• Das anfängliche Hochgefühl und die Wiedersehensfreude hatten nun einen sichtlichen Dämpfer erhalten. Der plumpe Versuch des Iuniers seiner Cousine den Kopf zurechtzurücken hatte nun damit geendet, dass er den Kopf zurechtgerückt bekam. In der Tat war sich in all der Zeit wohl viel mehr verändert als er sich eingestehen wollte und nun war es seine kleine Cousine die mit ihm ihre gesammelten Lebensweisheiten und Erfahrungen teilen konnte. Und all das gesagt klang zu dem verständlich und schlüssig, so dass Silanus in keinster Weise Widersprechen könnte. Er seufzte daher nur.


    "Ja, du hast vermutlich mit all dem Recht. Und ich bin auch kein wirklich gutes Vorbild was die Liebe oder gar die Ehe betrifft. Was weiß ich schon. Vielleicht sind meine Vorstellungen darüber immer noch zu naiv."


    Er schmunzelte nun wieder und versuchte seine Stimmung mit einem Scherz wieder ein wenig aufzulockern.


    "Also falls du eine Freundin hast, die ebenfalls nach einem gutsituierten Eques sucht, dann kannst du sie mir gerne bei nächster Gelegenheit vorstellen oder sie zu uns einladen. Dann hältst du vielleicht bald zusätzlich meinen Nachwuchs in den Armen."


    Nun begann er herzhaft zu lachen, drückte Axillas Hand, die immer noch die Seine hielt und zwinkerte ihr scherzhaft zu.

  • Offenbar hatte sie ihrem Cousin den Wind aus den Segeln genommen, denn er gab diese Schlacht auf, noch ehe sie begonnen hatte. Axilla nahm es ihm nicht übel. Weder, dass er Bedenken geäußert hatte, noch, dass er ihr recht gab. (Letzteres ohnehin nicht, wer hatte nicht gerne recht?) Sie wusste, er meinte es nur lieb. Nur hatte sie sich die Sache wirklich lange überlegt. Nicht unbedingt die Ehe mit dem Fabier, dieser Antrag hatte sie selbst überrascht. Aber dass sie nicht lange fackeln würde, wenn sich erneut die Chance zu einer Ehe ergeben würde, das hatte sie durchaus schon lange zuvor beschlossen und sich wirklich gründlich überlegt. Eine glückliche Fügung hinterfragte sie da nicht lange.


    Sie erwiderte also sanft den Händedruck ihres Cousins und lächelte ihn an. “Ich fürchte, meine Freundinnen sind selber alle verheiratet.“ Immerhin war Axilla schon über dreißig und ihre Freundinnen damit ebenfalls. Ihrem Cousin wünschte sie für die Ehe eigentlich eine jüngere Frau, die ihm ein dutzend Kinder schenkte. Alles über 25 Jahren erschien ihr daher deutlich ungeeignet dafür.
    “Aber heißt das, du hast in der ganzen Zeit in Hispania niemanden kennen gelernt?“ fragte Axilla dann noch einmal nach, diesmal doch eindeutig neugierig. Ja, ihr Cousin war krank gewesen, aber das hieß ja nicht, dass man wirklich nie aus dem Haus kam oder nie Besuch empfing. Und Silanus war nun ja auch kein Vulcanus, was das Aussehen betraf. So blind konnte die Frauenschaft Hispanias ja nun wirklich nicht gewesen sein, dass er all die Jahre wirklich gar niemanden kennengelernt hatte.

  • Die Frage seiner Cousine war ihm ein wenig unangenehm und Silanus überlegte kurz wie er ihr ausweichen konnte. Doch er kannte Axilla gut genug um zu wissen, dass sie nicht nachgeben würde, bis ihre Neugierde befriedigt war. Sichtlich ein wenig peinlich berührt rang er nach den passenden Worten.


