Mimithe duckte sich und gluckste, als die Bürste über ihr eigenes Zottelhaar hinwegfegte und sie somit verfehlte.
"Ist sich ja gut!" rief sie grinsend und piesakte Marcella also weiter mit dem Zinkenkamm, und das nicht gerade zimperlich. Dabei beantwortete sie geduldig alle Fragen, die Marcella ihr stellte.
"Oh, Dörfer sind unterschiedlich groß. Da gibt kleine und große, mit vieles Häuser oder wenige. Solche Häuser wie dieser hier ist nicht germanisch. Ist römisch. Viele Römische haben eine Zuhause gebaut wie in Rom. Aber eine germanische Haus ist gebaut aus Lehm und...wie die heißen, kleine dünne Stäbchen aus gelb für Stall?... Naja, aus Lehm und diese Stäbchen", erzählte das Mädchen.
"Frauen in dein Alter tun viele Dinger in Germanien. Nähen, waschen, kochen und auf Kinder acht geben. Aber ich dir kann nicht sagen, was freie germanische Mädchen den liebes lange Tag tun. Ich war nicht frei geboren. Bin Sklave seit ich kann denken."
Mimithe kämmte unterdessen immer weiter, bis sie schließlich mit einem heftigen Ruck endlich durch den Knoten kam und triumphierend Aufschrie.
"Ha! Enstand Knote gegen Mimithe: Knoten verliert auf die lange Bahn und löst sich auf in die Nichts!"
Cubiculum - Marcella
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Ja, so wie Mimithe aufschrie, schrie auch Marcella auf. Allerdings nicht aus Freude, den gemeinen Knoten aufgelöst zu haben, sondern einfach, weil ihr der finale Ruck sehr schmerzte. Instinktiv legte sie ihre Hände auf ihren schmerzgebäutelten Kopf und wischte sich dann ein paar Tränen unter den Augen fort. Das Zusammenkneifen der Augen hatte das Wasser losbrechen lassen.
"Aua, Mimithe! Wäre das nicht auch ein bisschen vorsichtiger gegangen?" motzte sie, wohl mehr weil sie dem Schmerz Luft verschaffen musste und ließ schließlich die Arme sinken, sah sich an und kicherte dann plötzlich leise los. Mimithe hielt immer noch den Zinkenkamm erhoben und der hatte wirklich einen ganzen Büschel dunkler Haare an sich. Der Gesichtsausdruck der Sklavin war jedoch fast noch besser.
"Hoffentlich hat das keiner gehört, sonst werden sie gleich hereingestürmt kommen und denken, du hättest mich mit dem Kamm erstechen wollen."
Ein lustiger Gedanke, fand Marcella, die sich neu sortierte und dann bereit war, dass Mimithe ihren Haaren neuen Halt verlieh. Dabei ließ sie sich die Worte der Sklavin noch einmal durch den Kopf gehen, wie sie das Stroh umschrieben hatte und vor allem, dass sie gesagt hatte, sie wäre nie frei gewesen.
"Wer waren deine Eltern?" fragte sie interessiert. Waren beide Sklaven? Kannte sie sie überhaupt? -
Mit in die Hüften gestemmten Armen sah Mimithe nun böse in den Spiegel.
"Nein, das nicht ging mehr vorsichtig! Ich dir wollte ersparen Schmerz, aber du nicht hast gewollt ich nehme Schere!"Kurz sah Mimithe noch böse drei, dann grinste sie und wedelte mit den ausgerissenen Haaren über Marcellas Kopf hin und her.
"Vielleicht ich damit machen sollte Puppenzauber... Für großes Liebe mit eine Mann!"Sie lachte meckernd und ließ die Haare in einer Falte ihrer Tunika verschwinden, einfach so. Dann sah sie Marcella fragend an und überspielte den Haardiebstahl mit einer spitzen Schnute und den Worten:
"Haare stecken hoch oder nur peppen auf?"Während sie dann an Marcella herumkämmte, bürstete, zog, zerrte, knetete, machte und tat, sprach sie weiter.
"Mein Vater war Arnulf, mein Mutter Magda. Waren beide Sklaven von große...wie sagt man, Stadt-Heber? Hm. Es war eine nette Mann die erlaubt hat meine Eltern zu heiraten. Mein Mama ist gestorben da bin ich gewesen..so viele Jahre", sagte sie und zeigte die Zahl fünf mit den Händen, da sie die römischen Zahlen nicht kanne.
"Meine Papa ist gestorben weil er die Haus verteidigt hat gegen ein böses Mann das wollte nehmen fremde Sachen in der Nacht ohne zu fragen. Da war ich so viel alt", sprach sie weiter und zeigte die Zahl dreizehn, wobei sie zwei Anläufe brauchte.
