• Es war wahrscheinlich ein ungeschriebenes Gesetz, dass die eigenen Kinder kurz vor den Saturnalien auf einmal anfingen, einen mit ungewöhnlichen Wünschen zu malträtieren. Dieser war aber etwas ausgefallener als die meisten. Und etwas malträtierender. “Komm mir nicht mit 'Mama', Titus! Ich habe überhaupt kein Interesse an Wagenrennen. Mein erster Ehemann hat schon vergeblich versucht, mich dafür zu interessieren. Und meine Meinung dazu hat sich nicht geändert: Ich finde es uninteressant, Leuten dabei zuzusehen, im Kreis rumzufahren.“
    Axilla teilte da weder die Begeisterung der Massen für Unfälle, noch die Begeisterung ihres Sohnes für das Fahren an sich. Warum also sollte sie einer Factio beitreten?

  • Atticus verdrehte die Augen und stapfte seiner Mutter hinterher. Er war jetzt schon zu weit gegangen, um einfach so aufzugeben. “Ja, dann sieh dich eher als Mäzenin des Sports! Als Stütze der Gesellschaft! Du musst ja nicht mit Herzblut dabei sein oder so, aber zumindest ein bisschen was regelmäßig spenden und mit deinem Namen vielleicht weitere Mitglieder anlocken. Du weißt schon, Prestige und so!“
    Atticus blickte seine Mutter mit großen Hundeaugen an und zückte dann noch den absoluten Trumpf, den er nur zu dieser Jahreszeit ausspielen konnte. “Ich wünsch mir auch nichts anderes zu den Saturnalien!“

  • Wäre auch zu schön gewesen, wenn ihr Sohn es hätte gut sein lassen können. Axilla verstand einfach nicht, was sie in so einer Rolle überhaupt tun sollte. Gut, dann war sie zahlendes Mitglied und die Factio konnte sich vielleicht einmal ein paar neue Fahrer und Pferde und dergleichen leisten. Und dann? Davon organisierten sich auch keine Rennen und Training und was die Verrückten sonst noch so alles trieben. Und das war vermutlich wichtiger, als der finanzielle Teil.
    Als Atticus es dann als Saturnalien-Geschenk verkaufen wollte, blieb Axilla unvermittelt stehen und schaute ihn an. “Meinst du nicht, dass du langsam etwas zu alt bist für Saturnalien-Wünsche?“ fragte sie ihn feixend.

  • Das erwischte Atticus jetzt doch ein wenig kalt. Zu alt für ein Saturnalien-Geschenk? Das hieß, es war ja klar, dass eigentlich nur kleine Kinder wirklich Geschenke bekamen, und die Sklaven. Man hängte sogar extra bestimmte Krämze an die Tür, um anzuzeigen, wieviele Kinder im Haus waren, falls Nachbarn Gastgeschenke mitbringen wollten. Aber irgendwie hatte Atticus nicht damit gerechnet, jetzt schon als so erwachsen zu zählen, dass er keines mehr bekam. “Ich krieg kein Geschenk mehr? Nur Cossus?“ fragte Atticus da ein wenig kläglich nach. Für den Moment war da auch der ganze Rennsport vergessen.

  • Der bedröppelte Blick war zu viel für ein liebendes Mutterherz. Axilla ging zu ihrem Sohn hinüber und gab ihm einen Kuss auf die Stirn. Mittlerweile musste sie sich für diese vertraute Geste schon leicht auf die Zehen stellen. Atticus wurde wirklich groß. Und er wuchs noch.
    “Titus, du wirst immer mein Baby bleiben. Und natürlich kriegst du ein Geschenk von mir. Von den Nachbarn wohl nicht mehr, aber von mir wirst du mit vierzig noch eines kriegen. Allerdings dachte ich eher an eine neue Tunika oder einen modischen Armreif, und nicht an... sowas“