    "Also Axilla…. Natürlich habe ich die eine oder andere Bekanntschaft gemacht. Aber es war einfach nicht die Richtige dabei. Entweder sie waren bereits vergeben oder sie waren schlicht uninteressant. Und du weißt ja was ich von Vernunftehen halte. Eine wäre sogar dabei gewesen. Ihr Name war Sinona. Sie war die Tochter eines Provinzbeamten und wohnte in der Nachbarschaft. Leider war sie schon versprochen und ihr Vater nicht umzustimmen. Was soll ich dir sagen….. so hast du mich nun wieder an deinem Rockzipfel hängen bis du mir eine Frau findest oder……"


    Der Gedankengang der Silanus in diesem Moment durch den Kopf schoss ließ das Gespräch kurz stocken. Er sah Axilla erschrocken an, als es ihm wie Schuppen von den Augen viel.


    "…. oder du zu deinen Ehemann ziehst. Habt ihr darüber bereits gesprochen?"

  • “Ihr Vater war nicht unzustimmen? Bei einem der höchstdekorierten Ritter unseres Reiches?“ fragte Axilla ungläubig nach. Gut, sie wusste nicht, wie krank Silanus damals gewesen war. Sie konnte sich schon vorstellen, dass ein Vater seine Tochter nicht an einen künftigen Leichnam ketten wollte oder sie zur Pflegerin eines Kranken degradiert sehen wollte. Aber trotzdem war sie in Sachen Familie immer zuerst einmal auf der Seite ihrer Verwandten. Also kommentierte sie diese Neuigkeit erbost mit: “So ein Idiot! Der sollte sich glücklich schätzen, in unsere Familie einheiraten zu dürfen!“


    Während sie sich über diese Ungerechtigkeit der Welt und das Unvermögen ihrer Umgebung also aufregte, bekam sie die Nachfrage ihres Vetters nur so halb mit. Zumindest bemerkte sie nicht, wie erschrocken er mit einem Mal war und ahnte nichts von den Sorgen, die er sich deswegen machen könnte oder auch nicht.
    “Wie, was? Achso, die Domus Fabia. Ja, Torquatus versucht momentan, seine Wohnsituation zu verbessern, insbesondere will er einen besseren Standort für sein Heim. Da die jetzige Casa Fabia kaum mit unserem Heim konkurrieren kann und ich meinen Kindern ja auch nicht einfach so einen Umzug zumuten kann, werden wir wohl anfangs noch hier wohnen. Er und sein Sohn bekommen dann einfach bis auf weiteres Gästezimmer. Keine Sorge, dass die neue Domus Fabia bald fertig wird, dafür werde ich schon auch sorgen. Aber ganz so schnell wirst du mich trotzdem nicht los.“

  • Der Iunier atmete erleichtert auf, als er von Axilla hörte, dass sie vorerst in der Casa blieb. Da konnte er auch recht gut damit leben, dass der Fabier samt Sohn hier bei ihnen einziehen sollte. Wobei ihm natürlich kurz der Gedanke durch den Kopf ging, dieser Fabier könnte die Stellung und den Wohlstand zu der es die Gens Iunia und Axilla gebracht hatte mit einer solchen Heirat auch zu seinem Vorteil nutzen wollen. Doch er drängte diesen Gedanken gleich wieder beiseite. Hauptsache er blieb nicht alleine in der Casa zurück.


    "Das ist ja überhaupt kein Problem. Gerne können sie hier bei uns wohnen so lange sie wollen. Unser Haus ist ja zum Glück groß genug. Es freut mich wirklich sehr, dass du und die Kinder vorerst hier bleiben werdet. Ich hatte schon befürchtet demnächst hier alleine in diesem riesen Haus zu sitzen und Trübsal zu blasen. So ist es mir in jedem Fall lieber."


    Als er dieses Thema ansprach fiel ihm auch wieder ein, was Axilla zuvor über ihren Sohn Titus gesagt hatte, von wegen er war ausgezogen und lebte nun in der Casa Pompeia.


