• Als sie Axillas Augenrollen sah, machte Serrana Anstalten aufzustehen und einfach zu gehen. Sie empfand diese Situation ohnehin schon als ausgesprochen demütigend, auch ohne dass ihre Cousine sich noch über sie lustig machte. Bevor sie jedoch dazu kam, hatte Axilla direkt die nächsten Bemerkungen losgelassen, und da Serrana ohnehin schon völlig überdreht war, siegten zur Abwechslung mal Fassungslosigkeit und Ärger über ihren üblichen Rückzugsinstinkt. "Es hat nichts damit zu tun, dass ich vielleicht sterben werde." begann sie noch halbwegs ruhig. "Naja, ein bisschen vielleicht, aber nicht nur. Am Anfang haben wir uns doch auch noch ganz gut verstanden, erinnerst du dich? Und ich verstehe einfach nicht, wann und warum das alles auf einmal so schwierig geworden ist." Mittlerweile war sie doch wieder aufgestanden,lief mit immer noch verschränkten Armen ein paar Schritte auf und und suchte nach passenden Argumenten, als Axilla die nächste Salve abschoss. Natürlich, das musste ja wieder kommen! "Was soll denn das, verdammt? Warum reitest du nur immer darauf herum, dass ich angeblich nichts mit den Iuniern zu tun haben will?" schoss es aus Serrana heraus und es gelang ihr nur mit Mühe, ihre Stimme halbwegs ruhig zu halten. "Ich bin bei einer anderen Familie aufgewachsen, ja. Aber dafür kann ich nichts. Ich bin immer stolz auf den Namen meines Vaters gewesen und seit ich in Rom bin, habe ich versucht ihm Ehre zu machen. Vielleicht war es nicht genug, um deinen Ansprüchen zu genügen, aber ich habe mein Bestes getan!" Serrana fuhr sich beiden Händen durch die Haare, und atmete ein paar Mal tief ein und aus bevor sie weitersprach. "Und nur weil ich mal erwähnt habe, wie die Germanici denken, heisst das doch noch lange nicht, dass ich der selben Meinung bin! Ja, ich hab mich in einen Germanicus verliebt und ihn geheiratet, aber das war doch reiner Zufall und hatte nichts mit seiner verdammten Gens zu tun. Natürlich bin ich froh, dass es eine erfolgreiche Gens ist, aber deshalb missachte ich doch nicht meine Herkunft. Ich hab auch in Nola schon alles über die Iunier verschlungen, was ich in die Finger gekriegt habe, aber über welchen Iunius unserer Tage sollte ich schon sprechen? Silanus vielleicht? Der hat halb Rom zu meiner Hochzeit eingeladen und ist dann selbst nicht erschienen. Brutus und Merula habe ich erst einmal in meinem Leben gesehen und du...du willst sowieso nicht mit mir reden. Du hast gut reden, du hattest deinen Vater und Urgulania, das ist etwas ganz anderes... Ich bin sicher nicht so eine perfekte Iunia wie du, aber deshalb kannst du mir doch nicht unterstellen, dass ich keine sein will." Serrana ging wieder ein paar Schritte auf Axilla zu und hob beschwörend die Hände. "Was soll ich denn machen, damit du mir endlich glaubst? Sag es mir bitte!"

  • Und jetzt echauffierte sie sich, wonach sie nach Axillas Meinung nicht das geringste recht hatte. Sie hatte alles getan, um den Iunii Ehre zu machen, nur ihre Ansprüche wären zu hoch? Axilla wurde ruhig. Gefährlich ruhig. Ihre Kopfhaltung veränderte sich um diese Winzigkeit, die aus einem Blick ein focussiertes Niederstarren machte, als sie Serrana bedachte, wie diese herumlief. “Rede niemals von meinem Vater. Nie.“ Es war ruhig und leise gesprochen, aber genau das war es, was die gesamte Bedrohlichkeit des Augenblicks in diese Worte legte. Axilla explodierte gerade nicht, sie wurde ganz ruhig, wie das Wetter, das ganz leise wurde, bevor das Gewitter los ging.
    “Ich erinnere mich sehr gut an unsere Gespräche. Wie du meintest, die Germanica noch dafür verteidigen zu müssen, dass sie die Soldaten des Imperiums beleidigt und verschmäht. Wie du deine eigenen Verwandten vergessen hast, zu deiner Hochzeit einzuladen. Wie ich dich auf die Traditionen angesprochen habe und mit dir reden wollte, dass diese Doppelhochzeit uns Spott einbringen könnte, und du es nicht hören wolltest, wegen der Germanica. Wie du wieder und wieder betont hast, wie wenig wert du und die Iunii doch seien und wie toll dein Senator und wie erfolgreich sie alle. Welch unbändiges Glück es doch sei, dass er sich einer so nichtswürdigen wie dir annehme. Und du wagst es tatsächlich, von iunischen Werten und Traditionen zu sprechen und für dich zu beanspruchen?“
    All das war mit einer Ruhe hervorgebracht, von der Axilla nicht einmal wusste, dass sie sie hatte. Sie taxierte Serrana genau, schätzte sogar ab, wie sie sie wohl am besten schlagen könnte, wenn sie aufspringen würde. Wie ein Tiger, der im Gebüsch kauerte, bereit zum Sprung.
    “Was du tun kannst?“ Noch immer ruhig und leise, die Stimme nicht auch nur eine Winzigkeit erhoben. “Vielleicht benutzt du zur Abwechslung mal deinen eigenen Willen und deinen eigenen Verstand und lässt dir nicht von jedem sagen, was du tun sollst. Vielleicht entwickelst du endlich ein klein bisschen Stolz auf das, was du bist, und betonst nicht ständig, wie klein und schwach und nichts wert wir Iunii doch alle sind. Vielleicht versteckst du dich nicht ewig hinter deinen Priesterroben, sondern zeigst etwas iunische Tatkraft.“
    Es klang weder bissig noch gehässig. Es war völlig ruhig, beinahe monoton gesprochen. Einzig das Grollen, fast wie ferner Donner, das sich in Axillas Stimme schlich, gab dem Ganzen Gewicht.

