Sinnloses (?) Geldausgeben, Teil I

  • Er war etwas zu früh, dessen war er sich schon bewusst gewesen, als er die Villa Tiberia verlassen hatte. Doch kaum hatte ihm Titus die Antwort überbracht, hatte er beschlossen, jene Einträge, welche seine Vorgänger in der Chronik vergessen hatten, gleich persönlich in das Tabularium zu bringen und sich danach zum angebenen Treffpunkt zu begeben. Und sein Auftreten war immer noch militärisch und bestimmend, das sein Abstecher ins Tabularium nicht lange dauerte.


    So hatte er Zeit, konnte langsam gehen, das Geschehen um sich herum in Ruhe ansehen und mit der Wahrnehmungsgabe des Soldaten, auch die kleinen Dinge registrieren. Der kleine Junge, der am Stand des Obsthändlers einen Apfel stahl, der wohlhabende Eques, der am gleichen Stand ganz offen die Kirschen probierte, ohne aber überhaupt die Absicht zu zeigen, irgendwelche Kirschen zu kaufen... Irgendwie fragte er sich, was denn schlimmer war ? Der fette Mann , oder der dünne Junge ?
    Währemd er weiter ging, gab er Titus ein Zeichen, er würde den Jungen fangen und ein paar Sesterzen zustecken. Er selbst wünschte sich, er wüsste den Namen des Eques, denn einem solchen Mann würde er sicherlich auf die Finger schauen, sollte er zum Aedil gewählt werden.


    Er erreichte den Stand, den Helena ihm geschildert hatte, dieser war wirklich nicht zu übersehen. Titus war mittlerweile weit zurück, aber das war ihm selbst nicht wichtig, der Blick zur Sonne hatte ihm verraten, das er noch etwas Zeit hatte, bis Helena eintreffen würde, so widmete sich Tiberius Vitamalacus den Auslagen des Händlers. Die Stoffe waren für ihn selbst viel zu bunt, seine eigene Toga war schlicht, die Insignien, die ihn als Magistratus auswiesen, waren sehr dezent. Mehr als alle grell, bunten Togastoffe, sagte ihm jener Stapel mit Tuniken im Rot der Legionen zu.

  • Mit Wonga im Schlepptau - der breitschultrige Nubier begleitete sie stets, wenn sie in die Curie ging, denn man konnte nie vorher wissen, wie lange es abends dauern würde, bis alle Beschlüsse gefasst waren und alle wichtigen Entscheidungen getroffen, und sie wollte nicht abends ohne eine qualifizierte Begleitung durch die Straßen Roms gehen müssen, um nach Hause zu gelangen. Sie schritt dem Nubier recht energisch voran, von den Debatten des heutigen Tages noch energiegeladen, aber auch mit dem üblichen, nicht zu unterdrückenden Zorn beseelt, denn die teilweise sehr konservative Haltung so einiger Männer in der Curie war für sie ein steter Quell der Ärgernis. Da war die Nachricht des Vitamalacus gerade richtig gekommen, so hatte sie zumindest etwas, worauf sie sich abends freuen konnte. Glücklicherweise waren die Debatten an diesem Tag recht pünktlich zuende gegangen und sie hatte die Curie mit einem Gefühl der Erleichterung verlassen - was nun folgen würde, wäre in jedem Fall entspannender als jede mögliche Diskussion über Nichtigkeiten und Wichtigkeiten.


    Iulia Helena hoffte nur, sie würde nicht zu spät sein, aber als sie den Stand der Sonne mit dem einer neben einem öffentlichen Gebäude offen zugänglichen Sonnenuhr verglich, konnte sie aufatmen, sie würde pünktlich sein, wenn sie durch die Menschenmenge kamen, ohne aufgehalten zu werden. Wonga erwies sich wie stets als ein sehr guter Wegfreimacher - wo er voran schritt, wichen die Leute automatisch aus, und sie musste nur in seinem Windschatten folgen. Der Stand, an dem sie sich verabredet hatten, kam in Sicht, und sie entdeckte den tribunus schneller als seinen üblichen Begleiter - vielleicht trieb sich Titus an irgendeinem anderen Stand herum. Doch statt sich sofort zu nähern, betrachtete sie Tiberius Vitamalacus einige Momente lächelnd aus der Ferne. Er hatte sich so gar nicht verändert, seit sie sich das letzte Mal begegnet waren, und sie stellte insgeheim fest, dass sie sich sehr freute, ihn wiederzusehen. Es war, als könnte sie nun endlich wieder ein bisschen mehr sie selbst sein als zuvor, in seiner Nähe fiel ihr das leichter, viel leichter als sonst. Leise näherte sie sich ihm und bemerkte, dass er die Auslage, rostrote Tuniken, sehr sinnierend zu betrachten schien.
    "Sehnst Du Dich nach dem castellum zurück, Vitamalacus?" fragte sie lächelnd, sehr bewusst nur sein cognomen benutzend.

  • Während er wartend die rostroten Tuniken sich an sah, schweiften seine Gedanken nach Germanien, zu seiner wirklichen Familie, seiner Legion, der IX.. Leider waren seine Gedanken nicht nur Positiv, denn irgendwie fiel ihm auch Cato ein, seinen Sklaven, der ihn nun zum zweiten Mal so sehr enttäuschte. Was sollte er nur mit Cato tun ? Eigentlich hatte er nur eine Möglichkeit, doch es fiel ihm schwer, denn Catos Mutter war seine Amme gewsesen, Cato fast ein Bruder. Doch Romulus hatte,....


    So weit waren seine Gedanken, als ihre Stimme ihn zurück holt, zurüclk nach Rom. Er hatte sie wirklich erst jetzt bemerkt und ganz automatisch legt sich ein breites Lächeln auf sein Gesicht, das auch in seinen Augen aufblitzt.
    "Helena, " sagt er, ihm kommt garnicht in den Sinn ihren Nomen Gentile zu benutzen, in seiner Stimme klingt seine Feude deutlich durch, "wie schön das du gekommen bist." Er lässt die Tuniken Tuniken sein, dreht sich zu ihr. Fast wäre er noch einen Schritt auf sie zu gegangen, hätte seine Arme fast um sie gelegt, doch er lässt es bleiben, schliesslich sind sie nicht allein am Strand von Ostia.
    "Ich bin und bleibe ein Soldat, die Legion ist meine zweite Familie, doch gerade jetzt wäre ich nirgends lieber als genau hier," meint er aufrichtig lächelnd, die trübseigen Gedanken an Cato wegwischend, was ihm gerade so gelingt.

  • Er wirkte nachdenklich, fast ein wenig traurig, und sie beschloss, ihn später nach dem Grund für seine Stimmung zu fragen - denn um es unkommentiert zu lassen, mochte sie ihn inzwischen einfach zu gern. Es war schön gewesen, ihre Gedanken mit ihm zu teilen, und vielleicht würde es ihn erleichtern können, wenn er auch die seinen mit ihr teilen würde - zumindest war es den Versuch wert.
    "Deine Familie hier in Rom wird sicher glücklich sein, das zu hören," erwiederte sie lächelnd. "Ich hätte kaum glauben wollen, wie groß die gens Tiberia doch ist, hätte ich es nicht mit eigenen Augen bei der cena gesehen. Dagegen scheinen mir die Iulier in alle Winde und vor allem beim Militär so sehr verstreut, dass man sie unmöglich ganz zusammen bekommt."