  • Atticus verspürte gleichzeitig Erleichterung und Scham. Eigentlich sollte es ihm ja nichts ausmachen, wenn er nichts mehr bekäme, und eigentlich sollte es ihn beschämen, dass seine Mutter ihn noch immer behandelte wie ein kleines Kind! Er war fast sechzehn, bei den Göttern! Ein erwachsener Mann, fähig, seine eigenen Entscheidungen zu treffen, in den Krieg zu ziehen und überhaupt! Aber er wollte trotzdem ebenso wie sein Bruder ein Saturnaliengeschenk bekommen!
    “Ich will aber keinen Armreif.“ Und erst recht keine neue Tunika. Weiche Geschenke, brrrr. Tuniken wurden nur noch von Socci übertroffen. “Ich möchte sehen, dass der Rennsport wieder auflebt und alle Factiones sich miteinander messen. Dafür müssen aber alle Factiones auch zahlungsfähige Mitglieder haben.“

  • Warum mussten Kinder nur so nervig sein, wenn sie etwas haben wollten? “Aber ich hab keine Ahnung von Rennsport und habe auch keine Lust, sie mir anzueignen. Und ich hab mehr als genug Arbeit, um die ich mich kümmern muss.“

  • Hah, das war doch schon ein Fortschritt! “Du, du musst dich auch um gar nichts kümmern!“ sagte Atticus schon aufgeregt. “Wenn dich irgendwer kontaktieren sollte wegen Rennen oder so, dann kann ich dir helfen. Und, und... ich könnte auch alles wichtige Aias erklären! Dann kann er das im Notfall machen, falls ich nicht da bin! Und wenn die Factio wieder genug Mitglieder hat und es voran geht, dann kannst du dein Engagement ja auch ganz niederlegen! Es wäre also nur für jetzt, für den Anfang, um die Factio wieder bekannt zu machen und ihr eine Finanzspritze zu geben. Biiiiitteeeee!“

  • Axilla verdrehte die Augen. Ihr Sohn hatte die Augen seines Vaters, allerdings nicht dessen Gabe, sich auszudrücken. Glücklicherweise. Hätte er so gebettelt, Axilla hätte ihn wohl nicht so begehrt. Davon ganz abgesehen ahnte Axilla, dass ihr Sohn hierbei wohl wirklich nicht locker lassen würde. “Na gut. Aber..“, hielt sie ihren Sohn mit mahnendem Zeigefinger von übereilten Freudentänzen ab. “...wenn sich jemand findet, der die ganze Sache leitet, bin ich wieder weg. Und ich werde ganz sicher nicht irgendwelche bunten Schals nähen und wie ein verrückter im Circus rumbrüllen oder dergleichen. Und wenn es mir zuviel Arbeit wird und mich von meinen Aufgaben ablenkt, bin ich auch raus!“ Hoffentlich war das nur ein kurzes Zwischenspiel. Was opferte man nicht alles seiner Kinder wegen?

  • Atticus hätte tanzen mögen vor Freude. Auch der mahnende Zeigefinger seiner Mutter schaffte es nicht, den aufkeimenden Jubel gänzlich zu unterdrücken, so dass er wie ein Lar aufgeregt von einem Bein aufs andere hüpfte und ihr abschließend einen dicken Kuss auf die Wange gab. “Danke, Mama. Ich verspreche dir, du wirst es mögen. Es... es wird gar keine Arbeit für dich sein, versprochen!“

  • Wo vor wenigen Momentan noch angenehme Stille herrschte, regierte plötzlich geschäftiges Treiben das Atrium des Hauses und seine umliegenden Räume. Säcke, Kisten und andere Gegenstände wurden in das Haus gebracht, teilweise im Atrium gestapelt oder gleich weiter in die privaten Räume von Iunius Silanus weitergetragen. Als er selbst das Atrium betrat sah er sich um und atmete tief und erleichtert ein. Zu Hause - Endlich wieder Zu Hause! Es war nicht so das er sich auf seinem Landsitz fremd gefühlt hatte. Doch der Familiendomus in Rom erweckte so viele Erinnerungen und Gefühle in ihm, dass er glücklich und froh war endlich wieder hier zu sein.


