Cubiculum | Caius Flavius Aquilius

  • Bereitwillig drehte ich mich zur Seite und schon bald darauf konnte ich ihn hinter mir spüren, wie er sich ganz dicht an mich schmiegte. Ich fühlte dieses unbeschreiblich schöne Wohlbehagen in mir, ihm ganz nah sein zu dürfen. Mit freudiger Erwartung, vereinigte er sich mit mir. Ich war mir ganz sicher, auch er konnte es wahrscheinlich kaum mehr erwarten, hatte er sich doch so lange zurückgehalten um mir ein unerwartetes Vergnügen zu verschaffen.
    Leise seufzte ich voller Lust, als ich ihn in mir spüren konnte.


    So sanft und liebevoll waren seine Berührungen und so erquickend seine Küsse. Dieses innige Gefühl, so sicher und geborgen in seinen Armen zu liegen, wärmte mein Herz und meine Seele. Er hätte heute Nacht allles von mir verlangen können. Ich hätte es mit Freude getan!


    Langsam ließ ich meine Hand hinunter zu seinem Schenkel gleiten und streichelte ihn zärtlich. Währendessen genoß ich in vollen Zügen seine rythmischen Bewegungen, die so sanft und sachte, aber dennoch voller Energie waren und die mich erneut in ungeahnte Höhen bringen wollten.

  • Ihr Körper schien mir gänzlich entspannt zu sein, so weich fühlte ich sie in meinen Armen liegend, so lauschte ich ihrem Atem und hatte den Kopf an den ihren geschmiegt, dass meine Wange ihr Haar berührte und ich mir für diesen Moment vormachen konnte, dass es auf dieser Welt nur uns beide gab. Letztlich vereinte uns keine Liebe, wie es die Dichter oft prosaisch für das körperliche Vergnügen miteinander voraussetzten, nur Sympathie, aber das war mir vollauf genug, um mir zu wünschen, dass sie es genießen konnte, und alles dafür zu tun. Jetzt, da der erste Ansturm ihrer Gefühle vorüber war, konnte ich auch wieder daran denken, einen zweiten anzupeilen, der mir dann auch eine gewisse Erleichterung verschaffen sollte - ich konnte den Wunsch nach einem Gipfel sehr wohl eine Weile zurückhalten, aber eben keine Ewigkeit.


    Den Kopf etwas vorneigend, ließ ich meine Zungenspitze sahte über ihr Ohr tanzen, fuhr den Rand entlang, um die sensiblen Stellen zu reizen, und flüsterte ihr dann leise zu: "Du siehst sehr schön aus, wenn Du genießt, Bridhe ..." Ja, schön war sie in diesen Stunden auf jeden Fall, auch begehrenswert, und ich konnte nachempfinden, warum Severus ihren Reizen erlegen war - vielleicht wäre ich es wohl selbst, hätte ich nicht im Umgang mit Frauen eine gewisse Erfahrung erlangt, und damit auch einen gewissen Abstand zu einer zu schnell wachsenden Begeisterung.
    Ich bewegte mich schneller, ihr Bein noch etwas hebend, um die Vereinigung zu intensivieren, und spätestens jetzt konnte man ein leises, aber stetiges Knarren hören, weil sich mein Bett mit uns bewegte - es war solcherlei nicht gewöhnt, mein Vergnügen suchte ich mir doch zumeist außerhalb, und protestierte nun gegen diese Art der Beanspruchung. Aber darauf achtete ich nicht wirklich, dafür fühlte sich unsere Nähe zu gut an ...

  • Sein Arm hielt mich immer noch so beschützend umschlungen. Er hatte schnell meine Vorlieben erkannt und sich diese zu Nutze gemacht. Geschickt ließ er sie in sein Liebesspiel mit einfließen. Ich zog zärtliche Berührungen und innige Nähe schon immer Anderem vor.
    Was er für mich in genau diesem Augenblick empfinden mochte? War ich für ihn in den Momenten der Leidenschaft und des Verlangens nur seine Sklavin, die sich ihm pflichtbewußt hingegeben hatte und er, der Herr, der genoß, was ihm eh zustand? Nun, wenn er mich vielleicht gerade nicht als solches ansah, so würde er es sicher morgen wieder tun. Ehrlich gesagt, konnte ich mir nicht im geringsten vorstellen, daß diese Nacht auch nur die kleinste Veränderung für meine Situation bedeuten könnte. Vielleicht würde diese Nacht sogar noch alles viel schlimmer machen.
    Severus- würde ich ihm jemals wieder in die Augen schauen können, mit dem Wissen, daß ich... Nein! Ich wollte jetzt nicht an Severus denken! War es nicht sein Handeln, welches mich schließlich in Aquilius Arme getrieben hatte? Doch nein! Diesen düsteren Gedanken wollte ich mich jetzt nicht ergeben.
    Und noch eine Frage stellte sich mir. Was empfand ich egentlich für ihn? Jetzt, nachdem er so zärtlich zu mir war, mich mit Liebkosungen beglückt und derartig in Verzückung gebracht hatte, so wie es üblicherweise nur Liebende taten. Sollte da etwa nicht das geringste Fünkchen von Liebe übergesprungen sein? Wäre Liebe in meinem Fall überhaupt denkbar oder gar hilfreich? Noch ein Problem mehr, welches sich ein eine endlose Reihe von unlösbaren Problemen einreihen würde.
    Darüber müßte ich sicher noch Klarheit gewinnen! Vielleicht morgen, vielleicht aber auch noch heute Nacht.


