• Ich sah zu meinem Vater auf, seufzte und erhob mich schließlich, um ihm zu folgen. Wieder einmal war ich dankbar, dass jener Familienzusammenhalt, von dem er sprach, bei den Aureliern so stark ausgeprägt war. Auf dem Weg ins Atrium erzählte ich ihm, was mich bewegte.


    "Cicero ist fort. Das weiß du sicher schon. Ich.. Er ging einfach. Wurde kreidebleich, als er einen Brief bekam. Dann entschuldigte er sich und zog von dannen. Ich wollte ihm nachgehen und fragen, was ihn bewegt, aber er war schon fort. Ich weiß nicht, wohin er gegangen ist oder warum er Mantua verlassen musste, Vater. Weißt du es?"


    Hoffnungsvoll sah ich ihn an, ehe ich an einer Steinbank anlangte und mich setzte. Dort hing ich wie ein Schluck Wasser. An meiner linken Hand trug ich den Siegelring Ciceros, sein Erbe. Es gab zwar keinen besonderen Anlass dazu, aber ich vermisste meinen Onkel und wollte ihm nahe sein. Nachdenklich sah ich auf den Ring hinab.


    "Den hat er mir an seines Sohnes statt geschenkt", murmelte ich.

  • Antoninus bemerkte die Bedrückung seines Sohnes und legte den Arm auf die Schulter, während sie langsam dem Atrium entgegenstrebten. Die Kunde war auch bereits zu ihm gedrungen, aber viel wusste er nicht. Eine Erklärung zu finden, war derzeit auch nicht vorrangig, sondern der Blick nach vorn. Antoninus nickte, als ihn der Blick seines Sohnes traf.


    "Über die Hintergründe ist mir nichts bekannt, Junge, aber ob wir sie nun wissen oder nicht, es sieht so aus, als können wir meinem Bruder nicht helfen. Vermutlich will er das auch nicht. Du sagst, ein Brief war der Auslöser? Dann muss die Nachricht eine sehr schlechte gewesen sein."


    Antoninus machte sich nichts vor. Ein Unglück war anzunehmen und es verlangte, dass die Familie noch näher zusammenrückte. Er setzte sich neben seinen Sohn und horchte auf, als der von dem Ring berichtete.



    "Mein Bruder hatte keinen Erben, trotzdem ist es nicht notwendig, dass er seinen Siegelring verschenkt. Weil er es aber getan hat, kommt dem neuen Träger nicht nur eine besondere Ehre zu, sondern er trägt auch Verantwortung. Ist dir das bewusst? Diese Verantwortung wird dich von nun an ein Leben lang begleiten. Sie wird an deiner Seite sein, wenn du ein Weib auswählst, wenn du Kinder annimmst oder verstößt und wenn du deine Karriere plant.


    Nicht nur sein Erbe lebt in dir weiter, sondern mein Bruder selbst. Sein Vermächtnis liegt in deiner Hand und nicht du bist es, der Trost suchen muss, denn du bist beschenkt von ihm. Alle anderen werden sich in deiner Nähe an Cicero erinnern und damit Trost bei dir finden.
    Diese Betrachtung der Lage sollte dir Kraft geben, aber sie wird dich zusätzlich noch schneller reifen lassen."

  • Ich nickte zweimal kurz, als Vater von der schlechten Nachricht sprach. Die Worte, die er dann fand, ließen die Trauer in meinem Körper dem stolzen Gefühl der Ehre weichen. Langsam hob ich den Blick und sah Antoninus an. Er wählte so weise Worte, dass ich ihn mehrere Herzschläge lang nur mit schwerem Herzen, aber verstehend und mit Stolz erfüllt, ansah, ehe ich ihn einfach umarmte.
    "Danke."


    Das war alles, was ich sagte. Aber Antoninus war mein Vater. Er würde mich auch so verstehen. Verstehen, was in mir vor ging. An der Hand fühlte ich das kühle Material des Siegelringes, das mich tröstete. Dann wurde mir klar, dass ich auch wegen meines weiteren Karrierewegs hierher gekommen war. Ich löste mich nach unsagbar langen Minuten und sah meinen Vater ernst an.
    "Ich bin nicht nur Ciceros wegen gekommen. Ich möchte dich auch fragen, was du davon halten würdest, wenn ich den Weg der Götter ginge. Ich möchte mich den salii anschließen und meinen Weg bis zum flamen machen, wenn du es gutheißt."

