Eintauchen in die Luft Roms

  • "Severina! Das schickt sich nicht!" Diesen Satz hörte Severina seit mindestens einer halben Stunde ständig. Severina verdrehte nur wieder einmal die Augen, änderte aber gar nichts an ihrem Verhalten. Sie war seit ihrem Eintreffen in der ewigen Stadt fast in einem Rausch und wollte soviel wie möglich nachholen, dazu gehörte auch das Einkaufen. Klugerweise hatte sie ihre Amme mitgenommen, sonst hätte sie sicher eine Standpauke von ihrer Mutter bekommen, Severina hatte allerdings in ihrer Euphorie nicht bedacht, dass die Amme in Sachen Mode eher konservativ eingestellt war.


    "Drusilla, wir sind jetzt in Rom! Es ist nicht nur egal, ob es sich schickt, nein, es wird sogar verlangt! Sieh mal hier!"


    Triumphierend hielt sie eine hübsch gewebte Tunika vor ihrem zierlichen Körper. Das nach Drusilla Anstößige war der Ausschnitt, der laut der Amme viel zu tief geraten war, doch für Severina war es gerade richtig so. Zudem war der Stoff hell und leicht, gerade richtig für die heißen Tage in Rom, so wie heute einer war.

  • Severina war noch ganz verzückt von der neuesten Mode, die sich ihr darbot und Drusilla noch am Zurechtweisen ihres Schützlings, als sich in der Ferne ein Tumult erhob. Neugierig, wie Frauen so sind, sahen sie in die Richtung, aus der der Lärm kam, doch es war nur ein kleiner Diebstahl, der nicht unbemerkt geblieben war. Für Severina kein Grund zur Aufregung, solche Dinge waren ja in Rom an der Tagesordnung, Drusilla hingegen fächerte sich vor Aufregung heftig Luft zu.
    "Siehst du? Und du wolltest noch ganz alleine hierherkommen! Nicht auszudenken. Was, wenn du bestohlen worden wärst? Oder noch schlimmer: Wenn dir etwas anderes passiert wäre? Mädchen, ich sage dir, Rom ist gefährlich... bla bla bla... und die jungen Männer erst... bla bla bla..."


    Severina hörte schon länger nicht mehr zu und ließ nur in etwas unregelmäßigen Abständen ein "Mhm." hören. Solche und ähnliche Worte musste sie schon öfters von ihrer etwas übervorsichtigen Amme hören, sie konnte sie schon auswendig. Auf alle Fälle nahm sie sich vor, Drusilla das nächste Mal nicht auf den Markt mitzunehmen.

  • „Bleibst du wohl stehen du kleiner Eierdieb!“, ertönte laut die Stimme eines Miles in der Ferne. Der Arme Soldat, als wäre es in der Hitze des Tages nicht schon anstrengend genug, in eine schwere Rüstung gekleidet, einen unbequemen Helm tragend und in der einen Hhnd ein Scutum und in der anderen ein Pilum haltend über einen dicht besuchten Markt zu patrouillieren. Nein jetzt hieß es auch noch in der gleichen Hitze, mit demselben Gepäck auch noch einen Dieb hinterher zu rennen.
    Und der flinke, kleine Dieb hatte nicht einmal Mitleid mit dem armen Soldaten. Denn er blieb trotz wiederholter Aufforderung nicht stehen, sondern schlängelte sich gekonnt durch die gaffenden Zuschauer.
    Römer auf dem Markt, die ein Verbrechen beobachten, bewegten sich zäher als der klebrigste Honig aus Germanien. Scheinbar gereichte dies dem Dieb zum Vorteil und dem Soldaten zum Nachteil. Immer wieder stieß dieser mit seiner sperrigen Ausrüstung vor erstaunte, menschliche, unbewegliche Hindernisse.


    Noch lange sollte diese Verfolgungsjagd dauern, doch viel eher verbarg die große Menschenwesen das Ereignis wieder und vor allem dessen Ausgang.