  • „Ach, sieh an. Noch einer, über den ich nicht sprechen kann.“ Serrana schüttelte den Kopf. Sie begriff beim besten Willen nicht, warum Axilla auf die Erwähnung ihres Vaters hin derart reagierte, aber im Grunde war es auch egal, denn sie würde es ihr ohnehin nicht verraten. Sie sah ihre Cousine an, die ihr in diesem Moment fremder denn je zu sein schien. Wieder verspürte sie den Wunsch einfach zu gehen, aber dann prasselten plötzlich neue und auch viele alte Vorwürfe auf sie herab, und auch wenn der eine oder andere durchaus zutreffend war, wurde Serrana jetzt wieder wütend. „Nun, offensichtlich haben wir unterschiedliche Vorstellungen davon, was Beleidigungen und Schmähungen sind.“ begann sie und stellte zu ihrer eigenen Überraschung fest, dass sie ausnahmsweise mal gerade keine Angst hatte. Wut schien irgendwie eine heilsame Wirkung auf sie zu haben, auch wenn Serrana den Grund dafür nicht erkennen konnte. „Ich verstehe auch nicht, warum du so auf Calvena herum hackst, du kennst sie doch überhaupt nicht.“ Dass Axilla wieder mit den versäumten Einladungen für Brutus und Merula anfangen würde, hätte Serrana eigentlich klar sein müssen, aber es tat trotzdem weh, denn das war wirklich ein übler Fehler gewesen, der ihr nach wie vor unglaublich peinlich war. „Das mit den Einladungen war schlimm, das weiß ich.“ presste sie widerstrebend heraus. „Ich hab dir schon einmal gesagt, dass mir das Leid tut, aber das interessiert dich gar nicht, nicht wahr? Wahrscheinlich wirst du mir das noch vorhalten, wenn wir beide alt und grau sind. Und das mit der Hochzeit kann ich auch nicht mehr hören! Glaub mir, wenn ich gewusst hätte, dass du dich derart aufregen würdest, dann hätte ich Quintus davon abgehalten, Silanus danach zu fragen. Du hast Recht, ich hab nicht über darüber nachgedacht, dass eine Doppelhochzeit gegen einige Traditionen verstoßen würde, das muss ich zugeben. Aber willst du wirklich behaupten, dass irgendjemand unsere Familie deswegen verspottet hat? Ich kann mich jedenfalls an nichts derartiges erinnern.“ Serrana, die in der Zwischenzeit das Laufen wieder aufgenommen hatte, blieb erneut stehen.
    „Und ganz abgesehen davon war deine eigene Hochzeit auch nicht gerade das, was man traditionell nennen kann. Aber für dich gelten natürlich andere Maßstäbe, nicht wahr? Du machst ja keine Fehler, die mache nur ich!“ Serrana schnaubte in einer Mischung aus Ärger und Resignation. „Und ich kann auch nicht mehr hören, dass ich angeblich die Iunii schlecht gemacht haben soll. Das hab ich nie und werde ich auch nicht! Ich hab immer nur von mir selbst gesprochen und niemals von meiner Familie. Und das kann dir doch nur recht sein, du hältst mich ja ganz offensichtlich auch für nichtswürdig, klein und schwach.“ Serrana ging zu ihrem Sessel zurück, setzte sich und starrte ihn eine andere Richtung. Sie wusste um ihre mangelnde Durchsetzungsfähigkeit und dass ihre Willenskraft alles andere als beeindruckend war. Sie wusste auch, dass Axilla mit ihrem Rat richtig lag und dieser im Grunde der einzige Weg war, aber das jetzt nach all den Vorwürfen zuzugeben, erschien Serrana fast unmöglich.

  • “Ich kenn sie gut genug um zu wissen, dass ich mit so einem lästerlichen Ding nichts zu tun haben will. Und wenn du auch nur einen Funken Stolz in dir tragen würdest, wie du behauptest, würdest du das auch nicht!“ Serrana hatte Glück, dass Axilla sich beherrschen konnte. Alles in ihr schrie danach, diese lächerliche Diskussion einfach durch Gewalt zu beenden. Und Axilla war kein Mädchen. Sie würde sich nicht auf Kratzen, Beißen, Haare ziehen beschränken. Sie wusste, wie man sich prügelte. Gegen einen Mann hatte sie da zwar vermutlich immernoch keine Chance, aber die meisten Frauen wären wohl allein von der Heftigkeit zu überrascht.
    “Und ich habe sehr wohl die Acta gelesen. Du hast wohl nur gelesen, was du lesen wolltest, ebenso wie du nur siehst, was du sehen willst. Ich weiß um meine Fehler, aber es ist ja so viel einfacher, auf einen anderen zu zeigen und ihm zu sagen 'Ja, aber du hast das und das ja auch getan', nicht? Macht es das, was du getan hast, nur ein bisschen besser? Nur ein wenig anders?“
    Axilla stand auf. Das hier war absolut nutzlos. Ihre Cousine wollte ja gar nicht begreifen. Sie wollte sowieso nur im Recht sein und rechtfertigte sich damit, dass Axilla auch Fehler hatte. Sie verstand einfach nichts. Sie würde ihre Begeisterung für die Germanicer nie eingrenzen, sie würde nie anfangen, die eigenen Traditionen auch nur ein bisschen hochzuhalten oder gar gegen solche Schmähreden wie gegen die von Germanica Calvena zu verteidigen. Sie würde ihren eigenen Kopf nicht benutzen und nur weiter das brave Schaf bleiben, das zu allem nur „mäh“ sagte und treu und brav auf seine Schlachtung wartete, weil es zuviel Angst hatte, mal aus der treuen Herde auszubrechen und auch nur zu schauen, was hinter dem nächsten Hügel wartet. Es könnte ja ein Wolf sein.
    “Wenn das alles war, gehe ich dann wieder.“ Axilla zögerte nicht lange und wandte sich von Serrana ab. Serrana würde die Tür schon allein finden, wenn sie wieder zurück ging. Eigentlich hatte Axilla ja vor einiger Zeit den Entschluss gefasst gehabt, sich mit ihr wieder zu vertragen, aber mittlerweile glaubte sie, dass das ganz und gar unmöglich war. Sie konnte diese Untätigkeit und treue Schicksalsergebenheit ihrer Cousine einfach nicht goutieren und auch nicht ignorieren. Und erst recht nicht dabei mitmachen, und sei es nur durch so ein lächerliches Versprechen.