  • Gütlich klopfte Antoninus seinem Sohn das Schulterblatt, als er spontan umarmt wurde. Ein wohlgeratener Sohn, ein kluger und charakterlich wertvoller Mensch stand ihm nach den Jahren der Ausbildung gegenüber. Antoninus verspürte Stolz über diesen, über seinen Sohn. Er vernahm dann aber überrascht die Anfrage nach der Götterlaufbahn. Das war ungewöhnlich für einen Aurelier, aber es war ebenfalls ein ehrenvoller Weg.


    "Alles was wir uns vornehmen wird nur dann gedeihen, wenn wir mit ganzem Herzen dahinter stehen und wenn du dir sicher bist, dass dein ganzes Herz den Göttern zustrebt, dann widme dich ihnen, mein Jungen. Deiner Herkunft bist du es aber schuldig, dass du ausschließlich die römischen Götter ehrst und nicht den Gottheiten aus Griechenland oder von noch ferner anhängen wirst. Hast du dazu bereits konkrete Vorstellungen?"

  • "In der Tat, die habe ich. Wie ich bereits sagte, mochte ich den salii beitreten. Mein Ziel soll der Posten des flamen quirinalis sein. Bevor du nun sagst, wie hoch gesteckt dieses Ziel ist, ja, ich weiß, es ist ein hehres Ziel, doch ich werde mich dessen als würdig erweisen. Quirinus ist dem Mars nicht unähnlich und als einer der salii kann ich ihm noch besser dienen denn als frater arvalis."
    Ich hielt kurz inne und sah Antoninus an.
    "Die römischen Götter sind die einzig wahren, Vater. Das sollte jeder Römer wissen. Und so sie es nicht wissen, sollten sie es fühlen können, tief in sich drinnen. Kein Gott ist stärker als die römischen."

  • Antoninus lächelte seinen Sohn an und nickte zufrieden.


    "So ist es, mein Sohn. Ich sehe, du wärst ein hervorragender flamen quirinalis und so hast du meine volle Unterstützung. Vielleicht fehlt Rom ja gerade noch der eine oder andere im Cultus Deorum, der alte Religion und damit Tradition bringt. Mars ist der Gott aller Soldaten und mit ihm sind Kriegsgott Quirinus und Jupiter unbestritten die wichtigsten Götter Roms. Ich als Soldat hänge dem besonders an. Außerdem sehe ich, dass du deine Hausaufgaben gut gemacht hast und glaube, dass dein Weg der für die Verehrung der Götter ist."

  • Ich lächelte verlegen und wusste nicht recht, was ich auf Antoninus' Worte hin entgegnen sollte. So schwieg ich eine Weile, nur um dann wieder die Stimme zu erheben.
    "Ich danke dir, Vater. Ich wusste, dass ich auf die Unterstützung der familia hoffen kann. Zusammen sind wir stark, zusammen bringen wir den Ahnen und den Göttern Ehre dar. Ich werde die regia aufsuchen und wennmöglich sofort einen cursus religiosus belegen. Doch ehe ich den Göttern als sacerdos diene, lasse ich mich zu den Wahlen zum duumvir Mantuas aufstellen. Man sagte mir, dass dies ebenfalls einer der Wege sei, mit dem man mein Ziel erreichen kann."

  • Ich hatte eine Weile gebraucht von Mantua nach Rom, doch nun war ich flugs aus der Sänfte geklettert und in die villa geeilt.


    "Vater?" fragte meine Stimme in die Stille hinein. Das kalte Mamor reflektierte meine Worte.
    "Onkel Cicero? Samira?"


    Irgendwer musste doch schließlich hier sein, verdammt noch mal! Ich riss eine Tür nach der anderen auf, scheuchte zwei Sklaven, die unanständiges im tablinum trieben, dort heraus und trug ihnen auf, jemanden zu finden. IRGENDjemanden, wer, war mir egal. Immerhin hatte ich nur eine einzige Frage und die würde mir sicherlich beantwortet werden können, egal wer nun kam. Meine toga hing unordentlich herum und im Ganzen wirkte ich fahrig. Ungeduldig trommelte ich mit den Fingern auf den Marmor einer Säule des atrium, während ich wartete.

  • Du meine Güte! War der Tiber stehen geblieben? Oder vielleicht der Palatin versunken? Ein Krieg ausgebrochen? Oder konnte der Herr nur wieder einmal seine Sandalen nicht finden?