    Das letzte wirkliche Familientreffen war Jahre her, vielleicht würde es zur Hochzeit der Iulia Andreia endlich zustande kommen - aber der Gedanke an den Aufwand des Festes ließ sie vor diesem Gedanken schnell zurückschrecken. "Du hast Deinem Mündel doch nicht wirklich angeboten, so viel Geld wie sie möchte auszugeben?" vergewisserte sie sich schmunzelnd, denn ein solches Angebot war wirklich selten genug.
    "Ich fürchte fast, wir schleppen Dir dann am Ende des Tages den halben Markt mit in die Villa Tiberia, denn die Sachen, die es hier gibt, sind so vielfältig und verlockend, das kann einen Mann schon in den Ruin treiben, wenn er hier mit seinem guten Namen bezahlt." Nicht, dass sie an seiner Kreditwürdigkeit gezweifelt hätte, aber einen solchen Einkauf hatte sie nur ein einziges Mal auf Titus' Kosten gemacht, und das war lange her gewesen - einer jungen Frau hätte sie dies wahrscheinlich nicht zugestanden, weil es zuviele Verlockungen gab, die sich dann später als Tand herausstellen mochten. Lächelnd blickte sie zu ihm auf, während in den Augen die stille Freude über beider Wiedersehen glomm.

  • Das nicht unbedingt seine Familie der Grund war, warum er sich gerade im hier und jetzt so wohl fühlte, sondern viellmehr daran, das sie gerade hier war. Das Lächeln auf seinem Gesicht wurde etwas breiter und auch seine Gedanken klärten sich auf. "Ich weis nicht, so manche meiner Familie wünschen sich wahrscheinlich. das ich möglichst bald nach Germania zurückkehre," meinte er scherzhaft, wobei es wahrschweinlich wirklich stimmte, hatte er doch in der Villa Tiberia recht bald einen rauen Ton angeschlagen, "Aber du hast recht, eure Familie ist recht verstreut, obwohlö als ich einmal eine Cena im Castellum gebeben hatte, hatte ich gleich drei Mitglieder deiner Familie zu besuch."


    Er liess seinen Blick über die weiteren Auslagen des Händlers und der umliegenden Händler schweifen und er ahnte wirklich, das sein Versprechen, unbegrenzt Mittel zur verfügung zu stellen, ihn wirklich teuer zustehen kommen lönnte. "Nun, das hatte ich gesagt, ja, Calvina hat es mir mir als Vormund wirklich nicht leicht und da sollte sie schon das Vergnügen eines grossen, ungestörten Einkaufs haben." Er wusste ja, ds er sehr streng zu Calvina war, doch die Verantwortung für die junge Frau lag auch schwer auf seinen Schultern. Für ihn als Soldaten war es einfach schwer, richtig zu beurteilen, welches Verhalten seines Mündels noch korrekt war und welches nicht. "Manchmal bin ich bei ihr wohl zu übereifrig," räumte er leise ein, während er den Stoff einer Toga in einer Farbe, welche er bisher noch nicht als Farbe für eine Toga wahrgenommen hatte, berührte, es war ein wirklich feiner Stoff. Lächelnd, schon fast scherzend, meinte er zu Helena : "Und vielleicht kannst du auf dem Einkaufsbummel ihren übermut ganz leicht bremsen, nicht das ich die Villa verkaufen lassen muss."

  • "Ach was, ich denke, insgeheim mögen Dich alle Mitglieder Deiner Familie," meinte sie schmunzelnd. "Dein rauher, soldatischer Charme ist einfach ein bisschen gewöhnungsbedürftig, wenn man das nicht kennt - und sobald sie bemerken, dass hinter Deinen Worten guter Willen anstatt Herrschsucht steckt, wird sich sicherlich alles zu etwas Gutem wenden." Oh, sie konnte sich das nur zu gut ausmalen. Die Familie, die bisher gemütlich vor sich hin gelebt hatte und bei der ein jeder tat, was er wollte, wurde durch die Ankunft eines aufrechten Soldaten mit Kommandostimme aufgerüttelt und durchgeschüttelt - Titus' Regiment zuhause war auch nicht gerade das gewesen, was man als einfühlsam und nachgiebig hätte bezeichnen können, dafür war er einfach zu sehr Soldat gewesen, und wenn Quintus ihm in nur den geringsten Dingen glich, dann wunderte sie sich nicht darüber, dass er nicht sofort auf ungeteilte Gegenliebe gestoßen war. Vor allem für eine junge Frau würde das schwer zu akzeptieren sein.


    "Nun, da hast Du mehr Familienmitglieder gesehen als ich in den letzten Jahren, aber ich denke, solange man einander zu schätzen weiß, so lange gehört man auch zusammen. Du erinnerst mich daran, dass ich meinem Vater wieder schreiben sollte - ich hoffe, er zürnt mir nicht inzwischen, dass ich mich so wenig melde. Aber nach all der Schreibarbeit in der Curia und in Ostia mag ich abends nicht auch noch den Griffel bedienen, selbst wenn das wie eine lahme Ausrede klingt," gestand sie mit einem vergnügten Lächeln, um dann zu seinen Worten über Calvina zu nicken. "Weisst Du, sie erinnert mich sehr an mich in diesem Alter - mein Gemahl war ebenso eher dem soldatischen Leben zugetan und es hat eine ganze Weile gedauert, bis er einsah, dass ab und an eine kleine Freiheit nicht bedeutet, der Barbarei und Leichtlebigkeit anheim zu fallen. Ich denke, wenn Du ihr ihre Grenzen aufzeigst, sie sich aber innerhalb dieser frei bewegen lässt, wird sie Dich nicht enttäuschen. Du musst sie nicht dauernd streng wie einen Schwerverbrecher überwachen, ein vertrauenswürdiger Sklave reicht da auch schon sehr gut - und solange sie Dir sagt, wohin sie geht und wen sie dabei getroffen hat, solltest Du versuchen, ihr zu vertrauen. Sie ist doch kein Kind mehr, sondern längst heiratsfähig."


    Auch ihr Blick fiel auf die kreischend gefärbte Toga, und sie schüttelte leicht den Kopf. Auf was für Ideen manche Schneider kamen, es war schon sehr erstaunlich. "Natürlich, ich werde ein wenig auf ihre Ausgaben achten. Wieviel möchtest Du ihr denn zugestehen?"

  • Er liess den Stoff der Toga sinken, zu extravagent war die Farbe, auch denn der Stoff von exzellenter Qualität war. "Erschreckend, was ein Färber aus besten britanischem Tuch machen kann," sagte er mit einem Lächeln zu Helena, während er ein Schritt auf sie zu geht. "Nun, ein paar hundert Sesterzen dürfen es schon sein, vielleicht auch tausend, sollte ich zum Aedil gewählt werden, werde ich mich eh verschulden müssen," beantwortet er ihre Frage mit einem leichten, verschmitzten Augenzwinkern. Wie leicht es ihm fällt, sich in ihrer Gesellschaft ganz locker zu sein, zu lachen, zu scherzen.


    Mittlerweile ist der Händler an die beiden heran getreten, wittert die Möglichkeit einige Sesterzen zu verdienen, vielleicht hat er auch die Summe verstanden die Tiberius Viatamalacus genannt hat. "Werter Herr, werte Dame, welche meiner wunderbaren Waren darf ich euch präesentieren ? Ich habe Stoffe aus allen Ecken des Imperiums..."