  • Drusilla zeterte noch weiter über diesen nun wirklich nur kleinen Vorfall und über Rom generell, so dass Severina mit der Zeit schon genervt sich die Ohren zuhalten wollte, aber das wäre ihrer Amme gegenüber unhöflich gewesen. Nur schwer allerdings konnte sie sich zurückhalten, da sprach noch das Kind in ihr, auch eine scharfe Zurechtweisung wollte sie in der Öffentlichkeit vermeiden.


    Severina seufzte und ging zum nächsten Stand hinüber, wo der Verkäufer ebenso Damenkleidung anbot. Schon ziemlich desinteressiert an der Ware, mit Drusilla einkaufen gehen machte an diesem Tag wirklich keine Spass, hörte sie sich mit halbem Ohr die Lobpreisungen des anscheinend syrischen Verkäufers an und nahm schließlich eine Tunika heraus, die für den Alltag sehr bequem geschneidert war. Etwas unschlüssig stand sie herum, da sie eigentlich schon genug solche Tuniken hatte, aber zum Schluss sagte sie sich, lieber eines mehr als eines zuwenig, zog ein paar Geldstücke aus ihrer Geldkatze heraus und bezahlte den Verkäufer.


    Schön langsam machte aber auch ihr die Hitze zu schaffen, deswegen schlug sie ihrer Amme vor, eine Erfrischung zu sich zu nehmen. Drusilla, die Ärmste, schwitzte schon aus allen Poren, wie Severina belustigt bemerkte, und nahm den Vorschlag dankbar an. Beide gingen zu einer Art Gassentaverne mit vorzüglichem Blick über den Markt, allerdings keine mit zwielichtigen Gestalten, sondern schon mit etwas gehobenerem Publikum und bestellten für sich je einen Becher gekühlten Weines, welcher stark mit Wasser vermischt sein sollte. Severina liess ihren Blick sowohl über die Menschen in der Taverne als auch über den Markt schweifen. Heiss war der Tag, und er versprach noch heisser zu werden.

  • Und so wie Severina es befürchtet hatte, der Tag wurde heisser und heisser. Selbst im Schatten der Taverne war es immer weniger angenehm, so standen die beiden Damen auf und verliessen die kleine Gassentaverne. Wenn Drusilla sich jedoch gedacht hatte, dass sie sich nun auf dem Weg nach Hause machen würden, so hatte die Amme sich gehörig geschnitten. Severina drängte es wieder auf den Markt, die zeternde alternde Frau hinter sich hörend. Sie wollte noch unbedingt eine Stola für sich selbst und eine kleine Amphore Wein für ihren Vater kaufen. Die Stola stellte kein Problem dar, Severina hatte schnell eine gefunden, die sowohl ihren Geschmack als auch die hohen Ansprüche ihrer Amme traf. Der Wein für ihren Vater hingegen war etwas schwieriger zu beschaffen, da sowohl Severina als auch Drusilla selbst nur wenig Wein tranken und diesen stark verdünnt, so wie es sich für eine Dame gehörte. Ausserdem hatte Severina durch ihre lange Abwesenheit nur eine sehr grobe Vorstellung vom Weingeschmack ihres Vaters. So besuchten beide verschiedene Weinhändler bis sie in ein Geschäft eines hispanischen Importeurs eintraten. Die mollige Frau, sicher die Ehefrau des Eigentümers, begrüsste beide freundlich und lud beide zu einer kleinen Verkostung ein. Erfreut über soviel Aufmerksamkeit kosteten beide, natürlich immer nur in Schlückchen, verschiedene Weine, bis sie sich für einen entschieden, der angenehm herb und erfrischend schmeckte, zweifellos eine Wohltat angesichts der derzeit brütenden Hitze. Als die beiden nur kurze Zeit später das Geschäft verliessen, drehte sich Severina noch einmal ganz kurz um, dieses Geschäft wollte sie sich merken. Doch schon drängte Drusilla wieder, sie wollte nun endlich nach Hause und Severina, obwohl sie viel lieber noch gerne mehr gesehen und vielleicht auch eingekauft hätte, fügte sich den Worten ihrer Amme und verliess mit ihr den Markt nach Hause.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!