• Die Mittagssonne stand hoch am Himmel. Stille lag über dem Wald. Durch die dunklen Zweige der mächtigen Tannen drangen nur wenige Sonnenstrahlen, fielen vereinzelt auf den Waldboden und malten lichte Flecken auf Moos und Gestein.
    Eine Handvoll Männer lagerte dort: Große Kerle mit hellen Haaren, wilden Bärten und entschlossenen Minen. Sie waren bis an die Zähne bewaffnet, und schienen auf etwas zu warten.
    Ihr Anführer, ein Krieger mit angegrautem Haar und einem kalten Glanz in den Augen lehnte aufrecht an einem rissigen Stamm und spähte ins Dickicht.
    Intensiver Harzgeruch lag in der Luft. Eine leichte Brise strich über die wettergegerbten Züge der Männer.
    Ein junger Krieger pflückte träge ein paar Blaubeeren, die er neben dem Lager entdeckt hatte. Der Saft färbte seine Fingerspitzen bläulich. Er schmeckte die herbe Süße der Beeren und steckte sich noch bequemer auf dem moosigen Untergrund aus. Bogen und Speer neben sich gelegt, träumte Rutger vom Sieg in der Schlacht... von der Vertreibung der elenden Besatzer... von großen Taten und reicher Beute.
    Da durchbrach der schnarrende Ruf eines Eichelhähers die Stille.
    Die Männer horchten auf.

  • Die wahre Freiheit verspürt man doch auf dem Rücken eines Pferdes. Früher hatte Marcus diesen Satz nicht verstanden, docn an jenem herrlichen Tag tat er es. Seit Wochen hatte er das erste Mal frei bekommen. Das Regiofest in der Stadt nahe das Lagers hatte es ihm geschenkt. Und so hatte sich Marcus statt ins Lupanar auf seinen schönen Fuchs begeben, um in die Landschaft von Germania heraus zu reiten.


    Die Hufen seines Pferdes trugen Marcus durch den Wald und über das saftige Moos hinweg. Der Duft, der Geruch und der Wind auf seinen Wangen ließen Marcus wohlig aufseufzen. Was für ein herrlicher Tag. Zwar fehlte ihm noch eine dunkelhaarige, feurige und temperamentvolle Frau zu seinem momentanen Glück, aber daran schien er sich schon langsam zu gewöhnen. Wieder, wie bei seiner ersten Reitübung in der Legion, ergriff eine gewisse Übermut Marcus. Er schnalzte leise mit der Zunge, gab seinem Pferd mit einem Schenkeldruck zu verstehen, was er wollte und galoppierte los. Die Bäume rauschten an Marcus vorbei und dann setzte er auch über eine umgestürzte Tanne hinweg, die von Moos überwachsen war und ausgehöhlt durch viele Würmer und Käfer. Doch Marcus bemerkte es im Rausch des Rittes nicht.


    Irgendwann zügelete Marcus seinen Hengst und ließ ihn langsam durch den Wald laufen. Sonderlich besorgt war er in dem Moment nicht. Ja, Marcus trug noch nicht mal eine Rüstung, nur einen kleinen Dolch an seiner Seite und sein Gladius am Sattel hatte er als Waffen bei sich. Eine dunkelrote Tunika und seine eigenen Sandalen, mit dem kleinen Halbmond am Rand, kleideten den Patrizier. Als er einen kleinen Bachlauf ausmachte, hielt Marcus darauf zu und hielt sein Pferd an. Mit einer geschmeidigen Bewegung glitt Marcus vom Pferderücken herunter und ging auf den Fluß zu. Sein Hengst folgte ihm langsam.


    Einträchtig mit seinem Hengst beugte sich Marcus zu dem Wasser herunter. Langsam und genüßlich schlürfte Marcus das klare germanische Naß. Lächelnd richtete Marcus sich wieder auf und griff nach den Zügeln. Mit seinem Pferd im Schlepptau watete Marcus durch den Bachlauf und lief langsam über eine Lichtung hinweg. Waren dort hinten nicht Blaubeerbüsche? In dem Moment hörrte Marcus ein seltsame Gemeker und er hob seinen Blick. Erstaunt sah Marcus dem Vogel hinter her. Marcus Pferd wieherte auf und scharrte unruhig mit seinen Hufen.


    "Ruhig, Chiron, mach mir keine Mätzchen, Du Gaul!"

  • Ein Pferd wieherte, nicht allzuweit entfernt, und der leichte Wind trug einige gedämpfte Worte heran. Eine Männerstimme. Die Sprache der Besatzer. Sofort waren die Germanen auf den Beinen, ihre Waffen bereit.
    Mit knappen Gesten wies der Anführer seinen Leuten ihre Aufgaben zu. Wie ein Rudel jagender Wölfe bewegten sie sich durch den Wald.
    Rutger huschte leichtfüßig durch einen Fichtenhain. Der Boden federte weich unter seinen Füßen. Unter überhängenden Zweigen, schwer von Tannenzapfen, duckte er sich hindurch, sprang eilig über hochstehende Wurzeln und wand sich durch ein Dickicht von Ebereschen.
    Kampfeslust blitzte in seine Augen. Er und die anderen hatten die Rückkehr eines Spähers erwartet. Waren die Besatzer ihnen auf die Spur gekommen?