    "Diese Kiste könnt ihr vorerst hier lassen!" rief er zwei Sklaven nach, die gerade damit in Richtung seiner Räume verschwinden wollten. Der Maiordomus deutete ihnen die Kiste in einer Ecke abzustellen und vergewisserte sich im Anschluss bei seinem Herrn, wie gefühlte hundert Mal zuvor während der Reise, ob es dem Iunier auch wirklich gut ging und er auch das letzte Stück ihres Weges bequem und gut überstanden hatte. Silanus nickte mittlerweile nur noch genervt und fragte im Gegenzug, ob den jemand aus der Familie zu Hause war, den er begrüßen konnte. Der Maiordomus zuckte darauf hin jedoch nur mit den Schultern und hielt nach einem Haussklaven Ausschau, den er befragen konnte.

  • Als Axilla den Brief ihres Vetters erhalten hatte, war sie außer sich vor Freude gewesen! Es wäre so schön, wenn Silanus sich nach seiner wirklich jahrelangen Krankheit endlich, endlich erholt hätte, und dass er gar nach Rom wieder kommen wollte, wäre da beinahe schon ein göttliches Zeichen! Oh, wie hatte sie ihn in all den Jahren vermisst? Wie schön wäre es gewesen, mit jemandem reden zu können, als Aulus Seneca im Begriff war, die Familie für einen Ehebruch zu zerstören! Und wie tröstlich wäre es gewesen, in den dunklen Stunden des Bürgerkrieges nicht so gänzlich allein zu sein, nachdem ihr Mann so durch Abwesenheit in dieser finsteren Zeit geglänzt hatte! Überhaupt, die langen Jahre des einsamen Daseins, während ihr Mann irgendwo in der Aegaeis herumhurte, wären wohl leichter zu ertragen gewesen, wenn sie wenigstens einen einzigen Vertrauten gehabt hätte. Silanus war zwar auch nicht Urgulania, aber er war eben doch das nächstbeste zu ihr.


    Axilla hatte also den Tag nach Erhalt des Briefes wahlweise tanzend, singend oder einfach nur strahlend verbracht und die Sklaven schon herumgescheucht, das Zimmer von Silanus wieder bereit zu machen. Dass sie ihm in der Zwischenzeit sein Officium abspenstig gemacht hatte und er daher eines der anderen Officia nehmen musste, würde sie ihm erklären, wenn er da wäre. Leider wusste sie nicht, wann das war, aber sie freute sich schon darauf.


    Dass dieser Tag aber bereits der nächste Tag sein würde, damit hatte sie nun wahrlich nicht gerechnet. Als die Sklaven ihr Bescheid gaben, dass Silanus schon im Atrium stand, konnte sie es erst gar nicht glauben. Vermutlich waren ihr Vetter und sein Brief am Ende noch mit dem gleichen Schiff gesegelt, anders war dies kaum zu erklären.
    Sofort also verließ Axilla die Bibliothek, in welcher sie gerade ein wenig gelesen hatte, und stürmte am tablinum vorbei direkt ins Atrium. “Silanus! rief sie freudig, als sie ihn sah, und rannte auf ihn zu, um ihn stürmisch zu umarmen. Jahre schienen dabei von ihr abzufallen und sie fühlte sich plötzlich wieder jung. Erst, als sie ihn so feste an sich gedrückt hatte und sich sicher war, dass er kein Geist war, sondern wirklich in Fleisch und Blut vor ihr stand, erinnerte sie sich daran, dass er ja krank gewesen war und diese stürmische Begrüßung daher vielleicht nicht das beste für seine Gesundheit.
    “Oh, tut mr leid. Ich hoffe, es geht dir soweit gut, dass ich dich hier nicht gleich wieder zurück ins Krankenlager schicke mit meiner Begrüßung.“ Verlegen sah sie ihren Vetter an, aber ihr Grinsen blieb. “Es ist nur so unendlich schön, dich wieder zu sehen!“ erklärte sie ihren Überschwang.