    Das er in dieser Nacht noch lange nicht sein ganzes Repertoir an Verführungskünsten angewandt hatte, wurde mir klar, als er damit begann, mit seiner Zunge an meinem Ohr zu spielen. Woher wußte er nur, was mich so derartig stimmuliern konnte?
    Auch sein, in mein Ohr gehauchtes, Kompliment über meine Schönheit, ließ mich von neuem erzittern. Ein Schauer der Lust, begann durch meinen Körper zu strömen.
    Langsam führte ich seine Hand zu meiner Brust. Da wollte ich ihn auch spüren.
    Die Intensität seiner Bewegungen, die durch das Knarren des Bettes nur bestätigt wurde, trug dazu bei, daß mich noch einmal diese prickelnde Verzückung übberwältigen wollte.
    Mein Atem ging wieder schneller, mein Herz begann von Neuem zu rasen und ich ließ meinem Stöhnen freien Lauf.
    In völliger Hingabe ließ ich alles mit mir geschehen und hoffte, es würde niemals enden.

  • Die Freuden geteilter Leidenschaft waren für mich stets zweiteilig gewesen - jene Freude, die ich selbst empfand, wenn ich die Höhen der Erlösung erklomm, war schon fast selbstverständlich, ich kannte sie wie einen guten alten Freund, mit dem man ab und an ordentlich zechte und sich gut amüsierte, um dann auf ein baldiges Wiedersehen zu hoffen - jene Freude aber, die entstand, wenn ich fühlte, wie eine Frau in meinen Armen erzitterte, ich hören konnte, wie ihre Gefühle sie überwältigten und seufzen ließen, jene kehliger werdenden Laute, je intensiver die Vereinigung wurde, je heftiger der Ansturm der Lust in ihrem Leib, gerade diese Freude war immer wieder neu, eine geheimnisvolle Fremde, die sich mir stets mit einem anderen Gesicht präsentierte, das ich mit Geduld und Zärtlichkeit, aber bisweilen auch schmerzhafter Lust hervorzulocken versuchte. Meine Finger umfassten ihre Brust zuerst sanft, dann hatte ich die Knospe gefunden, welche nun Teil unseres Spiels werden sollte - intensivere Bewegungen verknüpfte ich mit einem leichten Zusammendrücken dieser sensiblen Erhebung, um ihre Empfindungen dabei noch ein bisschen mehr zu vertiefen - und ihr Echo tief in ihrem Schoß zu erspüren ließ auch mich schneller werden, mehr nach jenem glühend intensiven Gipfel streben, den ich mir nun doch eine ganze Weile verkneifen hatte müssen.


    Bona Dena! dachte ich überrascht, wie fest sie mich umschloss, und dann erreichte auch ich den Punkt, an dem es kein Zurück mehr gab - ein heftiges Knarzen begleitete meine letzten Bewegungen, und dann konnte auch ich befreit und erlöst aufkeuchen, mein Herz raste geradezu, und die süße Mattigkeit der Erlösung pulsierte schubweise durch mein Innerstes, ich umfing sie, hielt sie, drängte mich an Bridhes schönen Körper, um sie nicht mehr loszulassen in diesem Augenblick, als könnte dies die Vereinigung noch köstlicher machen, das Gefühl einer stillen Übereinstimmung verlängern bis in eine ferne Unendlichkeit. Dann erschlaffte mein Leib, und ich sackte etwas zurück, meine Umarmung lockerte sich, aber ich ließ sie noch nicht los, sondern atmete still vor mich hin, die Augen genießend geschlossen. Diese Momente der Stille waren es, die ich daran fast am meisten genoss, das wissen um gemeinsam geteilte Leidenschaft, um eine Erfüllung, die man sich gegenseitig geschenkt hatte ... in solchen Momenten war meine eigentlich zerbrochene und zerborstene Welt in Ordnung. Langsam wandte ich den Kopf zu ihr, und wieder fanden meine Lippen ihr zerwühltes Haar, ich küsste sie sanft und lächelte dabei, aber noch war mir nicht danach, etwas zu sagen.

  • Eine Weile lagen wir noch so da, so als wollten wir unsere Vereinigung niemals enden lassen. Er küßte mein Haar. Langsam drehte ich mich zu ihm hin und lächelte ebenfalls. Wie er so da lag. Dies Schöheit seines markanten Gesichts, der Ausdruck der Zufriedenheit, die sich darin spiegelte. Sanft küßte ich ihn und schloß dabei meine Augen.
    Ich liebe dich! flüsterte ich leise. Ja, der Funke war übergesprungen. Ich fühlte es in diesem Augenblick, da ich in seine Augen schaute. Über die Tragweite dessen, was ich da gerade gesagt hatte, wollte ich im Augenblick nicht nachdenken. Ich wußte, wie hoffenungslos diese Liebe sein würde. Doch was konnte ich schon gegen meine Gefühle tun? Nichts! Wenigstens einen Moment wollte ich daran glauben, daß es möglich sein könnte.


    Es waren die Delfine und die seltsamen Meerwesen!
    sagte ich plötzlich gedankenverloren in die Stille hinein. Immer wieder hatten mich die wundervollen Mosaike und Wandmalereien im balneum fasziniert.
    Er hatte mit heute Abend keine Gelegenheit der Rechtfertigung gegeben, vor lauter Wut, die er empfunden. Doch jetzt war er ruhig und sicherlich zugänglicher, als noch vor einigen Stunden.
    Es sollte keine Entschuldigung sein. Es sollte nur eine Erklärung sein. Eine Erklärung dafür, daß auch ich ein Sinn und die Sehnsucht nach Schönheit besaß. Vielleicht würde er es verstehen.