    Vor Rutger ragte ein massiger Findling auf. Er umgriff einen Vorsprung, nutzte eine Spalte als Fußhalt, und erklomm den Felsen gewandt. Von oben hielt er geduckt Ausschau. Vor ihm lag eine kleine Lichtung. Leise murmelte ein Bach.
    Rötlich schimmerte das Fell des edlen Pferdes, das inmitten der Lichtung nervös tänzelte - was für ein prachtvolles Tier war das! Langgliedrig und gut bemuskelt, mit glänzenden Hufen, ausdrucksvollem Spiel der Ohren und kraftvollen Bewegungen, die Temperament und Feuer verhießen. Oh, so ein Pferd sein eigen nennen zu dürfen! Rot leuchtete auch das Gewand des Mannes, der die Zügel in der Hand hielt. Ein Römer. Allein. Was für eine Dreistigkeit.


    Den Blick unverwandt auf den Fremden gerichtet, zog Rutger einen Pfeil aus der Schlaufe an seinem Gürtel. Er hob das hintere Ende an die Lippen, feuchtete die graue Befiederung leicht mit der Zunge an und setzte den Pfeil dann auf die Sehne. Langsam richtete er sich zu einer knienden Position auf und hob den Bogen. Das Eschenholz lag glatt und vertraut in seiner Hand. Seine Finger glitten über die Runen, die tief ins Holz geschnitten waren. Gleich würde Germanien um einen Besatzer ärmer sein, und er, Rutger, um ein herrliches Pferd reicher.
    Während er die Sehne bis zum Anschlag anzog, atmete er tief ein, hielt dann den Atem an, visierte sein Opfer an, und ... halt, das Pferd hatte sich gedreht und versperrte ihm die Schußbahn... hielt den Atem an... jetzt war der Weg wieder frei...spannte die Sehne noch um ein weniges mehr... der Bogen knarrte... im Ausatmen ließ Rutger den Pfeil von der Sehne schnellen.

  • „Tsts...Ist doch nur ein Vogel!“


    Marcus murmelte beruhigende Worte auf seinen Hengst ein. Dieses Pferd würde ihn noch in den Wahnsinn treiben. Erschreckte es sich gar schon bei einem bunten Vogel! Bei Mars, womit hatte er das nur verdient? Marcus hielt die Zügel fest gepackt und ließ sich die Sonnenstrahlen auf den Nacken scheinen. Mit einem Lächeln auf den Lippen schloss er die Augen und ertastete unter seinen Füßen den duftenden Waldboden. Von einer schönen Dunkelhaarigen träumend wandte sich Marcus seinen anderen Gelüsten zu, dem Essen. Langsam dreht er sich zu der Satteltasche seines Pferdes und zupfte an der Verschnürung zu seiner kargen Kost. Doch sein Pferd tänzelte von ihm weg. Marcus wollte gerade fluchen, doch irgendetwas in seinen Nacken ließ ihn aufhorchen. Hatte er nicht etwas gehört? Nein!


    Langsam richtete Marcus sich etwas auf und sog tief die Luft ein. Mit hocherhobenem Haupt, seinem etwas überheblichen Gesichtsausdruck wirkte er in der Tat wie ein stolzer Hirsch, der die Ruhe der Lichtung nutzen wollte. Und wie der Hirsch schien Marcus zu wittern. Sein sechster Sinn, der ihm manchmal schon das Leben gerettet hatte, ließ seine Nackenhaare sich aufstellen. Spähend sah Marcus in den Wald hinein und machte einen Schritt auf sein Pferd zu. In dem Moment hörte er das Sirren. Das Sirren eines Pfeils und daran konnte kein Zweifel bestehen. Marcus wirbelte in einer fließenden Bewegung herum und wollte in Deckung gehen. Doch zu spät! Ein heißer Schmerz zuckte durch die Seite seines Körpers und er taumelte einige Schritte nach hinten. Einen Moment tanzten schwarze Punkte vor Marcus Augen, doch das Training der letzten Monate hatte sich schon bemerkbar gemacht. Instinktiv griff er in Richtung seines Schwertes, doch wieder machte ihm sein Hengst einen Strich durch die Rechnung. Dieser bäumte sich laut wiehernd auf und gab seinem Instinkt zu fliehen nach.


    Schnell sah sich Marcus in der Richtung um, wo der Pfeil hergekommen war. Da! Da war doch ein Schatten auf dem Felsen. Wut entbrannte in Marcus und eine unbändige Lust, es diesem feigen Halunken heimzuzahlen. Doch nur mit einem Dolch, den er nun zog, waren seine Chancen eher schlecht. Doch mit der Gewissheit die Götter und Mars auf seiner Seite zu wissen, ging Marcus schnellen Schrittes auf den Felsen zu. Den Schmerz an seiner Flanke spürte er kaum, das Blut rauschte ihm in den Ohren und seine Stimme drang bis tief in den Wald hinein.


    “Stell Dich, Du feiger Bastard!“

  • Die Gestalt auf dem Felsen erhob sich. Gegen den hellen Himmel zeichnete sich scharf umrissen die Silhouette eines großen Mannes ab. Der Oberkörper war bloß, um die Schultern lag ein zottiges Wolfsfell, und er trug (wahrlich barbarische) lange Hosen. Von der Sonne angestrahlt, erschien sein Haar wie lauteres Gold, aber noch heller leuchtete die gleißende Spitze seines Speeres.