    Doch zunächst ignoriert Tiberius Vitamalacus den Händler, sein Blick ruht auf Helena. "Dein Vater mag traurig sein, wenn er keine Briefe von dir erhält, doch dir zürnen, das glaube ich kaum." Wie sehr liegt ihm auf der Zunge, das er gerade einen Brief an ihren Vater geschrieben hat, doch das darf er ihr nicht erzählen, erst wenn er eine Antwort aus Germania erhält, die schon viel zu lange auf sich warten lässt. "Du hast aber recht, ich muss lernen, Calvina zu vertrauen, das sie die ihr gesetzten Grenzen nicht überschreitet. Gerade jetzt, da noch meine Nichte in die Villa gezogen ist, die Tochter eine verstorbenen Verwandten."


    Erst jetzt dreht er sich zu dem Händler. "Guter Mann, zunächst einmal, merke dir das Gesicht dieser Dame. Wenn in ihrer Begleitung demnächst eine junge Dame auftaucht, und sagt, ihre einkäufe würden von ihrem Vormund in der Villa Tiberia bezahlt, dann ist es so ! Und..." er macht eine kurze Pause...."Dorthin wirst du auch eine mehrfach geweisste und gekalkte Toga liefern !" Mit einem lächeln wendet er sich an Helena : "Gibt es hier noch etwas, das du heute sehen möchtest ? Oder wollen wir uns den nächsten Ständen zu wenden ?"

  • Ein paar hundert Sesterzen ... nun, man konnte ihm nicht nachsagen, er wäre geizig zu seinem Mündel, überlegte die Iulierin mit einem leichten Lächeln auf den Lippen. Mehrere hundert Sesterzen hatte sie jedenfalls derzeit nicht für Kleidung und sonstige Dinge einfach zum Ausgeben übrig, aber bei einer alteingesessenen Patrizierfamilie spielte dies wohl auch nicht unbedingt eine große Rolle.
    "Schade um das Tuch," kommentierte sie seine Bemerkung und nickte dann sachte. "Nun, dafür sollte sich schon einiges finden lassen, das einer jungen Frau gefällt. Ich nehme nicht an, dass es ein Sklave sein soll, oder?" Sein Gesicht, kämen sie mit einem neuen Sklaven anstatt Kleidung zurück, wäre die Überlegung sicherlich auch wert, aber sie war sich recht sicher, dass Calvina an einem ausgedehnten Kleidungseinkauf mehr Vergnügen finden würde als an einem Menschen in Ketten. "Ach, ich bin eine lausige Briefeschreiberin, meist schiebe ich es vor mir her, bis es wirklich sein muss - und er weiss noch nicht einmal, dass ich Duumvir wurde, höchstens aus der Acta. Ach, manchmal wünschte ich, ich hätte einen tabellarius, der sich die wichtigen Dinge einfach merkt und dann zu ihm reist, um ihm mündlich Bericht zu erstatten, es würde mir die Schreiberei sparen."


    Der Gedanke hatte wirklich so einiges für sich, aber auch so etwas war ein Spielzeug für die ganz Reichen - ihr Vater hätte ihr wohl eher einen Vortrag über sinnlose Geldverschwendung zurückgeschickt denn einen liebevollen Brief.
    "Wenn Deine Nichte auch noch in der Villa lebt, wieso fragst Du sie nicht, ob sie auch mitkommen möchte? Dann lernen sie und Calvina sich gleich ein bisschen besser kennen, und ich denke, auch Livilla hätte nichts gegen ein viertes Gesicht einzuwenden. Zudem kenne ich keine Frau, die kein Vergnügen am Einkaufen hätte - und ein bisschen Vergnügen sollte jede Frau haben, vor allem, wenn ihr ein Elternteil fehlt." Sie blickte erst jetzt zu dem Händler, als sich der tribunus an diesen wandte, und nickte ihm freundlich, aber zurückhaltend zu. Letztendlich war er nur einer von vielen, und sie kannte andere Stände, an denen ihr das Angebot weit besser gefiel als an diesem hier. Die grellen Farben waren einfach nicht ihr Geschmack.


    "Hier gibt es nichts mehr, das für mich von Interesse wäre - Dich nehme ich ja zum nächsten Stand mit," scherzte sie lächelnd und ging schon einige Schritte beiseite, den nächsten Händler ansteuernd. Es war so leicht, mit ihm zu scherzen, als wären sie wieder am Strand und gänzlich alleine, unbeobachtet von den Augen der Welt. Schnell wandte sie ihren Blick ab und atmete durch - es galt, ihre Beherrschung zu wahren.

  • "Ich gestehe, auch ich bin kein grosser Briefeschreiber. Mal ein knapper Brief an einen Klienten, oder an Verwandte, doch immer nur das nötigste. Ich kam naxch Roma ohne Vorwarnung," erzählt er unverblümt und offen von sich, während er dem Händler nur ein knappes Zeichen gibt, das sie kein weiteres Interesse an seinen Waren haben und er sich in das kühle, innere seine Standes zurück ziehen könne. "Ich ziehe es auch vor, meine Botschaften persönlich zu übermitteln oder übermitteln zu lassen." Und wieder denkt er an die Briefe nach Germania, schliesslich lässt er den wichtigsten von ihnen per persönlichen Boten überbringen, auch wenn dieser Bote ihr Onkel ist und sein bester Freund.


    So steuern sie den nächsten Stand an, er setzt sich direkt neben sie, ihr unauffällig seinen Unterarm anbietend. Wenn er so mit ihr über den Markt geht, liegt seine Aufmerksamkeit bei ihr, die viele anderen Marktbesucher und Händler nimmt er nicht so wirklich war, er registriert auch nicht, das Titus immer noch nicht aufgeschlossen hat, das sein Schatten praktisch fehlt. "Ich werde Minervina fragen, ob sie euch begleiten möchte. Oder wir tuen das gemeinsam, ich lasse sie rufen, wenn du und Livilla Calvina abholt. wie geht es eigentlich der Tochter meines besten Freundes ? Hat sie sich gut eingelebt ?" Das sein bester Freund eine Tochter hatte, hatte ihn damals wirklich überrascht, fast genau so, wie es ihn überrascht hatte, das er einen Sohn hatte.


    Er muss schmunzeln, als er erkennt, womit der der Händler sein Geld verdient, dessen Stand sie als nächstes ansteuern. "Ich glaube, nicht ein Sklavenstand wärte mein Ruin," lacht er fröhlich, so gelassen wie schon lange nicht mehr, "Calviina würde sich vielleicht gerade noch eine jüngere Leibsklavin kaufen wollen. Gefährlich wird dieser Stand."


    Bezeichnend für diesen Stand ist es, das dieser ein geschlossenes Geschäft ist, nur ein einzigen Eingang hat, der von einem Thraker versperrtwird , der diesen erst freigibt, nach dem er sich von der Zahlungskraft der Besucher überzeugt hat. Der Zugang ist Schmal, so das Tiberius Vitamalacus ihr den vortritt lässt und direkt hinter ihr den abgesperrten Bereich betritt. Unmmitelbar danach, versperrt der Thraker den Eingang.


    Vor ihnen liegt auf zwei grossen, zusammenklappbaren Tablets, schräg auf gestellt, jedes gut 2 bis 3 Schritt breit, eine grosse Auswahl an Schmuckstücken : Ringe, Arm- und Fussreife und Ketten, aus Silber und Gold. Das Licht kommt von oben, durch ein Compluvium, das vergittert ist. Der Besitzer hält sich noch im Hintergrund, abwartend, lauernd auf das Geschäft.