    "Aber jetzt sag.... was war das mit Titus? Er wohnt jetzt gar nicht mehr hier im Haus?"

  • Axilla war durchaus erleichtert, dass sie mit Silanus nicht darum streiten musste, dass Torquatus und sein Sohn hier einfach einziehen würden. Sie hatte diese Zusage ja schon vor seiner Rückkehr gegeben, aber nominell war natürlich dennoch er der Hausherr. Dass es mit ihm so viel einfacher war, als mit Seneca, dafür war Axilla durchaus sehr dankbar. Aber sie und Silanus waren eigentlich schon immer sehr viel mehr auf einer Wellenlänge gewesen. Das war ja auch ein Grund, der zu ihrer desaströsen Liebelei überhaupt erst geführt hatte, und zu dem sehr schwierigen Abnabelungsprozess für sie beide.


    Und dann kam er auch gleich noch einmal auf Titus zu sprechen. Natürlich. Es war ja nicht alltäglich, dass hier jemand auszog, erst recht nicht in so jungen Jahren. Dennoch reagierte Axilla da nach wie vor sehr gelassen. “Ach, das klingt schlimmer, als es ist. Ich kenne die ganzen Sklaven in der Casa Pompeia, ich hab mich jahrelang um sie alle gekümmert. Und der Junge wird in einigen Tagen ja schon 16. Manch anderer in dem Alter geht zur Legion und kämpft irgendwo in Dakien ums überleben“, winkte Axilla also gelassen ab. “Er ist jetzt einfach in dem Alter, in dem man auch einmal Dummheiten macht. Aber sein Patron lenkt ihn schon auch in die richtige Bahn, und den Weg hab ich ihm ja durchaus vorgegeben. Da soll er ein wenig rebellieren. Wenn sein Auszug da alles ist, was er an Unsinn macht, finde ich, sind wir gut weggekommen.“

  • "Ah Sklaven... sehr gut. Dann ist er zumindest nicht ganz auf sich gestellt."


    Da sich Silanus noch nie besonders intensiv mit der Gens Pompeia auseinandergesetzt hatte, war ihm auch nicht bekannt, ob etwaige Pompeier diese Casa bewohnten. Als er jedoch hörte, dass zumindest noch Sklaven da waren, die sich um den jungen Titus kümmerten, beruhigte ihn das sichtlich. Der Vergleich mit 16 jährigen die irgendwo in Dakien kämpften gefiel ihm aber weniger. Die gab es zwar in der Tat, aber sie kamen vermutlich nicht aus so vornehmen und gehobenen Verhältnissen wie Axillas Sohn, dem gewiss eine höher gestellte Zukunft bevorstand, als einem einfachen römischen Soldaten. Zumindest wenn es nach den Vorstellungen des Iuniers ging - die sich vermutlich mit denen Axillas weitestgehend überschnitten. Als diese einen Patron ansprach wurde er hellhörig.


    "Er hat schon einen Patron? Soso. Wer ist es denn? Jemand den ich kenne?"

  • Dass Silanus auch nur eine Sekunde gedacht hatte, Axilla hätte ihren Sohn ganz allein und auf sich gestellt zurückgelassen und würde hier in Ruhe sitzen und mit ihm plaudern, brachte Axillas Cousin einen sehr schiefen Seitenblick ein. Gut, er hatte Axilla als sehr unvernünftiges, junges Mädchen gekannt, nicht als die Frau und Mutter, zu der sie geworden war. Trotzdem – den Blick hatte er sich verdient.


    “Ja, Purgitius Macer. Schon seit ein paar Jahren, kaum, dass er seine Bulla abgelegt hat. Ich hab das für ihn arrangiert, damit der Junge gleich in die richtige Bahn gelenkt wird.“
    Ja, was diese Dinge anging, war Axilla nicht untätig gewesen. Sie war sich auch sicher, dass Atticus dem militärischen Zweig des Ritters folgen würde, ganz so, wie ihr Vater sich das für seinen Enkel gewünscht hätte. Auch wenn der Junge jetzt mit ihr grollte, sechzehn Jahre Erziehung legte man nicht einfach so ab. Zumal Axilla es ihrem Sohn ja durchaus abnahm, dass er aus einer übertriebenen Sorge heraus handelte.

