Vor der niedergebrannten Taverne

  • Prolog: Es war ein gigantischer Anblick und zugleich auch beklemmend. Eine große Taverne ist niedergebrannt und das wohl kurz vor meiner Ankunft. Die erste Erkundung habe ich am Tage zuvor gemacht, und das auch nicht allein. Nun habe ich mich wieder aufgemacht und stehe vor diesen Trümmern. Und noch ahnte ich nicht, welche Art von Gebäude und Gewerbe hier einmal standen, ehe der Zorn der Götter es vernichtete...


    Etwas ratlos stand Aquilia vor der großen Vernichtung. Einerseits war sie wie gebannt von diesem Anblick. Sie hatte noch nie einen größeren Brand gesehen, denn maximal eine kleine Gerätehütte brannte in ihrer Nähe ab. Die Götter mussten sehr gnädig gewesen sein, dass dieser Brand sich nicht verbreitet hatte. Es hätte eine verheerende Wirkung für Mogontiacum gehabt und sicherlich viele Gebäude zerstört. Es waren viele Gedanken, die dieser Anblick mit sich zog, doch am meisten beschäftigte sie, wieviele Leute wohl den lodernden Flammen zum Opfer gefallen sein mochten. Ob Kinder darunter waren?
    "Entschuldigung.. Kannst Du mir vielleicht sagen, was hier vorgefallen ist?" wandte sie sich an einen nahestehenden, jungen Mann. Doch sie ließ ihren Blick nicht lange auf ihm ruhen, sondern blickte sogleich wieder auf den Trümmerhaufen. Nicht auszudenken, welche Schmerzen die Insassen durchlitten haben mussten, sofern sich welche nicht aus dem Brand hatten erretten können. Sie hatte die Arme vor dem Bauch verschränkt und rieb sich nun schaudernd die Oberarme. Sie mochte diese Gedanken nicht, die immer automatisch an ein tragisches Ereignis gebunden waren.
    UNd sie selbst sah beinahe so aus, als habe sie zitternderweise ebenfalls vor dem Brand gestanden, wann auch immer dieser tobte. Sie wirkte blass und ihr Haar umrahmte nicht eben kraftvoll ihr schmales Gesicht. Leichte Ringe lagen unter ihren Augen. Schuld daran war, wie konnte es auch anders sein, dieser Alte, der unter ihr wohnte. Er schien keinen Schlaf zu brauchen oder konnte es sich wohl leisten, diesen am Tage nachzuholen.

  • Er hätte sich einen Sklaven zur Begleitung mitnehmen können, aber momentan waren ihm diese Anhängsel nur lästig. Zwar musste er sich so den Weg zur Taberna Silva Nigra erfragen, was zweifelsohne zwischenzeitlich auch kein reines Zuckerschlecken war, aber schließlich war er dort angekommen, wo er sich hatte hin verirren wollen, indem er einfach seiner Nase gefolgt war. Schon von Fern nahm er nämlich einen süßlich verbrannten Geruch wahr, der immer gegenwärtiger wurde, je näher er den Überresten eines ehemals gut besuchten Hauses kam.


    Schließlich stand er vor dem kohleschwarzen Trümmerhaufen, stemmte die Arme in die Seiten und besah sich das vernichtete Terrain mit einer Art Fassungslosigkeit, die beinahe schon wieder einer Bewunderung gleichkam. Rechts und links neben der Mahnstatt standen die Häuser weitestgehend unversehrt als stumme Zeugen einer rohen Gewalt, die gut und gerne ein Viertel Mogontiacums hätte plattwalzen können.