  • Sie lächelte nachsichtig zu seinen Worten über das Briefeschreiben - wenn sie ehrlich war, hatte sie sich ihn auch nicht unbedingt als den Verfasser ausführlicher Briefe nach Hause vorstellen können, es lag ihm einfach nicht unbedingt. Die wenigsten Soldaten saßen gern in der Schreibstube, mit Wachstafel und Griffel in der Hand, und so fiel es ihr auch schwer, sich ihn als Schreiber vorzustellen, neben einem Stapel eben verfasster Briefe. Viel eher würde er Briefe diktieren, während er sich körperlich ertüchtigte oder etwas in der Art, zumindest hatte Titus so etwas oft getan, um Zeit zu sparen, sie hätte es sich auch gut bei Tiberius Vitamalacus ausmalen können. Und dass er trainiert war, wusste sie spätestens seit Ostia ... schnell zwang sie die Gedanken zurück auf den Pfad der Tugend und nickte sachte. Sie legte die Hand auf seinen Unterarm, als sei diese Geste selbstverständlich, und sie genoss es, an seiner Seite gehen zu können - es kam nicht oft vor, dass sie in der Öffentlichkeit einen Begleiter ausser ihrem Bruder hatte, und ein kleiner Teil ihres Inneren mochte den Gedanken, dass einige andere Frauen ihnen nachblickten und sehr wohl wussten, dass hier der quaestor consulum unterwegs war.


    "Nun, ich denke, Livilla wird noch eine Weile brauchen, bis sie sich an die Bräuche und Ereignisse hier in Rom gewöhnt hat, aber ich habe eine gute Hoffnung, dass es ihr nicht zu schwer fallen wird. Wenn man bedenkt, dass sie zuvor wohl eher sehr behütet aufgewachsen ist, dann wundert mich nicht, dass es ihr noch schwer fällt, hier den richtigen Weg zu finden - ich wünschte, ich könnte ihr besser beistehen als bisher." Wonga blieb vor dem riesigen Thraker stehen, während Iulia Helena dem Patrizier in das Innere des Standes folgte, erst nach dem Schließen der vergitterten Türe erkennend, wie still es im Inneren dieses Schmuckladens eigentlich war. Ausser ihnen und dem Händler war niemand anwesend, ein seltsamer Moment der Intimität inmitten einr übervollen, belebten Stadt. Urplötzlich schoß ein Gefühl prickelnder Erregung durch ihren Körper, ließ sie unwillkürlich leicht erzittern, was sie durch ein Räuspern zu kompensieren versuchte.
    "Du hattest Recht, der Stand hier könnte Deinem Vermögen wirklich ausgesprochen gefährlich werden," sagte sie eilig und deutete auf einige sehr verspielt ziselierte Armreife, die im Augenblick der letzte Schrei der Mode für junge Frauen in Rom waren. "Daran dürfte sie sicher nicht vorbei gehen wollen, genausowenig wie an den Ohrringen." Sie zwang sich geradezu, in die Richtung des Tabletts zu blicken, auf welchem sie feine Ohrgehänge, ob nun mit oder ohne darin eingearbeitete Edelsteine, erkennen konnten. "Ich denke, die könnten Deinem Mündel sehr gut stehen ..."

  • Es musste sein Unterbewustsein gewesen sein, das ihn ihre Schritte in dieses Geschäft hatte lenken lassen, denn wäre ihm vor dem betreten des Ladens geahnt, welch ein Oase der Ruhe und Intimität hier herrschte, hätte er socher einen anderen Stand angesteuert. Nicht weil er nicht gerne mit Helena allein gewesen wäre, sondern gerade weil er es sich wieder wünschte, nur mit ihr zusammen zu sein, so wie neulich, als das Gewitter sie gezwungen hatte, schutz unter der Klippe zu suchen. Er wollte eigentlich diesen Wunsch für sich behalten nicht zu offen zeigen, doch nun hatte das Schicksal, seine Unterbewusstsein oder aber die Götter sie in diesen Laden geführt. Und auch wenn er nicht besonders erfahren im taxieren des Wertes von Schmuckstücken war, so konnte er doch erahnen, das schon die kleineren Stück hier, leicht in jene Preisregionen kommen kommrn könnten, welche er als oberes Limit für Calvinas Einkaufsbummel gesetzt hatte.
    Dicht stand er bei Helena, leicht versetzt, etwas hinter ihr, so dicht, wie es sich gerade noch geziemte, sein Blick folgte ihrem, einfach aus jenem Grund, das er sonst seinen Blick nicht von ihr hätte lössen können. Doch jeder seiner anderen Sinne sog ihre Gesellschaft in ihm auf.
    "Ich denke, die Ware dieses Händlers verstehen wirklich, die schönste Frau noch zu verschönern, " sagte er relativ leise, einfach weil es in dieser Umgebung, dieser Oase der Ruhe ihm angemessen erschien. Mit seinem linken Arm hinter ihrem Rücken, ohne das er sie wirklich berührte, führte er sie etwas dichter an das Tabelet heran, so das sie beide die die ausgestellten Stücke besser sehe und auch berühren konnten. Seine rechte Hande gltt über die ausgestellten Stücke, bis er ein Paar Ohrgehänge erreichte, äusserstfein gearbeitet aus reinem Gold und von schlichter, bestehchender Eleganz. "Wie gefällt dir dieses Paar, Helerna ?" fragte er, eines der beiden dabei auf der Innenseite seiner Handfläche etwas mehr ins Licht haltend, so das das Gold etwas mehr funkelte.


    Der Händler, der sich im Hintetgrund gehalten hatte und den Quaestor und seine Begleiterin beobachtet hatte, gehörte zu den besten und angesehensten der Stadt und er verstand es, genau zu erkennen, wie er vorgehen musste, damit er zu einem lohnenden Abschluss kam. Und wenn er sich nicht irrte, war hier ein langes Verkaufsgespräch genau das Falsche.
    "Werte Herr, Werte Dame, bitte seht euch alles an und sagt, wenn ihr meine Auskunft sucht. Ihr findet mich dort hinten, " sagte, in seinem untertänigsten Tonfall, während er auf den Vorhang zeigte, der zum Hinterzimmer führte.
    Nein, brauchte er nichts zu tun, etwas im Blick des Quaestors verriet seinem geschulten Auge vielleicht mehr als dem Quaestor selbst bewusst war. Innerlich lächelte der Händler, während er sich noch etwas weiter zurück zog und hinter dem Vorhang verschwand. Wenn es so lief wie er dachte, würde er heute etwas Geld verdienen, und in Zukunft noch viel mehr...

  • Der Klang seiner Stimme jagte ihr einen vagen Schauer über den Rücken, diese Wärme und Sanftheit, die seinen Worten sonst fern waren, beschworen umso deutlicher die Erinnerung an den Nachmittag am Strand von Ostia und die Berührung seiner Lippen auf den ihren herauf. Wie konnte ein Mann zwei so gegensätzliche Impulse in sich vereinen und sich dennoch treu bleiben? Aber sie konnte ihn dies schlecht fragen, ahnte sie doch, dass eine solche Frage sie mehr verraten hätte als alles andere - ihm verraten hätte, dass sie sich sehr wohl immer wieder Gedanken um ihn gemacht hatte, die nicht zwangsläufig nur freundschaftlicher Natur waren.
    "Sie gefallen mir sehr - ich bin mir sicher, Dein Mündel würde sich über eine solche kleine Aufmerksamkeit sehr freuen, wenn Du sie damit überrascht," sagte sie leise, sich seinem Tonfall anpassend. Die schummerige Atmosphäre des Schmuckstandes verlieh ihrem Gespräch einen seltsamen Hauch Intimität, als teilten sie ein Geheimnis, das vor den Augen der Welt verborgen werden musste - und doch, es bestand ein gewisser Abstand zwischen ihnen, nichts ehrenrühriges war bisher geschehen.


