Am Stadttor - Wer nach Rom will soll sich Zeit für die ordentliche Durchsuchung und Befragung nehmen!

  • Ohne sich weiter um den etwas ratlos wirkenden Sklaven zu kümmern, legten die maskierten Milites Hastae und Scuta ab und machten sich auf den Weg. Von allen Seiten mit Fragen und Unmutsbekundungen überschüttet, bahnten sie sich schweigend durch die Menge auf den schmuddeligen Syrer zu. Die gerade noch aufmerksam lauschenden Reisenden traten beim Anblick der vermummten Urbaner erschrocken zurück, allein der Schwätzer bemerkte von alldem nichts. Offensichtlich völlig berauscht vom Interesse der Umstehenden salbaderte er einfach weiter. Beim Näherkommen wurden erste Satzfetzen vernehmbar: „.. die Prätorianer .. ägyptisches Schlangengift .. schreckliches Blutbad .. die Konsuln auf dem Thron .. Bürgerkrieg ..“ Antias wollte angewidert ausspucken, schluckte es aber angesichts des vorgebundenen Halstuches lieber wieder hinunter. Dieses miese syrische Sackgesicht wusste nichts! Gar nichts! Dennoch fiel der Same seiner Spinnereien beim verunsicherten Volk natürlich auf fruchtbaren Boden. Mit nur mühsam unterdrückter Wut packte Antias den Syrer an der Schulter und riss ihn herum.
    „Du da! Lass dich mal ansehen, du wirkst etwas blass.“ Der Angesprochene wurde tatsächlich blass, kaum dass Antias ihm die kalte Hand unsanft auf die Stirn klatschte.
    „Fieber. Eindeutig.“
    „Was? Du irrst dich, Miles .. ich ..“
    „Und wie lange hast du den Husten schon?“
    „Husten? Ich huste doch nicht.“
    „Oh doch. Wolln’ wir wetten?“


    Wenig behutsam drehte Antias dem Schwätzer den Kopf in den Nacken, betatschte zuerst dessen Hals, dann den gesamten Oberkörper bis hinunter zu den Hüften. Umständlich herumfummelnd gelangte langte er schließlich zur Leiste, fingerte noch etwas weiter, ertastete endlich was er suchte und drückte kraftvoll zu. Der Peregrinus begann augenblicklich zu jaulen wie ein Hofhund bei Vollmond. Das ging noch besser, befand Antias, und verstärkte seinen Griff bis sich der Malträtierte keuchend und hustend zusammenkrümmte. Na bitte, und wie der hustete.
    „Bei den Göttern! Das hört sich aber sehr bedenklich an! Schmerzempfindliche Geschwüre, Husten, Fieber, Milites, der Mann muss sofort isoliert werden!“ Dumpf durch ihre dicken Halstücher kichernd packten Sagitta und der Sarde die winselnde Gerüchteschleuder unter den Achseln. „Er gehört euch.“ raunte Antias dem Sarden zu. Der blinzelte erfreut über den Rand seines Halstuches, trat dem Syrer genussvoll in die Kniekehlen und schleppte ihn dann mit Sagitta in Richtung Stadtmauer davon.


    „Cives!“ wandte sich Antias an die Umstehenden. „Es besteh kein Grund zu Besorgnis! Die Cohortes haben die Lage weitgehend unter Kontrolle! Bleibt ruhig und habt Vertrauen!“ Wenn der Menge etwas abging – das war Antias völlig klar – dann war das Ruhe und Vertrauen. Daran konnte er nichts ändern. Aber wenn sich hier schon allgemeine Verwirrung breit gemacht hatte, ließ sich die durchaus noch steigern.

  • Die Antwort war alles andere als erwartungsvoll. Sollte seine Domina tatsächlich vor Ort residieren? Wenn doch ihre Villa nicht weit, im Inneren, befand. Vor allem konnten bereits die besten Unterkünfte vergeben sein, wenn alle Betuchten ohne Wenn und Aber tatsächlich nicht hineingelassen worden waren. Doch was blieb seiner Domina letztendlich übrig? Soll sie sich durchkämpfen? Mit ihrem Namen prahlen? Die Soldaten solange belästigen oder gar becircen bis diese nachgaben? Wohl kaum, denn solch ein Verhalten sowie Bettelei war nicht angemessen für eine Senatsenkelin. Also blieb ihr nur, nachdem sie vom ihrem Sklaven erfahren hatte, dass der Zugang in die Urbs verwehrt blieb, einen Brief aufzusetzen. Dieser dann sollte einem Soldaten gegeben werden, der dann hoffentlich die Nachricht weiterleitete.


    Als dann der Brief niedergeschrieben war, ging der Sklave abermals zum Stadttor. "Salve, wäre es möglich, dass Briefe hineingelangen? Damit die Familie meiner Domina zumindest informiert sind."

  • Die Freude der Sardinier über ihre syrische Beute hätte – für ihre Verhältnisse – nicht ausgelassener sein können. Mit ein paar kernigen Stiefeltritten trieben sie den taumelnden Gerüchtekoch hinter die Reihen, beglückwünschten ihren Kameraden mit dezentem Kopfnicken und glotzen schließlich wieder stur geradeaus, allerdings nicht, ohne sich zuvor die Halstücher umzubinden. Sagittas’ Rolle beim erfolgreichen Fangzug wurde geflissentlich ignoriert. Der stapfte grummelnd in die Formation zurück, wo Antias mittlerweile ebenfalls wieder eingetrudelt war. „Seltsamer Haufench.“ Seit sich Sagitta in der Subura ein angebrochenes Nasenbein gefangen hatte, hörte er sich an, als seien seine Nasenlöcher mit Ton versiegelt. „Und du meinst, das bringt was mit der Krankheit und den Tüchernch und so?“ Antias hoffte es. „Naja, zumindest wird es die Leute auf Abstand halten, denk’ ich.“ Offenbar falsch gedacht. Kaum hatte Antias sich eingereiht, stand schon wieder dieser Sklave vor ihm. Hartnäckiger Bursche.