    Mit einem triumphierenden Lachen trat Rutger an den Rand des Felsens. Er wog seine frame in der Hand, lies den Bogen zurück, und sprang mit einem übermütigen Satz direkt auf die Lichtung hinunter. Der Römer schien Mut zu haben, er verdiente es im Kampf zu sterben.
    In den Knien federnd kam Rutger wenige Schritt vor seinem Gegner auf. Den Speer eher lässig in der Hand haltend, musterte er ihn abschätzig von oben bis unten... - dann stürmte er plötzlich auf ihn ein, täuschte spielerisch einen hohen Hieb vor, riss seine Waffe herum - sie wirbelte mit einem sausenden Geräusch durch die Luft - und stach blitzschnell nach dem Brustkorb des Römers.
    "Wodan!" flüsterte er dabei.

  • Blinzelnd sah Marcus nach oben und beschirmte seine Augen. Die Sonne blendete ihn und er konnte die Gestalt erst kaum ausmachen. Doch dann gewöhnten sich seine Augen an das grelle Hell und er konnte den Germanen vor sich erkennen. Das war doch klar! Ein feiger Germane, der aus dem Hinterhalt schoß! Ein wütendes Knurren entrang Marcus Kehle und er griff fester nach seinem Dolch. Schnell fiel sein Blick auf seine Seite, wo der Pfeil noch steckte. Marcus war klar, daß er nicht viel Zeit hatte. Entweder er erledigte den Germanen schnell oder sein entschwindender Lebenssaft würde dem Barbaren nützlich sein.


    Marcus Brust hob und senkte sich schnell und Schweiß war auf seiner Stirn zu sehen. Doch trotzdem machte er einen weiteren, schnellen Schritt auf den Findling zu. Das Lachen des Germanen quittierte er nur mit einem grimmigen Gesichtsausdruck. 'Na warte, Dir zeig ich es noch!', dachte Marcus als der Germane vor ihm auf den Boden kam. Mit wütend funkelnden Augen starrte Marcus seinen Gegner an. Immerhin stellte sich der Mann ihm! Langsam drehte Marcus den Dolch in seiner Hand und verfluchte seinen elenden Gaul, der sein Schwert mit sich getragen hatte.


    Gebannt behielt Marcus Rutger im Auge und sah schon fast wie die Bewegung aus jenem Manne herausfloß. Jede einzelne Veränderung, wie am Fuß, der sich ins Gras tiefer drückte oder die leichte Schulterbewegung. Doch vielleicht war es eher der Ausdruck in Rutgers Augen, der Marcus vorwarnte? Marcus sprang nach vorne und wollte sich schon vor dem vorgetäuschten Angriff wegducken. Erst im letzten Moment erkannte er die Finte. Leider einen Bruchteil seines Herzschlages zu spät. Schmerz zuckte durch Marcus Seite und der Stoff seiner Tunika wurde zerrissen. Trotzdem führte Marcus seinen eigenen Angriff weiter aus, in dem er an dem Speerschaft vorbeiglitt und mit brutaler Kraft den Dolch nach vorne stieß. Ein leises Keuchen entrann seiner Kehle, Schmerz gepaart mit dem Stoß seines Armes.

  • Der Stich drang durch Stoff, dann spürte Rutger den weichen Widerstand von Fleisch, dann den harten einer Rippe. Der Speer glitt ab, und mit einem mal war der Römer verdammt nah an ihm dran, viel zu nah. Hastig warf Rutger sich zur Seite, riss den Unterarm hoch, der mit Leder- und Metallbändern geschützt war, und stieß ihn mit alles Kraft seitlich gegen den Dolch, um den Stoß abzulenken - doch der kam unausweichlich.


    Zwar traf die Waffe nicht mit der Schneide auf, doch die pure Wucht des Aufpralls ließ die Haut über Rutgers Scheitel aufplatzen und warf ihn taumelnd zurück. Blitze zuckten vor seinen Augen, Blut lief ihm ins Gesicht, und mit zusammengebissenen Zähnen kämpfte er gegen das fallen. Sein Atem ging stoßweise. Mühsam gelang es ihm, auf den Beinen zu bleiben, benommen den nächsten Hieb zu parieren und Abstand zu gewinnen. Mit dem Handrücken wischte er sich das klebrige Blut aus der Stirn und starrte wie durch einen roten Schleier auf seinen Feind.


    Langsam begann er ihn zu umkreisen, hielt sich umsichtiger als zuvor außer Reichweite der kurzen Klinge, und führte immer wieder schnelle Stöße gegen mögliche Blößen. Sein zuversichtliches Grinsen kehrte zurück. Der Römer hatte doch gar keine Chance...

  • Mit Genugtuung spürte Marcus, daß sein Dolch den Germanen wenigstens ein wenig ankratzen konnte, wenn auch dessen Armschiene seinen eigentlichen Stoß auf das Herz dieses Mannes abgelenkt hatte. Verdammt, warum mussten dieser Barbar auch gerüstet sein? Knurrend wollte Marcus nachsetzen als der Germane zurücktaumelte. Doch ein heftiger Schmerz zuckte durch Marcus Seite und seine Lunge. Ein rasselndes Geräusch war zu hören als er tief Luft holte. An seinen Fingerspitzen fühlte Marcus schon ein leichtes Kribbeln und sein Bauch war ganz warm von dem vielen Blut, was seine Tunika durchtränkte.