    Für einen Moment lang lehnte sich die Iulierin an seinen Arm, genoss die Gewissheit, dass er ihr sehr nahe stand, und nicht viel fehlte, dass sie sich umarmen konnten, aber dennoch - selbst wenn der Händler sich zurückgezogen hatte, wagte sie es nicht, sich ihm noch ein wenig mehr zu nähern.
    Bitte schenk mir nichts, flüsterte ihre Stimme im Inneren ihres Selbst. Es hätte nicht zu diesem Moment gepasst, ebensowenig zu dem, was zwischen ihnen war, denn das, was er ihr bisher geschenkt hatte, konnte man nicht mit Sesterzen bezahlen oder mit Gold aufwiegen. "Was meinst Du, sie wäre doch sicher auch von einer dazu passenden Kette angetan? Vielleicht suchst Du auch etwas für Deine Nichte aus, damit sich keine der jungen Frauen benachteiligt fühlt, wenn sie von der anderen erfährt, dass sie etwas geschenkt bekommen hat. Nichts ist schädlicher für einen Haushalt als das Gezänk junger Frauen," fügte sie noch an, als sei es sein Wunsch gewesen, hier etwas für seine Verwandten zu erstehen. An irgendeinem Thema musste sie sich festhalten, um sich nicht an ihm festzuhalten, und sie vermied es tunlichst, nicht zu ihm aufzublicken. Sein Geruch war so vertraut und nah in diesem Moment, dass sie eigentlich nur die Augen schließen müsste, um sich wieder zurück nach Ostia zu träumen.

  • Der Händler war weg, schoss es ihm durch den Kopf, sie waren allein, so wie in Ostia. Er bräuchte doch nur seinen linken Arm um sie legen, sie an sich ziehen und zu küssen. Es wäre wie in Ostia, fern von allen Konventionen, so einfach eigentlich. Doch sie war nicht irgendwer für ihn, nein, wenn es ihm um ein einfaches Vergnügen gehen würde, so wie mit der kleinen Diebin, hätte er keine Briefe nach Germanien geschickt. Und so tat er es nicht, so gross die Versuchung auch war, Helena in dier Arme zu schliessen.


    "Vielleicht sollte ich Calvina tatsächlich damit überraschen, und auch etwas für Minervina kaufen." Doch eigentlich hätte er gerade in diesem Moment lieber Helena mit Goldschmuck beschenkt hätte, doch das wäre nicht angemessen, vielleicht noch weniger als sie in seine Arme zu schliessen und zu küssen.


    Und dies nicht zu tun war wirklich schwer, spürte er ihre Nähe mit jeder Faser seines Körpers und gerade der Rückzug des Händlers und die gestiegene Intimität des Raumes steigerte diese Wahrnehmungen noch. So hielt er sich an dem Thema fest, das die sie voergeben hatte. "Noch gab es kaum gelegenheit für die beiden sich kennenzulernen, doch ich hoffe, das sie sich gut verstehen, Helena. Ich wüsste nicht, wie ich dem Gezänk der beiden Herr werden sollte. Zwei Runden um die Villa wären sicher falsch."


    Es war scherzend und dennoch ernst gemeint und zeugte auch von dem Vertrauen und der Vertrautheit, welche er zu ihr hatte, das sich auch ihn der Betonung ihres Namens wiederspiegelte. Sonst hätte er, der hunderte von Miles herum kommandierte, nie von seinen Befürchtungen erzählt, zwei junge Frauen nicht unter kontrolle zu halten.


    Mittlerweile hatte er das Ohrgehänge beseite gelegt, später würde er es dem Händler abkaufen und sein Blick und seine rechte Hand wanderte weiter über das Tablet mit seinen Präziosen, bis zu einem Paar Ohrringe, bei dem je eine weisse Perle in Gold gefasst war. Seine Hand legte sich auf den einen der Anhänger und hob ihn hoch, hielt ihn direkt vor sie.

    "Vielleicht wäre das richtig für Minervina ? Ich,...." Er stockte, konnte er das wirklich fragen ? Doch er fuhr fort, ".... würde gerne sehen, wie er sich direkt an einer Frau macht. Darf ich ihn dir... anlegen ?"
    Und wieder mal wünschte er sich in Helenas gegenwart, er hätte mehr von Lucius. Der hätte nicht stooternd gefragt, der hätte es einfach getan....

  • Warum konnte dieser Händler nicht einfach dabei bleiben und ihnen irgendwelche sinnlosen Dinge über Schmuckherstellung und die einzelnen Goldsorten erzählen, wie es seinesgleichen immer taten, wenn man sich in aller Ruhe den Schmuck ansehen wollte? Aber es schien, als hätten sich heute sowohl die Götter als auch die Händler gegen sie verschworen, und so blieben die beiden alleine im Inneren des Schmuckstandes zurück, allzu nah, allzu vertraut. Es hätte wohl nur noch ein Platzregen gefehlt, dann wäre die Erinnerung perfekt gewesen.


    "Ich bin mir sicher, sie würde sich über ein Geschenk vom Markt freuen, immerhin ist sie noch nicht lange hier und wenn ich das recht gesehen habe, übst Du ein recht strenges Regiment über sie aus. Ein Zeichen Deiner Zuneigung ist dann gewiss nicht verkehrt, um ihr zu offenbaren, dass die Strenge gut gemeint ist und nicht dazu gedacht, sie zu quälen - in diesem Alter gibt man viel auf die persönliche Freiheit. Als ich so alt war wie sie nun ist, konnte mich kaum etwas zuhause halten, man hat immer das Gefühl, man verpasst etwas, wenn man zuviel im Haus herum sitzt ..." Sie hatte damals auch der Ehe entfliehen wollen, mit der sie in jenem Alter nichts hatte anfangen können, aber darüber schwieg sie lieber. Manches wollte sie einfach nicht anschneiden, und seine Gegenwart war verwirrend genug.


    "Ich glaube, zwei junge Frauen aus gutem Haus zwei Runden um die Villa zu schicken würde den erzieherischen Sinn der Maßnahme etwas verfehlen - vor allem wären dann die jungen Männer Roms sicher aufmerksam genug, ihnen zu folgen," meinte sie lächelnd und folgte seinen Gesten mit ihrem Blick. Behutsam nahm er ein anderes Ohrgehänge auf und hob es empor, der schlichte, aber elegante Stil dieses Anhängers gefiel ihr fast noch besser als der erste. Doch als er seine Bitte äusserte, stockte auch ihr der Atem und sie hob den Kopf etwas an, ihn direkt anblickend, während sie kaum wagte, die eingeatmete Luft wieder zu entlassen. Er konnte doch nicht wirklich meinen ... oder doch? "Ich ... ja .. natürlich ... wenn Du meinst, Du siehst es dann besser?"


    Es klang zweifelnd, zaghaft nun, denn sie ahnte, was in ihrem Inneren für ein Aufruhr herrschen würde, wenn er sie auch nur zufällig, berührte. Sie drehte den Kopf sehr langsam und hob die Palla an, sodass er freie Sicht auf das durchstochene Ohrläppchen hatte, in welchem sie an diesem Tag keinen Schmuck trug. In der Curia verzichtete sie auf derlei Hinweise auf ihre Weiblichkeit meist, um nicht aufzufallen, immerhin war sie die einzige Frau unter lauter Männern. "Ich ..kann Dir auch kurz helfen .." Wie lahm ihre Worte klangen, aber die Aussicht, dass er gleich ihr Ohr berühren würde, beschleunigte den Herzschlag ungemein.

