Aquilius, der Opferpriester - oder: Der heldenhafte Saustecher

  • Seit mich die Aufforderung, die zweite Prüfung auf dem Weg zum sacerdos publicus anzugehen, erreicht hatte, hatte ich über eine passende Opfergabe nachgedacht. Denn damit begann schon das Opfer im Grunde, war die gewählte Opfergabe die Falsche, konnte man sicher sein, den Gott oder die Göttin zu beleidigen, den oder die man damit eigentlich ehren wollte. Ein Stier für Mars war undenkbar und viel zu teuer, ebenso einem Probeopfer kaum angemessen, wenngleich es natürlich das beste Opfertier gewesen wäre - so hatte ich mich nach einigem Hin- und Herüberlegen schließlich für Ferkel entschieden. Schweine waren auch noch teuer genug, um als Gabe Eindruck zu machen und die Ehre des Gottes zu erhöhen. Natürlich wäre ein dickes Mastschwein übertrieben, ausserdem konnte ich es mir nicht leisten, zwei Mastschweine zur Probe zu töten, damit es mit dem dritten dann klappen würde - also hatte ich am frühen Morgen dieses Tages meine süße kleine Nefertiri ausgeschickt, um drei Ferkel besten Wuchses und mit heller Farbe auszusuchen. Die helle Farbe war ein Zeichen dafür, dass sie einem Gott der Oberfläche geopfert werden sollten, dunkle Ferkel hätte ich für einen Unterweltgott ausgesucht.


    So stand ich nun im Keller der Villa Flavia Felix und mit mir war Nefertiri im Raum, die ein bisschen zu frieren schien, die Schweine aber tapfer in ihrem Korb festhielt. Sie hatte die Tiere gut ausgesucht, das schönste Ferkel wählte ich als Opfergabe für meine Prüfung aus und hieß sie, es im Korb dorthin zu bringen, wo die Tiere der Villa gehalten wurden, es gab ein paar Hühner für eine eigene Eierversorgung, also würde ein Ferkel zumindest eine Nacht über nicht auffallen. Es war eine halbe Ewigkeit her, dass ich zuhause den Göttern geopfert hatte, und damals waren es Hühner gewesen, die Ferkelopfer meiner Vergangenheit hatten immer unter der strengen Aufsicht meines Vaters stattgefunden, aber diesmal war ich es, der alleine stand und die leise grunzenden Tiere aus eigenem Wissen töten würde. Wie es die Sitte vorschrieb, trug ich nur den Lendenschurz der Opfernden, dazu das Opfermesser am Gürtel, um mich daran zu gewöhnen - dass mir einige der Sklavinnen in der Villa verwirrt nachgesehen hatten, störte mich wenig.


    Eines der beiden Ferkel deponierte ich in der culina unter der Aufsicht eines anderen Sklaven, damit es nicht durch den Tod des ersten Tiers panisch wurde, das andere band ich, wie es bei Opfertieren üblich war, im Keller an. Ich umrundete das leise grunzende Tier, das mir mit einem erstaunlich wissenden Blick nachsah, und tat so, als würde ich den Opferschmuck abnehmen - es gab zwar keinen, aber es gehörte zum Ritus und man konnte schließlich so tun als ob. Das Ferkel grunzte wieder, als wolle es meine Bemühungen mit seiner musikalischen Zugabe untermalen, während ich es umrundete und genauer in Augenschein nahm. Es wirkte noch recht friedlich, glücklicherweise, denn ganz geheuer war mir die Sache nicht. Ein Ferkel war dann doch ein anderes Kaliber als ein Huhn. Ich strich mit dem Messer einmal vom Kopf bis zum Ringelschwanz des Tiers, auch die Rolle des Opferherrn übernehmend, und räusperte mich.
    "Hiermit, oh großer Mars, weihe ich Dir dieses Tier, und bla bla bla ..." Das Gebet zu sprechen passte nicht so ganz, also kürzte ich diesen Teil ab, während das Ferkel leise quiekte.


    "Agone?" fragte ich mit meiner normalen Stimme, antwortete das "Age!" des vermeintlichen Opferherrn mit verstellter Stimme und nahm das Ferkel in den Blick. "Halt still, Mistvieh," schickte ich geknurrt hinterher, als es den Kopf bewegte, dann holte ich aus und stach zu, der Halsschlagader entgegen, während das Ferkel einen kreischenden Quiek-Entsetzenslaut losliess, der von der culina vom anderen Ferkel beantwortet wurde. Das Ferkel zuckte heftig zusammen, trat mit den Beinen nach mir und ich stellte, als mich einer der Hufe traf, fest, dass ich es anscheinend nicht fest genug gebunden hatte - das Tier riss sich los und sauste die Treppe hinauf durch die culina, was ich an den erschrockenen Lauten der dort arbeitenden Sklavinnen wahrnahm. "Verdammte Scheisse!" Ich rannte, so blutbespritzt wie ich war, los und setzte dem Schwein nach, das durch die Tür der culina hinaus auf den Gang gerannt war und eine blutrote Spur an Wand und Boden hinter sich herzog. Ein weiterer Sklave geriet dem entsetzt quiekenden Ferkel mit dem Loch im Hals in den Weg und ließ scheppernd die Kanne fallen, die er gerade getragen hatte - das durfte doch nicht wahr sein, wie lang konnte ein halbtotes Schwein rennen?


    Es musste wahrhaft ein Bild für Götter sein, das blutende Schwein im Eiltempo und hinter ihm ein halbnackter oder besser dreiviertelnackter Mann mit einem Opfermesser in der Hand, Nefertiri starrte mir mit großen Augen hinterher, wärhend ich versuchte, dem Schwein nachzukommen und es irgendwie einzufangen. Irgendwann musste es doch einfach tot sein! Während es in Richtung Atrium galloppierte, als seien alle Kreaturen des Hades hinter ihm her, rutschte es am Ende des Gangs aus und geriet vom eigenen Blut ins Schliddern, um dann in einem lauten, empörten Quieken über den Boden zu trudeln - ich hörte einen gewaltigen Platscher, als das Tier im impluvium des Atriums landete und das Wasser auf den Boden schwappte, sich mit dem vergossenen Blut mischte und eine riesige, nasse und vor allem rosa gefärbte Sauerei hinterließ. Meine Sandalen verloren den Halt und ich konnte mich gerade noch an einer der Säulen festhalten, sonst wäre ich wohl genauso in das Wasser gefallen wie das nun allen Göttern sei Dank zur Ruhe gekommene Ferkel. Wenigstens, dachte ich, hatte es gut genug geblutet, um ein angemessenes Opfer darzustellen, und rieb mir mein bei der Verfolgungsjagd gestoßenes Knie.


    "Äh... Herr?" hörte ich die zaghafte Stimme meiner kleinen Ägypterin von hinten, die noch immer den Korb des Ferkels in ihren Armen trug, glücklicherweise nun ohne Ferkel. "Sag den Sklaven der culina, dass es heute abend verdammtes Spanferkel gibt," knurrte ich und richtete mich langsam wieder auf. In meiner inneren Vorbereitungsliste für das Opfer fügte ich den Punkt 'Ferkel GUT anbinden' den bisher vorhandenen Punkten zu und seufzte tief. Wenigstens hatte ich noch ein Ferkel übrig, um das nochmal auszuprobieren - bei der Prüfung durfte so etwas nicht passieren. Dann blickte ich mich im Blut- und Wasserüberschwemmten Atrium um und war heilfroh darüber, dass Valerius Victor die Sauerei nicht sehen konnte.

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