  • „Na, wenn du das ohnehin alles so genau weißt, dann kann ich mir ja die Mühe sparen, darauf zu antworten.“ antwortete Serrana, ohne sich wieder zu Axilla umzudrehen. Mittlerweile sehnte sie sich nur noch das Ende dieser Unterhaltung dabei, die ihrer Meinung ohnehin nur daraus bestand, dass sie selbst sich permanent rechtfertigte. Dabei ging es gar nicht so sehr darum, dass einige der Anschuldigungen in ihren Augen sogar gerechtfertigt waren. Serrana war es einfach nur unendlich leid, Axillas offensichtliche Missbilligung für alles, was sie sagte, dachte oder tat, um die Ohren gehauen zu bekommen. Irgendwie schien in deren Augen einfach alles falsch zu sein: ihr Benehmen, ihr Glaube, ihre Freunde, ihr Mann und dessen Familie… Wäre es nicht so viel auf einmal gewesen, dann hätte der eine oder andere Rat ihrer Cousine vermutlich eine Chance gehabt, etwas schneller in Serranas Bewusstsein vorzudringen, aber so setzten sich zunächst Ärger ,Trotz und der feste Entschluss durch, von jetzt an mit keinem anderen Menschen mehr über ihre demütigenden Ängste in Bezug auf die künftige Geburt ihres Kindes zu sprechen. „Weißt du, ich hatte irgendwie gehofft, wir könnten einen Schnitt machen und noch einmal von vorn anfangen, ohne gegenseitige Vorwürfe und so, aber es klappt einfach nicht. Axilla, ich weiß, dass es auch an mir liegt, weil ich manchmal….albern reagiere, aber ich bin es nicht allein.“ Serrana sah sich zu ihrer Cousine um, kämpfte einen Augenblick mit sich, als sie sah, dass diese bereits auf dem Weg nach draussen war, und ließ sich dann wieder zurück in ihren Stuhl sinken. „Ja, das war dann wohl alles.“

  • Es konnte nicht stimmen. Es durfte nicht stimmen. Es durfte nicht stimmen. Das war einfach nicht möglich. Das konnte gar nicht möglich sein!
    Du weißt es doch besser, hast die Anzeichen gesehen. Du kannst die Augen nicht verschließen!
    Axilla schloss die Augen und schüttelte den Kopf, heftig, bis der Gedanke weg war. Sie lief auf und ab, rang mit ihren Händen. Sie hatte damit angefangen, mit den Fingern immer wieder über die Nagelbetten zu fahren, so lange, bis diese gerissen waren und zu bluten angefangen hatten. Der Schmerz war gut, er lenkte ab. Auch wenn es eine fiese Stelle war, um Schmerz zu empfinden und ihr das am nächsten Tag noch leid tun würde, aber im Moment konzentrierte er ihre Gedanken auf eine einzige, einfache Sache. Blutende Fingernägel waren einfach. Sie taten weh, sie waren überschaubar. Sie konnte die Hände in kaltes Wasser halten, und alles wäre gut. Der Schmerz wäre vorbei. Kontrollierbar. Einfach.
    Nichts ist jemals einfach. Und auch hier kamen die Gedanken schneller wieder, als sie wollte. Wie hatte er sie nur so anlügen können? Wie hatte sie das nicht merken können? Wie hatte sie nur so blind sein können? Hatte sie es denn nicht sehen wollen, oder hatte sie es wirklich nicht sehen können? War ihre Menschenkenntnis denn wirklich und ernsthaft so schlecht? Sie hatte ihn geliebt. Zumindest ein wenig. Wie hatte sie ihn lieben können? Wie war das möglich? Das war nicht möglich. Das war einfach nicht möglich. Das durfte nicht möglich sein.
    Sieh mit deinen Augen. Es ist so. “Nein“, weinte Axilla und brach in sich zusammen. Mitten im Atrium ging sie in die Knie und schluchzte und weinte. Die Sklaven hatte sie alle schon bei ihrem Eintreffen in der Casa Iunia verscheucht. Sie hatte niemanden um sich haben wollen. Und so war auch jetzt kein unsichtbarer Diener da, der zu ihr kam, um sie in den Arm zu nehmen und zu trösten.