  • Als er sich vorstellte, wie er Minervina und Calvina um die Villa jagen würde, musste er leicht schmunzeln. "Es ist nur so schwierig. Vielleicht gerade weil sie nicht meine Tochter ist, sondern ich von ihrem Vater die Verantwortung übertragen bekommen habe. so stehe ich bei zwei Menschejn in der Verantwortung." Und er musste es zugeben, im Umgang mit Frauen, gerade jungen Frauen an der Schwelle zu erwachsen werden, hatte er kaum erfahrung. Er war einfach ein Soldat...


    ...und ein Soldat, der fast allein mit einer hübschen jungen Frau in dem Geschäft eines der besten Schmuckhändlers der Stadt stand. Er ahnte nur, wie gerissen dieser Händler war, wie es dieser verstand sich in die Lage seiner Kunden hineinzuversetzen und so seinen grössten nutzen daraus zu ziehen verstand. Schon jetzt hatte Tiberius Vitamalacus sich entschieden seiner Nichte und auch seinem Mündel eine kleine Aufmerksamkeit im Wert von einigen hundert Sesterzen zu kaufen, ganz ohne zu tun des Händlers. Und in Gedanken hatte er schon einige Stücke, welche er bei passender Gelegenheit nur zu gerne Helena schenken würde.


    Unweigerlich hielt er seinen Atem leicht an, als er auf die Antwort auf seine Frage wartet. In seinem Gesicht konnte man ein banges Hoffen erahnen, er blickte zu ihr herunter, blickte in ihr zauberndes Gesicht und spürte immer mehr das verlangen sich zu ihr heunter zu beugen und ihr einen sanften Kuss zu geben. Doch das durfte er nicht, sie waren nicht mehr am Strand von Ostia....


    So nickte er leicht, als sie die Motivation für seine Gründe nannte. Was auch immer sonst noch ihm dazu bewogen hatte, liess er offen. Vielleicht war es wirklich der einzige Grund, oder aber es war doch die Aussicht, bei dieser Gelegenheit noch etwas näher zu kommen. "Ich schaffe es schon," sagte er leise, schon fast flüsternd, obwohl er sich damit recht weit aus dem Fenster lehnte, er hatte schliesslich noch nie einer Frau einen Ohrschmuck angelegt. Doch er hatte es gesagt, und so musste er es tun und sich keinerlei Schwäche anmerken lassen.


    Zum Glück für, hatte er, ohne es wirklich mit Absicht getan zu haben, einen jener Anhänger gewählt, der keinen komplizierten Verschluss hatte. Vorsichtig machte er sich daran, den schlichten Perlenanhänger an ihr durchstossene Ohrläppchen zu hängen. Einen kurzen Moment zögerte er, es war ein gewühnliches Gefühl, weniger hatte er Angst das kleine Loch zu verfehlen, vielmehr das ihr dieses Anhängen irgendwie schmerzen bereiten könnte. Doch er verwarf diesen Gedanken, täglich legten tausende Frauen sich ihren Ohrschmuck an, oder liessen in sich anlegen.


    Mit ruhiger Hand schaffte er es, ihr den Ohrschmuck an zu legen und auch wenn er sich bemühte, ihr Ohr dabei so wenig wie möglich zu berühren, liess es sich nicht vermeiden und jede noch noch so kleine Berührung ihrer Haut liess kleine wohlige Schauer über seinen Rücken wandern. Er blickte zu ihr herunter, betrachtete sie einen Moment, seine Hand war immer noch dicht an ihrem Gesicht, es fehlte nur ein knappe Handbreit, dann würde seine Hand auf ihrer Wange liegen.


    "Wunderschön....." flüsterte er leise, wobei es durchklang, das er weniger den Ohrring meinte, als denn die Frau vor ihm.

  • "Ich bin mir sicher, Du wirst Dich des in Dich gesetzten Vertrauens als würdig erweisen - und was den Umgang mit jungen Frauen angeht, ist noch kein Meister jemals vom Himmel gefallen. Wenn Dich irgendwann etwas deswegen bedrücken sollte, werde ich Dir gern zur Seite stehen, so gut ich es vermag," meinte sie lächelnd und versuchte den Gedanken zur Seite zu drängen, dass der Umgang mit Livilla auch nicht unbedingt der leichteste war und sie sich oft genug eher hilflos fühlte - wie musste sich erst ein Soldat fühlen, dem das Leben in einem geregelten Haushalt mit vielen Mitgliedern fremd war und der den Gehorsam von Legionären gewöhnt war?


    Dennoch, die Gedanken an das, was sie in der Casa Iulia vielleicht an Schwierigkeiten erwarten würde, wenn sie zurückkehrte, wurde von dem Gefühl, real in einem Dilemma gefangen zu sein, aus dem sie sich nicht einmal befreien wollte, überlagert. Im Stand des Schmuckhändlers war es warm und sie konnte, wie schon am Strand zu Ostia, den Geruch des quaestors allzu deutlich wahrnehmen, so nah, als hielte er sie wie an jenem Nachmittag in den Armen.


    Unwillkürlich klopfte ihr Herz schneller, als er sich bemühte, ihr so schmerzfrei wie möglich die Ohrringe anzulegen, und nur ein einziges Mal zuckte sie leicht zusammen, als er das Loch des rechten Ohrs nicht sofort trag - im Dämmerlicht des Standes ohnehin ein rechtes Glücksspiel. Prickelnde Schauer liefen ihren Rücken herab, als seine Finger dabei ihr Ohrläppchen berührten, und sie musste sich eisern beherrschen, nicht leise dabei aufzuseufzen, hatten seine Finger doch eine Zartheit, die sie nicht erwartet hatte. Jede Frau, die sich ihm einmal hingeben würde, hatte in diesem Augenblick ihren grenzenlosen Neid auf ihrer Seite - und doch war sie nun mehr damit beschäftigt, sich aufrecht zu halten und zu wirken, als sei sie nicht zu sehr körperlich von seiner Nähe beeindruckt.


    Sie blickte still in den polierten Bronzespiegel, der für die Kunden bereitgestellt war, damit jene sich selbst mit den Schmuckstücken bewundern konnten, erkannte ihr und sein Gesicht, aber auch den Gesichtsausdruck des Tiberiers allzu genau. Langsam schluckte sie, wieder jagte der Klang seiner Stimme ihr ein Zittern über die Haut. "Danke," flüsterte sie kaum hörbar, während sich ihre Wangen röteten und sie versuchte, die empor brandende Verlegenheit zu verbergen. Die Hitze seiner Finger war deutlich auf ihrer Wange zu fühlen, auch wenn er sie nicht berührte und ohne selbst bewusst darüber nachgedacht zu haben, handelte sie und schmiegte vorsichtig, sehr behutsam, ihre Wange in seine Hand.