  • Nichts konnte diesen perfekten Moment der Stille zerstören ... oder doch? Ja, doch. Hatte sie das gerade wirklich gesagt oder gaukelten mir das meine entspannten Sinne einfach nur vor? Ich liebe Dich. Bisher waren dies Worte gewesen, die ich selten gehört hatte, und nur sehr wenige Male gesprochen, immer nur zu einem Menschen. Orestilla hatte es gesagt, als ich noch glaubte, ihr Mann zu sein in der Fischerhütte. Auriana Livia hatte es gesagt, als sie mir alle Spielarten der körperlichen Lust beigebracht hatte und dabei gemerkt, dass sie und ihren Gemahl nicht mehr viel verband. Gracchus hatte es gesagt, nur sehr wenige Male, und jedes Mal gefürchtet, die Rache Iuppiters würde ihn treffen, wenn er es sich eingestehen würde. Du liebst doch Severus, hätte ich sagen sollen. Oder lügen: Ich liebe Dich auch. Aber es war der einzige Satz, den von mir niemals ein Mensch vernehmen würde, wenn es nicht unbedingt richtig war. Man konnte vieles vortäuschen, heucheln, die gesellschaftliche Maske aufsetzen und hoffen, dass der Tanz weiterginge. Aber Liebe ... Liebe war genau wie die Ehe etwas, worüber ich nicht scherzte. Niemals scherzen würde. So streichelte ich nur ihren Arm, ihre Wange mit meinen Fingern und schwieg, denn es gab nichts, was ich hätte erwiedern können, und was ihren Worten angemessen gewesen wäre, wenn sie wirklich aus einer Empfindung heraus geäussert worden waren.


    Liebe ist doch letztendlich nur grausam. Ja, mich hatte sie eher gestraft, und seitdem lauschte ich ihr nicht mehr so aufmerksam. "Die Delphine?" Es klang verblüfft, der Gedankensprung war so weit, dass ich dem nicht ganz folgen konnte - und dann begriff ich. Die Sache mit dem balneum. Natürlich, das musste ihr noch im Kopf herumspuken.
    "Es ist ein Ort für meine Familie, Bridhe, und jeder meiner Verwandten wird Dich grausam strafen, wenn er Dich dort vorfindet, ohne dass Du dorthin gerufen wurdest - halte das im Gedächtnis, wenn Du wieder daran denkst, das balneum aufzusuchen, wenn ich nicht bei Dir bin. Ich nehme Dich gerne mit, aber ansonsten muss Dir in Deinem eigenen Interesse das balneum der Sklaven ausreichen."
    Ich hätte es auch anders erklären können ... dass dies ein Refugium war, bei dem man versuchte, mit den eigenen Gedanken allein zu sein, fernab der Welt. Aber ich fürchtete, dass diese Erklärung ihr eher Öl ins eigene Feuer gegossen hätte, also blieb ich bei den Tatsachen, auch wenn sie schmerzhaft waren.

  • Er erwiederte nichts auf meine geflüsterten Worte. Warum sollte er auch? Stattdessen streichelte er nur meinen Arm und meine Wange, wie ein kleines Mädchen, das man trösten wollte. Dumme Bridhe! Wie konntest du dich nur so offenbaren!
    Die Delfine! Meine Worte, das was ich sagen wollte, hatte er auch nicht verstanden. Mit einem mal war ich den Tränen nah. Seine Worte holten mich sogleich in die Realität zurück. Sie waren sehr schmerzhaft und überraschend, wie ein Schlag ins Gesicht.
    Ich schloß die Augen. Stilll und leise quollen die Tränen über mein Gesicht. Nichts war passiert! Nichts wichtiges! Alles war so, wie vorher. Es war wirklich törricht von mir, zu glauben, es hätte sich auch nur irgendetwas geändert. Genau diese Tatsache, tat so weh. Es war, als wolle es mir mein herz zerreißen.
    Ich löste mich langsam aus seiner Umarmung und wischte mir die Tränen ab. Ich versuchte zu lächeln, doch das wollte mir so gar nicht gelingen. Stattdessen förderte dies nur noch mehr meinen Schmerz zu Tage.
    Mit meinen schmerzverzerrten Gesicht, war ich sicher keine Augenweide mehr. Doch das war auch nicht mehr von nöten.


    Ich denke, ich sollte jetzt besser gehen! sagte ich leise und versuchte dabei, nicht zu schluchzen.

  • Sie hat es ernst gemeint. Es war eine erschreckende Erkenntnis, aber gleichzeitig auch eine, die mich hilflos machte. Ich kannte Liebe nur als etwas, das man sich vielleicht erhoffte, vielleicht erträumte, ab und an einen winzigen Beweis dessen, was sein könnte, flüchtig in den Händen hielt, um zusehen zu müssen, wie er verging - nicht in der gelebten Leidenschaft, und auch nicht verbunden mit dem Wunsch nach Zärtlichkeit. Als sie zu weinen begann, erschütterte sie mich damit mehr, als es jedes zornige Wort hätte tun können, und letztendlich war es schrecklich genug, dass ich ihr den Trost niemals würde geben können, den sie sich erhoffte. Weil es auch für mich keinen Trost gab.
    "Bridhe ... nun weine doch nicht ..." Meinen Worten musste die Hilflosigkeit anzuhören gewesen sein, und vorsichtig berührte ich ihren Arm, als könnte sie einem Traumgespinst gleich zerbersten. "Wäre es Dir lieber, ich hätte gelogen? Dir ein Gefühl vorgeheuchelt, das ich nicht so teilen kann? Ich mag Dich, Bridhe, und ich werde tun, was ich kann, um Dir ein Freund zu sein, soweit es mir möglich ist. Dein Leben muss nicht schrecklich sein." Dieses schiefe Lächeln unter Tränen war es, das mich mehr als alles andere anrührte, denn es schien mir, als spiegelte es in seiner Hoffnungslosigkeit all jene Momente, in denen ich verzweifelt gewesen war.