    Axilla presste ihre Hände auf ihre Ohren. Sie wollte diese Gedanken nicht mehr hören. Sie wollte nicht, dass es stimmte. Sie wollte nicht darüber nachdenken. Auch wenn sie tief in ihrem Inneren schon längst zu der Erkenntnis gekommen war, und kein Leugnen der Welt diese wieder tilgen konnte. Und auch keine Tränen.

  • Seneca befand sich ebenfalls in der Casa Iunia und wurde durch die verwirrten Sklaven auf die Ereignisse im Atrium aufmerksam gemacht. Er wusste nicht genau was los war jedoch konnte er diese Situation natürlich nicht einfach ignorieren und auch wenn Axilla ihre Sklaven schon weitaus länger kannten als ihn so würde sie vielleicht ihren Cousin offener empfangen, einen Versuch wäre es ja wert..
    Seneca lief auf leisen Sohlen ins Atrium und wie er dort Axilla auf dem Boden fand bestürzte ihn zutiefst..
    Er war sich nicht sicher ob Axilla ihn schon bemerkt hatte, jedoch kniete er sich zu Axilla runter und berührte mit seiner Hand leicht ihre Schulter. Zunächst schwieg er nur, er wusste ja nicht wie seine Cousine reagieren würde und auch wenn es ihm schwer fiel Axilla in so einem Zustand zu sehen so wollte er Axilla nicht sofort vom Boden wegheben. Sie waren unter sich, in ihrem Haus, in ihrem zuhause. Hier musste man nicht daran denken ehrbar zu wirken oder um sein Ansehen fürchten, und so versuchte Seneca Axilla aufzuheitern und streichelte tröstend über ihre Schulter..

  • Axilla hörte weder Schritte noch sah sie irgendwelche Blicke. Sie wiegte sich nur leicht vor und zurück, die Hände fest auf den Ohren. Eigentlich fehlte nur noch ein lautes 'LALALALALALA', um noch deutlicher zu machen, dass sie etwas nicht hören wollte. Und sie weinte, wie ein Mensch nur weinen konnte, dem der Boden eben unter den Füßen zersprungen war und dessen ganze Existenz in Trümmern vor ihm zu liegen schien.
    Als Seneca sie berührte, zuckte sie zusammen, wobei er das vermutlich nicht herausfiltern konnte. Ihr ganzer Körper zuckte ohnehin in den kaum mehr menschlichen Schluchzern, die ihren Körper durchschüttelten. Axilla wendete nicht einmal den Kopf, um zu sehen, wer das ist. Irgendwo ganz entfernt in ihrem Bewusstsein fragte sie sich, wer sich wohl traute, hier zu sein, obwohl sie vorhin alle verjagt hatte. Aber das war im Grunde nicht so wichtig. Sie fühlte, dass der jemand anfing, sie ein wenig zu streicheln, wie man wohl ein Kind trösten würde. Sie weinte noch ein wenig, ehe es weniger wurde und sie sich mit dem Handrücken einmal über die verheulten Augen fuhr. Aus roten Augen sah sie einmal auf.
    Der Schleier vor ihren Augen ließ die Person verschwimmen und unwirklich sein, und so starrte sie einen Augenblick lang einfach durch Seneca hindurch, ohne ihn wirklich zu sehen, während die Tränen noch immer wie ein nie versiegender Bach über ihre Wangen flossen. Erst nach einigen Augenblicken erkannte sie ihren Cousin, und mit einem erneuten Aufschluchzen und einem Zittern, dass den ganzen Körper zu erfüllen schien, fiel sie ihm einfach aufheulend um den Hals. Ob er wollte oder nicht, Axilla lag in seinen Armen. Ihre Beine waren nach hinten weggerutscht, und ihr ganzes Gewicht lag an seinen Schultern, wo sie sich mit schierer Verzweiflung festzuhalten schien und ihren Kopf an seiner Brust barg. Seneca war neu in Rom. Sie kannte ihn kaum. Aber er war da, er war verwandt. Und auch, wenn er doch nicht Legionär wurde, sondern bei den Cohortes Urbanae dienen wollte, er war für Axilla in diesem Moment Soldat genug, so dass sie sich trösten lassen konnte.
    “Er hat... ihn getötet... er hat... Leander... getötet...“ Sie musste es erzählen. Auch wenn Seneca nicht einmal wusste, wer Leander gewesen war, Axilla konnte dieses Wissen nicht für sich behalten. Er hatte ihre Welt zerstört, und sie musste es teilen, ehe es auch noch den Rest von ihr zerstörte. “Wegen mir.... es ist meine Schuld... er hat ihn... wegen mir getötet... damit er mich haben kann... und ich hab es nicht gemerkt... ich schwöre... ich hab es nicht gewusst... ich hätte doch nie....“
    Einiges ging auch so in Schluchzen unter, dass es völlig unverständlich war. Aber soweit konnte Axilla nicht mehr denken. Sie musste nur diese Gedanken aussprechen, die ihren Körper zu zerreißen schienen.

  • Seneca wusste im ersten Moment nicht so wirklich wie er mit der Situation umgehen sollte. Doch als ihm Axilla schließlich in die arme fiel, oder fast schon flüchtete, drückte er sie bestimmt aber doch sanft an seine Brust und strich ihr mit seiner Hand durchs Haar. Selten hatte Seneca jemanden gesehen der soviele Tränen vergoss und er blickte über ihre Schulter hinweg ins sonst leere und in diesem Moment irgendwie bedrückend wirkende Atrium. Ein leichter blauschleier leckte sich über Seneca's Blick, der seine ganze Umgebung trist wirken ließ auch wenn Seneca nicht einmal wirklich wusste was geschehen so reichten die Tränen seiner Cousine um auch ihn in einer gewissenweise zu berühren, auch wenn es nur ein oberflächlichles Gefühl war und er es nicht wirklich zuordnen konnte.
    Als Axilla letztlich sagte dass irgendwer, irgendwen getötet haben soll erkannte Seneca erst den Ernst der Lage. Es war kein kleiner Ehestreit oder irgendeine Kleinigkeit mit Serrana oder sonst wem mit dem sich Axilla nicht so gut verstand es war gewaltig mehr als das.