    „Briefe?“ Antias wollte sich wie üblich am Kinn kratzen, erwischte aber nur das Halstuch. Briefe? Nun ja, der tiefere Sinn einer Nachrichtensperre bestand ja wohl in der Unterbrechung des Nachrichtenstromes. Andererseits galt es vor allem ausgehende Nachrichten zu unterbinden, eingehende würden wohl kaum größeren Schaden anrichten. Im Gegenteil, in Fällen wie diesen konnte eine Benachrichtigung sogar ganz sinnvoll sein. Die Lage beiderseits des Stadttores war schon angespannt genug, mit dem Auftauchen Dutzender von Cives, die sich nach dem Verbleib der Anverwandten erkundigen wollten, war niemandem geholfen.
    „Ja, ich denke, das lässt sich machen.“ nickte er dem Sklaven zu. „Allerdings müssen wir uns vorher vergewissern, dass der Brief keine brisanten Informationen enthält. Irgend ein Bote oder Meldegänger wird sich dann schon finden.“

  • Zitat

    optio Aemilius!" sprach Licinus den Wachhabenden mit knarrender Stimme an. "Auf ein Wort bitte!"...


    Classicus nahm das Schriftstück an sich und las. Dann winkte er zwei Urbanii herbei. Diesen übergab er das Schriftstück mit der Maßgabe den Präfecten soweit bis vor die Tore zu begleiten, bis dieser durch das gröbste Gedränge durch war.


    Dann beorderte er weitere Urbanii an das Tor, welches daraufhin einen Spalt geöffnet wurde.


    Sofort ging ein Raunen durch die wartende Menge und alles schob sich nach vorne zum Tor.


    Urbaner ! Zurückdrängen ! ließ Classicus unmißverständlich verlauten.


    Dem kamen die Urbanii nach was zu wüsten Beschimpfungen bei den Wartenden führte. Dann nickte er dem Iulier zu Gute Reise und bedeutete ihm, sich durch das Tor zu begeben.

  • Der Sklave war erleichtert, dass zumindest dieser Wunsch seiner Domina erfüllt werden konnte und natürlich erhielt der Brief keine brisanten Informationen. Wie denn auch, denn Musa hatte so absolut keine Ahnung was eigentlich vorging.
    "Du darfst natürlich den Brief lesen. Ganz oben in der linken Ecke findest du den Adressaten."



    Matinia Musa
    A. Matinio A. s.p.d.
    Casa Matinia , Roma


    Mein lieber Aulus,


    du wirst es nicht fassen, doch stehe ich vor dem Tore Roms. Der Einlass wird mir jedoch nicht gewährt, nur dieser Brief ist mir erlaubt. Ich bitte dich daher, dass du dich mit dem Praefectus Urbi Decimus Livianus oder dem Praefectus Praetorio in Verbindung setzt, damit mir der Einlass gewährt wird. Als Enkelin eines Censor sollte es doch möglich sein.

    Ich fühle mich hier draußen einfach verloren, so zwischen die ganze Menge.


    Bitte, bitte…
    Deine

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  • "Danke optio!", sagte Licinus "die Götter mögen mit euch sein."
    Ihr werdet's brauchen in diesem Hexenkessel., fügte er nciht hinzu, wir alle werden es brauchen. Dann quetschte er sich von zwei Soldaten begleitet durch die Massen udn verschwand in die weite Landschaft italias, auf den schnellsten Weg gen Mantua.

  • Das ohnehin schon fahle Licht des fortgeschrittenen Nachmittages wurde allmählich von tiefen schwarzblauen Wolken erstickt, die sich vom westlichen Horizont her langsam und bedrohlich auf die Urbs zuschoben. Auch das noch! Eine ungeschützte Nacht im Frühjahrssturm würde die wartenden Massen nicht gerade milder stimmen. Verdammt! Mochte Aeolus diese aufgequollenen Wolkenbäuche erst weit im Osten zur Entleerung bringen und mochte der Rest der launischen Götter diesem ganze Spuk ein schnelles Ende bereiten!


    Brummend nahm Antias den Brief aus der Hand des Sklaven und entrollte ihn. Nichts verfängliches, nur ein Hilferuf. Ob diese Nachricht der Verfasserin eine Nacht vor den Toren ersparen konnte, dufte zwar bezweifelt werden, aber die Aufgabe der Urbaniciani war schließlich der Schutz römischer Bürger, ob nun innerhalb oder außerhalb der Mauern. Jeder Civis weniger, der sich hier draußen herumdrücken musste, war bereits eine kleine Erleichterung. „In Ordnung. Kann aber eine Weile dauern. Du solltest deine Herrin erstmal aus dem Trubel bringen.“


    Mit einem besorgten Blick gen Westen stapfte Antias zur Stadtmauer, wo hinter den starren Reihen der Sardinier ein zusammengesunkenes Häuflein Syrer an den Quadern lehnte und apathisch vor sich hinstarrte. Die stummen Insulaner hatten offensichtlich längst das Interesse an ihrer blutleeren Beute verloren. „Habt ihr noch was mit ihm vor oder kann er weg?“ fragte Antias den dunklen Miles, der immer noch die Tabula unter den Arm geklemmt hatte. Der Sarde warf einen kurzen Blick auf den Syrer und zuckte die Achseln. „Uns egal. Todlangweilig der Kerl.“ „Verstehe. Dann schaff ich ihn rein.“ Keine Reaktion von sardischer Seite, also packte Antias den Syrer kommentarlos am Ärmel und zerrte ihn hinter sich her zum Tor.