    "Es heißt, ein Neffe des Tavernenbesitzers habe das Feuer gelegt, weil dessen Sohn eine Frau geheiratet hat, die eigentlich dem Neffen versprochen war. Und der ist darüber hinaus so wild geworden, dass er zur Abendzeit des dritten Tages vor heute mit einer Fackel in der Hand die Taverne gestürmt war, sich mit dem Tavernenbesitzer in der Culina eingesperrt hat und ihn bedroht hat, er würde Feuer legen, wenn er ihm nicht das Verpsrechen geben würde, dass die Frau an ihn ging. Dummer Hund. Natürlich hat der Tavernenbesitzer sich nicht so leicht weichklopfen lassen wollen, er mochte diesen Neffen eh nie. Dann kam es zu einem Handgemenge und gerade, als die beiden die Streitigkeit beilegen wollten, fiel die Fackel zu Boden, riss einen Kübel voll Öl um und ehe sie sich versahen, brannte alles um sie herum lichterloh. Sie v versuchten der Feuerhölle zu entgehen, doch die Tür war verriegelt und gab nicht nach, ganz egal, wie sehr sie sich zusammen dagegen schmissen. Und dann... als die Luft so dünn und heiß geworden war, dass ihnen die Lungen barsten, sahen sie dem Tod ins Gesicht. Zuerst griffen die Flammen nach ihnen, dann brach das Dach ein und begrub sie unter sich."


    Diese Geschichte erzählte ein zahnloser Alter einer Schar von Kindern, die ihm zu seinen Füßen auf der Straße saßen und gebannt zuhörten, was er noch so an grausamen Details zu enthüllen wusste. Maximian schnappte das auf, weil er in der Nähe des Geschichtenerzählers stand und schüttelte lächelnd den Kopf. Er wusste nicht, wer wegen solcher Geschichten mehr zu bemitleiden war. Die Kinder, der Erzähler oder der Brandstifter an sich, den keiner kannte.
    Natürlich rankten sich bereits einige Versionen von Geschichten um diesen Brand, aber es war das übliche Gerede alter Frauen und blinder Greise, nicht mehr als Gerüchte und Märchen. Maximian glaubte keiner der Geschichten, zumal sein Vater mit am besten über diesen Brand Bescheid wusste.


    Er ging ein paar Schritte und besah sich die Trümmer aus einer anderen Perspektive, da wurde er gefragt, ob er wüsste, was hier geschehen sei. Zuerst wusste er nicht, ob wirklich er gemeint war und so sah er sich nach allen Seiten um. Außer ihm stand hier aber gerade keiner, den die junge Frau angesprochen haben könnte. Also war wohl er gemeint.


    "Das weiß keiner so genau, glaube ich. Die Taverne brannte vor drei Tagen völlig aus. Niemand möchte etwas gesehen zu haben. Sie brannte einfach aus."
    Er hatte schon wieder die Arme vor der Brust verschränkt, zuckte mit den Schultern und sah mit zusammengezogenen Brauen einigen Kindern zu, die in Trümmern spielten, die das Feuer auf die Straße gespien hatte. Vor einigen Jahren noch wäre er sicher eines von ihnen gewesen.

  • Als sie seine Worte hörte, nickte sie nur leicht. Ihr Blick verriet deutlich, dass sie bestürzt darüber war, zu hören, dass dies sogar eine Taverne gewesen sei. Demnach mussten noch mehr Menschen als in einem Wohnhaus in ihr gewesen sein. Es war fast unmöglich, dass bei einer solchen Masse keiner dem Feuer zum Opfer gefallen ist. Allein das stürzende Gebälk mochte manche Männer unter sich begraben haben um sie zur letzten Ruhe zu betten. Wieder war es, als fuhr ihr jemand mit einem Stück Eis den Rücken hinunter und ein sichtliches Schauern durchfuhr ihren Körper.
    "Kaum vorstellbar." gab sie ihren Unglauben preis und schüttelte den Kopf. Irgendjemand musste doch etwas gesehen haben. Ein Haus brannte nicht einfach ab, ohne dass die umliegende Bevölkerung etwas bemerkte. Selbst eine Schlägerei in dunklen Gassen fand immer irgendwelche aufmerksamen Bürger, die sich wichtig machen wollte. Und hier wollte niemand bemerkt haben, ob jemand vielleicht Feuer gelegt hatte? Niemand machte sich wichtig damit, dass er irgendwelche Verschwörungen gesehen haben wollte? Als sie wieder zu dem jungen Mann hinsah, fiel ihr erst der Senatorenstreifen auf und es mochte wirken, als würde sie noch eine Spur blasser. Für sie war diese Schicht etwas unerreichbares und gesprochen hatte sie ihren Lebtag weder mit Senator noch mit anderen Honoratores. Etwas länger als gewollt sah sie auf diese Auszeichnung und wunderte sich sogleich, dass er sie nicht ignoriert hatte, sondern ihre Frage beantwortete. Und genauso sehr fragte sie sich, wo denn all seine Leibwächter stecken mochten. Ihr Vater hatte ihr immer die unmöglichsten Geschichten erzählt, die ihr aber glaubwürdig vorkamen.
    "Ist... schon etwas über Opfer bekannt?" fragte sie mit stockender Stimme um nicht gänzlich wie ein junges Huhn vom Lande zu wirken. Sogleich kam ein wenig Ärgernis darüber auf, dass sie nicht sein Amt genannt hatte, doch das würde sie sich für die nächste Anrede seiner Person vornehmen. Nun folgte sie auch seinem Blick zu den spielenden Kindern und fast wünschte sie sich, sie hätte wieder ein kindliches Bewusstsein. Als Kind scherte man sich nicht um die Folgen eines Brandes, man erfreute sich einfach einer Abwechslung die in einer langweiligen Stadt wie Mogontiacum vorfiel. Und niemand konnte ihnen einen Vorwurf daraus machen, denn für die meisten Kinder mochte das Leben wirklich trist sein.