    Doch eins war sicher! Wenn er heute und hier sterben sollte, was ja ein großer Jammer wäre, dann würde er nicht so einfach abtreten. Für einen Moment kam ihm jedoch alles in den Sinn, was er hätte noch machen können. Die vielen schönen Frauen, die auf ihn in Italia oder gar Ägypten warteten. All das gute Essen, was noch verspeist werden sollte. Kopfschüttelnd vertrieb Marcus schnell die Gedanken, da sein Gegner schon nicht mehr ganz so betäubt schien und der Schmerz an Marcus Seite etwas verklungen war.


    Langsam drehte sich Marcus und folgte mit den Augen den Speer und seinem Träger. Er würde nicht noch mal so einfach an den Germanen heran kommen. Immer wieder konnte Marcus sich nur mühsam, aber gerade noch rechtzeitig den Speerhieben entwinden. Doch ab und an erwischte ihn der Speer und kratze ihn an der Haut. Keine tiefen Stiche, doch fühlte sich Marcus als ob der Germane mit ihm spielen würde.


    'Mars, Du wirst mindestens einen Stier von mir bekommen, wenn ich den Kerl mit in den Tod reiße!' dachte Marcus. Wobei er das paradoxe Versprechen selber nicht ganz durchschaute. Doch da er nicht lange dachte, sprang er in einem etwas günstigeren Moment wieder nach vorne. Er warf sich auf den Germanen und versuchte den Speer zu packen, um den Mann an sich heran zu ziehen...wieder auf Dolchnähe.

  • Nach und nach waren die anderen Germanen am Rande der Lichtung erschienen. Der Anführer fasste die Kämpfenden scharf ins Auge. Er winkte ab, als einer seiner Leute Anstalten machte einzugreifen, hielt aber einen Wurfspeer einsatzbereit in der Hand.
    So blieben Rutgers Waffengefährten im Schatten der Tannen stehen, und feuerten ihn an.
    "Stich ihn endlich ab!"
    "Zu Hel mit dem Schwein!"
    "Tod, Tod, Tod allen Römern!"
    "Mach ein Ende!"


    Rutgers Kopfwunde pochte heiß. Seine Stirn war schweißig, sein Haar blutverklebt. Doch die Euphorie des Kampfes durchflutete ihn mit Macht. Das hier war wirklicher und lebendiger als alles andere.
    Die Bewegungen des Feindes wurden schon langsamer. Sein Blut strömte.
    Rutger berauschte sich an dem Gefühl, ihn in der Hand zu haben - traf ihn am Oberschenkel und ritzte nur die Haut - haschte nach den Kniesehnen - führte wieder ausholende Hiebe und zwang seinen Gegner nach und nach dazu, bis ans Ufer des Baches zurückzuweichen.


    Der Römer gab nicht auf. Rutger sah den Kampfgeist in seinen Augen. Dann ein Aufflackern - der Römer warf sich plötzlich nach vorne und griff nach dem Speer! Die Füße fest im Boden verankert, das Schaftende in die Erde gestemmt, stand Rutger. Er riss die Spitze in einem Halbkreis herum, zog sie dem Römer quer über die Handfläche und richtete sie im letzten Moment erneut gegen die Brust des auf ihn einstürmenden Gegners.
    Genug gespielt.

  • Statt den Schaft gepackt zu bekommen, spürte Marcus wie der kalte Stahl über die Haut seiner Hand hinweg glitt. Dann ein scharfer Schmerz dort, schlimmer als die Verletzung an seinem Bein. Doch Marcus war immer noch im Schwung des Angriffes. Nur am Rande vernahm er die Stimmen der anderen Germanen, die ihrem Kameraden in ihrer rauhen Sprache etwas zuriefen. In dem Moment wußte Marcus jedoch, daß es für ihn kein Entkommen geben würde. Selbst wenn er den Mann vor sich besiegte, würden ihn die Anderen immer noch aufhalten und töten.


    Somit stieg in Marcus etwas auf, was er selten im Leben verspürt hatte. Eigentlich nur einmal vorher, auf den Straßen Alexandrias. Der Moment in dem man spürte, daß man bald sterben würde und der Fährmann das Boot auf dem Styx bereit hielt. Dies vor Augen beschloß Marcus, daß er nicht der Einzige sein sollte, der heute hier sterben würde. Dieser Germane ebenfalls. Die Bruchteile des Augenblicks, kürzer als sein Herschlag, wurden vollkommen klar und schienen sich bis in die Unendlichkeit zu dehnen. Marcus sprang nach vorne, wich halb dem Speer aus, der an seiner Seite entlang glitt und wieder eine Wunde in sein Fleisch schlug. Doch Marcus verletzte und freie Hand packte nach dem Hemd des Germanen. Mit der anderen Hand und dem Dolch schlug er ihm ins Gesicht, brutal und mit viel Kraft. Dabei versuchte er ihn mit der Wucht seines Angriffes unter sich zu begraben.