"Nun meine Bruder ist alleine in Haus von Stadt-Heber."Mimithe hielt verwirrt mit dem Kämmen inne und sah Marcella an.
"Du Marcella, warum Römer nennen reiche Leuter Stadt-Heber?" -
Puppenzauber? Marcella verstand nicht wirklich, was Mimithe damit genau meinte. Aber wenn es ihr Spaß machte, mit ihren Haaren irgendelche barbarischen Zauber zu wirken, wollte sie ihr diesen Spaß nicht nehmen. Die Haare wären ja eh weggeworfen worden.
"Ruhig hochstecken, Mimithe. Ich will nacher mit meinem Onkel sprechen, da möchte ich gut aussehen." redete Marcella und ließ abermals haarsträubende Torturen über sich ergehen, denn das Hochstecken langer Haare glich schon einer Kunst.
Schweigsam folgte sie dem Bericht, immer mal nickend oder erstaunt die Augenbrauen hochziehend. Stadt-Heber? Marcella suchte skeptisch guckend nach einem Wort, das ähnlich klang: Stadtherr? Nein, wohl nicht. Statthalter? Schließlich zuckte sie leicht mit den Schultern. Von den Provinzen und ihren Verwaltungen wusste sie als römische Frau nicht wirklich viel.
"Statthalter? Ich denke, man nennt sie so, weil sie die einflussreichsten Männer einer Stadt sind. Sie halten die oberste Macht inne, verwalten sie... Sowas in der Art."
Sie machte eine Geste. Langweiliger Stoff. Männerkram. Würde man sie fragen, würde sie nicht mal den gegenwärtigen Procunsul Germaniens benennen können. -
Zusätzlich zu dem Kamm nahm Mimithe nun noch mehrere Klemmchen und Haarnadeln, wobei sie letztere zwischen die Lippen nahm, um die eine Hand nach wie vor frei zu haben. Sie werkelte an Marcellas Haar herum, zupfte hier, drückte da und zog dort. Nach und nach wurden die Klemmen weniger und die Nadeln verschwanden. Dabei plapperte die kleine Germanin drauf los.
"Ah, also Stadt-Heber..hm, Statthalter heißen so, weil sie mit ihr vieles Geld den Stadt blühen lassen können? Das ist seltersam. In germanisches Dorf, Mann mit meiste Moneten ist nicht immer Oberhaupt von Dorf. Auch ist nicht immer weiseste Mann der Chef. Sondern wer schnell kann denken, wer tut gut für die Dorf und wer ist stark und kann verhandel gut. Aber Römer sind in vieler Sachen komisch. Essen auch ekeliger Hreth, uhm...Essen für..Schweine? In mein Dorf, Hreth müssen essen nur Schweine. Aber als ich heute gekommen bin in das Küche, Köchin sagte zu mich dass Hreth ist Essen für Sklaven! Marcella, ich dich wollte fragen, ob ich darf haben eine bisschen Frischzeugs jedes Tag. Sonst gehen ich auf wie einer dicke Kloß aus Hefe und kann die Kamm halten nicht mehr, weil meiner Fingers sind so dick wie Stiel von Mistgabel. Hm, darf ich?" fragte Mimithe und blinzelte Marcella liebenswürdig an.
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Marcellas Kopf wackelte nach wie vor wie ein Spielball zwischen Mimis Händen, aber so langsam nahm er endlich Form an. Es ziepte an vielen Stellen und hin und wieder zuppelte Marcella eine der Klammern etwas lose, damit sie nicht das Gefühl ertragen musste, ihre Kopfhaut würde ihr bei lebendigem Leibe abgezogen.
Den Worten der Sklavin folgte sie so gut es ging. Sie verstand nicht, was dieses Hreth sein sollte und mutmaßte einfach, dass es irgendein Brei war, den die Sklaven bekamen, wenn nicht gerade irgendwelche Essensreste ihren Menüplan erweiterten. Essen. Von all den Strapazen am frühen Morgen bekam die junge Frau langsam aber sicher Hunger.
"Du weißt, dass ich dir das gönnen würde" antwortete Marcella und schloss die Augen, um sich zu entspannen. "Aber was werden die anderen Sklaven sagen, wenn sie sehen, dass du mehr bekommst als sie? Unter euch würde Streit aufkommen und das wiederum würde meinen Onkel verstimmen. Und was dann geschehen würde, kannst du dir vielleicht vorstellen."