    "Wo brennt es denn?", fragte ich mit unschuldiger Miene.

  • Mit meinem verknacksten Rücken ging ich in Richtung des Unruheherdes und brannte darauf, meine Schmerzen mit einem grollenden Wutausfall zu kompensieren. Meinen Kiefer bewegte ich mehrmals locker hin und her, meine Lunge füllte sich mit Luft und ich setzte gerade an zu einem

    WWWWWAAAAAAS im Namen Iuppiters ist denn hier.......
    ????


    Dieses zerzauselte Etwas erinnerte mich an jemanden, den ich normalerweise meinen Neffen nenne....... Meine Mimik zeugte von Verwunderung.


    Trägt man das neuerdings so?

  • Mein Kopf ruckte herum und mein Blick taxierte Samira. Die spöttische Bemerkung ließ ich ihr gerade noch mal so durchgehen, ich hätte allerdings gut Lust gehabt, sie hier und jetzt zu sanktionieren.


    "Samira!" donnerte ich.
    "Wenn ich in Rom bin, dann will ich mir nicht deine vorlauten Äußerungen anhören, sondern...."


    In diesem Moment kam Onkel Cicero. Alledings besserte das meine Laune nicht im Geringsten. Zuerst schien er aufgebracht, dann verwirrt. Und schließlich fragte er mich nach meiner Aufmachung, was ihm einen verständlos-mürrischen Blick meinerseits einbrachte. Samira ließ ich einfach stehen, ich hatte jetzt einfach keine Muße, mich mit ihr zu beschäftigen.


    "Onkel! Sag mir, dass Deandra hier ist oder du etwas von ihr gehört hast! Das hast du doch, oder?" verlangte ich zu wissen.

  • Schmunzelte ich doch noch zuerst, wie mein Neffe auf die gute Samira reagierte, so spürte ich dann doch, das hier mehr in der Luft lag, als angenehm war. Deandra, meine Nichte, ein Rätsel. Corvi müsste mehr wissen als ich, doch spürte ich sehr deutlich, und das seit einiger Zeit das unheilvolle Wolken aufzogen. Wolken, die mir Schmerzen bereiteten. Angst und Schwermut.. Doch ließ ich mir wie so oft im Leben nichts dergleichen anmerken und bewahrte meine gewohnte Fassung. Mein Gesichtsausdruck wurde milder und die Stimme sanfter, als ich mit Corviii sprach - nachdem ich Samira andeutete, uns alleine zu lassen.


    Neffe, das letzte was ich von meiner Nichte hörte war, das sie nach Germanien mit Dir aufbrach. Dann hörte ich, sie würde nach Rom kommen, und nun erscheinst Du hier alleine. Aufgelöst und mit fragwürdiger Kleidung. Ich denke, Du solltest mir so einiges erzählen, was sich hier abspielt.



    Mit dem Schlimmsten rechnete ich, doch verbarg ich die Sorge und lächelte nur milde.


    Erzähle mir der Reihe nach, ich habe Zeit, Corvinus

  • Meine Hoffnung auf eine positive Antwort erstarb schon, als ich härte, wie mein Onkel das sonst vertraute 'Neffe' aussprach. Die folgenden Worte ließen meine Mundwinkel jedoch noch weiter nach unten fallen und was ich hörte, führte dazu, dass ich eine Hand hob und mir unwirsch über das Gesicht fuhr. Ich lehnte mich schwer an eine Säule, legte den Kopf in den Nacken und seufzte mit geschlossenen Augen. Hier war sie nicht, Cicero wusste auch nicht mehr als ich selbst. Wieder fuhr ich mir durch Haar, dann trug ich Samira, die uns gerade verlassen wollte, mit barschen Worten auf:


    "Bring uns Wein. Ins tablinum."


    Meinem Onkel nickte ich zu, dann ging ich vor ihm her in den genannten Raum. Dort ließ ich mich achtlos auf eine cline fallen.


    "Deandra wollte noch bleiben, also ließ ich sie zurück. Du weißt, die Geschäfte in Mantua... Und jetzt? Sie müsste längst wieder zurück sein. Ich hatte gehofft, in Rom weiß man mehr. Ich mache mir große Sorgen, Onkel. Was, wenn ihr nun etwas passiert ist?"