  • Wie ein verwundeter Auerochse, kam es Rutger in den Sinn. Kämpft bis zum letzten Atemzug.
    Die blutige Hand des Römer vergrub sich in dem Wolfsfell um Rutgers Schultern. Er fühlte sich herumgerissen, und strauchelte auf dem zertrampelten und schlüpfrigen Untergrund, als der Schlag ins Gesicht ihn niederschmetterte. Das Gewicht seines Feindes presste ihn auf den Boden. Mit einem Keuchen wich die Luft aus seinen Lungen. Ganz nah jetzt der Feind. Auge in Auge. Sein Blut floss über Rutgers Oberkörper, sein rasselnder Atem strich über Rutgers Gesicht. Über seinen zusammengezogenen Augenbrauen bildete sich ein Schweißtropfen, rann an der römischen Nase entlang und tropfte auf die germanische Stirn.


    Rutger spannte alle Muskeln an und stemmte sich gegen die Last auf ihm, wand sich, versuchte ein Knie anzuziehen und den Römer von sich zu stoßen, sich zur Seite zu wälzen - vergeblich. Der Speer war jetzt ganz nutzlos. Mit einer Hand packte Rutger den Waffenarm des Feindes am Handgelenk, rang darum den Dolch von sich abzuhalten, die andere fuhr Halt suchend über den Boden hinweg, fasste nur Gras, tauchte nutzlos in das Wasser des Baches... und fand plötzlich einen soliden Stein. Rutger riss ihn hoch und liess ihn wuchtig auf den Hinterkopf des Feindes niedersausen. Einmal... zweimal... dreimal.

  • Heftiger Schmerz zuckte durch Marcus Seite als er mit Rutger auf den Boden fiel. Doch er ließ trotzdem nicht von dem Germanen ab. Auch das Knie, was ihn wegstoßen wollte tangierte ihn da nur peripher. Marcus hob seine Faust und wollte sie gerade dem Germanen ins Gesicht schmettern als er den wuchtigen Hieb auf seinen Kopf spürte. Und dann noch mal. Marcus Faust schlug trotzdem herunter, wenn auch die Kraft durch die aufkommende Benommenheit getrübt war. Und dann spürte er den dritten Schlag auf seinem Hinterkopf. Sein Dolch stieß noch mal in die Luft, doch Marcus wußte schon nicht mehr ob er überhaupt getroffen hatte. Denn langsam sackte er zusammen und schwarze Flecken tanzten vor seinen Augen. Langsam glitt er halb von dem Germanen herunter.


    Blauer Himmel schien über Marcus. Vergessen waren die Germanen, vergessen die Schmerzen in seinem Körper, denn nichts von all dem fühlte Marcus noch. Starr sah er in den blauen Himmel, der immer dunkler wurde. Die Nacht zog herauf, eine sternenlose Nacht, die ihn umfing. Eine sanfte Hand schien ihn über das Gesicht zu streichen. Das Blut, was über seine Wange floß, gaukelte ihm die leichte Berührung vor. Es mußte die Hand seiner Mutter sein. Wie früher, wenn sie ihn ins Bett gebracht hatte. Ein Lächeln stahl sich auf Marcus Gesicht, denn wenn seine Mutter hier war, war alles gut. Und so glitt Marcus in eine gnädige Bewußtlosigkeit.

  • Einen Moment lang lag Rutger still auf dem Rücken, und fühlte wie sein Atem ein- und ausströmte. Das Feuer, das ihn im Kampf beseelt hatte, war jetzt fort. Seine Platzwunde schmerzte erbärmlich, seine Lippe war aufgerissen, das linke Auge schien zugeschwollen zu sein, und der ganze Körper fühlte sich zerschlagen an.
    Er richtete sich halb auf, schob den schlaffen Körper des Feindes von sich und spuckte eine Mundvoll Blut und einen Backenzahn aus.


    Ein Schatten fiel über ihn. Der Anführer musterte ihn.
    "An deiner Deckung mußt du noch viel arbeiten." meinte er barsch. Aber zeigte sich da nicht auch ein Anflug von Zufriedenheit auf dem düsteren Gesicht?
    "Ja, fadir." Stolz erhob Rutger sich, biss dabei die Zähne zusammen, um sich auf keinen Fall den Schmerz anmerken zu lassen, und stützte sich heimlich auf seinem Speer ab. Während er sich im Bach das Blut abwusch und seine Wunden kühlte, nahm er glücklich die anerkennenden Kommentare seiner Kameraden entgegen.
    Doch wo war eigentlich das Pferd? Weit und breit nicht zu sehen.
    Rutger sah auf seinen gefallenen Feind hinunter. Lächelte der etwa?


    Der Anführer zog sein sax, und senkte die Waffe ganz langsam herab, bis sie beinahe die Lippen des Römers berührte. So verharrte er. Ein leichter Beschlag bildete sich auf der blanken Klinge.
    "Wir nehmen ihn mit." Er beugte sich hinunter und trennte mit einem schnellen Schnitt den elfenbeinernen Halbmond von den Sandalen ab.
    "Dieser Mann ist wertvoll. Falls er überlebt."