  • "Cousinchen!" erwiderte ein ihrem Freudenstrahlen in nichts nachstehend lachender Silanus und umfasste mit einem herzhaften Griff und beiden Armen ihren schlanken Körper. Die Gefühle übermannten ihn fast dabei und vor Freude und Glück hätte er beinahe zu heulen begonnen. Eine unglaubliche Welle an Emotionen brach über ihn herein, als er Axilla für wenige Momente in seinen Armen hielt. Wie lange war es her, dass sie sich persönlich gesehen und mit einander gesprochen hatten. Alleine nach all dieser Zeit ihre Stimme wieder zu hören war unaussprechlich schön und wohltuend. Wieder kamen Gedanken in ihm auf, die ihm die letzten Jahre öfter zu schaffen gemacht hatte - war es richtig gewesen sich auf den Landsitz ans Meer zurück zu ziehen? Wäre es ihm hier im Kreise seiner Familie, seinen Nächsten, nicht besser gegangen und er hätte sich womöglich viel schneller von seinem Leiden erholen können? Doch das war jetzt alles Egal. Er wischte alle Gedanken einfach beiseite und genoss den Moment, der leider gar nicht so lange ausfiel wie erhofft. Kaum hatte sich dieses wohlig warme Gefühl einer Geborgenheit, wie er sie schon lange nicht mehr verspürt hatte, in seiner Brust ausgebreitet, ließ Axilla auch schon wieder von ihm ab und entschuldigte sich für ihre stürmische Begrüßung. Kaum hatte sie ausgesprochen, sah er sich auch schon verstohlen im Atrium um. Die Person nach der er dabei Ausschau hielt war jedoch zum Glück nicht anwesend und so dämpfte er seine Stimme und erwiderte leise aber sehr eindringlich.


    "Ich bitte dich Axilla. Erwähne ja nichts über ein Krankenlager oder meine Gesundheit vor meinem Maiordomus!. Er ist ja schon lange in meinem Diensten und ich bin ihm auch für alles Dankbar, aber in den letzten Jahren war er schlimmer als jede Amme! Du kannst dir ja nicht vorstellen was es mich für Mühe gekostet hat und die Ärzte davon zu überzeugen, dass ich wieder zurück nach Rom möchte. Aber genug davon. Wir werden bestimmt in den nächsten Tagen genug Zeit finden uns ausführlich zu unterhalten. Lass uns nun einfach das Wiedersehen genießen."


    Erneut zog er seine Cousine an sich heran und umarmte sie erneut.


    "Ich bin so froh wieder hier zu sein und dich zu sehen! Ich hoffe du kannst mir verzeihen dass ich in den letzten Monaten nicht mehr wirklich von mir hören habe lassen. Es war einfach ein ständiges auf und ab und ich war lange Zeit sehr verbittert ob meiner Krankheit. Aber jetzt geht es mir wieder einigermaßen gut und nicht hätte mich mehr einen Tag länger auf diesem Landsitz gehalten. Ich musste einfach mit dem nächstbesten Schiff zurück kommen." nuschelte er in ihre Umarmung.


    Erst nach einer gefühlten Ewigkeit ließ er wieder von ihr ab und schaute sich erneut im Atrium suchend um.


    "Wie geht es Cossus und Titus? Sind sie hier? Werden sie den überhaupt noch wissen wer ich bin?"

  • “Ich werde schweigen wie ein Grab“, versprach Axilla ihrem Cousin und ließ sich nur allzu gerne von ihm wieder in die Arme nehmen. Es war so lange her, und nach so einer langen Zeit verblassten all die Streits und Zankereien zu einer vagen Erinnerung und zurück blieb nur die Erinnerung an die schönen Momente, die die Zeit überdauerten, und die Sehnsucht nach eben jenen. Und so genoss Axilla diese traute Zweisamkeit nach so unendlich langer Zeit und kuschelte sich sich an Silanus.
    “Ich verzeih dir alles, Silanus, solange du jetzt bloß hier bleibst“ nuschelte Axilla nicht minder zurück und bemühte sich, dass ihre Stimme nicht vor Rührung beschlagen klang. Auch blinzelte sie die närrischen Tränen weg, die einfach aufsteigen wollten, obwohl niemand sie gerufen hatte. “Versprich mir, dass du erstmal hier bleibst, und dann vertreiben wir all die schlechten Gedanken.“