    "Es ist nicht deine Schuld Axilla..", brachte Seneca heraus, und selbst wenn Axilla diesen Mann persönlich mit einer Axt erdrosselt hätte, so hätte es Seneca nicht wissen können und wahrschenlich genau das gleiche gesagt...


    "Beruhige dich liebe Cousine, ich bin hier. erzähl mir was passiert ist.", sagte er leise...
    Seneca zog Axilla ein Stück von seiner Brust weg und nahm ihr Gesicht zwischen seine beiden Hände und strich ihr mit seinen Daumen ein paar Tränen von den Wangen. Er blickte, oder versuchte zumindest ihr in die Augen zu blicken, auch wenn Axilla am ganzen Körper zitterte, so hoffte Seneca darauf dass sie im stande wäre ein paar klare Antworten zu geben..

  • Ihr Kopf wurde fortgedrückt, und Axilla rutschte so ohne Halt erstmal ein wenig über den glatten Steinfußboden weg. Nicht weit genug, um hinzufallen, aber doch so, dass sie noch kleiner wirkte und noch mehr zu ihrem Vetter hochblicken musste. Er wollte wissen, was passiert war. Axilla weinte und schniefte. Sie zog sich wieder an ihn, ganz wie ein Kind, zog die Beine nach, so dass sie nun halb auf ihm saß und sich an ihm festklammerte. Sie fühlte sich auch wieder wie ein Kind, unfähig, die Geschehnisse zu ändern und genauso unfähig, damit umzugehen. Sie fühlte diese hilflose Zerrissenheit, während alles durch ihre Finger zerrann wie Sand im Wind. Und Seneca war dieser eine ruhige Pool, dieser eine Fels, an den sie sich klammern konnte, ohne dass sie selbst hinfortgeweht wurde. Und das brauchte sie im Moment und ließ es sich nicht wegnehmen, auch wenn sie damit ihren Cousin wohl etwas überforderte.


    Sie saß eine Weile so da, ganz dicht bei ihm, bis sie sich langsam beruhigte. Die Tränen versiegten. Axilla hatte einfach keine mehr, die sie noch vergießen konnte. Der Atem wurde ruhiger, nur noch hin und wieder zerrissen von leichtem Schluchzen oder bemühtem Schniefen, bis Axilla schließlich ihren Kopf seitlich auf Senecas Schulter fallen ließ. Wie Herbstlaub klang ihre Stimme, leise und brüchig. “Ich hab es nicht gesehen, aber es ist wahr. Vala hat mich gewarnt, aber ich wollte es nicht wahrhaben.
    Archias, er... er ist so furchtbar eifersüchtig. Er... er wollte, dass ich ihm ganz gehöre, verstehst du? Dass ich nur von seinen Leuten umgeben bin. Und Leander... er war... mehr als nur mein Leibsklave. Ich hatte ihn gern. Er kannte meine Geheimnisse. Ich... ich wollte ihn freilassen, weißt du? Silanus hat ihn mir geschenkt, als ich nach Ägypten gekommen war, damit er auf mich aufpasst, wenn ich in Alexandria unterwegs bin. Und das hat er. Immer.
    Und... Archias, er, er... er hat ihn einfach umbringen lassen. Ich meine, ich hab ja gedacht, es ist nur ein Zufall. Dass ich eben unvorsichtig war, durch die Subura zu gehen. War es ja auch. Ich hätte da nicht langgehen sollen. Das war so dumm von mir. Aber ich wollte ja zu ihm... Und nach dem Überfall war er ja auch da und hat mich getröstet. Kannst du dir das vorstellen? Er hat mir geholfen, Leander zu beerdigen! Der Mörder meines Freundes hat ihn zu grabe getragen und mich dabei im Arm gehalten...“

    Es fanden sich doch noch ein paar Tränen irgendwo, und Axilla weinte und schluchzte noch einmal ein wenig.
    “Und er hat mir verboten, Vala zu treffen. Aber das ist doch ein Freund! Ich meine, da war nie... ich schwöre, da war nie irgendwas, weshalb Archias hätte eifersüchtig sein müssen! Ich schwör es dir!“ Axilla sah Seneca direkt in die Augen, wartete verzweifelt auf seine Zusage, dass er ihr glaubte. Er musste ihr einfach glauben.

  • Während Axilla's Kopf auf Seneca's Schulter lag, strich er ihr weiter durchs Haar. Er konnte kaum fassen was Axilla ihm da erzählte, und er fand es auch ein wenig gruselig dass sie mit diesem Mann verheiratet war, auch wenn er wusste dass sie von dieser Seite ihres Mannes nichts geahnt hatte. Die Situation war seltsam, und die Lage sehr prikär.. Wie sollte es weitergehen mit den beiden? Weiterhin zusammenleben würden sie wohl nicht können, Axilla würde es nicht können..


    Seneca dachte nach, und als Axilla so sprach bemerkte mehr ihre Verzweiflung immer mehr. Letztlich als Axilla ihm in die Augen sah, versuchte Seneca so verständnisvoll und mitfühlend zu wirken wie es nur irgend möglich war.