  • Allein ihre Äusserung, sie würde ihm mit Rat und Tat zur Seite stehen, erfreute ihn irgendwie mehr als viele andere Äusserungen die in letzter Zeit ihm gegenüber gemacht wurden, zeugte es doch davon, welch ein Vertrauensverhältnis mittlerweile, oder doch eigentlich von Anfang an, zwischen ihnen herrschte. Und es gab ihm auch die Hoffnung, sie würde seinem Werben später nicht besonders abgeneigt sein, war denn die Verbindung, welche er sich mit ihr wünschte, auch besonders eine des gegenseitigem Vertrauens. Und er vertraute ihr mehr als er jedem anderem Menschen in seinem Umfeld traute. Ihr konnte er offen seine Sorgen berichten, ohne Angst haben zu müssen, eine schwäche zu zeigen. Sich ihr zu Offenbaren und sich zu Öffnen war ihm vom ersten Augenblick leicht gefallen. Vielleicht war dies der Grund, warum er sich entschlossen hatte Briefe nach Germania zu schreiben und so um die Erlaubniss zu bitten um sie zu werben.


    Doch es war auch noch mehr, das er spürte, wenn sie in seiner Nähe war, etwas das er gerade jetzt, in dieser Oase der Ruhe in mitten der lauten und heissen Märkte der Stadt. Diese Sehnsucht danach, seine Arme um sie zu legen und sie einfach zu küssen. Und dieses Verlangen danach, nur mit ihr allein zu sein und mit allein die Nacht zu verbringen, mit ihr das zu erleben, was er mit LUciana für sich entdeckt hatte. Doch er wusste auch, das er noch lange darauf warten musste, wenn sie denn dazu bereit wäre, denn er schätzte und ehrte sie zu sehr um sich nur auf ein Abenteuer mit ihr einzulassen. Er würde stets ihre Ehre verteidigen und wenn dies gegen sich selbst zu kämpfen hiess.


    Auf seinen Lippen lag ein leichtes Lächeln, als er mit ihr in den Spiegel blickte und sein Lächeln zeugte davon, wie glücklich er in diesem Moment war. Ihm entging nicht, das sie seine Äusserung so verstand, wie sie gemeint war und er bereute es, das er nicht besser darin war, die Worte zu finden, welche ihre Schönheit richtig umschrieben. Doch vielleicht war es auch besser so, denn schon seine gelegentliche, ernste Komplimente schien sie zu berühren und er hoffte insgeheim, das sie sie nicht unangenehm berührten. So schwieg er, blickte zu ihr herunter, schenkte ihr ein Lächeln, das sein Kompliment in seiner Aufrichtigkeit einfach unterstützen sollte. Es war der Blick eines Mannes, der zu ein wunderschönen jungen Frau blickt, welche er aufrichtig bewundert und auch ehrte.


    Und dann, dann lag seine Hand plötzlich auf ihrer Wange, ohne genau zu wissen wie es passiert war. Zunächst dachte er, er habe seiner sehnsucht sie zu berühren nach geben, doch irgendwie war ihm dann eher, als das sie sich ihm etwas genähert hatte, jene kleine Lücke, die er noch zwischen ihnen gelassen hatte einfach überwunden. Doch egal wie es passiert war, das Result war dasselbe, er spürte ihre zarte, weiche Haut ihrer Wangen unter seinen Fingern und ganz leicht und zärtlich strich er darüber, sein Blick war dabei direkt in ihre Augen gerichtet. Er sagte nichts, jedes Wort wäre in diesem Moment fehl am Platz so schien es ihm. Stattdessen legte er ganz leicht und fast zaghaft seine linke Hand auf ihren Rücken, zog sie etwas dichter an sich, ohne dabei seine rechte von ihrer Wange zu nehmen oder seinen Blick von ihren Augen zu lösen.

  • Seine Hände waren so warm, eine Wärme, die sie lange nicht mehr gespürt hatte, und die sie seit damals zu vermissen wusste. Die Hände eines tätigen Mannes, vielleicht ein wenig rauh noch immer, was den Gebrauch des Schwertes und anderer Waffen verriet, doch sanft und sehr behutsam. Es fiel ihr schwer, in diesem Moment die Erinnerung an eine längst verlorene Vergangenheit zu unterdrücken und sich nicht einfach an ihn zu schmiegen, wie sie es früher einst bei Titus getan hatte, wenn er, noch nach den Anstrengungen der harten körperlichen Beanspruchung auf dem Feld riechend, geradewegs zu ihr gekommen war, um sie in seine Arme zu reißen und den Duft des Lebens und Überlebens wieder zu riechen und zu spüren. Und gleichzeitig war das, was sie nun fühlte, doch wieder etwas ganz neues und erstaunliches.


    Er war ein Freund, auf seine Weise ein Vertrauter, und sie wusste sehr genau, dass die Küsse vom Strand in Rom selbst keinen Platz hatten, keinen Platz haben durften, seines und ihres Rufes wegen. Wahrscheinlich würde er sich bald eine Gemahlin suchen, und dann würde sie erst recht Abstand halten müssen, um seinetwillen, damit keine Eifersucht eine junge Verbindung zerstören konnte - er hatte so sehr ein wenig stilles Glück verdient.
    Doch gleichzeitig gab es ein kleines Stimmchen in ihrem Inneren, das nicht verstehen wollte, nicht verstehen konnte, warum sie es war, die Abstand suchen sollte. Warum sie verzichten sollte, wenn er ihr doch gefiel. Bei Valerius Victor hatte sie verzichten müssen, hatte die Nähe zu ihm gemieden, so gut sie nur konnte, damit er nicht zum Ehebrecher würde, wie er es gesagt hatte, hatte ihr möglichstes getan, um diesen, seinen Entschluss ebenso irgendwie umzusetzen, aber es hatte ihr nur deutlicher vor Augen geführt, dass ihr Leben einsam war und dass sie sich etwas anderes wünschte als ein Bett, in dem nur sie selbst lag.


    Jetzt, da seine Hand sich behutsam über ihren Rücken bewegte und sie hielt, als würde er sie für eine halbe Ewigkeit so halten wollen, war der Gedanke daran, von ihm vielleicht wieder los gelassen zu werden, seltsam fremd und unwillkommen. Wahrscheinlich würde er mich für lüstern halten, wüsste er, woran ich denke, überlegte die Iulierin und lächelte recht zaghaft, den Blick zu ihm haltend, so gut sie es noch vermochte. Aber sie wusste, ahnte auch, dass das, was hier entstanden war, nur zum Teil mit einer Art Lüsternheit und dem Wunsch nach Nähe zu tun hatte.


    "Damit wird aus der Endlichkeit eine Unendlichkeit," flüsterte sie leise und hätte sich gleichzeitig dafür ohrfeigen können, dass sie nun anstatt etwas persönlichem etwas philosophisches sagte, aber genau so fühlte sie sich. Die Grenzen des Augenblicks verschwammen, die Zeit bewegte sich gleichzeitig schneller und doch langsamer, und noch immer blickten sie sich an, noch immer lag seine Hand warm und fast beschützend auf ihrer Wange. Ihre Augen schlossen sich halb, und ohne es sagen zu können, wünschte sie sich, der Nachmittag in Ostia würde sich jetzt, in diesem Stand, inmitten der geschäftigen Bewegung Roms, einfach nur wiederholen.

  • Er hatte insgeheim befürchtet, sie würde sich seinem Arm entziehen, den Abstand zwischen ihnen wieder vergrössern, doch nichts dergleichen passierte. Stattdessen schien sie diese Nähe genau so zu geniessen, wie er selbst, vielleicht verlangte es ihr nach dem gleichen nach dem es ihm verlangte. Er versuchte in ihren Blicken nach einer Antwort zu suchen, doch ihm fehlte die Erfahrung, die kleinen Zeichen in ihrem Blick richtig und sicher zu verstehen. Und er ertappte sich dabei, das er ihre Blicke mit jenen von Luciana verglich und eines war sicher, Lucianas Blick war direkter, fordernder gewesen. Doch, das sagte er sich gleich dahinter, Lucianas Absichten waren auch kaum verhüllt gewesen und die Umständen und der Ort waren auch gänzlich ander gewesen. Helena hätte er solches an diesem Ort nicht zugetraut.