    Irgendwann aber ließ Silanus sie dann doch los, und auch Axilla löste sich dann ein wenig aus der Umarmung und atmete erst einmal tief durch. Nein, sie wollte jetzt nicht weinen, auch wenn es Freudentränen wären. Aber ihr Cousin sollte nicht als ersten Eindruck von Zuhause seine verheulte Cousine sehen, die ihre Emotionen nicht unter Kontrolle hatte.
    Daher war sie sehr froh, dass er sich auch gleich nach ihren Kindern erkundigte. Wie immer, wenn jemand das tat, strahlte Axilla zuerst instinktiv mit dem Stolz einer Mutter, ehe sie sich an die Probleme der Kindererziehung wieder erinnerte und etwas ernster wurde.
    “Ich weiß nicht, ob sie dich erkennen, sie waren beide ja damals noch sehr klein. Titus wahrscheinlich, aber Cossus konnte damals ja noch nicht einmal über die Klinenkante gucken. Aprospos, hast du Hunger? Oder willst du dich setzen?“ Auch, wenn Axilla nicht zur nächsten Amme werden wollte, so ganz konnte sie auch nicht aus ihrer Haut, ihren Vetter jetzt ein bisschen zu bemuttern.
    Trotzdem fuhr sie gleich plappernd fort, zu erzählen. “Und Cossus ist gerade noch bei seinem Lehrer, aber spätestens heute beim Abendessen siehst du ihn auf jeden Fall. Und Titus... also, ihm geht es auch gut, aber der Junge hat beschlossen, dass er lieber im Haus der Pompeier wohnen will... es ist eine längere Geschichte.“ Die sie Silanus natürlich erzählen würde, aber erst einmal wollte sie doch wissen, ob sie ihm noch nach der langen Reise etwas gutes tun konnte.

  • Hier bleiben... ja das würde er. Einfach bloß hier bleiben. Mit großer Freude sah Silanus wie Axilla zu strahlen begann, als er sich nach den Kindern erkundigte und sie kurz berichtete. Auch wenn der letzte Satz ein weniger gutes verhieß, so war der Iunier froh, dass es den Kindern auf jeden Fall gut ging. Die Frage nach einem Essen oder eine Sitzgelegenheit verneite er und plauderte stattdessen freudig weiter.


    "Lange Geschichten. Von denn hast du bestimmt einige und freue mich bereits darauf sie alle zu hören. Hier in der Gegend hat sich nicht viel verändert habe ich bei meiner Ankunft festgestellt. Und auch der Domus sieht im Großen und Ganzen aus wie bei meiner Abreise."


    Dabei sah er sich noch einmal aufmerksam im Atrium um. Natürlich war der eine oder andere Gegenstand neu dazu gekommen oder Kleinigkeiten hatten sich verändert. Aber Axilla hatte wärend seiner Abwesenheit nicht das ganze Haus umbauen lassen. Er warf dabei auch dem geschäftigen Treiben der Sklaven einen kurzen Blick zu, ehe er sich wieder an Axilla wandte.


    "Die Sachen hier sind einmal der Anfang. Wir haben einen ganzen Karren vor den Stadtmauern zurückgelassen, der den Rest am Abend bringen wird. Ich nehme an meine Räume stehen mir noch zur verfügung?"


    Ein breites Grinsen konnte er sich dabei nicht verkeifen, da er schon damit rechnete, dass der eine oder andere Raum wohl nach dieser längeren Abwesenheit eine andere Funktion oder Besitzer erhalten hatte.

  • “Oh, dein Cubiculum ist noch immer, wo es war, aber dein Officium ist in der Zwischenzeit meines.“ So schnell kam also doch das Thema auf. Axilla grinste ihren Vetter an. Damals, als Silanus gegangen war, war die Domus noch weit voller gewesen, Axilla hatte den Platz schlichtweg gebraucht, um in Ruhe ihrer Arbeit nachgehen zu können. Jetzt war das Haus stiller, leerer und hatte mehr freie Zimmer. Daher konnte sich Silanus einfach eines der beiden freien Officia nehmen und sich dort einrichten, denn neu einrichten musste er sich dort ohnehin.