Sie pausierte einen Moment und fuhr sich mit einer Hand über die Halsmuskulatur, die bei dem Gezerre stark beansprucht wurde.
"Wenn aber mal etwas von meinen Portionen übrig bleibt und es gerade keiner sieht, werd ich es dir geben. Einverstanden? Obwohl ich es ja mal ganz lustig fände, dich wie einen Bär hinter mir herzuwanken und jeden anzurempeln." Marcella grinste. -
Mimithe seufzte und schüttelte den Kopf.
"Och, ich werden teilen meiner Früchter und Gemüser mit die andere. Ist nicht nett, wenn man behält alles für sich. Aber, Marcella, warum die anderen Sklaven nicht dürfen essen frischer Sachen? Weil sie sind viel teuer? In Germanien, Stadt-He...hm, Statthalter hat die Sklaven gegeben gutes Essen. Viele Früchter und so. Weil wer gesund ist, gut arbeiten kann. Vielleicht, ich reden sollte mit dein Onkel Crassus?"Die junge Sklavin bemerkte, wie Marcella sich selbst über den Nacken fuhr und dabei das Gesicht leicht verzerrte. Sie lächelte Marcella verstehend an und machte weiter. Schließlich trat sie zurück und rief: "Fertig! Damit du wirst bezirzen können deine Onkel sehr gut."
Mimithe legte den Kamm fort und legte ihre Hände auf Marcellas Schultern, um sie etwas zu massieren. Ohne Öl, weil es nicht lange brauchen würde, die Verspannungen aus dem Nackenbereich zu lösen, die während des Kämmens entstanden waren. Fünf Minuten später beendete Mimithe die Mini-Massage mit abschließenden Streichungen und seufzte dann zufrieden.
"Schminkern bestimmt auch, hm?"
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"Es wird besser sein, wenn du es bei ihm versuchst. Wenn sich die Gelegenheit ergibt, werde ich es vielleicht auch anschneiden, das Thema. Ihr Germanen seid schlau."
Dass Crassus wohl eher hin und wieder ein paar neue Sklaven kaufte, wenn die alten krank wurden, musste sie ja nicht erwähnen. Marcella schmunzelte und betrachtete ihr perfekt frisiertes Spiegelbild. Sie war zufrieden, Mimithe war eine Künstlerin in Sachen Frisuren.
Und in Sachen schneller Entspannung. Sie bedachte ihre Herrin mit einer raschen Massur, nach der es ihr gleich viel besser ging. Zwar war es Marcella dann auch wieder so, als würde sie gleich einschlafen können, aber man konnte ja nicht alles haben.
"Ja. Wieder so wenig wie gestern" gab sie in Auftrag und sah ihr Spiegelbild an, das bald das Gesicht verzog. "Sage mal, stimmt es, dass germanische Krieger nackt kämpfen und ihre Opfer hinterher verspeisen?" -
Mimithe nickte übertrieben.
"Gut, ich werde mit die Herr reden. Aber...anschneiden? Warum du willst Crassus schneiden? Soooo wichtig ist das auch nun wieder nicht mit die Gemüser und so..."Sie drehte Marcella nun etwa neunzig Grad auf ihrem Stuhl herum und griff nach der Puderdose. So begann sie ihre Herrin zu schminken, nicht übertrieben, aber dennoch so, dass die Schönheit ihres Gesichts hübsch betont wurde. Dabei summte sie leicht, wohl eine germanische Volksweise. Gerade hatte sie den Befehl zum Augenschließen gegeben, damit sie Marcella den Liedstrich ziehen konnte, als diese ihre Frage stellte. Mimithe hielt inne, sah Marcella mit großen Augen an und lachte dann so sehr, dass der Lidstrich quer über das Gesicht ihrer Herrin gezogen wurde. Mimithe bekam sich gar nicht mehr ein vor lachen, bog sich nach hinten, hielt sich den Bauch und wischte sich die Tränen ab.
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Marcella schmunzelte und schüttelte leicht den Kopf.
"Das werde ich dir ein andernmal erklären" antwortete sie ihrer Sklavin absichtlich schwammig. Der Gedanke, dass Mimithe nun befürchtete, ihre Herrin würde ihren Onkel mit einem Messer bedrohen, nur damit die Sklavin einen Anteil an Gemüse und Obst bekamen, war doch zu schön skurril.
Die Gesichtspflege begann, aber bevor Mimithe überhaupt richtig anfangen konnte, hielt sie plötzlich inne. Ihre Herrin sah sie skeptisch an und dann brach auch schon ein Lachanfall aus der Germanin hervor, den Marcella zuerst gar nicht zu deuten wusste.