  • "Ah! Consular Purgitius. Eine sehr gute Wahl. Ein verdienter und hoch dekorierter Mann. Es wäre töricht von mir gewesen daran zu zweifeln, dass du deinen Sohn nicht entsprechend in die richtigen Hände eines ausgezeichneten Patrons lenkst."


    Silanus kannte den Purgitier vor allem aus seiner Zeit an der Academia Militaris, wo dieser der langjährige Leiter und Kommandeur war. Und natürlich wusste er auch noch, dass dieser Consular und ehemaliger Statthalter in Germania war. Der Iunier war daher wirklich beeindruckt davon, dass Axilla einen solchen Mann als Patron für ihren Sohn gewinnen konnte. Er musste sie bei Gelegenheit näher fragen, wie es zu dieser Verbindung kam. Doch nun hatte er bereits, als er an Germania dachte, die nächste Frage im Kopf, die er seiner Verwandten sofort stellen musste.


    "Was ist eigentlich mit meinem Neffen Seneca? Mein letzter Wissensstand war, dass er in Germania stationiert ist. Leider ist der Kontakt komplett abgerissen. Hat er sich hier bei euch gemeldet? Weißt du etwas von ihm?"

  • Sim-Off:

    Heimischer PC, ich hab dich wieder!


    “Tja, ich habe zwar eine Weile gebraucht, um zu lernen, aber ich lerne“, meinte Axilla nur grinsend, als Silanus ihre Entscheidung für Purgitius Macer lobte. Axilla hatte damals in der Tat ein wenig überlegt, an wen sie für ein Patronat herantreten sollte. Aber die meisten Alternativen hatten einfach nicht genug militärische Erfahrung, einige sogar gar keine. Und für Axilla stand von Anfang an fest, dass ihr Sohn in die Fußstapfen seines Großvaters treten würde und eines Tages Tribun bei einer Legion sein würde. Oder vielleicht sogar eines Tages Praefectus Praetoriae! Aber bis dahin floss noch viel Wasser den Tiber hinunter.


    Doch das Lächeln hielt sich nicht lange, als Silanus dann ganz unvermittelt auf Seneca zu spechen kam. Ausgerechnet Seneca! Na gut, er war auch weit näher mit ihm verwandt, als Axilla, und sie war sich auch gerade gar nicht sicher, was Silanus überhaupt alles wusste. Daher wusste sie auch nicht, wie weit sie ausholen musste.
    “Ähm, und wie ist dein Wissensstand bezüglich seinem Verhältnis mit Decima Seiana?“ fragte sie also erst einmal vorsichtig nach und hoffte, dass sie ihrem Cousin nach seiner Genesung nicht gleich wieder einen gewaltigen Schock verpassen musste.

  • "Verhältnis zu Decima Seiana?" fragte Silanus verwirrt. Diese Geschichte war für ihn so lange her und es hatte ihn, anders als Axilla, nicht so intensiv getroffen, dass er erst einmal in seinen Erinnerungen graben musste. Vielleicht hatte er es auch einfach nur verdrängt. Er dämpfte die Lautstärke seiner Stimme und beugte sich ein wenig in Richtung seiner Verwandten. Es musste ja nicht gleich jeder im Atrium mitbekommen, worüber sie sprachen.


    "Ach so. Ja. Ich erinnere mich wieder. Ich hatte die ganze Sache irgendwie verdrängt in Hispania. Verzeih mir. Doch nun wo sie beide schon einige Zeit in Germanien sind. Hast du irgendetwas von ihnen mitbekommen? Bist du immer noch der Meinung, dass Decima Seiana dir und unserer Familie etwas Schlechtes will?"