    „Hispo!“ Wieder nichts. Wieder drang nur dumpfes Gemurmel durch das massive Tor übertönt von der abgehackten Kommandostimme des Optios. Fluchend riss sich Antias das Halstuch herunter. Waren sie hier draußen Urbaner zweiter Klasse, oder was? „Verflucht nochmal, HISPO!“ Endlich knarrte der schwere Torflügel auf, aber anstatt des geröteten Schädels seines Kameraden schoss ihm ein Trupp berittener Soldaten entgegen und zwang ihn, sich beiseite zu hechten. Glücklicherweise wurde sein Aufprall durch den schlaffen Körper des schreienden Syrers einigermaßen abgefedert. Unflätige Beschimpfungen ausstoßend rappelte sich Antias wieder hoch, zog den Syrer auf die Beine und stampfte wütend auf Hispo zu, der den Reitern beeindruckt hinterher blickte.


    „Was war DAS denn? Bewachen wir hier offene Tore oder verrammelte?“ Welchen Eindruck mochte das auf die wartenden Reisenden machen? „Genehmigt von Optio Classicus.“ entgegnete Hispo kleinlaut. So. Aha. Was sollte er dazu sagen? Am besten gar nichts. Äußerst angesäuert hielt Antias Hispo den zusammengerollten Brief vor die Nase. „Stehen irgendwelche Meldegänge nach Süden Richtung Palatinus an?“ Hispo zupfte sich nachdenklich am Ohr. „Nicht direkt. Dieser überspannte Rabuleius vom vierten Contubernium soll dem Wachhabenden des Südabschnitts eine Lagemeldung überbringen. Der macht sich demnächst auf den Weg zur Porta Ostiensis.“
    „Na also, passt ja. Dann soll er auf dem Rückweg einen kleinen Haken schlagen. So wie ich ihn kenne, macht der das sowieso. Das Schreiben hier muss zur Casa Matinia am Palatinus, liegt ja quasi auf dem Weg.“ Misstrauisch fingerte Hispo nach dem Brief. „Natürlich was hochoffizielles nehme ich an?“ „Natürlich.“ Schnaufend steckte der genervte Rotschopf den Brief unter seinen Mantel. „Bene. Und was ist mit dem da?“ Ach ja, der Syrer. Stumm leidend und schicksalsergeben wie der Kerl hinter ihm verharrte, hatte ihn Antias fast vergessen. „Den Blödmann sperrt ihr in die Wachstube. Soll der Optio entscheiden, was weiter mit ihm passiert.“ Hispo nickte lustlos, schnappte den Syrer an der Tunika und zog ihn durch’s Tor. „Sonst noch was?“ Antias schüttelte nur müde den Kopf.


    Das Tor schlug zu. Der Wind frischte auf. Der Himmel wurde dunkler und dunkler. Wenn es etwas gab, was einen Scheißtag wie diesen noch krönen konnte, dann war das eine Scheißnacht. Die Blicke der Wartenden waren angesichts der davonjagenden Reiter nicht eben freundlicher geworden. Eine frostige Nacht unter freiem Himmel würde hier keinerlei Frohsinn aufkommen lassen, so viel stand mal fest, weder unter den Reisenden noch unter den Urbanern.

  • ... so langsam wurde die Menge knurriger und auch ich hatte nicht unendlich Geld dabei, um es einem Herbergen Betreiber in den Rachen zu werfen, der gerade sein ganz, ganz großes Geschäft widerte. So ging ich Tag ein und Tag aus nach vorn zum Tor, um irgendwann doch mal rein zu kommen. An diesem Tag wurde es mir zu bunt und ich drängelte mich in die Nähe zu den Soldaten.


    "Hey Du, wie lange wollt ihr den Riegel eigentlich noch vorhalten? Wir können doch nicht unendlich darauf warten in die Stadt zu kommen. Ich meine es ist ja schlüssig die Tore dicht zu halten, das niemand verschwindet, der drinnen vielleicht was angestellt hat, aber warum soll man nicht hinein gelangen, ja das frage ich Dich!"

  • Ein neuer vielversprechender Morgen zwischen einem nicht sehr vielversprechenden Stadttor und einer noch viel weniger versprechenden Menschenmenge. Auch wenn es bislang noch nicht zu ernsthaften Ausschreitungen gekommen war, hatte sich die Lage vor der Urbs keinesfalls entspannt. Einige der murrenden Reisenden hatten sich notgedrungen dreingefunden und entweder in Herbergen, Vorstadtcauponae oder überteuert vermieteten Verschlägen Unterschlupf gefunden, andere nicht. Von Dutzenden kleinen Lagerfeuern wehten dünne Rauchfahnen zu den Soldaten herüber. Eigentlich hätten die Urbaniciani gegen diese wilden Feuerstellen vorgehen sollen, aber die Milites waren schon voll und ganz damit ausgelastet, Raufhändel und kleinere Diebstähle unter den Wartenden zu ahnden, ab und zu ein paar fürwitzigen Nörglern in die Weichteile zu treten und sich ansonsten dem verbal vorgetragenen Missmut der Umstehenden zu stellen.