    Bald darauf herrschte wieder Ruhe und Einsamkeit auf der kleinen Lichtung. Das Zwitschern der Vögel setzte wieder ein, die Tannen raunten, und die leichte Brise vertrieb schnell den metallischen Geruch des Blutes.

  • Die Sonne stach heiß und brennend durch die Zweige. Zwischen den Bäumen war das Summen von Bienen zu hören, das Zirpen der Grillen und leises Vogelgezwitscher. Dann die leisen Bewegungen der Germanen. Es war nicht verwunderlich, dass sie nicht durch den Wald stapften wie eine römische Legion es getan hätte. War es doch eigentlich ihr Land. Es war Arne, der den Römer über seine Schulter geworfen hatte. Als Hüne konnte er den Römer mit relativer Leichtigkeit tragen. Von seiner Last war ab und an ein Stöhnen zu hören, wenn Marcus zu arg herumgeschüttelt wurde. Doch war es auch ein Zeichen, daß man den Patrizier nicht umsonst durch die Wälder trug.


    Marcus bemerkte von all dem nichts. Tiefe Schwärze hielt ihn gefangen, traumlos, gefühllos. Das Land zwischen der Welt der Lebenden und dem Tor der Unterwelt. Ein seidener Faden hielt ihm am Leben und dieser Faden wurde mit jedem Tropfen Blutes dünner, welchen er verlor. Doch etwas erreichte Marcus in dieser tiefen Dunkelheit. Leiser Gesang, der langsam etwas lauter wurde. Rein, klar und vollkommen umhüllte diese fremde Stimme den Römer. Marcus, der immer tiefer sich in die Dunkelheit fallen ließ, schien von dem Gesang gebannt zu sein, wie Odysseus von den Stimmen der Sirenen.


    Was Marcus nicht wußte, der Gesang war tatsächlich zu hören. Die Stimme eine Frau erklang zwischen den Tannen und Birken, die ihre Äste gen Himmel streckten. Arne lächelte breit, wußte er doch auch ganz genau wem diese Stimme gehörte. Und kurze Zeit später war sie auch zu sehen. Eine junge Frau, die über eine saftige grüne Wiese schritt. Ihre vollen, goldbraunen Haare hatte sie sich zu einem dicken Zopf geflochten und sie trug einen Korb voll mit Blumen und Waldfrüchten an ihrem Arm. Es war Gytha, eine hochgewachsene, hübsche junge Germanin. Ihr Gesicht strahlte auf als sie den Trupp der Germanen erblickte. Schnell lief sie auf die Männer zu. „Ihr seid schon wieder zurück!“ Sie lächelte breit und warf auch Rutger einen verschmitzten Blick zu. Erst da bemerkte sie seine Verletzungen im Gesicht und Besorgnis trat an der Stelle der Fröhlichkeit. Auch musterte sie den Gefangenen auf Arnes Schultern. Hinter ihr waren schon die Rauchschwaden des Dorfes zusehen, welches nur noch durch wenige Schritte und den letzten Bäumen des Waldes von ihnen getrennt waren.

  • "Gytha!" Rutger strahlte sie an. "Sieh mal was wir da gefangen haben. Ist mir direkt vor den Speer gelaufen." Er stibitzte sich vergnügt einen Apfel aus ihrem Korb. "Aber komm mit, du mußt versuchen ihn, so Hulda will, am Leben zu halten. Vielleicht können wir durch ihn Einar und die anderen freipressen."
    Der kleine Trupp gelangte in das Lager. Einfache Behausungen waren in einem lichten Birkenhain auf dem weichen Waldgras errichtet worden, provisorisch gezimmerte Hütten und Zelte mit ledernen Planen. Einige Feuer brannten, der Geruch von gegrilltem Fleisch lag in der Luft. Viele Krieger bevölkerten das Lager, Frauen sah man kaum. Ein paar stämmige graue und falbe Pferde grasten angepflockt in der Nähe, am Rande eines stillen Weihers.
    Respektvolle Grüße und neugierige Fragen erklangen von allen Seiten. Ein skelettartig dürrer Mann mit kompliziert geflochtenem weissem Haar trat auf den Anführer zu.
    "Heil Dir, Thidrik!" sprach er. "Du bringst einen Römer. Eine Gabe an den Allvater, nehme ich an."
    "Eine Geisel." erwiderte Thidrik knapp. "Arne, Sigvald, tragt ihn in dieses Zelt und achtet auf ihn. Gytha, sieh zu dass er noch nicht stirbt."


    "Thidrik, du Halunke! Wo hast du dich wieder herumgetrieben, du Schwerenöter!" Zielstrebig marschierte eine füllige Frau mit rotblondem Haarkranz auf ihn zu, die Arme bedrohlich in die Seiten gestemmt.
    "Astrid, mein teures Weib." Er nahm sie in die Arme und sie lachte gurrend. Als ihr Blick auf Rutger fiel, hielt sie inne.
    "Mein Kleiner, was ist passiert?"
    Das hatte ja kommen müssen. Unter dem herzhaften Gelächter der Andern wurde Rutger genötigt auf einem Fell Platz zu nehmen, wo ihn seine Mutter resolut verarztete.