    Sim-Off:

    Sorry! Hatte ich tatsächlich schon wieder vergessen.

  • Sim-Off:

    Macht nichts, ich wusste es auch nicht mehr :D


    Als Silanus mit einem Mal das Flüstern anfing, musste Axilla schon sehr schmunzeln und ein ausgewachsenes Lachen unterdrücken. Dachte ihr Cousin denn, dass in diesem Haus noch irgend jemand nicht wusste, was vorgefallen war, nachdem Axilla damals Seneca lautstark niedergebrüllt hatte? Zwar waren die iunischen Sklaven der Familie treu ergeben, trotzdem galt auch hier dasselbe wie wohl in jedem Haus: Was ein Sklave wusste, wussten über kurz oder lang alle.
    “Warum flüstern wir?“ fragte Axilla also zuerst einmal sichtlich amüsiert, ehe sie Silanus dann auf seine Frage offenherzig antwortete.
    “Naja, ich habe keine Veranlassung, etwas anderes anzunehmen. Sie hat sich bis heute nicht entschuldigt oder irgendwas dergleichen, auch nicht über Seneca. Daher nehme ich an, dass sie dazu nach wie vor keine Veranlassung sieht und ihre Worte von damals ernst meinte.
    Und zu deiner anderen Frage: Seneca hatte Avianus mehr oder minder regelmäßig geschrieben, aber Avianus hat sich über den Inhalt der Briefe weitestgehend ausgeschwiegen. Nur einmal kam er – also Avianus – bei mir vorbei, um mich nochmal in Senecas Namen zu bitte, den Ehebruch von Decima Seiana nicht öffentlich zu machen. Aber sonst nichts, kein Wort, noch nicht einmal eine Wachstafel zu den Carista.“

  • "Ich verstehe. Nun ich werde bei Gelegenheit schauen ob ich irgendwie wieder Kontakt zu Seneca bekomme. Er ist trotz allem mein Neffe und ich fühle mich für ihn verantwortlich. Das bin ich auch meinem Bruder Flavius schuldig."


    Für Silanus war dieses Thema vorerst damit einmal vom Tisch. Es brachte nichts über Personen zu sprechen und Mutmaßungen anzustellen, die schon seit längerer Zeit nicht einmal mehr in Rom verweilten. Er würde Kontakt mit seinem Neffen aufnehmen und schauen wie es diesem ging bzw. ob er anders als Axilla nicht schon längst mit diesem Thema abgeschlossen hatte. Vorerst hatte er selbst zumindest nicht vor mit Seneca zu brechen. Daher beschloss er auch das Gesprächsthema zu wechseln und sich angenehmeren Themen zu widmen.


    "Du hast also mein altes Officium in Beschlag genommen. Das kann ich dir nicht einmal übel nehmen. Es war ein sehr schöner und größer Raum. Irgendwo wird sich schon etwas finden lassen für mich. Als erstes muss ich ohnehin schauen, dass ich einen Audienz beim Kaiser bekomme um hier in Rom wieder fußfassen zu können. Ich denke mit meiner Erfahrung und meinem Werdegang wird man schon irgendwo wieder Verwendung für mich haben. Trotz meiner erzwungenen Pause. Ich habe zwar unter dem jetzigen Kaiser nur kurz gearbeitet, allerdings glaube ich doch, dass ich Kaiserpalast allgemein einen recht guten Eindruck hinterlassen habe. Vielleicht kann ich ja auch ein paar alte Kontakte anzapfen, die mir da weiterhelfen."

  • Eigentlich wollte Atticus erst nur einen Brief schreiben. Aber das kam ihm dann doch selbst irgendwie feige vor. Auch wenn er wirklich keine Lust auf weiteren Streit mit seiner Mutter hatte, aber er wollte ihr doch zumindest selber sagen, dass er jetzt Ritter und Vigil war. Vielleicht sah sie ihn dann auch endlich als Mann und nicht immer nur als Kind.