    "Denkst Du, ich verbiete Dir dieses balneum, weil es mir so viel Spaß macht? Dies ist eine der Regeln dieses Hauses, und auch wenn ich zur Familie der Flavier gehöre, es ist nicht mein Heim, und ich bin nur ein geduldeter Gast, weil es für den Sohn des Hausherrn keine Möglichkeit gibt, mich aus dem Haus zu jagen, ohne dass es für ihn peinlich enden würde. Diese Regeln sind es, die ein jeder hier befolgen muss, auch ich, auch mein Haushalt, und damit auch Du, wenn Du nicht willst, dass etwas geschieht, wovor ich Dich nicht werde schützen können. Es gibt schönere Orte als diesen einen Raum, und wenn Du sie sehen willst, dann nehme ich Dich mit in die Stadt, und zeige sie Dir. Die Thermen beispielsweise, die Basilica Iulia. Es gibt noch so vieles, das Du nicht kennst, und bei dem weit weniger die Gefahr besteht, dass ein missgünstiger Verwandter, der meinen Familienzweig nicht leiden kann, aus irgendeinem Grunde seine Laune an Dir auszulassen gedenkt," sagte ich ernst und blickte in ihr vom Weinen verquollenes Gesicht, ohne den Blick abzuwenden. "Ich werde Dich nicht zurückhalten, wenn Du gehen möchtest, aber ich würde mir wünschen, Du bliebest. Es gibt wohl einige Dinge, die ich Dir erklären muss, warum hier vieles so ist, wie es ist ... und ..." Ich atmete leicht ein. "... es wäre schöner, wenn Du bliebest."

  • Nicht mit seinen Worten hielt er mich zurück, sondern mir den Gefühlen, die er darin verborgen hatte.
    Die nicht enden wollenden Tränen wischte ich mir mit dem Handrücken ab. Ich brauchte einen Moment, bis ich wieder fähig war, etwas zu sagen.


    Ich weiß, daß es für dich unmöglich ist. Dessen war ich mir auch bewußt.
    Das, was ich dir sagte, ist das, was mir mein Innerstes sagt. Ich kann nichts dagen tun. Dein Angebot ehrt mich, dich als einen Freund zu haben. Doch auch das wird aus den gleichen Gründen niemals wirklich möglich sein. Schon morgen wird es nicht mehr möglich sein.


    Es ging mir nicht ums balneum. Ich weiß, daß ich darin nicht sein darf. Das weiß ich nur zu gut!
    Ich bin ein Mensch, Caius! Auch wenn das einige in diesem Haus nicht wahrhaben wollen! Ich habe auch Gefühle und ich habe auch einen Sinn für das Schöne. Dabei ist es mir gleich, ob sich um römische Kunst, gemanische Liebesbekundungen oder keltische Lieder handelt. In allem ist Schönheit. Und niemand, auch dein Volk nicht, hat sie gepachtet!

    Währenddessen ich sprach, schaute ich ihn eindringlich an. Zum ersten Mal hatte ich ihn mit Namen angesprochen, doch war dies eigentlich ehr unbewußt geschehen. Ich hatte das Bedürfnis, mich klar ausdrücken zu wollen, sprach aber dabei das eigentliche Problem, welches uns entzweite und was mich zur rechtlosen Sache abstempelte, mit keinem Wort an. Denn ich wußte, das es nutzlos war.
    Eine Weile verharrte ich in Schweigen. Tausende von Gedanken schwirrten durch meinen Kopf. Alles was geschehen war und auch seine Worte, die er mir soeben gesagt hatte. Seine Unsicherheit und Hilflosigkeit, die spürbar war und die immer noch in diesem Raum herum schwirrte.


    Gut, ich werde da bleiben, nicht weil du es wünschst, sondern weil...es dann vielleicht schöner wäre.
    Es waren fast schon versöhnliche Worte, gepaart mit einem fast unmerklichen Lächeln.

  • "Es wird außerhalb dieses Raumes wohl niemals möglich sein, dass ein Mensch so ist, wie er ist. Auch ich trage eine Maske, ein jeder trägt eine Maske, die das Innerste verbirgt, denn man kann es für gewöhnlich nur den allerwenigsten Menschen zeigen, und noch weniger Menschen anvertrauen," sagte ich langsam und streckte eine Hand zu ihr aus, nach ihren Händen greifend, um sie behutsam zu halten. "Was immer Du für mich empfindest, Bridhe, ich fühle mich dadurch geehrt. Es ist ganz sicher ein Geschenk, das ich nicht missachten werde, wenn ich es schon nicht so teilen kann, dass Du damit glücklich wirst. Und es gibt noch einen Menschen, für den Du empfindest, und der für Dich empfindet. Ich wünsche Dir, dass er vermag, was ich Dir nicht geben kann." Severus war bisher nicht Teil unseres Abends gewesen, aber das machte ihn keinesfalls nichtexistent. Sie hatte mir einmal gesagt, was sie für ihn empfand, und ich konnte kaum glauben, dass dies nicht mehr vorhanden war - wahrscheinlich verstanden sie sich gerade einfach nicht gut, und deswegen war sie zu mir gekommen ... nein, ich hatte Severus nicht vergessen, und ich würde es auch nicht.


    "Ich habe niemals vergessen, dass Du ein Mensch bist, dass Du empfindest ... nur ... Dein Bedürfnis nach Schönheit war mir nicht so sehr bewusst. Du sagtest mir, dass Du Musik magst - wenn Du es möchtest, werde ich einen Lehrer finden, der Dich mit den Instrumenten vertraut macht, die es gibt, und sicher findet sich auch eines, das Dir liegt. Schönheit liegt in so vielen Dingen, da hast Du ganz Recht, und ich sehe nicht, warum Du daran keinen Anteil haben solltest," überlegte ich laut und richtete mich dann auf, rutschte auf dem Bett zu ihr (den Schmerz in meinem Rücken ignorierend, der sich jetzt wieder meldete, da die leidenschaftlichen höhenflüge ihn nicht mehr unterdrückten) und blieb an ihrer Seite sitzen, um ihren Kopf in meine Hände zu nehmen - und während sie mich anblickte, küsste ich behutsam jene Reste ihrer Tränen weg, die sich dort noch befinden mochten.

  • Mit Severus hatte er nun ein Thema angeschitten, das mich aufschrecken ließ, obwohl er nicht einmal seinen Namen erwähnt hatte.
    Den ganzen Abend hatte ich mehr oder minder versucht, nicht an ihn zu denken. Alles hatte sich so verändert. Er hatte sich verändert. Seit jenem Morgen hatten wir kein vernünftiges Wort mehr miteinander gesprochen. Er ging mir aus dem Weg oder ignorierte mich einfach. Doch ich war in dieser Sache auch nicht ganz unschuldig! Während unseres gemeinsamen Einkaufs auf den Mercati Traiani war ich wirklich sehr zickig und überheblich, ihm gegenüber gewesen.
    Ob er mich überhaupt noch liebte? Noch immer hatte es keine richtige Aussprache zwischen uns gegeben. Es waren noch immer so viele offne Fragen, die er mir einfach nicht beantworten wollte.