    Aber seine Schwester Jorun brachte ihm danach zum Trost eine besonders knusprig gebratene Rinderkeule, und den Rest des Tages sonnte sich Rutger in seinem neuen Ruhm. Immer wieder aufs neue gab er sein Abenteuer zum besten.
    "Ich sprang also direkt vor ihm vom Felsen, vertrat ihm den Weg, und rief ´stell dich du feiger Bastard!´ Er führte einen gewaltigen Streich mit dem Schwert nach mir, aber ich duckte mich flink, und schlug es ihm aus der Hand...es war ein Kampf Mann gegen Mann..."

  • Zwei Kinder starrten Marcus gaffend an als Arne und Sigvald den Gefangenen in Richtung des besagten Zeltes trugen. Gytha lächelte und wuschelte dem Jüngeren durch die Haare ehe sie den beiden großgewachsenen Männern ins Zelt folgte.


    „Legt ihn dorthin!“ wies sie die Männer an, die ihrem Wort folgten und Marcus auf einige Lammfelle legte. Sofort tränkte das Blut des Patriziers die weißen Fellhaare. „Arne, bring mir etwas Wasser. Sigvald, mach bitte ein Feuer!“


    Ohne Widerspruch zu dulden wandte sich Gytha dem zu, wovon sie etwas verstand. Sie kniete neben Marcus nieder und besah sich erst mal seine Verwundungen. Vorsichtig tastete sie an seiner Brust entlang und um den Pfeil. Leise seufzend stand sie auf und holte ihr Handwerkzeug zusammen. Ein kleines kupfernes Messer, eine Holzschale und verschiedene Kräuter. Eher beiläufig nickte sie Arne zu als dieser das Wasser hereinbrachte. Mit gelassenen Handbewegungen füllte Gytha das Wasser in einen kleinen Kessel, den sie über das Feuer hängte, was Sigvald in der Mitte des Zeltes entzündet hatte. Der Rauch zog durch das Loch in der Mitte des Zeltes ab.


    „Geht bitte!“ wies Gytha die beiden wartenden Männer an.


    Arne schüttelte protestierend den Kopf. „Nein, der Mann ist gefährlich!“


    Gytha lachte auf. „Der? Nein, der würde jetzt noch nicht mal einer kleinen Katze etwas antun. Geschweige denn mir! Geht!“


    Arne nickte wiederwillig und Sigvald folgte ihm. Nun alleine, kniete sich Gytha wieder neben die Geisel. Sie nahm ihr kleines Messer und ließ es einen Moment über Marcus schweben. Nachdenklich sah sie auf den Mann herunter und schien unschlüssig zu sein. Ihr Messer glitt herunter und dann zerriß Stoff. Vorsichtig schnitte sie die rote Tunika auf und zog sie zur Seite. Sie griff nach einem Leinentuch und tauchte es in den Kessel, wo das Wasser langsam anfing zu brodeln. Mit dem Lappen wischte sie langsam das viele Blut weg. Dann untersuchte sie wie tief der Pfeil. Als sie sah wie tief der Pfeil steckte und welche Wunden noch den Körper von Marcus zierten, wurden ihre Bewegungen etwas schneller. Gekonnt brach sie den Pfeilschaft ab. Marcus stöhnte laut vor Schmerzen auf. Er riß seine Augen auf und schien Gytha anzusehen, fiel aber sofort wieder in die Bewußtlosigkeit. Gytha, die ihre Hände schnell weggezogen hatte, musterte den Patrizier mißtrauisch.


    Als er nur noch flach atmete und sich wieder nicht rührte, fuhr Gytha fort. Vorsichtig drückte sie den Pfeil raus und presste schnell ein Stück Stoff auf die Wunde. Mit sicherer Hand versorgte Gytha schließlich die diversen Wunden, schmierte Salben und Kräuter darauf, nähte, wo es notwendig war und verband sie schließlich. Die Sonne stand schon tief als sie endlich fertig war und das rote Licht des Abends fiel durch den Spalt des Zelteinganges. Erst dann stand Gytha auf und sah noch mal auf den Römer herunter, der immer noch keinen Laut von sich gab.


    „Hoffe auf Deine Götter, Römer! Hoffe, daß wenigstens sie Dir beistehen. Wir tun es nicht!“


    Mit den Worten drehte sich Gytha um und verließ das Zelt. Vor dem Zelt blieb Gytha stehen und sah nachdenklich in den Sonnenuntergang, der seine roten Strahlen auf den Weiher warf und einige Wolken tiefrot, wie das Blut des Römers, anleuchtete.

  • Ein ereignisreicher Tag neigte sich dem Ende zu. Mit einem metgefüllten Horn in der Hand schlenderte Rutger durch das Lager. Er sah Gytha am Ufer des Weihers stehen, hochgewachsen und anmutig. Ein verträumtes Lächeln erschien auf seinem zerschlagenen Gesicht, als das Abendrot ihrem Haar einen goldroten Schimmer verlieh, und forsch gesellte er sich zu ihr.
    "Gytha, idungleiche Gytha, komm, nimm auch einen Schluck." Einladend hielt er ihr das Horn hin. "Lebt denn der Gefangene noch? Warst Du bis jetzt mit ihm beschäftigt? Da könnte man ja fast neidisch auf den Römer werden..." Er lachte. "Komm, Du brauchst jetzt etwas Erholung. Lass uns runter zum Wasser gehen."
    Neckend nahm er ihren Arm, spazierte mit ihr unter dem Birken ein Stück am Ufer entlang und half ihr die steile Böschung hinunter. Knorrige Schwarzerlen wuchsen dort. Ihr vielfach ineinander verflochtenes Wurzelwerk türmte sich hoch auf, umschlang die moosigen Steine des Ufers und tauchte wie ein Vorhang in die glatte Wasseroberfläche hinein. Einige welke Blätter trieben langsam vorbei.