    Als Antias die dunkle östliche Schönheit von neulich grazil auf sich zuschreiten sah, glaubte er schon an einen Lichtblick, erkannte aber schnell, dass auch sie nicht mehr ganz so gefasst war wie bei ihrer ersten Begegnung. Verstehen konnte er das sehr wohl, dulden jedoch nicht. Hey du? Antias schluckte ein Schmunzeln hinunter, Oh ja, ein stolzes anmutiges Weib war das, wenngleich die säuerlichen Fältchen um ihre sonst so ebenmäßigen Züge ihr einen Hauch von Attraktivität abspenstig machten. Mit einem kunstvollen Räuspern schob er sich seine verkniffenste Pisslappenmiene ins Gesicht. „Damit wir uns gleich richtig verstehen, Peregrina, du redest hier mit keinem deiner Fußnägelfeiler! Wie du siehst, bist du bei weitem nicht die einzige, die sich in Geduld zu üben hat, und was schlüssig ist oder nicht, entscheidet der Praefectus Urbi! Nicht du!“ Gern schlug er einen solchen Ton nicht an, schon gar nicht gegenüber einer solch beeindruckenden Erscheinung, die noch dazu von den Senatores seiner eigenen Gens erwartet wurde – wenn es denn so war wie sie vorgab – aber seine Sanftmut lag allmählich in den letzten Zügen angesichts des endlosen Gemäkels der Ausgesperrten.


    „Und ich entscheide das auch nicht, leider.“ fuhr er schon etwas weniger garstig fort. „Sobald entsprechende Order ergeht, werde ich dir mit Vergnügen das Tor öffnen, aber bis dahin kann ich nicht viel für dich tun, auch wenn ich das aufrichtig bedaure.“ Nach einem unwillkürlichen Kontrollblick über die Menge ließ er schließlich ein leichtes Lächeln zu. „Ich bin selbst ein Germanicus. Wenn du den Senatores vielleicht eine Nachricht über deinen Verbleib zukommen lassen möchtest, werde ich mich gerne darum kümmern.“

  • [Blockierte Grafik: http://s14.directupload.net/images/141030/2fpejz9u.gif| Cnaeus Flavius Aetius


    Sanfte Klänge des Lyraspiels umschmeichelten Aetius Ohren, während seine Sklaven in höchstem Aufruhr waren, um alles für die Reise nach Rom zu packen. Am nächsten Tag bereits sollte sich der Reisewagen samt Gefolge auf den Weg machen. Zwar war Cnaeus Flavius Aetius inzwischen in einem Alter angekommen, in dem man solcherlei Anstrengungen möglichst mied, dennoch waren sie unabdingbar. Auch wenn dies bedeutete, dass er sich mit den in Rom herrschenden Gegebenheiten arrangieren musste und einige Tage mit Manius Flavius Gracchus, seinem ungeliebten Neffen unter einem Dach leben musste. Schließlich ging es doch darum, seine jüngste Tochter sicher in den Hafen der Ehe zu geleiten.
    Letztendlich erfasste auch ihn noch die Hektik bei der Frage, welche seiner Gespielinnen er mitnehmen sollte. Der Nachricht vom Ableben des Kaisers, welche mit einiger Verzögerung auch Ravenna und sein Umland erreicht hatte, wurde dabei eher zu einer Art Fußnote degradiert. Ja sicher, eine gewisse Bestürzung war auch in Aetius‘ Reich nicht ausgeblieben. Dennoch, Cornelius Palma war nicht mehr der Jüngste gewesen und er war einfach den Weg gegangen, den alle Sterblichen eines Tages antreten mussten. Sein Tod würde letztlich nichts an den Absichten der Lebenden ändern können. Mit dieser Einstellung begab sich Aetius also auf die Reise, darauf hoffend, dass sich bei seiner Ankunft in Rom der ganze „Spuk“ bereits wieder gelegt hatte, der alte Kaiser beigesetzt war und ein neuer bereits gefunden war.
    Unterwegs allerdings ging die Fama, die Tore Roms seien geschlossen und somit für alle, die Einlass begehrten, unpassierbar geworden, gab Aetius recht wenig. Er war schließlich nicht alle, er war Caeus Flavius Aetius, der Spross einer Gens, die Kaiser hervorgebracht hatte. Wem sollte es gelingen, die geschlossenen Tore zu passieren, wenn nicht ihm?
    Eintönig war die Reise nach Rom, anstrengend und staubig. Doch am Ende erwartete ihn ein erquickendes Bad, edlen Wein, schmackhaftes Essen und seine drei hübschen Perlen, die bis dahin auch wieder besserer Laune waren und nicht ständig wie kleine Kinder quengelten.


    Als der Wagen endlich sein Ziel vor den Toren Roms erreicht hatte und Aetius eigentlich in eine der Mietsänften umsteigen sollte, zeichnete sich bereits ab, was unterwegs nur als überzogenes Gerücht abgetan worden war. Eine unüberschaubare Menge von Menschen, Händler mit ihren Waren, einfach Volk, höher gestellte Reisende, Sklaven und Vieh hatte sich vor dem Stadttor angesammelt und wartete, manche anscheinend schon seit Tagen, auf Einlass. Nichtsdestotrotz schickte der Flavier seinen Sklaven Philon zum Tor, um Einlass für sich und sein Gefolge zu fordern. Ganz selbstbewusst drängelte sich der Sklave an der gereizten Menge vorbei, bis er schließlich direkt vor dem Tor auf einen Vertreter der Stadtwache stieß.
    „Der große Flavius Aetius, der in einer wichtigen Mission unterwegs ist, bittet um Einlass!“ Kaum hatte der Sklave dies ausgerufen, senkte er seine Stimme und zog einen prallgefüllten Geldbeutel hervor. „Wenn du meinem Dominus Einlass verschaffst, dann gehört dieser Beutel dir ganz allein! 100 Sesterzen, in Worten hundert! Damit kannst du dich eine ganze Woche volllaufen lassen und alle Huren der Stadt beglücken.“

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    Cossus Orbius Blandus



    Unbewegt und schweigend stand Blandus unter seinen sardischen Brüdern. Fror, hungerte, dürstete und machte sich nicht das geringste draus. Der Himmel war klar, die Luft rein, das Volk erzürnt und doch weitgehend folgsam, mehr konnte man nicht erwarten. Wachdienst war noch nie ein Spaß gewesen, in dieser Arschkälte wurde er zur Tortur, trotzdem würden sich die Sarden keine Blöße geben, bevor nicht alle übrigen Contubernia vor Erschöpfung umgekippt waren. Und danach sah es momentan nicht aus.