    Ich weiß nicht, ob er überhaupt noch etwas für mich empfindet. sagte ich leise, ganz melancholisch und fiel in ein betroffenes Schweigen, welches erst durch seine laut ausgesprochenen Gedanken gebrochen wurde.


    Es ist sehr nett von dir, daß du mich so fördern willst. Aber das brauchst du nicht! Einen Sinn für Schönheit hat man oder man hat ihn nicht. Das kann man nicht erlernen. Man muß ihn in sich finden. Doch du hast mir schon den Zugang zu einer neuen Gabe gewährt, die ich dazu nutze, um meine Erinnerungen auf Papyri zu bannen.


    Ich hatte eifrig gelernt und meine Schrift wurde auch immer leserlicher. Vor einigen Tagen hatte ich damit begonnen, Lieder, die ich noch im Gedächtnis behalten hatte, aufzuschreiben. Da mein Volk keine Schrift kannte, schrieb ich sie in lateinische Lettern nieder, so wie ich die Wörter aussprach.
    Unter dem Bett kramte ich schließlich einige Blätter hervor, die mit krakeligen Buchstaben beschriftet waren.


    Hier! Du wirst es zwar nicht lesen können, doch das habe ich geschrieben. Es ist ein Lied aus meiner Heimat.

  • "Ich bin mir ziemlich sicher, dass er noch für Dich empfindet," sagte ich in normal lautem Tonfall, und legte langsam wieder den Arm um sie, ihr einfach wieder die Schulter bietend, an der sie sich anlehnen konnte, wenn sie dies wollte. "Kein Mensch läuft wie ein Häufchen Elend herum, wenn ihm jemand anderer egal ist. Es beschäftigt ihn, und das ist das beste Zeichen überhaupt. Was immer zwischen euch ist, egal bist Du ihm nicht."
    War es mir nicht jüngst wegen Gracchus nicht ebenso ergangen? In einer Sache konnte ich Severus wirklich verstehen, eine einfache Frau war Bridhe nicht. Dass es zu einem Streit wohl gekommen war, wunderte mich nicht wirklich, denn ich stritt ja auch immer wieder mit ihr - er war nur nicht derjenige, der leicht nachgab, ahnend, dass sich mit einer sturen Haltung ohnehin nichts ändern würde. Frauen waren in vielen Dingen einfach sehr kompliziert und ich hatte die vage Ahnung, dass sich Severus' Erfahrungen mit Frauen eher an das praktische Vergnügen bemaßen denn an ein stetiges Zusammenleben, das gern auch einmal in Leiden ausartete.


    Als sie mir ihre gesammelten Schriftproben überreichte, war ich überrascht, aber insgeheim auch erfreut. Es war schön zu sehen, dass sie sich einer Herausforderung stellte - und so nahm ich die Papyrusblätter an mich und begann, sie durchzusehen. Ihre Schrift war natürlich grauenvoll und erinnerte mich zufürderst an die ungelenken Versuche eines Schülers, die Wachstafel zu maltraitieren, um den Wünschen der Eltern gerecht zu werden - aber je mehr sie geschrieben hatte, desto sicherer wurden die Buchstaben, und sie schien ein gewisses Talent für das Schreiben zu besitzen - meine ersten Schreibversuche hatten gewiss nicht anders ausgesehen. "Liest Du es mir vor und sagst mir, was es bedeutet? Wenn es ein Lied Deiner Heimat ist, vielleicht willst Du es mir sogar vorsingen?" Dabei blickte ich sie bittend an - schöne, getragene Musik hatte ich lange nicht gehört und selten genug die Zeit und Muße dafür gehabt.

  • Ich schämte mich etwas für meine schreckliche Handschrift! Doch eines Tages würde ich es beherrschen, da war ich mir sicher. Als er mich so nett bat, ihm etwas vorzutragen, suchte ich ein Blatt heraus. Es war ein Lied über das Meer. Es war eines meiner Lieblingslieder. Denn ich liebte das Meer.
    Ich begann zu singen, dafür brauchte ich nicht das Blatt. Den Text kannte ich auswendig.


    Thart orainn
    Reált geal san oíche
    Tá'n fharraige chiúin
    Agus suaimhneas sa ghaoth
    An fharraige chiúin
    Ina codladh sa ghaoth


    Thíos sa ghleann an ghleann an cheo
    Riocht na gréine i gCaisleán Óir
    Tá'n fharraige chiúin agus suaimhneas sa ghaoth
    An fharraige chiúin ina codladh sa ghaoth


    Driocht a mheall na daoine roinn
    Soilse geala i gCaisleán Óir
    Tá'n fharraige chiúin agus suaimhneas sa ghaoth
    An fharraige chiúin ina codladh sa ghaoth


    Es tat wirklich gut, die eigene Sprache wieder zu sprechen. Ob ich sie jemals verlernen würde? Würde ich sie auch an meine Kinder weitergeben, sofern ich jemals welche hätte?
    Das Lied ließ mich für einen Augenblick vergessen, an Severus zu denken. Doch bald schon würden mich alle meine Probleme von neuem Heim suchen. Trotz allem, was bislang an diesem äußerst seltsamen Abend passiert war, hatte ich noch immer nicht den Mut, über die Dinge, die mich zur Zeit am meisten quälten, zu sprechen. Ich wußte noch immer, was ich mir geschworen hatte! Trotz allem würde ich Severus niemals verraten.