  • Regungslos blieb Gytha am Rande des Sees stehen, selbst als sie der Schritte gewahr wurde. Ihr Gesicht umrahmte die letzten Sonnenstrahlen wie ein Lichtkranz. Ihr Profil wirkte sanft geschwungen. Erst als Rutger ihren Namen nannte, wandte Gytha ihren Blick zu ihm. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen hauchzart.


    "Rutger, Bezwinger der Römer!"


    Zustimmend neigte sie den Kopf und folgte Rutger hinunter zum Wasser. Einige ihrer Strähnen wehte die milde Abendbrise in ihr Gesicht und sie strich sich die goldbraunen Flechten wieder zurück. An dem Wurzelwerk angekommen, blieb Gytha stehen. Sie nahm ihr Tuch von den Schulter und legte es neben das Geflecht. Eine kleine Spitzmaus schreckte auf und huschte an Gytha vorbei in ein kleines Mauseloch. Gedanken verloren sah Gytha auf die rotschillernde Wasseroberfläche, auf deren Spiegelbild sich die Bäume und dunklen Äste des Waldes abzeichneten.


    "Es steht nicht gut um den Römer. Aber bei Hel, es wäre nicht schade um ihn. Ich war schon fast versucht, es dem Schicksal zu überlassen."


    Gytha schwieg für einen Moment und seufzte leise.


    "Wie ich sie doch hasse, diese Römer! Kommen in unser Land, morden unsere Männer, stehlen unser Vieh und meinen, uns überlegen zu sein. Oftmals frage ich mich, warum? Was wollen sie hier? Die, die unser Land im Grunde ihres Herzens doch verachten oder sogar hassen!"


    Bitterkeit schwang in ihrer Stimme mit. Auf ihrem Gesicht war der Zorn gezeichnet, der auch in ihrer Stimme mitschwang. Warum sie immer so zornig wurde, wenn es um die Römer ging, das wußte im Lager jedoch keiner so recht. Sie verriet aber auch nie viel von dem, was ihr Leben in der Vergangenheit geprägt hat, ehe sie sich vor einigen Jahren diesem Lager angeschloßen hatte.

  • Wie schön sie war, in ihrer Wut. Rutger beeilte sich, ihr zuzustimmen.
    "Sie sind eben gierig, und nie zufrieden. Einzeln feige, in der Masse gefährlich. Und verlogen. Und... ja, seelenlos, sie kämpfen seelenlos, marschieren einer neben dem anderen, umgeben sich mit dicken Panzern, man kann sie gar nicht voneinander unterscheiden..." Er schnaubte verächtlich. "Gut, Krieg ist das eine, aber dann diese Abgaben, das ist ja wohl die Höhe, wir FREIE CHATTEN sollen diesen Südländern, diesen Skrälingen, Tribut zollen! Gar noch für sie arbeiten! Wir!"
    Er ballte die Fäuste und sprach mit einem Leuchten in den Augen weiter: "Aber der Tag wird kommen, an dem wir sie zermalmen. Wie damals. Doch diesmal endgültig!"
    Eindringlich sah er Gytha an, ergriff ihre Hände und drückte sie feierlich.
    "Und dann werden wir wahrhaftig frei sein."
    Er verstummte. Jetzt oder nie. Kraftvoll legte er einen Arm um ihre Schultern, strich ihr mit rauhen Händen ein paar Strähnen aus dem Gesicht und küsste sie leidenschaftlich auf den Mund.

  • Gythas Blick wanderte in die Ferne. Einige ihrer Haarsträhnen wehten ihr ins Gesicht und umschmeichelten ihre Wangen. Stumm hörte sie Rutger zu und nickte langsam. Ihre Lippen waren fest aufeinander gepresst. Ein leises Seufzen löste sich von ihnen und just in dem Moment als sich Rutger zu ihr herunter beugte, wandte sie ihr Gesicht ihm zu. Überrascht blinzelte Gytha auf als Rutger sie küßte. Einen Herzschlag blieb sie ganz still, schien sogar den Kuß zu erwiedern. Gytha hob ihre Hand und berührte Rutger an der Wange. Doch dann löste sie sich abrupt. Schnell stand sie auf und trat einen Schritt von Rutger fort.


    "Ich...ich kann nicht!"


    Stumm sah Gytha Rutger an, in ihren Augen war schon fast etwas wie eine Entschuldigung abzulesen. Doch ohne ein weiteres Wort zu sagen, drehte sie sich um und ging schnell wieder zurück ins Dorf. Ihr Tuch ließ sie dabei völlig vergessen am Rande des Weihers liegen und einige Blätter wehten darüber hinweg. Das letzte Abendlicht verschwand und auch Gytha, die wieder in das Zelt zu dem Römer zurückkehrte.

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