Eitelkeit und der Naivität bezeichnest. Aber Ungehorsam warst du in der Tat. Helena hat dich über die Regeln in diesem Haus aufgeklärt. Vielleicht hat sie sich falsch ausgedrückt, aber soweit ich weiß, solltest du das Haus nicht ohne Begleitung verlassen. Und schon gar nicht mit einem Mann, der mir nicht vorgestellt wurde.“


    Er ging einen Schritt auf sie zu und dennoch verlor seine Stimme nicht an Intensität


    „Vielleicht hätte dies trotzdem nichts an diesem Vorfall geändert. Vielleicht hätte sich dieser Mann dir trotzdem genähert, aber wenigstens wären Wonga oder ich an deiner Seite gewesen. Wäre ich nicht durch Zufall in der Nähe gewesen und hätte jener Mistkerl deinen Begleiter nicht nur verletzt, dann wärst du vielleicht nicht in diesem Raum und ich hätte verdammt noch mal nicht einmal gewusst, wo ich dich hätte suchen sollen. Du wärest eine der vielen Leichen am Tiber gewesen, die wir nach Wochen finden. Livilla, es war töricht von dir. Und DAS ist deine Schuld. Und es wird Konsequenzen haben, da sei dir sicher.“


    Seine Körperhaltung hatte sich inzwischen angespannt. Deutlich ließ die Mischung aus Zorn und Hilflosigkeit seine Muskeln unter der Rüstung anspannen.


    „Aber alles andere ist NICHT DEINE Schuld. Es ist die Schuld eines widerlichen Mistkerls, den ich den Hals umgedreht hätte, wenn man mich nicht zurückgehalten hätte. Und das werde ich mit jedem machen, der sich dir in einer bedrohlichen Art nähert. Ich werde nicht zulassen, dir etwas geschieht. Aber genau so wenig dulde ich es, dass du dir unbegründete Vorwürfe machst. Feigheit, Ungehorsam sind keine iulischen Tugenden. Also beanspruche sie nicht für dich. Denn es sind nicht die deinen und werden in diesem Haus auch nicht geduldet. Und denke nicht einmal daran dieses Haus deswegen verlassen zu wollen.“


    Durch mehrmaliges Ein und Ausatmen beruhigte er sich allmählich und blickte sie aus großen Augen an.


    „Livilla, ich will nicht, dass dir jemals etwas geschieht.“

  • Gedulig wartete ich auf eine Antwort von Constantius und als ich diese endlich erhielt, war ich überaus überrascht. So milde wie Helena ging er nicht mit mir um, vielleicht hatte er es gar nicht wahrgenommen, doch in seiner Stimme war sehr viel Hass und auch Wut zu erkennen. Erschrocken blickte ich ihm entgegen. Wollte ich es denn nicht selbst, dass er so hart mit mir umgeht. Hatte ich ihn nicht darum gebeten? Endlich stellte er meinen Fehler fest, denn ich begangen hatte und jene Worte machten mich nieder. So aufgebracht hatte ich ihn niemals gesehen, wie sich die Angst, Wut und auch Ratlosigkeit bei sich vermischten. Hätte so auch mein Vater reagiert? Ich konnte es mir nicht vorstellen, wie es wohl gewesen wäre, dazu kannte ich ihn doch zu wenig. Aber in diese Richtung musste ich es mir wohl vorstellen.


    Keinen Schritt wagte ich es, mich ihm zu nähern, er sollte den nächsten Schritt machen, eine Anäherung zulassen. Ich musste zugeben, das jede Einzelheit stimmte, die er mir Vorfahr, außer die der Naivität. Er sagte mir, er hätte nicht das Talent zum Redner, da bewies er jetzt aber das genaue Gegenteil. Vielleicht brauchte man solche Momente, um versteckte Talente zu entdecken. Seine Worte waren weise und gerecht, meine naiv und sehr unfair. Vorallem diejenigen, die ich bei Helena gesprochen hatte.


    Eine ganz so lange Pause erlaubte ich mir nicht, als ich versuchte mich zu verteidigen, doch war es diese eigentlich gar nicht, mehr konnte es mit einer Bestätigung verglichen werden. Daher ballte ich eine Faust und antwortete ihm mit einer ähnlichen wütenden Stimme.