    “Aber gut, wenn du nichts möchtest, dann erzähle ich dir als erste lange Geschichte dann einmal von Titus. Aber ich muss anders anfangen. Ich habe mich nun doch endlich von Pompeius Imperiosus geschieden.“ Kurz wartete Axilla die Reaktion im Gesicht ihres Cousins ab, immerhin war dies eine nicht ganz kleine Neuigkeit. Sie war ja sechzehn Jahre mit Imperiosus verheiratet gewesen, trotz allem. Eine Scheidung war nie so ganz einfach. “Ich meine, es war ja eigentlich höchste Zeit, es war ja schon lange keine Ehe mehr. Ich meine, das letzte Mal, dass Imperiosus sich um seine Familie gekümmert hat, da war Cossus gerade geboren. Der Junge ist jetzt zehn Jahre alt! Und sein Vater gondelt sonstwo durch die Weltgeschichte und verschleudert sein Geld. Nein, das war einfach nicht mehr tragbar.“ Axilla schüttelte den Kopf und wirkte gleichzeitig doch traurig. Nach wie vor wäre es ihr eigentlich am liebsten gewesen, das alles wäre doch anders gewesen, als es war, wenngleich sich nun alles doch zum Guten geändert hatte. Daher erhellte sich ihr Gesicht auch wieder, als sie weiter zu sprechen begann. “Um keine Einbußen an meinen Stand zu haben und möglichst schnell wieder einen passablen Ehemann zu finden, habe ich mich um den Ritterstand für mich bemüht – oh, und erhalten. Ich bin Ritterin, mit Ring und allem!“ Soviel Unterbrechung musste sein, um diese großartige Neuigkeit schon einmal zu verkünden. Und Axilla wäre ja auch nicht Axilla, wenn sie nicht dann und wann vom Thema abkam.
    “Äh, wo war ich? Ja, ich ging also zur kaiserlichen Kanzlei und hatte ein Gespräch mit dem Procurator a memoria, Fabius Torquatus. Und als dieser gehört hat, dass ich wieder zu haben bin, naja, da hat er sofort die Gelegenheit ergriffen und mir einen Antrag gemacht.“ Auch hierbei grinste Axilla wieder verschwörerisch. Sie war nach wie vor durchaus stolz auf sich und ihre Wirkung auf Männer, die sie nach wie vor zu haben schien. Andere Frauen suchten Jahrelang nach einem Mann, sie traf einen einfach so, ohne zu suchen.
    “Und ich hab da auch nicht lange gefackelt und zugesagt. Wir sind uns beide sympathisch und er hat eine ansprechende Stellung. Nur Titus war, als ich ihm die Neuigkeit gesagt habe, nicht so erbaut davon und... naja, er wird jetzt sechzehn und wie alle Jungs in dem Alter weiß er natürlich aaaalles besser. Und weil es ihn nicht weiter gebracht hat, hier zu schmollen, schmollt er jetzt in der Casa Pompeia.“ Axilla zuckte mit den Schultern. Kinder in dem Alter waren wirklich anstrengend. Und dabei war Axilla noch froh, dass Atticus ein Sohn war. Söhne waren generell einfacher als Töchter, so sagte man.

  • Der Informationsfluss der plötzlich aus deiner Cousine heraussprudelte überforderte den Iunier sichtlich. Dabei ging es gar nicht um die Menge der Informationen als vielmehr um den Inhalt der Schlag auf Schlag den vollkommen unvorbereiteten Silanus traf. Geschieden, Ritterring, neu verlobt, Titus ausgezogen. Er merkte wie seine Knie ein wenig weich wurden.