    Ohne großes Interesse beobachtete der Sarde einen sich nähernden Reisewagen, gefolgt von üppiger Entourage, aus der sich ein blasiert dreinblickender Sklave löste und auf ihn zu marschierte. Ach nein, nicht schon wieder so ein wissbegieriger Wicht. Für langatmige Auskünfte war Blandus genau der Falsche. Der Bursche hätte sich besser an diesen Eloquenzbolzen von Germanicus gewandt, aber der hatte ja gerade mit einer südlichen Schönheit zu tun.


    Wider erwarten verlangte es dem Sklaven dann doch nicht nach Informationen, stattdessen brabbelte er etwas von seinem Dominus und dessen angeblich wichtiger Mission. Schon wieder. Hier hatte allmählich jeder irgendwelche Missionen von staatstragender Bedeutung, wie es den Anschein hatte sogar dieser gespreizte Servus. Als der Schwätzer auch noch einen prallen Geldbeutel zückte und ihm alle Huren der Stadt in Aussicht stellte, hatte Blandus genug gehört. Hundert Sesterzen für den Stolz eines Sarden. Lachhaft.


    Gelangweilt schnappte er nach dem Beutel und riss ihm dem Slaven aus der Hand. „So, und nun? Holst du jetzt die Urbaner bevor dein Dominus dich totschlägt?“

  • [Blockierte Grafik: http://s14.directupload.net/images/141030/2fpejz9u.gif| Cnaeus Flavius Aetius


    „He!“ , empörte sich Philon. „Sind hundert etwa nicht genug? Na gut, ich erzähle dir etwas, Soldat. Wenn du das Tor für meinen Dominus öffnet, dann wirst du das Dreifache dessen erhalten, was du nun in Händen hältst!“ Geld hatte für den Flavius aus Ravenna noch nie eine Rolle. Daher hatte der Sklave auch keinerlei Bedenken, dem Wachsoldaten das Blaue vom Himmel zu versprechen. Hundert oder Vierhundert Sesterzen, was machte das schon? Und sich vor Strafe zu fürchten, brauchte Philon nicht. Er genoss das vollste Vertrauen seines Dominus.
    Aetius indes beobachtete aus der Ferne gespannt das Geschehen am Tor. Als wider Erwarten der Sklave nicht sofort ein Zeichen gab, dass man der flavischen Reisegesellschaft Durchlass gewährte, wurde er langsam ungehalten. Alles musste man selber machen! Schließlich rief er nach drei seiner nubischen Custodes, die ihn zum Tor begleiten sollten. Die bulligen Hünen mit ihrer ebenholzfarbenen Haut wirkten recht Respekteinflößend. als sie für den Flavier eine Gasse durch die Menge freimachten, durch die Aetius dann voran schritt bis er und seines Custodes schlussendlich neben seinem Sklaven zum Stehen kam. „Gibt’s ein Problem, Miles? Hat mein Sklave dir nicht erläutert, wer ich bin und was mein Ansinnen ist?“

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    Cossus Orbius Blandus


    Den verheißungsvollen Versprechungen des Sklaven lauschte Blandus nur noch mit halbem Ohr. Nachdenklich wog er den Geldbeutel in seinen Händen, schmiss ihn hoch, fing ihn wieder auf, zeigte ihn den Kameraden. Die warfen einen kurzen Blick darauf, schnaubten ein paar mal verächtlich und gaben sich wieder der ausgefeilten Kunst des Schweigens hin. Ziemlich leichtsinnig, in dieser illustren Runde mit Beuteln voll Sesterzen rumzuwedeln, der große Flavius Aetius schien ein ebenso reicher wie unbedachter Mann zu sein. Offensichtlich wog er sich inmitten seiner pittoresk anmutenden kleinen Reisegruppe in völliger Sicherheit. Schön für ihn. Mit einem faden Schnaufer warf er den Beutel wieder dem salbadernden Servus zu. „Nimm dein Klimpergeld und schieb ab.“ Drollig, auf welche Einfälle manche Leute kamen. Hier standen drei Contubernia vor dem Tor, dahinter nochmal zwei, und trotzdem glaubte so ein selbstherrlicher Flavius, sich mit hundert Sesterzen die Wartezeit ersparen zu können. Wirklich sehr originell.


    Erwartungsvoll blickte Blandus zum Reisewagen hinüber. Die Mission in Persona hatte sich doch tatsächlich dazu herabgelassen, aus dem Karren zu steigen und kam nun eskortiert von ein paar schwarzhäutigen Beschützern auf die Urbaniciani zu. Aha, der Flavier wollte offenbar mit seiner Garde grimmiger Breitnasen die Stadttore angreifen. Das erste mal an diesem Tag flimmerte so etwas ähnliches wie ein Schmunzeln über Blandus’ Gesicht. „Salve Civis. Willst du mit deinen verkohlten Prachtpimmeln irgendwas verdeutlichen?“ Aus den Reihen der Sarden erhob sich amüsiertes Gekeuche. „Dein Ansinnen in allen Ehren. Trotzdem. Betreten der Urbs, wenn überhaupt, nur mit Sondergenehmigung des Praefectus Urbi. Schriftlich und Gesiegelt.“

  • [Blockierte Grafik: http://s14.directupload.net/images/141030/2fpejz9u.gif| Cnaeus Flavius Aetius


    Beschämt fing Philon den Geldbeutel wieder auf. Er grummelte noch einige Verwünschungen gegen den Wachsoldaten und seine Kameraden vor sich hin und wollte bereits den Rückweg antreten. Sein Dominus, samt seiner Custodes war ihm allerdings zuvorgekommen. Der Sklave war sich gewiss, dies ließ nichts Gutes ahnen. Dass der Flavier gezwungen war, sich nun selbst herabzulassen und die Dinge in die Hand zu nehmen, würde eine saftige Strafe nach sich ziehen und wenn er nun ebenso scheitern würde, wie sein Sklave zuvor, würde dies noch mehr seinen Zorn heraufbeschwören.
    Einer der nubischen Custodes schob Philon zur Seite, der damit endgültig zur Randfigur abgestempelt wurde. Der Flavier wollte nun höchstselbst die Verhandlungen aufnehmen.