    "Du hast Recht, wer bin ich schon vor den Augen der Götter, nichts. Ja, wer bin ich schon, bin ich es denn überhaupt wert von ihnen bestraft zu werden? Denkst du ich versuche mich selbst zu bestrafen, weil ich Secundus Melas Gefühle nicht erwidern kann. Ja, ich wünsche eine Bestrafung für meine Ungehorsamkeit. Und glaub mir, es gefiel mir sogar ungehorsam zu sein, nachdem Helena mich mit den Regeln bekannt machte. Was ging nur in meinen Kopf vor. Ich kann es dir gar nicht offenbaren, sonst würdest du mich nicht mehr wieder erkennen. Und mein Plan ging sogar auf, nur hatte ich nicht damit gerechnet, diesem Scheusal zu begegnen."


    Umso länger ich sprach desto mehr wandelte sich der Zorn in Kummer.


    "Verlassen werde ich dieses Haus nicht von selbst, Caius! Du liebst mich so sehr und ich tat dir so weh. Ich wollte niemanden Kummer breiten und erst recht nicht dir. Du bist der einzige bei dem ich meinen Kummer offenbaren kann und hätte ich es früher getan, dann wäre es erst gar nicht so weit gekommen."


    Ich wollte nicht mehr weinen, so versuchte ich jede Träne zu verdrengen, nur eine einzige lief mir über die Wangen. Darauf ging ich zu meinen Bett und setzte mich darauf. Ich wollte nicht im Weg stehen, wenn Caius wutentbrannt das Zimmer verlassen wollte.

  • Die Anspannung schien aus Constantius noch nicht weichen zu wollen. Noch immer war sein Gesicht ernst und die Augen verengt. Doch gewährte er Livilla einen Moment der Besinnung. Folgte ihr aufmerksam mit dem Blick, als sie sich auf dem Bett niederließ und lauschte ihren Worten.


    Nachdem ihre Worte im Raum verklungen waren und die Stille der Nacht den Raum zu erfüllen begann, war es erneut seine ernste Stimme, die ein unangenehmes Schweigen verhinderte.


    „Du bist eine Iulierin Iulia Livilla. Eine Nachfahrin des göttlichen Gaius Iulius Caesar. Ein Kind des Aenaes. Ein Kind der Linie der Venus entsprungen. Glaubst du, dass wenn die Götter dich strafen wollte, dass sie dir eine solche Strafe zu teil werden lassen würden? Wenn sie deine Verfehlungen bestraffen wollten, würde es mich nicht wunder, wenn Blitze den Himmel durchzucken würden, und sich wilde Furien deiner annehmen würden. Doch da dies nicht geschehen ist, war es keine Strafe der Götter. Es war sogar der Wille der Götter, dass dieser Mistkerl von deinem Begleiter aufgehalten wurde, obwohl er eine todbringende Waffe mit sich führte. Es sind voll bewaffnete Miles der Cohortes Urbanae in den Gassen durch ähnliche Waffen getötet worden. Und dein Begleiter kämpfte nur mit bloßen Händen. Und wie deutest du den Zufall, dass meine Patrouille verspätet in die Castra heimkehrte und ausgerechnet in der Nähe des Vorfalls war? Glaubst du nicht, dass die Götter ihre schützenden Hände über dich gehalten haben? Meinst du nicht, dass sie dich trotz deines Ungehorsams weiterleben sehen wollten? Doch wer weiß, ob sie noch mal so gnädig sein werden. Du wirst auf jeden Fall den Göttern ein angemessenes Opfer darbringen und du wirst von mir eine ebenfall angemessene Strafe erhalten.“


    Er holte einmal mehr Luft, als seine Worte an Intensität gewannen und drohten den ernsten und bereits lauten Tonfall noch zu übertreffen. Er rang sichtlich um Beherrschung und sollte doch daraufhin mit einer leiseren, weicheren Stimme weiter sprechen.


    „Livilla. Lieber gebe ich mein eigenes Leben, als jemals zuzulassen, dass dir ein Leid geschieht. Doch du musst mir die Möglichkeit geben dich schützen zu können. Egal was es ist. Wenn ich nicht weiß wo du bist, kann ich dir nicht zur Seite stehen. Deswegen hat dir Helena diese Regeln auferlegt. Sie sollen dich nicht bevormunden, sie sollen deine Unversehrtheit gewährleisten.“


    Innerlich kämpfte Constantius mit schwindendem Erfolg gegen den Drang an, Livilla einfach in die Arme zu schließen. Als erstes Zeichen, ging er deshalb einen Schritt auf sie. Dann noch einen und überbrückte schließlich auch die letzte Distanz zwischen ihnen. Still kniete er sich vor ihr hin und wischte ihr behutsam die Träne von der Wange.