    "Axilla..." wollte er beginnen, doch unterbrach den Satz dann gleich wieder. "Sitzen ist vielleicht doch eine gute Idee....." sagte er und sah sich nach einer Sitzgelegenheit um. Der gerade anwesende Maiordomus, der seinen Herrn immer wieder mit strengen Blick beobachtete, konnte die Situation sofort richtig deuten und eilte mit einem Stuhl herbei, auf dem Silanus platz und das Gespräch wieder aufnahm.


    "Verzeih.... Es geht schon wieder. Das du dich von Imperiosus scheiden hast lassen war bestimmt ein guter, wenn auch nicht leichter Schritt und es freut mich, dass du dich letztendlich dazu durchrinnen konntest. Die Zeit als alleinstehende Frau mit zwei Kindern war aber gewiss nicht immer leicht für dich, auch wenn du schon immer sehr unabhängig und du zum Glück auch nicht finanziell an deinen Exmann gebunden warst. Auch deine Erhebung in den Ritterstand ist eine wunderbare Neuigkeit. Ich gratuliere die von ganzem Herzen. Du hast es verdient und natürlich ist es auch für unsere Gens eine große Bereicherung einen weiteren Eques in unseren Reihen zu haben."


    Dann wurde eine Karaffe mit verdünnten Wein gebracht und dem Iunier ein voller Becher davon gereicht. Silanus nahm einen kräftigen Schluck und atmete durch, bevor er das Gespräch wieder aufnahm.


    "Aber die Sache mit diesem Fabier.... da hast du mich doch auf den Arm genommen.... oder?" er lächelte leicht ungläubig und hoffte inständig, dass sich sein Verdacht bestätigte.

  • Als Silanus zu schwanken anfing, machte sich Axilla doch arge Sorgen um ihn. Vielleicht musste sie mit ihm doch vorsichtiger sein, als er sie erst hatte glauben lassen wollen. Glücklicherweise war sein Maiordomus gleich mit einem Stuhl da, und Axilla bat auch gleich um einen weiteren. Wenn sie schon mitten im Atrium sitzen wollten, anstelle von den Alae am Rand, dann doch bitte beide. Und auf seinen Schoß konnte sie sich ja wohl kaum setzen.
    “Warum sollte ich dich veralbern?“ fragte Axilla verwirrt, während sie sich auch hinsetzte und die Beine übereinander schlug. “Was hast du einzuwenden gegen eine Ehe mit einem Fabier? “ Axilla versuchte in ihrem Gedächtnis zu forschen, ob ihre Familie schon einmal etwas mit den Fabiern zu tun gehabt hätte, was dagegen sprechen könnte, aber ihr fiel beim besten Willen nichts ein. Sie wüsste noch nicht einmal, ob sie jemals einen anderen Fabier getroffen hatte. “Wen soll ich denn sonst heiraten?“ fügte sie also fast schon lachend hinzu. Der Fabius war immerhin Procurator und damit einer der höchsten Ritter des Reiches. Dass der noch unverheiratet war, war da schon ein Glück an sich. Es gab wohl nur wenige Ritter, die Axilla eine höhere Stellung einbrächten.

  • Das Gesprächsthema entwickelte sich in eine Richtung, in der sich Silanus ein wenig unwohl fühlte. Einerseits hatte er bedenken, andererseits war seine Cousine kein kleines Mädchen mehr, dem er noch groß Ratschläge erteilen konnte. Wobei gerade bei dieser Geschichte hatte er doch so seine Zweifel daran, ob sie ihre schon in jungen Jahren ausgeprägt impulsive und manchmal unbedachte Art immer noch nicht im Zaum halten konnte und sah in ihr die sture junge Frau von früher. Einerseits erwärmte die Erinnerung daran sein Herz, andererseits trübten die Sorgen über eine unbedachte Handlung ihrerseits seine Gefühle. Er rang sichtlich nach den passenden Worten.


    "Ich habe nichts gegen die Fabier persönlich.... Aber meinst du nicht, dass ein Verlöbnis nach einem Treffen ein wenig.... wie soll ich sagen.... kurzfristig ist? Wie wir gerade noch festgestellt haben bist du eine stolze und unabhängige Frau mit Rang und Namen, die eigentlich nicht mehr zwingend auf einen wohlhabenden oder höherrangigen Ehemann angewiesen ist.