  • Maximian nickte. Er fand es ebenfalls äußerst bemerkenswert, dass scheinbar niemand genau wusste, was vorgefallen war. Andernfalls hätte man die Bevölkerung doch sicherlich schon über die Ursachen für solch einen Brand aufgeklärt, schließlich war eine Einrichtung getroffen worden, die für die Bewohner und Gäste Mogontiacums fungiert hatte.


    Da er nichts sinnvolles zu erwidern wusste, schwieg Maximian und überflog weiterhin die Trümmer, als würde er, gerade zum Manne erklärt, irgendetwas von solchen Trümmern verstehen. Tatsächlich aber stachelte es seine Neugier an und seine Abenteuerlust.
    Er fragte sich, ob der Tavernenbesitzer vielleicht einen Schuldenberg hatte und die Taverne eventuell in Brand gesetzt hatte, damit er ungesehen verschwinden konnte. Oder ob dieser hier vielleicht nur der Auftakt zu einer Serie von mysteriösen Bränden in Mogontiacum sein würde, die die Zuständigen in den kommenden Wochen um ihren Verstand bringen würde.


    Erst, nachdem die junge Frau die Beobachtung verdaut hatte, dass ihr Nebenmann dem Senatorenstand angehörte, regten sich Maximians Mundwinkel wieder ein bisschen, denn er lächelte vor Amüsement über seine Fantasien, die ja so weit hergeholt waren. Vielleicht sollte er ja Geschichtenschreiber und nicht Soldat werden.


    "Soweit ich weiß, gab es niemanden, der dem Feuer zum Opfer fiel, außer dieser Taverne", antwortete Maximian der jungen Frau und sah sie schließlich einmal richtig an. Sie wirkte müde, betreten und ein wenig heruntergekommen auf ihn. Hatte sie vielleicht etwas mit dem Brand zu tun? Hatte sie vielleicht jemanden in dieser Nacht verloren? Nachdenklich musterte er sie.
    "Wieso fragst du mich das?"