    Langsam lies ich das Lied ausklingen. Ich wollte nicht gleich damit beginnen, den Text des Liedes zu übersetzen. Erst wollte ich sehen, wie die fremdklingenden Worte auf ihn wirken mochten.
    Doch dann hatte ich ein Einsehen mit ihm und begann, anhand meiner Aufzeichnungen, die Bedeutung des Textes für ihn zu entschlüsseln.


    Über uns, ein heller Stern in der Nacht
    Das Meer ist still, und der Wind ist friedvoll
    Die ruhige See schläft im Wind

    Unten im Tal, das neblige Tal
    Das Reich der Sonne im Goldenen Schloss
    Das Meer ist still, und der Wind ist friedvoll
    Die ruhige See schläft im Wind


    Zauberhafte Anmut der Menschen dort
    Helle Lichter im Goldenen Schloss
    Das Meer ist stil, und der Wind ist friedvoll
    Die ruhige See schläft im Wind


    Sim-Off:

    Text: Clannad, Caislean Óir, Macalla, 1985

  • Ihre Stimme erfüllte weich und warm den Raum um uns, und für einige Momente schien es mir, als könnte sie uns damit in eine ferne Welt tragen - ich verstand zwar kein Wort dessen, was sie sang, aber es war dennoch ein wunderschöner Klang, von einer rauhen, wilden Ferne. Ein ungezähmter Ort musste es sein, den sie hier in Worte fasste, ein Land, das mit dem, was ich bisher kennengelernt hatte, nur wenig gemein hatte. Die Augen schließend, überließ ich meine Sinne dem Gesang Bridhes, und ihre Stimme passte zu jenem getragenen, fast etwas melancholischen Klang der Melodie vollkommen. Sang sie nicht auch von etwas, das sie wohl nicht wiedersehen würde? Tiefe Empfindungen jedenfalls woben die Klänge miteinander, und auch wenn die Sprache für meine Ohren mehr als fremdartig war, so hatte sie doch einen einzigartigen Klang. Ich sollte sie wirklich mehr singen lassen, öfter danach fragen - die Musik schien so vieles fern halten zu können, wenn man ihr nur zu lauschen verstand. Als sie innehielt und mir dann übersetzte, was sie gesungen hatte, musste ich lächeln.


    Ein Lied über das Meer... ja, ich entsann mich, sie schätzte das Meer. Wahrscheinlich war sie deswegen auch so fasziniert vom balneum gewesen, wegen der Mosaiken. Ich suchte ihren Blick, als sie geendet hatte, und es dauerte einen Moment, bis ich sie ohne zu feuchte Augen ansehen konnte - denn ihr Lied hatte mich berührt, wie es oft bei empfindsam gesungenen Liedern geschah.
    "Das war wunderschön, Bridhe ... ich kann mir ein so ruhiges Meer nicht vorstellen. In meinen Erinnerungen rauscht es stets, es ist immer lebendig, aufgewühlt - hier am mare internum kennt das Meer keine Ruhe, keine Stille. Man möchte die Gelegenheit bekommen, bei diesen Menschen im goldenen Schloss zu wohnen, um zu erfahren, wie es ist, wenn die See schweigt. Du solltest wirklich mehr singen, meine Bridhe, ich bin mir sicher, viele Menschen wären davon bezaubert."

  • Hatte ich da wirklich eine Träne in seinen Augen gesehen? Hatte dieses kleine Lied ihn so sehr berührt?
    Instinktiv ließ ich sanft meine Hand über sein Haar und seine Wange gleiten.


    Es freut mich, daß es dir so gut gefallen hat. Es ist auch eines meiner liebsten Lieder. Aber ich denke, in Wirklichkeit ist auch das Meer bei uns nicht so still und ruhig. Es ist doch eher wild und manchmal auch unberechenbar.
    Das Meer ist wie der Mensch, findest du nicht? Manchmal still und sanft und dann doch wieder wild und aufbrausend.


    Ich lächelte wieder. Das Lied hatte doch wieder so manchen düsteren Gedanken von mir fort getragen. Es freute mich außerdem, daß ich ihm etwas von mir und meiner Herkunft näher bringen konnte. Doch vor allem, machte es mich glücklich, daß er überhaut Interesse gezeigt hatte.


    Meinst du wirklich, ich sollte vor fremden Leuten singen? Ich weiß nicht so recht. Ich singe lieber nur für dich!


    Ich war mir gar nicht so sicher, ob ich so etwas könnte. Vor völlig fremden Menschen zu singen. Ich fragte mich sowieso, wie Andere auf meine Lieder reagieren würden, da doch die Sprache recht befremdlich für römische Ohren wirken mußte.


    Ich denke, mit dem goldenen Schloß ist kein Haus oder ein Palast gemeint, so etwas wie hier gibt es dort nicht. Es ist wohl eher der Schein der der Sonne und der Sommer damit gemeint.
    Sonnenreiche Tage sind doch recht selten. Doch wenn es sie gibt, tauchen sie das Land in wundervoll leuchtende und intensive Farben.

  • Als ihre Finger über mein Haar, dann über meine Wange glitten, lächelte ich leicht und blinzelte jegliche Erinnerung an Feuchtigkeit in meinen Augen fort. Es war mir fast ein bisschen peinlich, dass ich auf Musik derartig ansprach, vielleicht auch das eine Hinterlassenschaft meiner Mutter, die sehr viel musischer begabt gewesen war als der Rest meiner Familie - sie hatte sich oft genug die Zeit mit Musik vertrieben, für die ich leider nicht wirklich ihr Talent besaß. Erfreuen konnte ich mich dennoch daran, wahrscheinlich zu sehr ...
    "Das Meer wie ein Mensch? Ein sehr philosophischer Gedanke, aber die Parallelen sind unbestreitbar. Es gibt genug Menschen, die mit einem Mal so aufgewühlt scheinen wie das Meer an Tagen des Sturms, und mit ihrem Zorn über einen kommen, als sei man ein hilfloser Fischer in einem viel zu kleinen Boot. Es verschlingt einen, dieses Meer, wenn man nicht darauf achtet, genau wie einige Menschen es vermögen - aber ich glaube, die stillen Menschen sind jene, vor denen man am vorsichtigsten sein muss, denn sie wissen sich zu beherrschen und ihre Gefühle zu bezähmen." Die Hand träge ausstreckend, ließ ich meine Finger sanft über ihre Schultern gleiten und zog sie dann wieder etwas zu mir heran, damit ich ihre Wärme fühlen konnte.