    Aetius wollte das Problem pragmatisch angehen. Im Grunde war es ihm vollkommen egal warum und weshalb die Tore geschlossen waren und welcher Idiot dafür verantwortlich war. Noch interessierte es ihn nicht die Bohne, ob der anwesende Mop, der teilweise schon seit Tagen auf Einlass wartete, es ihm womöglich krumm nehmen könnte, wenn er sich einfach so vordrängelte und auf Bevorzugung pochte. Ja, Aetus überhörte sogar die Unverschämtheiten des Miles, der seine Custodes, die ihn im Übrigen ein kleines Vermögen gekostet hatten, als „verkohlte Prachtpimmel“ bezeichnet hatte. Stattdessen setzte er sein breites Haifischgrinsen auf. „Eine Sondergenehmigung des Prefectus Urbi, sagst du? Schriftlich und Gesiegelt? Ha, da hast du mich jetzt aber eiskalt erwischt, mein Junge! Dummerweise habe ich gerade eine Sondergenehmigung des Praefectus Urbi nicht zur Hand. Aber einem jungen aufstrebender Miles, wie du es bist, der bestimmt nicht bis in alle Ewigkeit Wachdienst schieben will, mache ich doch gerne einen Vorschlag, den du kaum ablehnen kannst. Weißt du, meine Tochter wird in ein paar Tagen schon den Senator Tiberius Lepidus ehelichen und dann die Schwägerin des Consul Duccius sein. Das wird allerdings nur dann klappen, wenn ich zugegen sein werde. Konntest du mir soweit folgen? Ja, natürlich, denn du bist ja ein cleveres Kerlchen, nicht wahr?! Also, sagen wir, du oder einer deiner Kameraden würde jetzt zum Praefectus Urbi stiefeln und mir dort eine Sondergenehmigung besorgen, dann könnte ich mir vorstellen, mich bei meinem zukünftigen Schwiegersohn für dich und deine Karriere einzusetzen. Na, wie würde dir das gefallen?“



    edit: Fehler eliminiert

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    Cossus Orbius Blandus


    Mit starrer Miene lauschte Blandus den Ausführungen des Flaviers. Junger aufstrebender Miles? Karriere? Cleveres Kerlchen? Ach, Götter. Wenn es etwas gab, was ihn noch mehr langweilte als aufgeblasene Arroganz, dann waren das schmierige Schmeicheleien und leere Versprechungen. Dass er nicht der allerhellste Funke im Kohlenbecken war, wusste Blandus selbst. Aber so blöd, zu glauben, der Flavius würde nach Passieren des Tores auch nur einen weiteren Gedanken an ihn verschwenden, war er denn doch nicht. Der einzig leidlich interessante Punkt am Vortrag des großen Flavius Aetius war der Umstand, dass weder der künftige Schwiegersohn noch der fast allmächtige Consul bislang Vorkehrungen getroffen hatten, dem herannahenden Verwandten in spe die Einreise zu ermöglichen. Mochte sein, die Herren hatten im Moment Wichtigeres zu tun, vielleicht waren sie aber auch längst nicht so scharf auf die Anwesenheit des Flaviers, wie dieser annahm. Wie auch immer. Die Familie war heilig.


    „Ich versteh schon .. die wichtige Mission.“ seufzte Blandus mit einem müden Kopfschütteln. „Hättest du das gleich gesagt, Civis, wäre uns allen der peinliche Versuch mit den Sesterzen erspart geblieben. Aber Mann kann eben nicht aus seiner Haut, nicht wahr?“ Wozu sich erklären, wenn man schmieren konnte, schon klar. „Sicher, die Möglichkeit, Senatores oder Praefectus von deinem Eintreffen in Kenntnis zu setzen, besteht durchaus. Wenn du also eine entsprechende Nachricht verfassen willst, nur zu.“

  • [Blockierte Grafik: http://s14.directupload.net/images/141030/2fpejz9u.gif| Cnaeus Flavius Aetius


    Aetius zweifelte keinen Moment daran, seine Worte hätten eventuell ihr Ziel verfehlen können. Er war schließlich selber einmal jung gewesen. Damals,... ja damals hatte ihn gelegentlich auch noch der Ehrgeiz gepackt. Letztendlich aber hatte der Genussmensch in ihm gesiegt. Warum in Rom nach Ruhm und Ehre streben, wenn es doch zu Hause am schönsten war? Dort hatte er schließlich alles was man als Patrizier so brauchte. Und dort konnte er auch ein wenig in der ravennischen Stadtpolitik mitmischen. Für diejenigen, die ihn deshalb als beschränkten Provinzpolitiker verschmähten, hatte er indes keinerlei Verständnis.