  • De Erleichterung kam wie ein angenehmer Fluss von warmen Wasser über den gefrorenen Leib und auch wenn sie die Menschen hier nicht kannte, war sie doch froh, dass niemand sein Leben lassen musste. Es war immer traurig, wenn Menschen ihr Leben nicht beenden durften, wie es eigentlich vorgesehen war: Im Bett und neben sich die liebsten Menschen, die einen den Weg durch ihr Beisein erleichterten. Sie selbst hatte das zweifelhafte Privileg, am Totenbett ihres Vaters sitzen zu müssen und auch wenn sie selbst vor Verzweiflung beinahe wahnsinnig geworden war, sie wusste, dass es ihm eine Erleichterung war, dem Tod nicht allein ins Antlitz blicken zu müssen.
    "Das ist gut!" meinte sie mit freundlicher Stimme, die allerdings zeigte, dass sie auch ein wenig abwesend war. Sie klang, als würde sie noch immer nachdenken und nicht mit Geist und Körper ihre Worte geformt haben. Sie seufzte leise, als sie allerdings seiner Frage gewahr wurde und sich wieder ihm zuwandte, dabei allerdings den Kopf ganz leicht schüttelte.
    "Ich fragte nur so. Ich bin froh, dass nichts schlimmeres geschehen ist, denn ein Leben kann man nicht so einfach ersetzen wie ein Gebäude. Es hätte mir sonst nur sehr um die Hinterbliebenen Leid getan, auch wenn ich damit nicht ihren Schmerz lindern könnte." erklärte sie den Beweggrund für ihre Frage und rang sich nun doch zu einem ganz schwachen, aber eigentlich freudlosen Lächeln durch. Kurz pressten sich ihre Lider zusammen und es wirkte ganz so, als würde sie mühsam das Gähnen unterdrücken, was sich tatsächlich erdreistete, laut werden zu wollen. Auch ihr Kiefer spannte sich an, weil sie die Zähne fest aufeinanderpressen musste, um nicht unhöflicherweise den Mund aufzureißen.
    "Was führt dich hierher, Senator? Bist Du von der Stadt?" fragte sie ihn anblinzelnd. Eine leichte Träne hatte sich aus dem Auge geschlichen, wie immer wenn sie gähnen musste und verstohlen wischte sie sich diese rasch fort. Immerhin sprach sie ihn nun gemäß seines Standes an und bei der nächstbesten, geeigneten Möglichkeit würde sie sich davonstehlen. Gewiss fühlte er sich durch ihr 'nichtsnutziges' Dasein schon belästigt. Ihr Vater hätte sie vermutlich schon längst woanders hingezerrt, wenn er nun ebenfalls hier wäre.

  • Den Worten der jungen Frau folgend, stellte Maximian sich die Frage, ob er jemals so umsichtig gedacht hatte oder es jemals würde. Ihm wäre zumindest in dieser Situation nicht in den Sinn gekommen, irgendwelche Hinterbliebene, gäbe es denn welche, zu bemitleiden. Es waren doch nur Fremde und so viele Menschen gaben täglich ihr Leben.


    Er antwortete nicht, weil er auch hier nichts Gescheites anzufügen wusste und mit seiner möglicherweise wenig umsichtigen Art nicht respektlos erscheinen wollte. Dann jedoch sie ihn mit Senator an und Maximian schmunzelte der ärmlich erscheinenden Figur zu. Das allein war eine Regung, die man bei vielen anderen Söhnen von Senatoren nicht erwartet hätte.


    "Ich bin kein Senator. Ich bin der Sohn eines solchen. Für ein Amt solcher Würden bin ich noch viel zu jung.", antwortete er mit einem gutmütigen Lächeln und schüttelte dann sparsam den Kopf. "Und ich bin auch nur einer von vielen Schaulustigen, die Neugier ist uns gemein."


    Vor Wochen noch ein Bündel quirliger Flöhe, stand er heuer kerzengerade und vermittelte stets den Eindruck, dass er über den Dingen stand und sich durchaus mit seinem neuen Leben, seinen Pflichten und Möglichkeiten, befasste. Und dennoch kam er nicht hochnäsig rüber, einfach weil es seinen charakterlichen Wesenszügen nicht entsprochen hätte.
    Lag es vielleicht an dieser Stadt oder gar am Land? Hispania war anders, farbenfroher und temperamentvoller bestimmt, lebhafter vielleicht.


    "Und du? Wohnst du in einem der umliegenden Häuser?", fragte er einfach so, weil sie gut und gern danach aussah, als hätte sie die letzten Nächte wegen der drohenden Gefahr des Feuers kein Auge zugetan.