    "Überlege es Dir, Bridhe ... Du scheinst wirklich Talent zu besitzen, und ein solches verdient es, gefördert und offenbart zu werden. Natürlich hätte ich Deinen Gesang gerne für mich alleine, aber meinst Du nicht, es würde Dir gefallen, für Dein Können auch von anderen geschätzt zu werden?"
    Das war etwas, was ihr vielleicht ihr Dasein versüßen mochte - ich hatte ohnehin beschlossen, sie von einer Sklavin, die zu putzen und aufzuräumen hatte, zu einer Sklavin zu machen, die als Aufgaben eher meine Zerstreuung und die schönen Künste erhalten würde, es schien mir passender, und wenn die Götter ihr schon eine musikalische Begabung geschenkt hatten, dann musste diese auch gefördert werden, und das ganz sicher nicht mit einem Putzlappen. "Hier in Italia oder in meiner Heimat Hispania gibt es sehr viel Sonne, Bridhe, so viel sonne, dass es für mehr als ein Menschenleben leichthin reicht. Du wirst den italischen Sommer lieben, wenn Du Dich nach Wärme sehnst - aber vielleicht ist auch eine Sonne gemeint, die im Innersten scheinen muss, um die Welt zu erwärmen, mehr eine Eigenschaft denn ein Geschenk der Natur?"

  • Es schmeichelte mir außerordentlich, wie sehr er von meinem Talent überzeugt war, obgleich ich mich nur ungern mit dem Gedanken anfreunden wollte, vor fremden Publikum zu singen.


    Du wirst es vielleicht nicht glauben, aber ich bin etwas schüchtern und es würde mich sicher einiges an Überwindung kosten, vor Fremden zu singen. Aber wenn du es wünschst, werde ich es eben tun. antwortete ich ihm lächelnd
    Hatte ich doch früher nur für mich gesungen, wenn ich mit irgendetwas beschäftigt war. Manchmal hatte ich auch meinen Geschwistern vorgesungen, doch hätte ich nie gedacht, daß ich so gut sein könnte.
    Wie er mich so an sich heranzog, mußte ich an früher denken. Wann immer es meine Zeit zuließ, hatte ich mit meinen Freunden beisammen gesessen und wir machten uns Gedanken über unsere Zukunft, wen wir heiraten würden, welcher Junge am schönsten aussah und was wir später einmal machen wollten. Wie es meinen Freunden wohl ergangen war, seitdem ich weg war? Ein Anfall von Sehnsucht überkam mich und als er von der Sonne zu sprechen begonnen hatte und somit auch wieder auf den Text des Liedes zu sprechen kam, mußte ich noch mehr an zu Hause denken.


    Ich habe den Sommer hier noch nicht richtig kennengelernt, doch bin ich gespannt darauf. Wobei man auch Sonne im Herzen haben muß, da hast du Recht! Mein Herz ist wie der Sommer in Éirinn. Manchmal strahle ich vor Glück, doch manchmal und in letzter Zeit öfters, bin ich eher betrübt. Ich habe manchmal solche Sehnsucht nach zu Hause und frage mich, was meine Familie und meine Freunde machen.


    Ich wußte, er würde das nicht gerne hören, aber wenn wir nun schon so offen miteinander redeten, konnte ich doch auch das, was mich bewegte, ansprechen. Ich würde wahrscheinlich für den Rest meines Lebens nicht mehr meine Insel sehen...und plötzlich überkam mich ein Gedanke...


    Für den Fall, daß ich sterben sollte, wirst du meine Asche im Wind zerstreuen? So kann viellecht ein kleiner Teil, von dem, was ich einmal war, wieder seinen Weg nach Éirinn finden.

  • Still lauschte ich einem Augenblick lang den wenigen Vögeln, die in dieser Jahreszeit noch im Garten ihr Lied sangen, eine einsame Zikade versah die Melodie gar mit einem Rhytmus. Es schien so friedlich, fast als sei die Welt einmal zur Ruhe gekommen, auch wenn ich wusste, dass es eine reine Illusion war. Schon morgen würden die nächsten Sorgen, die nächsten Pflichten warten, und es würde wenig Zeit bleiben für die Dinge, die einen wirklich zu erfüllen wussten.
    "Ich werde Dich dazu sicher nicht zwingen ...denke einfach darüber nach. Ich bin mir sicher, es wird auch andere geben, die Deinen Gesang zu schätzen wissen und deren Anerkennung wird Dir die Schüchternheit sicher irgendwann nehmen. Denkst Du, wenn ich vor dem Altar stehe, ein Opfergebet spreche und mir viele Menschen dabei zusehen, sei ich nicht nervös? Manchmal zittern mir so sehr die Hände, dass ich erst eine Weile brauche, bis ich weitermachen kann. Aber irgendwann geht es wieder .. und dann mache ich weiter. Mit der Zeit wird es weniger schlimm."
    Seltsamerweise fiel es mir leicht, ihr das zu sagen, auch wenn es mir Gracchus gegenüber wohl peinlich gewesen wäre - er sollte mich für stark halten, für jemanden, der mit den Herausforderungen des Lebens umgehen konnte.