    "Axilla du musst mir nichts Schwören. Auch wenn wir uns noch nicht lange kennen bist du meine Familie und ich vertraue dir egal was passiert.", aber das war nicht der Punkt, schließlich ging es nicht um Seneca und Axilla, sondern nur um Axilla, und deswegen wüde seine Cousine auch nicht viel mit diesem Satz anfangen können. Seneca legte nach...


    "Was sollen wir jetzt tun?", fragte er, eigentlich hätte er auch fragen können was Axilla jetzt tun wollte, aber sie schien so aufgelöst und er würde ihr in dieser Sache nicht mehr von der Seite weichen...

  • Dankbar zog sich Axilla wieder einmal an ihn und hielt sich einen Moment einfach in ihm fest. Er glaubte ihr, egal was sie sagte. Und das war ein unglaublich sicheres und wohles Gefühl. Sie brauchte das jetzt.
    Doch es hielt sich nicht lang. Seneca fragte, wie es weitergehen solle. Was sie nun tun sollten. Die Angst kam wieder, und der Griff, mit dem sie sich an ihrem Cousin festhielt, wurde krallender und härter. Sie löste ihren Kopf von seiner Schulter und sah ihn wieder an, flehentlich und mit all der Verzweiflung, die sie in sich fühlte. “Zwing mich nicht, bei ihm zu bleiben! Bitte! Ich weiß, er gehört zur Kaiserfamilie, und dass das für unsere gens gut ist und Einfluss bedeutet, und dass es ein schlechtes Zeichen nach außen ist, nach nur vier Monaten... aber bitte, zwing mich nicht, bei ihm zu bleiben. Bitte... ich will wieder heim. Bitte, Seneca, bitte, bittebitte.“ Im Grunde war sie sui iuris. Im Grunde konnte sie das allein entscheiden. Im Grunde war Seneca neu in der Stadt und hatte ihr eigentlich gar nichts zu sagen, wenn sie es nicht wollte. Und trotzdem flehte sie ihn an, dass er sie nicht zwingen würde, in den Palast zu Archias zurückzugehen. Noch hatte sie noch nicht einmal eine Scheidung ausgesprochen. Das würde sie ncoh tun müssen. Aber das war erst Axillas zweite Sorge.

  • Als Axilla ihn so flehend ansah stockte Seneca kurz der Atem. Er wusste nicht so recht warum Axilla ihn anflehte schließlich hatte er eigentlich am wenigsten zu sagen, sowohl in der Gens als auch bei den Cohorten aber er reagierte so wie es für Axilla am besten sein würde und wollte seiner Cousine so gut es geht beistehen...
    Er hielt sanft Axilla Wange und sah ihr ebenfalls in die Augen. Einen Blick wie er ihn sah hatte er vorher noch nie gesehen und er begriff immer mehr wie zerstört Axilla innerlich sein musste..



    "Axilla, ich kann und werde dich nicht zwingen dort zu bleiben. Wir sind Iunier und unser Ansehen alleine sollte schon beeindruckend genug sein. Abgesehen davon...", Seneca stockte kurz und lächelte kurz da er in diesem Moment begriff dass er nun wirklich von Axilla zur Familie gezählt wird... "..Bist du meine Cousine und ich werde dich beschützen, vor allen Dingen, geistig oder körperlich. Ich bin für dich da.".. Dann fuhr er nochmals fort..


    "Du bleibst in unserer Casa, und wenn du zu deinem Mann gehst und dich fürchtest so werde ich dich auch gerne begleiten."

  • Und mitten hier hinein platzte ein Sklave, den man eingelassen hatte, und der einen Brief an die domina Axilla dabei hatte, ihn abgab und wortlos wieder verschwand.




    Geliebte Axilla,


    alles, was ich sage oder tue ist falsch. Ich bin machtlos dagegen. Das ist, als müsste ich zusehen, wie jemand anders meine Sandburg zerstört, ganz langsam und immer weiter, ohne dass ich was dagegen machen könnte, obwohl ich alles versucht habe. Nur dass die Sandburg unsere Ehe ist. Ich muss zuschauen, wie sie kaputt geht. Ich liebe dich mehr als alles andere. Nie hätte ich dir das antun können, wonach du mich heute Abend gefragt hast. Ich weiß nicht, wie du darauf kommst, ich kann es nicht verstehen. Ich hätte doch nie bei der Bestattung helfen können, hätte ich Leander ermorden lassen. Glaubst du wirklich, ich bin so...kaltschnäuzig? Und welchen Grund hätte ich haben sollen? Katander sagte, dass Leander auf Kerle stand. Nicht mal Eifersucht hätte es sein können. Aber letztendlich ist es egal, warum du glaubst, ich wäre es gewesen. Ich will dir keine Vorwürfe machen. Dir nicht.


    Wenn du diesen Brief liest, bin ich nicht mehr da. Dann gibt es mich nicht mehr. Vielleicht erkennst du irgendwann die Wahrheit, Axilla. ich wünsche es mir. Ich werde dich fragen, wenn wir uns im elysium wiedersehen. Bis dahin werde ich auf dich warten, und ich hoffe, es werden noch viele Jahre vergehen bis dahin. Werde glücklich. Finde jemanden, dem du traust, und der dein Vertrauen nicht so missbraucht wie den, den du deinen Freund nennst und der dich mit einem Lächeln im Gesicht betrügt. Du warst meine Welt. Ich hätte alles für dich getan, um dich glücklich zu machen, und ein Mord an deinem engsten Vertrauten hätte niemals dazugehört.