  • Sie fing sein Schmunzeln auf und ließ ihrerseits ein schwächliches Lächeln erkennen, was bei Erheben seiner Stimme aber einem eher interessierten Blick wich. Man konnte nicht sagen, dass sie vor Neugierde zersprang, doch es war höfliches Interesse. Gleich ob nun er oder sien Vater Senator war, sie würde ihm den gleichen Respekt zukommen lassen müssen, wie auch seinem Vater. Aber der Umstand, dass er Senator war, machte ihr auch deutlich, dass sie in ihm schon einmal keine dauerhafte Freundschaft würde finden können. Sie war einfachster Pleb und sie wusste auch nichts von Senatoren und Praetorianern in ihre Familie, da sie diesen Zweig einfach nicht kannte. Sie konnte nur bis zu ihrem Großvater zurückdenken und nicht einmal den kannte sie persönlich. Nur ihre Eltern.
    "Ja, Schaulust treibt wohl die meisten hierher. Bei mir war es eher ein Zufall, ich bin erst vor kurzem in Mogontiacum angekommen. Genauer gesagt - vorgestern. Und heute wollte ich mich in meiner neuen Heimat einmal umschauen." gab sie als Erklärung zm Besten. Dann schwenkte sie den Blick einmal in eine gänzlich andere Richtung, und zwar nach oben. Sie betrachtete den blauen und nur mit Schäfchenwolken bedeckten Himmel. Es würde ein schöner Tag werden und möglicherweise würde sie sich auch einmal außerhalb von Mogontiacum bewegen. Wenn es nicht zu weit von hier war.
    "Nein. Es ist auch nicht allzu fern, aber in unmittelbarer Umgebung liegt die Insula nicht." verneinte sie seine Frage mit gebührendem Respekt in der Stimme. Die Scheu vor ihm war deutlich in ihrer leicht schutzsuchenden Haltung verankert, die sie angenommen hatte. Zwar gab sie sich keine Mühe, sich großartig vor ihm zu verstellen, aber ganz konnte sie nicht so tun als ob sie den latus clavus nicht gesehen hätte. Kurz haderte sie mit sich. Sie wusste nicht, warum er die Frage gestellt hatte und deutete sie somit so, als habe er aus reiner Höflichkeit gefragt, um das Gespräch nicht verebbben zu lassen.
    "Und du? Wohnst du auch hier in der Nähe?" fragte sie mit leichtem Unbehagen in den Gedanken und für den sehr aufmerksamen Zuhörer auch in der Stimme. Für gewöhnlich war sie eine recht selbstbewusste Frau, aber die unbekannte Gegend, der unbekannte Mann und die Taverne, die sie einmal war, veränderten sie. Zwar nur für diesen Moment, aber deutlich.


    Sim-Off:

    Verzeih bitte., dass ich erst heute wieder schreiben kann.

  • Sim-Off:

    Macht rein gar nichts. Ich freue mich aber, dass es nun weitergeht! :)


    Soso, dann war sie also wie er ein Neuling in der Stadt. Gut, Maximian lebte bereits ein paar Wochen hier, aber er fühlte sich immer noch neu. Oftmals hatte er gesagt, dass er sich nur wenig zuhause fühlen konnte, hier in Germanien, wo es so viel an einem Tag regnete, wie in Hispania im ganzen Jahr, wo der Boden abseits der Straßen nur allzu häufig die reinste Pampe ist, wo die Temperaturen, so hatte er sich zumindest sagen lassen, eisig werden konnten.


    Maximian beobachtete die junge Frau unauffällig. Ihre Haltung und der Tonfall ihrer Stimme zeigten ihm deutlich, dass sie sich unbehaglich fühlte. Wahrscheinlich hatte sie im Leben noch nicht mit einem aus dem Senatorenstand respondiert und zeigte nun von ganz allein demütiges Verhalten, nur um dem gehobenen Mann nicht zu nahe zu treten.
    Er holte tief Luft und sah in die Gesichter vieler Umstehender. Die meisten von ihnen waren einfachstes Volk, so wie er vor etwas mehr als einem Jahr es auch noch gewesen war.


    In Erwartung, sie würde sich sogleich davonstehlen, machte auch Maximian Pläne, wieder heim zu gehen. Da jedoch fragte sie ihn, wo er lebte. Überrascht aber nicht unfreundlich wandte er ihr wieder seinen Kopf zu.