Zuerst drehte sie sich auch rasch ihrem Spiegel zu, nur um einen hübsch schwarzen Strich auf ihrem Gesicht zu sehen, der so ganz sicher nicht dahin gehörte.
"Mimithe!" stieß sie erschrocken hervor und drehte sich wieder zu ihr herum. Sie lachte immer noch, mittlerweise sogar Tränen. Dann langsam fiel ihr wieder ihre Frage ein. Hatte es damit zu tun? Marcella verstand wirklich nicht, lächelte schräg und wandte sich wieder ihrem Spiegelbild zu, den Strich mit einem spuckefeuchten Tüchlein aus dem Gesicht löschend und hin und wieder zu Mimithe schielend.
"Was ist daran so lustig? Ich meinte das ernst. Decius hat mir einmal von den Germanen erzählt und ich glaube nicht, dass er mir Lügenauftischte. Er erzählte, dass das Haar der Germanen die Farbe des Strohs hat und dass sie es in unansehnlichen Knoten an der Seite des Kopfes tragen. Dass sie nur in Felle gekleidet sind, aber wenn sie in eine Schlacht ziehen, nackt und nur mit Keulen und Äxten bewaffnet sind. Und sie trinken keinen Wein, nur ein anderes, ekelig schmeckendes Gebräu und ernähren sich mit Vorliebe von Menschenfleisch."
Sie wandte sich der Sklavin wieder zu und hielt in der Wischbewegung ihrer Hand inne. Ihr Blick war skeptisch, gar ein wenig ängstlich. Wie das Gesicht eines Kindes, dem man eine Spukgeschichte auftischte.
"Das von jungen Frauen sei für sie ein ganz besonderer Leckerbissen." -
Mimithe ignorierte einfach, wie Marcella erschrocken ihren Namen rief und krümmte sich weiter vor lachen, bis sie einfach nicht mehr konnte und nach Luft schnappen musste. Keuchend stand sie vor Marcella, sah den schwarzen Strich quer über die Wange und begann von neuem zu lachen. Nun zeigte sie aber auch auf Marcellas Gesicht.
".....wie...hahaha...wie einer....haaaahahahahahahahaa.....einer Germane! Haaaahahahaahahaaaahahahaha......"
Durch das Geräusch ihres Kicherns hindurch hörte Mimithe Marcellas Worte. Lachen konnte sie nun nicht mehr. Ein solcher Missstand musste aufgeklärt werden! Ärgerlich schüttelte sie den Kopf.
"Ich nicht kenne dieses Decius, aber er hat gelügt! Germane niemals gehen nackt in Krieg. Wir auch nie haben nur Fell an oder tragen nur Keulen und Äxter. Viele haben helle Haar wie ich, das stimmt. Und in Germanien es gibt Met und Bier, gutes Bier. Besser als eure Wein hier. Aber wir nicht essen Menschenfleisch, auch nicht die von junger Frauen."
Mimithe musterte Marcella scharf, grinste dann und sagte nachdenklich: "Obwohl....."
Schwupps, nahm sie Marcells Handgelenk und tat so, als würde sie gleich reinbeißen.
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Erschrocken entzog Marcella ihrer Sklavin ihr Handgelenk, aber im nächsten Augenblick musste sie schon wieder grinsen.
"Vergiss nicht, du bist hier in Rom, also musst du dich auch den römischen Sitten beugen. Das bedeutet, dass es zum Frühstück kein Menschenfleisch gibt. Und überhaupt gibt es erst irgendetwas zu Essen, wenn du es noch schaffen kannst mich ordnungsgemäß zu schminken."
Marcella lockerte sich an einigen Stellen das Haar und presste amüsiert die Lippen aufeinander. Hatte ihr Bruder ihr also Geschichten erzählt, um ihr Angst vor den Germanen zu machen. Sie hätte es wissen müssen, dass er sie auch damit nur gern aufgezogen hatte. -
Marcella hatte einen anstrengenden Tag hinter sich gebracht. Erschöpft war sie an dessen Ende auf ihr Zimmer gegangen, um sich dort recht schnell zur Ruhe zu begeben. Mimithe half ihr beim Entkleiden, das heute eher wortkarg vonstatten ging, bis Marcella schließlich in einem einfachen aber wärmenden Nachtgewand unter ihre Decke kroch. Mimithe rückte ihr noch einen Dreifuß in die Nähe des Bettes, damit die Caecilierin kuschelig warm haben würde. Kaum hatte die Sklavin dann die Tür hinter sich geschlossen, waren Marcella auch schon die Augen zugefallen und sie mit einem Schmunzeln auf den Lippen ins Reich des Schlafes gereist.
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