    Caius


  • Er zwang sie nicht. Axilla sah ihn so unendlich dankbar an. Sie wusste gar nicht, was sie sagen sollte, sie war nur so unendlich dankbar, dass er ihr helfen wollte. Dass er sie nicht allein lassen würde. Dass alles gut werden würde. Sie war sich sicher, dass es das würde, jetzt, wo er ihr half.


    Sie wollte gerade etwas sagen, als ein Unbekannter hereingestürmt kam und ihr eine Schriftrolle vor die Füße warf. Erschreckt gab Axilla einen hellen Laut von sich und zog sich instinktiv hinter Seneca zurück. Er war der Mann, der Soldat, er würde sie beschützen. Allgemein war Axilla nicht ängstlich, aber in diesem Moment war alles so verdreht und seltsam, dass sie froh war, einen Mann an ihrer Seite zu haben.



    [Blockierte Grafik: http://img39.imageshack.us/img39/9646/araros.jpg]


    Ein aufgelöster Araros kam dem Jungen hinterhergehechtet, der ins Atrium gestürmt kam und Axilla einfach die Rolle zugeworfen hatte. Araros versuchte noch, ihn festzuhalten, aber der Bursche witschte unter dem Griff des Ianitors hinaus und rannte auch schon gleich wieder nach draußen.
    “Es... es tut mir unendlich leid, domina... und dominus. Ich hab nur die Tür geöffnet, und da ist er auch schon... hineingestürmt, und... es ist doch nichts passiert, oder? Bitte, bestraft mich für mein Fehlverhalten...“
    Atemlos stand der alte Ianitor noch im Raum und sah zu den beiden Herrschaften hinüber.


    Axilla hatte sich wieder von ihrem Schreck erholt und sah zu Araros hinüber. “Nein, bei mir ist alles heil. Pass... pass einfach auf, dass das nicht nochmal passiert. Die Tür ist doch jetzt zu und bewacht?“


    Araros blickte auf und verneigte sich gleich noch einmal tief und entschuldigend. “Ich kümmere mich darum, domina.“


    Axilla saß auf dem Boden, etwas hinter Seneca, und schaute auf die Schriftrolle. Sie sah das Aelische Siegel, mit dem diese geschlossen worden war. Und sie hatte ein sehr ungutes Gefühl.
    “Machst du sie auf?“ fragte sie ihren Cousin, weil sie selbst in diesem Moment zu feige war, eben das zu machen und zu lesen, was Archias von ihr wollte.

  • Noch etwas perplex von dem übereilten Boten, blickte Seneca Axilla an. Er nahm die Rolle an sich, auch wenn er erst einen AUgenblick später bemerkte dass er sie nun wirklich in der Hand hielt und er sie öffnen und lesen sollte.
    Seneca dachte sich nicht viel dabei, wahrscheinlich würde es einfach ein Brief ihres Mannes sein der sie auffordern würde zu ihm zurückzukommen, mehr oder weniger bestimmt.
    Er öffnete das Siegel und somit auch die Schriftrolle und begann still zu lesen, ohne ein Gesicht zu verziehen...


    Die ersten Zeilen las er mit einer gewissen Gleichgültigkeit runter da er aufgrund von Axilla's Aussagen nicht wirklich glauben konnte was er da las und alles für eine Lüge abstempelte..
    Im zweiten Teil des Briefes jedoch musste Seneca schlucken, er versuchte seine schockierte Fassade zu beruhigen und vor Axilla's Augen zu verstecken doch dass fiel ihm zusehen schwerer. Seine Atmung wurde tiefer und er musste seine Hände still halten. Als er zuende gelesen hatte, rollte er das Schriftstück wieder zusammen und blickte Axilla in die Augen. Wie sollte er es ihr sagen? Wie nur sollte er Axilla in diesem Moment diese Nachricht überbringen? Auch wenn sie ihn verlassen wollte, so wöllte sie seinen Tod sicher nicht.. Er entschied sich jedoch dafür es einfach gerade heraus zu sagen..


    "Axilla, dein Mann er ist...", er stockte kurz und blickte nochmal kurz auf die Rolle hinunter und direkt wieder hoch..


    "Er hat sich das Leben genommen.."

  • Seneca las die Zeilen und sagte nichts. Einmal sah er ein wenig erschrocken drein, und Axilla zuckte zusammen, ohne überhaupt zu wissen, worum es ging. Bestimmt war Archias wütend. Sie hatte sich schließlich etwas übereilt entschuldigt und den Palast verlassen, und er hatte sich sicher gefragt, was das sollte. Natürlich hatte sie ihn nie direkt auf Leander angesprochen, sondern nur durch die Blume Fragen gestellt, und ihrer Meinung nach war sie dabei auch geschickt gewesen. Also dachte sie sich, dass Archias vermutlich sauer wäre aus den in seinen Augen grundlosen Aufbruch seiner Frau.
    Dann aber sah Seneca sie an. Er sagte ihr, was in dem Brief stand, aber Axilla meinte im ersten Augenblick, sie habe sich verhört. Das war doch sicher nur ein Scherz von ihm?! “Was?“ fragte sie mit verschlafen klingender Stimme, als hätte sie ihn nicht verstanden. Erst dann erhob sie sich leicht von ihrem Sitzplatz auf dem Boden und nahm ihm den Brief mit zittrigen Händen ab, um ihn selbst zu lesen.
    Ihre Augen flogen über die Zeilen. Woher wusste er, was sie dachte, aber nie gesagt hatte? Irgendwie blieben ihre wirren, tränendurchwirkten Gedanken an dieser Frage hängen, während sie las. Wieder fing er von Vala an. Nannte ihn Betrüger. Axilla las die Zeilen, immer und immer wieder. Sie begriff das nicht. “Aber... was... wieso, ich meine... was hat er...?“
    Wo sie eben noch so große Angst vor dem Mann gehabt hatte, der diese Zeilen geschrieben hatte, verstand sie jetzt gar nichts mehr. Er hatte sich umgebracht? Hatte er das wirklich? Wegen ihr?
    Der Brief fiel aus Axillas Händen, während sie nur vor sich hinstarrte.Sie hatte die Worte gelesen und auch verstanden, aber irgendwie drang das Wissen nicht zu ihr durch. Archias war tot. “Ich... ich muss hingehen, oder? Ich bin mit ihm verheiratet. Oder?“ Sie wusste es nicht. Bis eben hatte sie sich noch darauf eingestellt, sich vor diesem Mann verstecken zu müssen, vor seinem Zorn. Und jetzt... sie wusste nicht, was jetzt passierte.