    "Ja", antwortete er und sah kurz an ihr vorbei in die Richtung, in der das riesige Gebäude der Regia zu erkennen war, "ich wohne ebenfalls unweit von hier. Von jenem Haus aus war die riesige Rauchsäule nicht zu übersehen, also musste ich früher oder später hierher kommen und es mir aus der Nähe ansehen."


    Er lächelte und versuchte der jungen Frau somit einen Teil ihrer Reserviertheit ihm gegenüber aufzuwärmen. Hätte er nun auch noch erwähnt, dass er der Sohn des gegenwärtigen Statthalters war, wäre sie wohl eher geflüchtet, als sich entspannen zu können. Ohnehin wussten eh so viele, wer er war, dass er es genoss einmal weniger gleich erkannt worden zu sein.
    Sie sprach anders. Ihr Latein war gut, aber es hatte einen anderen Ton als das der Römer. Sicherlich war sie germanischen Ursprungs. Er fragte sich, ob man ihm auch anhörte, dass er nicht aus Italia kam. Aber dann erschien es ihm eher unwahrscheinlich, zumal er nie eine andere Sprache gesprochen hatte, als eben Latein.


    "Von wo bist du hinzu gezogen?", fragte er, weil es ihn interessierte, was wohl auch daraus resultierte, dass er gar nicht gewusst hätte, was er gerade anderes hätte tun können. So, wie er das Du betonte, konnte man sich beinahe schon denken, dass auch er nicht von hier war.

  • Sie fand es nicht überaus wohlerzogen, wenn man sich den Ort des Geschehens aus reiner Neugierde betrachtete, doch es war verständlich. Menschen waren so ausgelegt und auch wenn sie sich das nur selbst sehr ungern eingestand, hatte auch sie schon öfer zugesehen ohne viel zu helfen. So konnte sie ihm kaum einen stillen Vorwurf aus seiner Neugierde machen - wenngleich sie es dennoch nicht schätzte. Gleichzeitig begann sie sich zu fragen, warum sie ihm eine schlechte Eigenschaft zuschreiben wollte. War es vielleicht, dass sie an den Reichen einen Makel sehen wollte, den sie bei ihresgleichen jederzeit bemerkte?
    "Ich bin in Bonna aufgewachsen. Dort habe ich auch bis vor kurzem gelebt. Erst mit dem Tod meines Vaters konnte ich mir mein dortiges Leben nicht mehr leisten und musste fort, um Arbeit zu finden." schilderte sie möglichst objektiv die Geschehnisse der letzten Zeit. Sie hatten ihr ganzes Leben umgeworfen und verändert, aber er musste nicht sehen wie es in ihrem Inneren aussah. Sie zweifelte zwar an, dass ein Reicher irgendeinen Nutzen aus ihr ziehen konnte, aber mittlerweile sprach sie ohnehin nicht mehr mit großer Sentimentalität. Es war stets gefährlich, zuviel von sich zu offenbaren.
    "Du bist aber auch nicht von hier, oder?" fragte sie mit einem leichten Lächeln. Das war ihr weniger wegen seiner Stimme aufgefallen, denn an seinem dunklen Hautton. In Germanien waren die meisten Menschen blasser als woanders. Sie hatte schon häufig Menschen aus Italia und Hispania gesehen und sie alle wirkten eher bronzen denn weiß. Sie hatte zwar auch einen etwas dunkleren Teint, war gesamt gesehen aber eher blass. Die leichte Farbe hatte sie noch von ihren Eltern geerbt.

  • Bonna. Maximian überlegte, ob er diesen Namen schon einmal gehört hatte. Er glaubte schon, allerdings hatte er keinen blassen Schimmer, wo dieser Ort liegen mochte. Er würde sich wohl oder übel doch mal mit der germanischen Geografie befassen müssen.
    Aufmerksam war sein Blick trotz dieser Gedanken. Sein Gegenüber verstand es gut sich nicht anmerken zu lassen, dass es innerlich nicht halb so geordnet war, wie es nach Außen hin den Anschein hatte. Er reimte sich dennoch zusammen, dass diese junge Frau wohl plötzlich ganz allein auf sich gestellt war und deshalb nach Mogontiacum gekommen. Sie konte dort, wo sie bislang gelebt hatte, nicht allein für sich sorgen, aus welchen Gründen auch immer. Hm. Hatte sie denn nicht Familie? Die meisten römischen Familien waren doch sehr groß... Es wunderte ihn, dass sie nicht gesagt hatte, sie wäre auf der Suche nach dem und dem.