  • In Gedanken war ich drauf und dran, nach Germanien zu reisen. Was war hier los? Der Wein erschien mir angemessen, in dieser Situation.
    Doch wurde ich aus den Reden von Corvinuss nicht schlauer.


    Ihr seid doch nur zu den Spielen in Germanien gereist, wieso wollte sie bleiben?


    Innerlich seufzte ich schwer und befürchtete, weitere Haare würden mir ergrauen. Irgend etwas musste ja gewesen sein.

  • Eigentlich hatte ich mich ja bereits abgewandt, als der junge Herr unmissverständlich einen Wunsch äußerte.


    „Sehr wohl, Herr“, erwiderte ich pflichtbewusst und eilte aus dem Raum. Mit Tischamphore und Bechern erschien ich wenig später im Tablinum.


    „Sogleich einschenken, Herr?“

  • Ich machte nur eine unwillige Geste. Während Samira uns also den Wein kredenzte, rasten die Gedanken in meinem Kopf nur so dahin. Hatte ich sie gar so sehr verschreckt mit dem Beginn meines Geständnisses? Schreckensbleich sah ich Cicero an. Nein, das konnte nicht sein, immerhin hatte ich kaum etwas gesagt. Kurz blitzte das Lächeln Aquilius' wieder in meinen Gedanken auf, ehe das Bild Deandras folgte.


    "Sie sagte bei der Abreise, dass es ihr nicht so gut ginge und ich schon vorreisen sollte. Hätte ich doch nur gewusst, dass sie....", murmelte ich und barg mein Gesicht in den Händen.
    Wein. Ich brauchte jetzt guten Wein. Dankbar griff ich nach dem Becher und leerte ihn fast in einem Zug. Ich war so gesehen Schuld daran, wenn Deandra nun etwas passierte. Was, wenn sie hinterrücks von Germanen ermordet in einem Graben lag, wo Krähen nach ihren Augen pickten? Oder was, wenn sie entführt und gefangen genommen worden war von den Barbaren des Nordens? Mir wurde schlagartig übel. Ich leerte den Becher und hielt ihn Samira gleich wieder hin. Mochte mich Cicero in diesem Moment auch für einen einen Trinker halten, ich brauchte das jetzt. Ich liebte meine Schwester. Ein Leben ohne sie war für mich undenkbar.

  • Der Junge verhielt sich so, als hätte er großen Mist gebaut und versuchte nun, es wegzuspülen. Nachdem nun Samira mit einer erneuten Geste aufgefordert wurde, den Raum zu verlassen, wollte ich nun alles genau wissen. Sachlich und betont ruhig wählte ich meine Worte, obwohl mein Herz pochte...und der Rücken schmerzte, doch das sagte ich bereits.


    Es geht ihr also nicht gut? Was hat sie denn? Und wo befindet sie sich genau?


    Wie konnte er sie nur allleine lassen? Ich ersparte mir Kritik, der strarke Wingenuss sprach eine deutliche Sprache. Nun galt es nur noch, das Kind aus dem Brunnen zu holen.


    Wie lange brauchtest Du für die Reise?

  • Immer dann, wenn es spannend wurde, schickte man mich fort. Dabei interessierte mich sehr wohl, was mit meiner Herrin los war. Eigentlich wollte ich ja sauer sein, weil sie den Germanen anstelle von mir mitgenommen hatte.
    Nicht laut, aber lauter als sonst, stelle ich die neue Tischamphore ab.


    "Raus!", zischte ich die anderen Sklaven an. Wäre ja noch schöner, wenn die dableiben durften. Ich trieb sie vor mir her und verließ schließlich mit unzufriedenem Gesichtsausdruck das Tablinum.

  • Samiras Missmut entging mir nicht, aber um ehrlich zu sein, kümmerte er mich nicht im Geringsten. Ich kratzte mich nachdenklich am Kopf und gab leise dann die Anzahl Tage zur Antwort, die ich mich auf der Heimreise befunden hatte. Ich schüttelte gedankenverloren den Kopf.


    "Sie klagte über leichte Kopfschmerzen, Cicero. Du weißt doch, dass Frauen manchmal welche haben. Wenn ich gewusst hätte, dass ihr etwas zustößt...ich wäre doch in Mogontiacum geblieben!" jammerte ich.
    Ganz bestimmt war ihr etwas zugestoßen. Es konnte ja gar nichts anderes sein.

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