    Nur ganz langsam, zäh wie Honig, tropfte die Erkenntnis in ihr Gehirn, dass sie schon wieder einen Menschen verloren hatte, den sie einst geliebt hatte. Wieder war jemand gestorben, dem einst ihr Herz gehört hatte. Vielleicht lag ja wirklich ein Fluch auf ihr.

  • Seneca griff nach Axilla's Händen. Er konnte förmlich spüren was nun in ihr vorging und er hatte Angst vor dem Einfluss den diese überstürzenden Ereignisse auf seine Cousine haben würden. Als Axilla ihn fragte ob sie nun in den Palast müsse, zu ihrem toten Ehemann dachte Seneca kurz nach, andererseits, was sollte seiner Cousine jetzt schon großes passieren?


    "Ja du solltest hingehen Axilla. Ich begleite dich.", sagte er..


    "Du brauchst keine Angst zu haben meine Cousine, es wird alles gut." fügte er tröstend hinzu, auch wenn er wusste dass die Lage momentan eher düster war. Axilla hatte ihren Mann verloren den sie selbst verlassen hatte. Auf dem ersten Blick schien es so einfach zu sein, doch Seneca wusste dass Axilla daran noch lange zu knabbern hätte...


    "Kann ich sonst noch was für dich tun? Möchtest du was trinken?", fragte er besorgt..

  • Gut, sie sollte hingehen. Seneca hatte sicher recht, und sie sollte das machen. Und wenn er sie begleiten würde, war das auch gut. Er wusste anscheinend, was zu tun war, und Axilla war um jedes bisschen Führung dankbar. Aber am dankbarsten war sie ihm für siene Zuversicht. Auch wenn er nicht wissen konnte, ob alles gut werden würde, diese drei kleinen Wörtchen waren für Axilla gerade der größte Trost unter allen Dingen, die er auch nur hätte sagen können.
    “Gut, dann sollten wir zum Palast gehen.“
    Noch immer wie schlaftrunken machte Axilla zwei Schritte, ehe ihr einfiel, dass sie so da nicht hingehen konnte. Sie war ja völlig verweint! Und sie hatte nichts passendes an.
    Seneca fragte sie gerade da, ob sie noch etwas trinken wollte oder Hilfe brauchte. Axilla sah ihn einen Moment verwirrt an, ehe sie den Kopf schüttelte. “Nein, ich... zieh mir nur schnell was anderes an. Und dann können wir gehen. Ja... genau...“
    Man merkte ihr sehr deutlich an, wie durcheinander sie war, auch wenn man ihr nicht zuhörte. Man konnte ihre Gedanken geradezu hinter den glasigen Augen vorbeihuschen sehen.
    Damit hatte Axilla nicht gerechnet. Nicht einmal so ein bisschen. Und erst so nach und nach, während sie sich dasselbe einfache, schwarze Kleid anzog, das sie auch schon bei Leanders Tod und dem von Urgulania getragen hatte, wurde ihr bewusst, dass Archias sich ihretwegen umgebracht hatte. Weil sie für einige Stunden von ihm fortgegangen war. Sie verstand es nicht. Sie hatte sich ja noch nicht einmal scheiden lassen! Sie verstand es nicht.


    Umgezogen und die Spuren des Weinkrampfes nur notdürftig aus dem Gesicht gewaschen kam sie wieder zurück zu Seneca, um mit ihm zum Palast zu gehen.

  • Axilla war im Atrium und dirigierte gerade zwei Sklaven mit Blumen herum. Nur, weil sie trauern musste, hieß das nicht, dass die Casa Iunia aussehen musste wie ein Mausoleum. Da mussten einfach auch mal Frische Blumen ins Atrium. Hier konnte ja nicht alles trist und traurig und heruntergekommen aussehen. Schlimm genug, dass sie so aussehen musste. Schlimm genug, dass die Casa Iunia sowieso schon nicht so herrschaftlich war.
    Und genau in diesen Versuch, es wenigstens ein bisschen herrschaftlicher zu machen, kam Araros. Axilla hörte seine Schritte und die einer weiteren Person und seufzte schon innerlich auf, einen weiteren Kondolenten zu empfangen, als sie im Umdrehen sah, wen der Ianitor da mitbrachte. “Seiana...“ rutschte es Axilla erschrocken raus, noch ehe der Ianitor sie ankündigen konnte.
    Nachdem die erste Schrecksekunde aber gleich überwunden war, nahm sie sich zusammen und stellte sich möglichst matronenhaft und gerade hier. “Du kannst uns allein lassen, Araros. Danke.“ Axilla versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie angespannt sie gerade war, als sie Seiana dann auch begrüßte. “Salve, Decima. Ich hätte nicht gedacht, dich noch einmal zu sehen. Verzeih meine Überraschung.“

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!