    Warum hatte er nur noch keine Antwort aus Germanien ? Diese könnte alles so viel leichter machen. Wenn sie von seinen Absichten wüsste, dann wären die Fronten geklärt, vieles das so zwischen ihnen Stand einfach beseite gewischt. Wie sehr war er gerade jetzt versucht, an diesem Ort in diesem Moment ihr von seinen Absichten zu erzählen, wie sehr er sich gerade wünschte, sein weiteres Leben mit ihr zu teilen. Nicht nur vielleicht mal eine Nacht mit ihr zu verbingen, oder auch mehrere sondern eben jede Nacht, welche sein Dienst für das Imperium erlaubte. Und sie jederzeit so in den Armen zu halten, wenn er das bedürfniss danach spürte oder spürte, sie bräuchte diesen Halt. Warum erzählte er ihr nicht von seinen Absichten ? Nur wegen den Konventionen ? Ja,... Genau wegen diesen Konventionen war es.


    Doch warum liess er sie dann nicht los ? Sahen die KOnventionen es denn vor, das ein Mann eine Frau so fest im Arm hielt, wie er es gerade tat ? Sicher nicht, doch er wollte sie nicht los lassen. Wie schon am Strand von Ostia hatte sich, an einem Ort an dem man es nicht so erwarten konnte, ja nicht erwarten durfte, zwischen ihnen ein magischer Moment entwickelt. Sie waren wieder abseits der Konvention, nur sie und er, die Umgebung war vergessen, ihre Titel und Ränge waren vergessen. Sie waren nur eine Mann und eine Frau.


    "Auch wenn ich weiss, das jeder Moment endet, Helena, so wünschte ich doch, dieser Moment würde es nicht tun, und für die Unendlichkeit gäbe es nur mich und dich," antwortete er leise flüsternd, in diesem Satz immer noch seinen vernunft betonten Verstand aufweisend, dem manches philosophische fremd war und gleichzeitig seine grössten Sehnsüchte offenbarend.


    Immer noch ruhte seine rechte Hand auf ihrer Wange, berührte ihre zarte Haut sanft und sein linker arm zog sie noch etwas dichter an sich heran. Seine Sinne mochten zwar von ihrer Gegenwart benebelt sein, doch immer noch waren es die Sinne eines Soldaten, geschult in unzähligen Nachtwachen. Der Händler war nicht da und wenn, er war keine Sorge für ihn, denn ein Händler dieser Qualität musste wissen, was disrektion bedeutete. Und vor der Tür war alles Ruhig, niemand machte anstalten das Geschäft zu betreten. Diese Abwegen dauerte nur bruchteile eines Moments und er hatte seine Entscheidung gefällt. Wie schon am Strand von Ostia beugte er sich etwas zu ihr herunter, ganz dicht an ihr Gesicht, während seine Hand zärtlich über ihr Haar strich.


    "Ich darf doch ? " flüsterte er, fragend zwar im Ton, aber dennoch nicht auf eine Antwort wartend, denn fast zeitgleich legte er seine Lippen auf ihre. Und wenn sein erster Kuss in Ostia noch von beinahe ängstlicher Schüchternheit geprägt gewesen war, dieser zeugte von grosser Entschlossenheit.

  • Es klang so ... unsoldatisch. Un-tribunisch. Un- ... wenn sie gewusst hätte, wie sie die Gedanken dieses Momentes in Worte packen konnte, dann hätte sie vielleicht erwogen, diese Augenblicke in eine Ode einzubetten, aber so war und blieb sie nur eine Frau, die zwischen ihren Erinnerungen und Gefühlen hin- und hergerissen war. Zwischen Konventionen, die ihr befahlen, den notwendigen Abstand zwischen sich und ihm wieder einzunehmen, denn wenn sie selbst schon nicht ehrenhaft lebte, wie konnte sie es dann von anderen erwarten? Doch auch ein anderer Teil ihres Selbst begehrte Aufmerksamkeit und Beachtung, denn diese leise Stimme flüsterte ihr beständig ein, dass sie ihre Pflicht erfüllt hatte, dass es nichts Falsches daran gab, ihm so nahe zu sein, denn sie hatten beide geheiratet, ohne es zu wollen, beide sich diesen Ehen ergeben und nun durch einen Zufall zueinander gefunden, um ... ja, um was eigentlich zu tun? War sie hier auf dem besten Weg zu einer Affaire mit einem Patrizier? Aber würde sie es verwinden können, würde er sie ebenso zurückweisen wie Valerius Victor?


    Dass er vor dem Kuss fragte, und dann gleich handelte, überraschte sie, schien er doch in Ostia etwas vorsichtiger gewesen zu sein, fast schüchterner - und nun handelte er entschlossen, wie ein Mann, der wusste, was er wollte und dass er es in diesem Augenblick wollte. Inmitten eines Schmuckstandes. Selbst seine Lippen schmeckten ein wenig anders als an jenem Tag im Gewitterregen, ein wenig mehr nach ihm selbst, durch die Hitze Roms hervorgelockt, ein vages Echo von Wein, der vielleicht zu seinem Mittagsmahl gehört hatte, und vollkommen dann nach dem, was sie in Erinnerung behalten hatte. Langsam schlossen sich ihre Augen und so gab sich die Iulierin dieser Berührung einfach nur hin, genoss die Nähe zu ihm und auch das Gefühl, von seinen Armen gehalten zu werden, ohne sich dabei unangenehm zu fühlen. Es schien einfach nur richtig zu sein, wie es war, und sie wollte nicht über ihre Zukunft nachdenken. Dass es für sie und ihn ohnehin keine gab, war ihr so klar wie vieles andere auch, zwischen Patriziern und Plebejern waren Verbindungen selten, und er hatte immer wie ein Mann gewirkt, dem das öffentliche Ansehen seiner gens durchaus wichtig war. Würde sie eine verborgene Verbindung mit ihm haben wollen oder können? Aber dieser Gedanke ging in seinem Kuss unter, ebenso wie die Sorge, entdeckt zu werden - in seiner Nähe schien ihr einfach nichts geschehen zu können.


    Eine ihrer Hände legte sich um seine Tallie, dann berührten beider Körper einander, sie schmiegte sich sanft an seinen Leib an, ohne sich darüber noch irgendeinen Gedanken zu machen, ob es nun schicklich sei oder nicht. Es war einfach in diesem Augenblick passend, es musste sein, und sie wollte ihn auch nahe fühlen, die Wärme seiner Haut unter der Tunika, diese Ahnung eines trainierten, kräftigen Leibes, der sie halten würde, wenn sie es wollte, der sie schützen konnte, wenn es notwendig war. Ihre Nasenflügel bebten ein klein wenig, als sie einatmete, seinen Geruch tief in ihr Innerstes aufsog, um sich den Moment so tief wie möglich einzubrennen - dann öffnete sie die Augen, blickte ihm entgehen und löste ihre Lippen behutsam von den seinen, einfach nur schweigend sein Gesicht betrachtend. Es war schön und gleichzeitig verwirrend, eine Mischung, die sich auch im Flackern der Augen wiederspiegelte. "Ja, Du darfst," flüsterte sie leise, eine Antwort gebend, die im Grunde sinnloswar.

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