    Als sie von ihrer Heimat sprach, kehrten die Bilder Hispanias zurück. Sonnige Hügel. Tage, an denen es so heiss war, dass die Luft flirrte und man den würzigen Geruch der Gräser fast wie eine Wand fühlen konnte, gegen die man lief. Und die erfrischende Kühle des Meers, in die man sich stürzen konnte, an der Küste Tarracos.
    "Wie wurdest Du eigentlich ... Sklavin ... Bridhe? Ich glaube, danach habe ich Dich nie gefragt. Wann immer ich Dich von Deiner Heimat sprechen höre, spüre ich deutlich, wie sehr Du sie lieben musst, und in solchen Momenten ... denke ich auch an meine Heimat. Ich kann mir vorstellen, wie es sein muss, an einem Ort zu sein, der dem überhaupt nicht ähnelt, was man selbst kennengelernt hat, als man groß geworden ist." Ihre Worte über den Tod ließen mich den Kopf zu ihr wenden, und ich hob meine Brauen leicht an, um sie genau zu betrachten - es schien ihr ernst mit dieser Bitte, und ernst antwortete ich: "Es werden Deine Kinder und Enkel sein, die dereinst diesen Dienst an Deinem Andenken antreten, nicht ich, Bridhe. Aber ... gesetzt den unwahrscheinlichen Fall, dass es den Göttern früher gefällt, Dich zu ihnen zu rufen, gebe ich dir mein Wort als Flavier und Priester, dass ich Deine Asche zerstreuen werde, wie es Dein Wunsch ist."

  • Mein Blick verfinsterte sich bei seiner Frage. Schlimme Erinnerungen erwachten plötzlich wieder in mir. Ich mußt mich erst wieder sammeln, denn dies war ein Thema, welches mich wahrscheinlich in einigen Jahren immer noch sehr belasten würde.


    Ich war alleine, unten am Strand. Es war gerade Ebbe und ich wollte Muscheln im Schlick sammeln. Plötzlich waren da diese Fremden. Ich bin weggerannt und begann zu schreien, doch sie verfolgten mich. Niemand hörte mich aber. Beinahe hätte ich es geschafft, aber dann stolperte ich und fiel zu Boden. Sie packten mich. Ich wehrte mich erst noch, aber sie waren ja zu zweit! Sie fesselten mich und schleppten mich fort. Auf ihrem Boot brachten sie mich über´s Meer. Es war furchtbar! Ich hatte solche Angst, denn ich verstand nicht was sie sagten. Sie schlugen mich und ich wünschte ich wäre tot.


    Als ich davon zu erzählen begann, bekam ich Tränen in meine Augen. Es war so schmerzlich, darüber zu sprechen.


    Es kamen immer wieder römische Händler zu uns. Ihre Schiffe legten bei uns an, dann reisten sie weiter nach Tara. Dort machten sie meist ihre besten Geschäfte. Doch war mal die Ausbeute nicht so gut, dann behalfen sie sich eben anders. Ich war nicht die Einzige, die sie fort schleppten.


    Meine Worte über den Tod mußten ihn wohl doch erschüttert haben, denn er sah mich auf diese ernsthafte Weise an. Er erkannte gleich, daß ich es ernst meinte und versuchte mich zu beschwichtigen. Doch ich schüttelte nur den Kopf.


    Auf dem Weg nach Rom hörte ich jemanden sagen, Sklaven würden hier nicht alt werden. Aber bitte, versprich es mir um was ich dich bitte.


    Ich wollte nicht daran denken, jemals Kinder oder Kindeskinder zu haben. Diese würden das selbe Schicksal erleiden, wie ich. Das wollte ich niemanden aufbürden.

  • Je mehr sie erzählte, desto erschütterter wurde ich - denn im Grunde überlegte man selten, wie ein Mensch zum Sklaven wurde. Irgendwie hatten sie für mich doch alle zur Kriegsbeute gehört, wie Severus von Legionären gefangen genommen oder etwas in der Art. Aber dass schon einfache Händler sich an Wehrlosen vergriffen, das war ehrlos. Wenn ein Krieger im Kampf unterlag, musste er mit dem Tod rechnen oder mit der Sklaverei, dieses Risiko war bekannt - aber eine Frau, die niemals Feind gewesen war? Ihre Augen füllten sich mit Tränen, und wieder zog ich sie etwas an mich. Dieses Leid würde ich nicht ungeschehen machen können, mit nichts in der Welt, und so beließ ich es dabei, ihr mit der Wärme meines Leibes zu versuchen, einen gewissen Trost zu spenden. Zudem, ich konnte einfach keine Frau weinen sehen, egal aus welchem Grund sie nun auch weinte. Behutsam streichelte ich ihr über ihr weiches Haar, schweigend nun. Es war nicht zu ermessen, in welcher Furcht manche Menschen doch leben mussten, ohne dass man darüber einen Gedanken verlor. In meiner Jugend waren Sklaven eben Sklaven gewesen, sie gehörten zum Haushalt, man ärgerte sie gern, bekam dafür Ärger von den Eltern, aber das waren für mich auch die einzigen, signifikanten Unterschiede gewesen, Straton war zwar nie frei gewesen, aber doch ein Lausbub, und mein jahrelanger Spielgefährte, er war von seinem Vater ebenso verprügelt worden wie ich von meinem, wenn wir Unsinn angestellt hatten.


    Erst meine Jahre in Achaia, die Worte der Philosophen, die über Freiheit und die Gleichheit der Menschen sprachen, hatten meinen Sinn für Sklaven überhaupt erweckt - und schätzungsweise in vielem einen zu weichen Herrn aus mir gemacht. Innerlich seufzte ich, denn die Materie war nicht leicht und würde es wohl niemals sein. "Sklaven überleben in bestimmten Lebensbereichen tatsächlich nicht lange. Manche werden für harte Arbeit gekauft, und irgendwann gibt der Körper nach. Aber dafür habe ich Dich nie ausersehen, Bridhe, und ich denke auch nicht, dass der Tod so früh zu Dir kommen wird. Du bist jung, gesund, und was heute ist, muss morgen nicht mehr sein. Du hast mein Wort, solltest Du sterben, dann werde ich selbst Deine Asche zerstreuen. Aber daran solltest Du nicht denken, der Tod wirft seinen Schatten schnell auf jene, die sich zu viel damit beschäftigen." Meine Finger glitten liebkosend über ihre tränenfeuchte Wange, streichelten sie behutsam.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!