    „Und du musst wissen, dass ich dich niemals aus diesem Haus fortschicken werde. Es ist dein Zuhause. Dein Zufluchtsort. Der Ort an dem du sicher bist. Der Ort, an dem deine Familie dir zur Seite stehen wird. Wenn du keine Gefühle für diesen Mann hast, dann brauchst du dich nicht dafür zu bestrafen. Venus wird dir den rechten weg weisen. Sie ist die Mutter unserer Gens. Sie wird dich nicht in Kummer vergehen lassen.“


    Constantius blickte weiterhin still Livilla an, obwohl seine Gedanken nun für einen Moment bei Helena weilten. „In Kummer und Gram“, sprach eine innere Stimme im Geist des jungen Mannes. Tief in seinem inneren hoffte er weiterhin, dass auch Helena ihr Glück finden würde.

  • Mein Kopf war gesunken, aber Constantius verlies den Raum nicht. Er schien es überhaupt nicht im Sinn gehabt zu haben. Stattdessen betätigte er sich erneut dieser ernsten und strengen Stimme. Und so verteidigte ich mich auch nicht gerade sehr milde.


    "Caius, ich weiß nicht ob ich es als ein Geschenk der Götter sehen kann, das sie mich beschützen. Manchmal spricht man auch davon, das sie einem nicht von der Qual erlösen wollen. Doch sehne ich mich nicht nach mein Ende. Ich sehne mich nach meinem Glück, das ich niemals finde werde. Ja, ich bin eine Iulierin, diesen Namen zu tragen, diesem Stand anzugehören, ich sollte jeden Tag den Göttern dafür danken. Doch nützt kein Stand des Imperiurms, bei manchen Angelegenheiten, die man nicht zwingen kann, die einfach passieren müssen. Ich weiß nicht wie ich es dir erklären soll. Verzeih mir, doch um auf den Vertrauen zu mir zurückzukommen. Glaube nicht an meine Ehrlichkeit. Ich....wollte mit Secundus auf den Markt gehen und das geheim. Es ist das beste für ihn, mich nicht mehr so oft zu sehen. Da kam es mir einfach in den Sinn mich mit ihn zu treffen und wenn ich zurückkehren würde, dann würde ich Helenas Zorn erfahren. Sie hätte es dann sicherlich mir nicht mehr erlaubt Secundus zu sehen und so hätte ich mein Ziel erreicht. Ja, es sind finstere, gemeine Gedanken. Diese grausamen Worte, doch ich wusste mir nicht anders zu helfen, ich konnte ihn nicht mehr so leiden sehen. Wollte ich ihm doch nur nicht im Weg stehen."


    Wohl war mir dabei nicht, als ich Constantius die Wahrheit offenbarte, doch musste ich einmal einen Anfang geben und wenn jetzt nicht, wann dann. Ich sah immer noch nicht an, sicherlich dachte er sich jetzt was für ein hinterlistiges Miststück ich sei, sogar Schuld auf mich zu nehmen um einen Mann das Leben erleichtern zu wollen. So jemand wie mich hätte er wohl kaum verdient.


    "Sehne ich mich so sehr nach schützenden Armen, die ich niemals erhalten habe.", fügte ich leise hinzu, waren jene Worte nun aber sehr unpassend, so wählerisch ich doch war.

  • Es waren ihre Worte, die ihn dazu bewegten sich wieder zu erheben. Zur vollen Körpergröße erhoben blickte er still auf sie hinab und wandte sich um. Doch verließ er nicht den Raum, sondern begab sich wieder zu dem nahen Zimmer.
    In angespannten Situationen ist es nie leicht die Zeit einzuschätzen, die verstreicht, wenn Stille den Raum erfüllt und der Geist gespannt auf die folgenden Worte wartet. Vielleicht mochten es nur Sekunden sein, die wie Minuten erschienen. Vielleicht waren es auch in der Tat Minuten, die Constantius einfach in die Nacht hinaus blickte.


    Als die Stille endlich durchbrochen wurde, hatte seine Stimme einen für ihn unüblichen ernsten, unheilsschwangeren und doch leisen Tonfall angenommen.