    Versteh mich bitte nicht falsch. Ich bin eben erst zurück und weiß das es dumm von mir war dich und die Kinder hier ohne einen männlichen Beistand im Haus zurück zu lassen. Daher will ich dir bestimmt keine Vorschriften oder ähnliches machen. Aber meinst du nicht es wäre besser ein wenig mehr abzuwarten und euch kennenzulernen, als ihn gleich vom Fleck weg zu heiraten? Ich sehe bei dir keinen Grund für eine übereilte Vernunftehe. Wäre es dir nicht lieber jemanden zu finden, in den du dich auch verliebst? Diese Möglichkeit haben nicht viele Frauen wie du selbst weißt. Aber sie bietet sich dir nun an in deiner Stellung."


    Silanus ging zumindest nicht davon aus, dass sie sich in den Mann verliebt hatte. Das er damit auch die Reaktion des jungen Titus in dieser Angelegenheit nachvollziehen konnte ließ er sicherheitshalber einmal ganz unerwähnt.

  • Verlieben.... Axilla atmete einmal tief durch, so dass es schon wehmütig klang. Im Gegensatz zu ihr war Silanus noch nie verheiratet gewesen, und er hatte auch noch keine Kinder. Sie wusste, er meinte es lieb, aber ihre Erfahrung war im Bezug auf Ehe einfach sehr viel fortgeschrittener als seine. Und sie hatte sich schon lange von dieser Art der Liebe verabschiedet.
    “Ach, Silanus... In wen hab ich mich denn schon alles in meinem Leben verliebt und was hat es mir gebracht? Verliebt sein ist schön und gut, wenn man jung ist. Und noch schöner ist es, wenn sie nicht nach der ersten Zeit gleich wieder verfliegt. Verliebt sein ist doch kein Fundament, auf das man bauen kann, das ist mehr wie... Schmetterlingsflügel. Hübsch anzusehen, aufregend, aber ein Haus tragen sie nicht.“
    Axilla ergriff die Hand ihres Cousins, um so noch ein wenig mehr Nähe herzustellen. Auch in ihn war sie schließlich vor langen Jahren mal eine Zeit lang verliebt gewesen. Das wusste er so gut, wie sie auch. Daher wussten sie beide, dass das allein nicht ausreichte. “In Imperiosus war ich nie verliebt, und trotzdem war ich auch einige Jahre sehr glücklich. Und ich habe zwei wundervolle Söhne in diese Ehe geboren, die ich wirklich liebe, mehr, als ich je einen neuen Mann lieben könnte. Und es ging viele Jahre gut so.


    Ich will noch ein Kind, Silanus. Avianus hat einen kleinen Sohn, Lucius, und es war so schön, diesen kleinen Mensch im Haus zu haben. Jetzt, wo Avianus mit seiner Frau aufs Land gezogen ist und der Kleine weg ist, vermisse ich das so sehr. Noch habe ich zwei, drei Jahre, um noch einmal Mutter zu sein. Noch einmal ein Baby in meinen Armen zu halten. Silanus... du weißt nicht wie das ist, so einen Menschen in den Armen zu halten, der ganz und gar der Deine ist. Ich wünsche dir so sehr, dass du auch bald einmal Vater wirst, damit du das verstehen kannst.


    Ich will nicht jahrelang suchen, ob ich vielleicht jemanden finde, in den ich mich vielleicht noch einmal verliebe. Überhaupt, verliebt sein hat bislang immer nur zu Schmerz und Leid, und Tränen und Einsamkeit geführt. Ich will etwas, das bleibt.“


    Natürlich hätte Axilla auch noch mehr sagen können. Zum Beispiel, dass ihr Herz auch nach all den Jahren und trotz all der Stiche, die ihm versetzt wurden, noch immer an demselben Mann hing und nicht frei war. Und DEN konnte sie nicht heiraten. Warum also Zeit mit einer Suche verschwenden, die doch nie Erfolg haben könnte?

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