    Aetius grinste noch immer. Selbst dann noch, als der junge Soldat seinen Sklaven der Bestechung beschuldigte. Natürlich hatte Philon nur im Auftrag seines Herrn gehandelt. Aber das musste der kleine Soldat hier ja nicht unbedingt wissen. Sollte er doch im Glauben weiterleben, die Welt sei gut du der Mensch edel. Besonders rührend fand Aetius es schließlich, dass nicht die Aussicht auf eine Beförderung, sondern wohl allein der Hinweis auf das Eheglück seiner Tochter der ausschlaggebende Punkt gewesen sein sollte, sich doch etwas kooperativer zu zeigen.
    „Guter Mann! Rom braucht mehr Männer, wie dich! Ich verspreche dir, Miles, mein Sklave wird dafür bluten, dass er versucht hat, dich zu bestechen. – Philon!“ Der Sklave, der sich von den Custodes zu Unrecht in den Hintergrund gedrängt fühlte, strebte eifrig wieder an die Seite seines Herrn, als er dessen Rufen vernahm. „Dominus, ich bin hier!“ Ganz erwartungsvoll, wie ein junger Hund, der nur darauf wartete, dass sein Herr endlich das Stöckchen warf, wartete nun auch der Sklave auf die Anweisungen seines Herrn und Meisters. „Eine Tabula, aber schnell! Ähm, aber vermerke zuerst „10 Schläge beim Morgengrauen.“ Philon schluckte erst, dann brachte er ein gequältes "Ja, Dominus hervor. Sogleich vermerkte er die Notiz auf seiner persönlichen Tabula, dann griff er nach einer anderen, deren Wachsschicht noch jungfräulich war. Derweil sann der Flavier darüber nach, an wen er die Nachricht wohl am besten adressierte. An Gracchus, diesen Tartüffe? Nie im Leben würde er sich dieser Blöße hingeben! An den Praefectus Urbi? Dummerweise war ihm dessen Name entfallen, wenn er ihn den je gewusst hatte. Da blieb nur noch sein zukünftiger Schwiegersohn! Herrlich, dann konnte Aetius sogleich die Probe aufs Exempel machen und sich davon überzeugen, wozu der Tiberius überhaupt taugte.
    „Schreib!“



    An den
    Senator Tiberius Lepidus
    Villa Tiberia,
    Roma


    Mein guter Junge!


    Ich, dein zukünftiger Schwiegervater Cnaeus Flavius Aetius, habe die lange Reise aus Ravenna auf mich genommen und stehe nun hier an der Porta Collina vor verschlossenen Toren! Da die pflichtbewussten Männer der Cohortes Urbanae nur Passanten mit einer schriftlichen und besiegelten Sondergenehmigung durchlassen, benötige ich nun dringend Deine Hilfe. Ansonsten befürchte ich, wird die Hochzeit mangels Vater der Braut nicht stattfinden können!


    Vale,
    gez.
    Cnaeus Flavius Aetius



    Nachdem Aetius sein Diktat beendet hatte, händigte der Sklave auf Geheiß seines Herrn dem Wachsoldaten die Tabula aus. Damit sollte das kleine Problemchen in hoffentlich nicht allzu langer Zeit erledigt sein. "Sag, Miles, wie war doch gleich dein Name?"

  • [Blockierte Grafik: http://oi57.tinypic.com/nd9zq8.jpg]
    Cossus Orbius Blandus


    Blandus zog geräuschvoll das Feuchte in der Nase hoch. Das Schicksal des wichtigtuerischen Sklaven interessierte ihn eine nasse Wurst, und darüber nachzusinnen, ob zehn Schläge bei Morgengrauen schlimmer waren als in der Abenddämmerung, hielt er nicht für sehr ergiebig. Sollte der Servus ruhig bluten, ihm war das einerlei, ebenso wie die Frage nach seinem Namen. Es verwunderte ihn nicht weiter, dass der Flavius sich offensichtlich über ihn zu beschweren gedachte, da war dieser betuchte Civis nicht der erste, und würde auch nicht der letzte bleiben.


    „Ich bin Miles Orbius Blandus.“ gab er beiläufig Auskunft, während sein Interesse eher dem Inhalt der überreichten Tabula galt. Wer immer dieser Senator Tiberius Lepidus auch sein mochte, Blandus hatte keinen Zweifel daran, dass sich der gute Junge sofort mit qualmenden Sandalen aufmachen würde, um seinem künftigen Schwiegervater das triste Los des gemeinen Reisenden zu ersparen.
    „Das geht in Ordnung. Einer unserer Meldegänger wird die Nachricht zustellen. Wenn sonst nichts mehr ist ...“ letzteres war nicht als Frage gemeint. „Du entschuldigst mich, werter Flavius Aetius.“ Ohne sich weiter um den Flavier oder seine bunte Schar zu kümmern schritt Blandus unter Vermeidung jeglicher Form von Hektik zum Tor und machte sich bemerkbar.


    „HE! TIRO PEDUCAEUS! Hier ist Miles Orbius! Ich habe eine dringendes Schreiben weiterzugeben!“ Das Tor rumpelte auf, der Kopf des langen Elends aus dem Fünften schnellte vor wie ein Habicht. „MILES PEDUCAEUS! KAPIERT? Bin ich euer Tabellarius, oder was?“ Etwas überreizt, der Knabe, fand Blandus, der schlief sicher nicht viel, man sah es ihm an. „Die Nachricht deines Kumpels Germanicus hast du doch auch weitergegeben, oder nicht?“ „Das .... war dienstlich!“ „Ja, sicher .. ganz bestimmt .. ist das hier auch.“ Blandus hielt dem roten Choleriker stoisch die Tabula hin. Der Peducaeus warf einen neugierigen Blick darauf, hüllte sich aber ansonsten in verstocktes Schweigen.