    Eine Frage und ein kleines Lächeln ließen Maximian seine Gedanken hinten anstellen. Dann lächelte auch er leicht und nahm einen Arm aus der Verschränkung, um sich hinterm Ohrläppchen zu jucken, obwohl es da gar nicht kratzte.
    "Nein. Ich komme aus Hispania und bin hier... ehm... weil mein Vater beruflich hier zu tun hat.", umschrieb er und grinste ein wenig schief, dann wechselte er das Standbein und runzelte die Strirn.


    "Und? Hast du schon eine Arbeit für dich gefunden?"

  • Sie musterte ihn vermutlich nicht minder aufmerksam als er sie. Langsam fiel auch die Scheu zu einem kleinen Teil von ihr ab und ließ sie freundlicher und offener erscheinen. Zwar war sie noch immer, natürlicherweise, stark auf Distanz, aber das offene Misstrauen schwand. Sogar ein leichtes Lächeln rang sie sich ab. Auch wenn die Schaulust ihn hierher getrieben hatte, schien er nett zu sein.
    "Aus Hispania?" fragte sie neugierig, ließ weitere Forderungen allerdings aus. Er würde schon verstehen, dass sie sich für diesen Landstrich interessierte und so brauchte er nur reden, wenn er wollte. Sie wollte nicht zu neugierig erscheinen. das lag zum einen gar nicht in ihrer Natur das Leben anzugehen, zum Anderen mochte ein Reicher auch schnell missstimmt sein und das wollte sie nun doch nicht riskieren. Nur... warum eigentlich nicht?
    "Nein, noch habe ich nichts gefunden. Zwei Tage sind ein zu kurzer Zeitraum. Ich muss mich erst einmal mit der Stadt anfreunden. Ein wenig Kapital habe ich aus Bonna mitbringen können. Das muss erst einmal für Unterkunft und Verpflegung reichen." erklärte sie. Doch in ihren Gedanken suchte sie nach Bildern, die sie sich selbst ausgemalt hatte, als man ihr von den südlicheren Gegenden erzählt hatte. In ihrer Fantasie waren sie beinahe so trocken wie eine Wüste, doch hatte sie ja auch noch keine Möglichkeit gehabt, sich ein richtiges Bild zu schaffen.
    "Wollen wir vielleicht.. von hier fortgehen?" schlug sie mit einem etwas beklemmten Seitenblick zur ausgebrannten Taverne hin vor. Sie fand es nicht besonders schicklich an einem solchen Ort ein solches Gespräch zu führen. Eigentlich wollte sie auch die Erkundung fortsetzen, aber zu fragen ob sie sich nicht einmal wiedersehen wollten, getraute sie sich nicht. Warum sollte sie es auch. Man begegnete häufig Menschen, sprach mit ihnen und sah sie nicht wieder. So eine Begegnung würde auch diese sein. Mit der besser gestellten Gesellschaft hatte sie nichts zu tun und wenn sich ihrer beider Wege trennten, trennten sie sich sicherlich für länger.

  • Maximian schmunzelte. Hispania war ein schönes Land, wie er fand, und er fühlte sich geschmeichelt, wenn jemand nachfragte und wissen wollte, wie es dort war. Manchmal überlegte er, ob er regelrecht in Schwärmerei ausbrechen sollte, wenn er über seine Heimat sprach, doch meist war er dafür in unpassender Gesellschaft. Man hätte ihn unschwer als Trottel abgetan und das wollte er eigentlich vermeiden.


    "Hispania.", sagte er noch einmal und räusperte sich, während er sich an die Interpretation ihrer neugierigen Frage machte. "Ich nehme an, du hast es noch nicht mit den eigenen Augen gesehen?"
    Er wollte nicht gleich drauf los plaudern, deshalb glich die Gegenfrage wohl eher dem Abstecken des Interesses seines Gegenübers.