    „Ich weiß nicht so recht ob ich über deine Worte erzürnt sein oder für deinen Plan Bewunderung hegen soll Ist er doch wohlüberlegt und geschickt den Umständen angepasst. Doch auf der anderen Seite sehe ich, dass du deine Cousine als Grund benutzen wolltest, um den Mann nicht mitteilen zu müssen, dass er dich weniger oft besuchen sollte. Du wolltest den Zorn des Mannes auf Helena richten, um ihn von seinen Gefühlen für dich abzulenken. Sie sollte das Hindernis darstellen, dass zwischen euch steht und nicht etwa die Wahrheit, dass du seine Gefühle nicht erwidern kannst.“


    Langsam wandte Constantius sich wieder um. Seine Arme verschränkten sich erneut vor seiner Brust. Und auch wenn sein Blick ruhig wirkte, verriet die Spannung seiner Körperhaltung seinen Gemütszustand.


    „Hast du denn so wenig Vertrauen zu mir oder Helena? Ein Wort von dir zu mir über diese Sache und ich hätte mit ihm gesprochen. Er wäre nicht der erste Mann, den ich an der Porta abgewiesen hätte. Und ich kann mit den Zorn anderer Menschen auf mich gut leben. Aber was wäre, wenn Secundus Petronius Mela kein aufrichtiger Mann gewesen wäre? Was wenn er sich an Helena für ein Verbot, das euch die Zusammenkunft untersagt hätte, gerächt hätte? Livilla, es sind solche Manöver, die oft unüberschaubare Konsequenzen nach sich ziehen. So schmerzhaft auch die Wahrheit oft sein kann, sie ist der einzige Weg um Probleme zu lösen. Es ist oft der unbequemste aller Wege, die leidvollste aller Optionen, doch die einzige wahre Wahl.
    Eine Wunde, durch eine saubere Klinge verursacht, vermag zu heilen. Auch wenn sie noch so tief sein sollte. Doch die Wunde, verursacht durch eine kleinen Dorn, auch wenn sie zu beginn weniger schmerzhaft ist, birgt die Gefahr der Entzündung. Sie heilt fast nie und kann ihr Opfer in den Wahnsinn treiben.“


    Einen Schritt löste sich Constantius vom Fenster. Seine Augen glitten durch das Zimmer seiner Cousine.
    „Glaubst du denn, dass seine Gefühle sich verändert hätten nur weil es ihm verboten wäre dich zu sehen? Glaubst du das wirklich? Glaubst du denn nicht viel eher, dass er sich noch immer Hoffnungen gemacht hätte? Sich nach dir in jeder Stunde verzehrt hätte? Und wenn du nicht weißt, was derartige Gefühle anrichten können, wozu sie Männer bewegen können, dann sollte es dir wenigstens die Geschichte lehren. Denke nur an Troja, dessen mächtige Mauern niedergebrannt wurden, weil ein Mann eine Frau zurück haben wollte. Ja selbst Orpheus ist in den Hades gegangen um seine geliebte Frau zurückzuholen.“


    Ein weiterer Schritt folgte und seine Stimme gewann wieder an Intensität.
    „Gewiss ist es nicht sicher, dass die Wahrheit seine Gefühle hätte versiegen lassen. Der Schmerz einer verschmähten Liebe kann diese Gefühle ebenfalls in Hass umschlagen lassen. Denn Hass wird meist aus tiefer Liebe geboren und steht der Liebe an Intensität in nichts nach. So ein Hass vermag auch Tod und Leid zu bringen, doch kann man sich dagegen wappnen. Mann kann sich dem kommenden aufrecht entgegen stellen, sollte es überhaupt so weit kommen. Versteh mich richtig Livilla! Im Leben wirst du es nie jeden Menschen recht machen können. Leben heißt auch anderen Schmerzen zuzufügen. Auch wenn es nicht in deiner Absicht liegt. Alles was wir können ist aufrecht durch dieses Leben zu gehen um später, wenn die Götter über uns richten, erhoben Hauptes dazustehen.“


    Mit dem letzten Schritt stand er wieder dicht vor ihr.


    „Livilla. Egal wie schwierig etwas wird, wie ernst die Lage ist. Es gibt keinen Grund für Heimlichkeiten. Nicht hier, nicht wenn du mich und Helena hast. Denn hier hast du die schützenden Armen, die bereit sind dich gegen das Schicksal selbst zu verteidigen!“


    Tief zog er die Luft in seine Lungen. Bemüht sein Temperament unter Kontrolle zu bringen.