    Schweigen jedoch war des Sarden Element. Als gereifter Vertreter seines Volkes vermochte Blandus derart gellend zu schweigen, dass seinem Gegenüber eher die Ohren zu bluten begannen, bevor er auch nur eine einzige Sardensilbe zu hören bekam. „Das ist .. aber am Esquilin ..“ knickte der Peducaeus schließlich zaghaft ein. „.. liegt nicht grade auf der üblichen Route der Meldegänger ..“ Ach ja? Schon möglich, nicht mein Problem, schwieg Blandus. Der Rotschopf wand sich immer noch ein wenig, griff dann aber knurrend nach der Tabula. „Na schön! Dann soll eben der Raubleius nochmal los .. ist sonst sowieso zu nichts zu gebrauchen. Und jetzt hau bloß ab, du sturer Inselbock! Hier zieht’s!“ Das Tor schlug zu, Blandus machte schweigend kehrt. Wo man hintrat, lauter Hektiker.

  • Am Tag nachdem der Senat sich auf ein Verfahren zur Wahl des neuen Princeps geeinigt hatte standen am frühen folgenden Morgen dutzende Boten des Senats vor den Toren um wichtige Post nach außen zu tragen.


    Wie auch vor diesem.


    "Salvete.", grüßte der erstbeste Bote, der wie alle anderen auf einen längeren Ritt eingestellt wirkte, die wachhabenden Soldaten an der Innenseite des Tors an der Via Flaminina, "Wir sind Boten im Auftrag des Senats und müssen auf dessen Order das Tor passieren. Ihr könnt euch denken warum... hier das Siegel des Senats.", sprach's und hielt den Soldaten das benannte Siegel einfach vor die Nase, auf dass sie selbst sehen konnten, dass sie hier nicht verarscht wurden.

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    Sextus Peducaeus Hispo


    Endlich hatte Hispo Gelegenheit, auf andere Gedanken zu kommen. Mit der lähmenden Ruhe am Tor schien es vorbei zu sein. Kaum war der überspannte Capra in seiner neuen Rolle als Aushilfsbote gen Südosten davon gestakst, standen mit einem mal die Profis am Tor. Gleich eine ganze Handvoll. Als Hispo der schwer bepackten Gäule der berittenen Boten ansichtig wurde, begann ihm langsam zu dämmern, was deren Auftauchen letztlich zu bedeuten hatte. Wenn nun all diese aufgelaufenen Nachrichten in’s Reich hinaus gelangten, würde damit die Nachrichtensperre hinfällig, ebenso die Abriegelung der Stadttore und damit auch die endlosen Doppel- und Dreifachschichten der Wacheinheiten. Hispos’ Laune schnellte aus den tiefsten Schlünden in luftige Höhen empor, und nicht nur seine. Auch die Kameraden erstrahlten plötzlich in gleißender Zuversicht. Unverkennbar, es war das Siegel des Senats, das die Boten da vorzeigten.


    Eiligst wuchteten die erlösten Urbaniciani die schweren Sperrbalken aus den Eisenbügeln, lösten die Seitenriegel und zogen schließlich schwitzend die mächtigen Torflügel nach innen. Draußen strahlten in vorbildlicher Reihe die blank polierten Urbanerhelme in der goldenen Morgensonne, die schweren Mäntel wehten in der Brise, die Kameraden trotzen stolz und würdig den bunten Massen des wartenden Volkes. Welch erhebender Anblick! Was für ein wunderbarer Tag! „HE! ANTIAS!“ brüllte Hispo vergnügt in den Morgen hinaus. Da kommen ein paar eilige Jungs! Helft ihnen mal durch!“


    Schneidig salutieren die Wachen vor den Reitern. Ein markiges `bene eveniat`erhob sich aus den Reihen. Die Boten erwiderten knapp, gruben ihren Gäulen die Fersen in die Flanken und sprengten aus der Stadt.

  • [Blockierte Grafik: http://s14.directupload.net/images/141030/2fpejz9u.gif| Cnaeus Flavius Aetius


    „ Miles Orbius Blandus, den Namen muss ich mir merken! – Philon! Aufschreiben!“ Wieder zog der Sklave seine Tabula hervor und notierten den Names des jungen Soldaten.
    „Nichts anderes hatte ich erwartet, Miles. Ich werde mich nun wieder zurückziehen. Mein Sklave wird hier solange verweilen, bis sich etwas Positives ergibt.“
    Aetius war fürs Erste zufrieden, was sich durchaus auch in seinem Dauergrinsen widerspiegelte. So sollte man meinen. Doch wer ihn kannte, wusste, dass dies lediglich eine Art Maske war, an der er alles abperlen ließ, was sich ihm in Form von verbalem Unrat oder impertinentem Benehmen entgegenstellte. Seine wahren Gedanken aber verbargen sich dahinter. Denn seinen wir einmal ehrlich, der Miles war für ihn nicht mehr als lästiger Fliegenschiss. Womöglich würde er sich nicht einmal die Mühe machen, sich später über ihn zu beschweren. Für Aetius war die Sache hier erst einmal gegessen. Gemächlich zog er sich nun in Begleitung seiner drei Nubier wieder zurück, während Philon an Ort und Stelle zurück blieb, um weiter die Stellung zu halten.
    Verhalten beobachtete er, wie sich der Miles scheinbar gänzlich entspannt und völlig frei von allen Zwängen mit der Nachricht zum Tor begab. Alleine die Übergabe der Tabula ließ darauf schließen, dass es hier niemand wirklich besonders eilig hatte und alles noch Stunden dauern konnte. Stunden, in denen hier wie blöd herumstehen musste. Letzteres machte ihm am meisten zu schaffen. Nicht etwa weil er körperlich dazu nicht in der Lage gewesen wäre. Nein, vielmehr weil er hier der Gegenwart des Miles ausgesetzt war, der ihm glatte zehn Schläge beim Morgengrauen eingebracht hatte. Philon versuchte, den Kerl nicht weiter zu beachten. Aber als er sich schließlich selbst dabei erwischte, wie er ihn angaffte, brachte er ihm nur ein verschämtes Grinsen entgegen.

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