    Mit einem etwas mulmigen Gefühl also hatte Atticus an der Porta geklopft und sich von Araros öffnen lassen. Natürlich hatte er auch gleich gefragt, ob sie da war, und angeblich war sie es. Etwas verlegen also tapste Atticus ins Atrium. Pontus lief ganz selbstverständlich an ihm vorbei zur Küche und zum Hinterhof, um dort die anderen Hunde des Haushaltes zu begrüßen, die Köchin zu erschrecken und etwas zu Essen abzustauben, wenn möglich.
    “Sa-alve?“ rief Atticus einmal ins Haus hinein und hoffte, dass seine Mutter gleich kommen würde. Und dass dieser unerträgliche Fabier noch nicht hier eingezogen war.

  • Axilla hörte Pontus' Bellen, noch ehe sie ihren Sohn rufen hörte. Erleichterung machte sich in ihr breit und eine unbändige Wiedersehensfreude. Ihr Sohn war nach Wochen endlich wieder nach Hause gekommen!
    Axilla strich ihr Kleid zurecht und ging nach unten ins Atrium, um ihn zu begrüßen. Nicht zu stürmisch, wie sie sich selbst mahnte, und nicht zu fordernd. Trotzdem war sie so froh, ihren kleinen, großen Jungen wohlauf und an einem Stück endlich wiederzusehen.
    “Titus! Schön, dass du wieder zuhause bist!“ Schnell ging sie zu ihm, um ihm einen mütterlichen Kuss zu geben. Inzwischen musste sie sich hierfür ganz schön strecken, es war nicht mehr so wie früher, dass sie diese eine kleine Stelle an seinem Kopf küssen konnte, wo er wohl bis in alle Ewigkeit nach mein Baby riechen würde – zumindest für sie.
    Tausend Fragen wollte sie ihm stellen. Zu allererst natürlich, ob er zur Vernunft gekommen war und wieder hier blieb. Und wie es ihm ging. Ob er sich wieder eingekriegt hatte. Ob er zur Hochzeit kommen würde. Ob er schon von Silanus gehört hatte. Und so weiter. Aber sie beherrschte sich, wenn auch nur mühsam.

  • Den Kuss ließ Atticus notgedrungen über sich ergehen in dieser Mischung aus Resignation und Gewohnheit. Seine Mutter hatte ihm ja doch ein wenig gefehlt, irgendwie. Ein bisschen. Aber trotzdem war er ein erwachsener Mann und kein Kind, das man abknutschte.
    “Ähm, ja. Also, nur kurz. Ich... ähm.. ich wollte nur persönlich vorbeikommen und... ähm, also... ich bin Ritter! Und komme zu den Vigilen. Das... naja, das wollte ich dir eben selber erzählen... und so“
    So, jetzt war es raus. Jetzt hatte er seine Pflicht als guter Sohn getan und brauchte kein schlechtes Gewissen mehr haben.

  • “Titus! Das ist ja wundervoll!“ Axillas Freude schäumte fast über. Am liebsten wollte sie mit Atticus tanzen, allerdings fühlte ihr Sohn sich für diese Spielereien viel zu erwachsen und Axilla wollte ihn nicht gleich wieder in die Flucht schlagen. Aber sie selbst konnte vor lauter Freude doch nicht ganz ruhig stehen bleiben und strahlte von einem Ohr zum anderen. Und tausend Dinge schossen ihr auch gleich durch den Kopf.
    “War das auf Bestreben von Purgitius Macer? Dann musst du ihm natürlich danken. Oh, und weißt du schon, in welchem Distrikt du sein wirst? Hast du dich denn schon beim Praefectus Vigilum gemeldet? Sollten wir den vielleicht einmal zum Essen einladen, um ihn etwas besser kennen zu lernen? Und hast du schon eine Rüstung?“
    Oh, ja, das war er, der Moment, den Axilla sowohl herbeigesehnt hatte, als auch gefürchtet. Seit über zwanzig Jahren hegte und pflegte sie die Rüstung ihres Vaters, das einzige Erinnerungsstück, das ihr von ihm geblieben war. Ihr Traum war es immer gewesen, dass ihr Sohn diese eines Tages tragen würde. Aber jetzt, wo sie sie ihm übergeben sollte, da erfüllte Axilla ein Gefühl von Verlust, das sie nicht ganz greifen konnte.
    Trotzdem, sie wollte es, sie fühlte, dass es wichtig war. “Die Rüstung deines Großvaters habe ich für diesen Moment aufgehoben. Es würde ihn ganz sicher mit Stolz erfüllen, wenn du sie trägst.“