    Dann lauschte er, als sie ihm antwortete, dass sie natürlich noch keine Beschäftigung gefunden hatte und immer noch im Begriff war Mogontiacum kennen zu lernen. Maximian dachte an seine ersten Tage hier, keine sonderlichen schönen Tage, aber Tage, an denen er ziellos durch die Straßen gelaufen war, manchmal mit stadtkundiger Begleitung, manchmal auch einfach auf eigene Faust.
    Dann folgte er ihrem Blick auf den Trümmerhaufen, auf dem sein Blick eine ganze Weile lang haften blieb. Plötzlich verglich er die abgebrandte Taverne mit sich. Sein Leben war derzeit ein Trümmerhaufen, wie der, vor dem er gerade stand. Ausgelöst durch eine Frau.


    Der junge Mann richtete sich augenblicklich wieder kerzengerade auf und zwang sich, die Gedanken ganz schnell in den Müllkorb seines komposterfähigen Gedankenguts zu schieben und sich nichts anmerken zu lassen für diesen kurzen Moment der Schwäche.
    "Ja, gehen wir.", antwortete er also unbeschwert und deutete mit gerunzelter Stirn in eine Richtung, die schnell vom Gedränge und der Ruine wegführte.


    "Ich bin eine Niete in germanischer Geografie, du könntest mir einmal auf die Sprünge helfen. Dieses Bonna... Ich glaube, ich habe den Namen schon einmal gehört. Wo liegt es?"

  • Dieses Mal ließ sie ihn völlig aussprechen, bis sie Antwort auf ihre Frage erhielt. Die Frage, ob sie diesen schauerlichen Ort nicht lieber verlassen sollten. Sie sprachen zuviel durcheinander, was sie sich selbst allerdings angesichts mancher Umstände durchaus verzieh. Die Umstände waren vor allen jene des großen Standesunterschiedes und der Aussicht auf Geschichten ferner Länder. Nunja, Geschichten eines einzelnen fernen Landes, aber das würde sicherlich schon spannend genug werden. Eine Aussicht auf den Traum von etwas mehr Geld. Sie hatte kein Interesse an Reichtum. Ja, sie wollte nicht einmal mehr Geld haben als nötig war. Und doch lockte der Gedanke an die Vorzüge von mehr Geld Sehnsüchte aus ihr heraus. Sie hatte in ihrem Leben immer nur in einer etwas wohlbetuchteren Armut gelebt.
    "Mit Bonna..." begann sie dann verlegen. Sie kannte keine Karten von Germanien. Für ihn, einen Mann aus der besseren Gesellschaft war es sicherlich selbstverständlich, dass man sein Land von Karten und Geographie her gut kannte. Sie wusste allerdings nur, wie man sich zurecht fand und wie die Gegend aussah. Sie prägte sich immer jedes Detail ihrer Umgebung ein und hatte schon immer einen recht guten Orientierungssinn, was besonders die freie Natur anbelangte.
    "Nunja. Ich... weiß, dass Bonna am Rhenus liegt. Im Gegensatz zu Mogontiacum ist es eher eine kleine Stadt. Ich glaube sie lag zudem weiter Flussaufwärts, wenn ich richtig auf meinen Weg geachtet habe." Während sie erzählte, erhitzten sich ihre Wangen ziemlich. Dass ihre Stimme immer leiser und brüchiger ob der Scham wurde, bemerkte sie selbst nicht so richtig. Sie schämte sich, bei den Göttern nicht ihrer Herkunft. Doch einem solchen Mann gegenüber sein Unwissen kundzutun war in gewisser Weise schon äiußerst blamabel. Um rasch von sich abzulenken suchte sie nach Träumen.
    "Aber erzähl Du mir lieber ein wenig von Hispania!" warf sie schnell ein, während sie neben ihm her ging. Sie achtete kaum auf die Umgebung, die sie nun durchschritten. Sie suchte nach Fragen die sie ihm stellen konnte. Sie würde nicht mehr oft die Möglichkeit haben, Fragen zu stellen und entblößt hatte sie sich vor ihm ohnehin schon.

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