    „Da du mir die Wahrheit mitgeteilt hast und du deine Lektion an diesem Abend schmerzhaft erlernen musstest, wird dir dies nicht zum Nachteil gereichen und keine Verschärfung deiner Strafe mit sich bringen. Ebenso werde ich in dem Brief an deinem Vater darüber kein Wort verlieren. Allerdings will ich, dass du im Angesicht der Götter Reue zeigst und sie um Vergebung bittest!“

  • Mit keiner geringen Bewunderung, sah ich ihm in die Augen. Schon als er anfing sich wiederum zu rechtfertigen, erkannte diese ernste und ruhige Stimme. Genau ein solcher herrschender Klang war darin zu erkennen, die ich in Hispania nicht oft hörte. Mutter war öfters zornig auf mich, als ich noch klein war, doch kam sie dieser Strenge nie so nahe. Es wäre wohl Vaters Aufgabe gewesen, sich einer solche Stimme zu betätigen. Und da er nicht hier war, schien es nun an Constantius zu liegen. Es entwickelte sich ein Streitgespräch zwischen uns, denn konnte ich nicht alle Bedingungen von Constantius erfüllen. So erhob ich mich vom Bett und trat ihm entgegen. Der Zorn war auf wieder auf meinen Gesicht entstanden, aber nicht ein solcher wie bei Constantius, mehr zeigte er die Qual in mir, die mich nun aufhetzte. Ging es mir doch genauso wie Secundus? War ich selbst so verloren mit den gleichen Gefühlen, wie er sie empfand.

    "Ja, ich wollte es. Ich wäre feige gewesen, er hätte nie die Wahrheit erfahren, denn dieser Vorfall hätte es verdrängt. Aber wie kannst du es nur wagen zu behaupten, ich hätte Helena in Gefahr bringen können. Ich verkehre nicht mit solchen Personen von denen du sprichst. Aber ich möchte jetzt nicht auch noch Helena da reinziehen. Die Wahrheit sie ist schmerzhaft, vieles akzeptiere ich nicht und wenn, dann meistens zu spät. Aber du hast mir selbst einmal gesagt, dass manche Gefühle nicht beschrieben werden können oder man einfach zu feige ist darüber zu reden. Vielleicht habe ich auch Angst davor, wenn ich mit dir darüber spreche, du könnest mich aus meinen Traum reißen und mir endlich bewusst machen, das nicht alles in erfüllen gehen werden. Vielleicht ist es ja ein Fehler, dass ich Secundus nicht liebe, weißt mir aber dennoch das Schicksal einen anderen Weg. Doch was hättest du in meiner Lage getan. Du kannst dir gar nicht vorstellen, was für ein Mitleid mir ihm sich gegenüber aufbaute. Sein Leiden ich kenne es und ich war mir auch bewusst, dass es nicht verschwinden wird, wenn wir uns nicht mehr sehen."

    Auffallend war an mir, dass meine Stimme immer sanfter wurde, als ich über mich selbst sprach, über mein innerstes. Ein weiterer Beweiß der Tatsache, dass ich zu leicht meine Gefühle offenbarte.

    Wenn Hass aus tiefer Liebe geboren wird, dann kann auch kein Dritter dies verhindern. Niemand, doch daraus gewinnt man Stärke, andere Fähigkeiten offenbaren sich dem Betroffenen von denen man sonst nur abgelenkt wurde. Und umso stärker du wirst so kälter wird man auch. Irgendwann brauchst du keine Liebe mehr, du brauchst nur noch dich, deinen Ruf, dein Vermögen und es ist dir auch egal wer an deiner Seite steht. Doch du wirst immer noch nicht erlöst sein, schreitest du nur in der stille der Nacht durch die finstern Straßen Roms, erkennst du, wie einsam du dich fühlst und erinnerst dich an jene Momente, die dich so aus dem Gleichgewicht gebracht haben. Und dabei entstehen dann diese Fragen, weshalb du so feige warst, weshalb man dich so gequält hat und vor allem warum du einen anderen nicht aus Vernunft geheiratet hast. Niemals hättest du diesen Hass entwickelt, nie wärst du noch kälter geworden. Oder lag es daran das du schwach warst und es einfach nicht akzeptieren konntest."


    Nachdenklich schritt ich auf das Tischchen neben dem Bett auf die Vase mit der Lilie stand, langsam griff ich nach einer darauf liegenden Schriftrolle, die zu den Akten Sullas gehörten.


    „Ich sollte schlafen gehen, hoffentlich finde ich auch ein wenig Schlaf.“ Fügte ich leise hinzu ohne Constantius dabei anzusehen.

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