  • Und da fing der Redeschwall an. “Ma? Maaa?! MAAAA!“ Da kam man ja gar nicht mehr dazwischen! Als seine Mutter endlich eine Pause machte, sah Atticus sie nur enerviert an. “Ich habe alles unter Kontrolle, danke sehr. Du musst mir nicht helfen.“


    Wegen der Rüstung zögerte er aber. Er kannte das Ding. Es stand bei seiner Mutter im Schlafzimmer und wurde gehegt und gepflegt, wie der Staatsschatz im Tempel des Pluto. Er wusste, wie wichtig er seiner Mutter war, und was es ihr bedeuten würde, wenn er tatsächlich auch durch dieses Symbol in die Fußstapfen seines Großvaters treten würde.
    Ein Teil von ihm wollte das aus diesem Grund überhaupt nicht. Er wollte nichts wissen von altem Erbe und Traditionen, von Verpflichtungen den Eltern gegenüber – oder den Großeltern – oder von Stolz. Er wollte seinen Weg selbst bestreiten und selber etwas gelten. Erst recht wollte er niemals irgendetwas von seinem Vater oder nach diesem beurteilt werden.
    Aber das hier hatte nichts mit der Familie seines Vaters zu tun. Und der andere Teil von ihm wusste, dass es seiner Mutter das Herz brechen würde, wenn er es ablehnen würde. Und trotz allem wollte er ja auch ein guter Sohn sein.
    “Die Rüstung kann ich ja mal mitnehmen, wenn sie passt. Aber dann gleich, weil viel Zeit bleibt mir nicht. Ich muss mich gleich morgen bei den Vigilen melden.“

  • Axilla atmete einmal tief durch. Hach, egal, wie erwachsen er auch tun mochte, Atticus würde immer ihr kleines Baby bleiben. Daher konnte sie die Rüge auch nur zur Hälfte ernst nehmen. Dennoch bremste sie sich mit weiteren Vorschlägen. “Gut, dann nur die Rüstung. Möchtest du sie gleich anprobieren, oder sollen die Sklaven sie zur Casa Pompeia tragen?“ Die Riemen würden angepasst werden müssen, vielleicht auch erneuert. Ihr Sohn war ja doch ziemlich groß und sicherlich größer, als Axillas Vater es gewesen war. In diesem Merkmal und dem ein oder anderen weiteren kam eben doch das Erbe seines wahren Vaters durch. Doch solange Imperiosus fern von Rom bleiben würde und damit sämtliche Ansprüche auf seine Söhne aufgab, würde auch niemand die beiden nebeneinander sehen und diese Unterschiede bemerken. Und solange Duccius Vala in Germania blieb, würde auch nie jemand irgendwelche Gemeinsamkeiten entdecken.

  • [Blockierte Grafik: http://oi63.tinypic.com/11r6j36.jpgAraros


    Araros führte die beiden Geschwister also ins Atrium. “Wartet hier doch bitte, die Hausherrin wird euch sicherlich gleich begrüßen.“ Und schon ging er auch weiter, um eben jene zu holen, während die beiden jungen Herrschaften sich schon einmal in Ruhe im Atrium umsehen konnten oder noch ein wenig miteinander reden konnten.

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