[Subura] Insula in der Wassergasse

  • Die Familie stand endlich vor der Insula. Quintus hatte etwas übertrieben: Die angeblich so gute Insula war ein fünfstöckiges Gebäude, von dem überall der Putz abbröckelte. Offensichtlich lag im Erdgeschoss neben der Wohnung des Besitzers noch ein Fleischer und ein Lupanar. Zumindest stand eine Dame, die billig geschminkt war und außerdem nur eine dunkle Toga trug, draußen und machte jedem, der vorbeikam schöne Augen.
    Caius seufzte und sagte zu seiner Familie
    "Wartet, ich regel das!"
    Dann ging er hinein und klopfte an die Tür des Besitzers. Ein dicklicher Herr öffnete die Tür einen Spalt und lugte heraus.
    "Sie wünschen?" fragte er mit schnarrender Stimme.
    "Salve. Ich such' eine Wohnung!" antwortete Caius, wobei man ihm ansah, dass er etwas nervös war.
    "Eine Wohnung? Bei mir?"
    Der Vermieter öffnete die Tür und trat heraus.
    "Da kann ich dir helfen! Ich vermiete beste Wohnungen! Wie viel kannst du denn bieten?"
    Caius nannte die Summe der letzten beiden Monatslöhne - so viel hatte er sich zusammengespart.
    "Ich meine jetzt pro Quartal!" meinte der Vermieter lachend.
    Caius schwieg. Er wusste nicht, wie die Preise und Löhne in der Stadt waren. Also nannte er einfach dreiviertel seines bisherigen Quartalseinkommens. Quintus hatte gesagt, soviel musste er auf jeden Fall rechnen.
    Der Vermieter guckte zuerst ungläubig, dann rieb er sich die Hände.
    "Da habe ich ein schönes kleines Appartment im vierten Stock. Soll ich es dir gleich zeigen?"
    Caius nickte und die beiden gingen in den Innenhof der Insula. In einer Ecke hingen Fleischerhaken und der Boden war dunkelrot. Doch die beiden Männer beachteten das nicht weiter, sondern gingen die instabil wirkende Treppe in den vierten Stock hinauf. Der Vermieter öffnete eine Tür und zeigte Caius einen geradezu winzigen Raum für eine dreieinhalbköpfige Familie.
    "Das könnte ich dir anbieten. Und das ist noch großzügig heutzutage!" meinte er und sah Caius erwartungsvoll an.
    Caius kratzte sich am Dreitagebart. Pulchra wäre nicht begeistert. Er war es auch nicht. Aber vorerst war es wohl besser als nichts. Und Quintus hatte gesagt, dass der Vermieter ein echt günstiger Anbieter war.
    "Nagut, ich nehm' die Wohnung." antwortete er so nach kurzem Nachdenken.
    "Gut, dann nehme ich die erste Miete im Voraus!" erwiderte der Vermieter und hielt die Hand auf.
    Caius zählte langsam den vereinbarten Preis aus seinem Geldbeutel auf die Hand und gab sie dem Vermieter.
    "Einen Schlüssel gibt es nicht. Aber innen kannst du ein Riegel vorschieben." erklärte der Vermieter noch und rauschte davon. Er wollte wohl keine unnötige Zeit in diesem unsicheren vierten Stock verbringen. Caius ging langsam nach unten, um seine Familie zu holen. Er zweifelte bereits, ob es eine gute Idee gewesen war, hier her zu kommen...

  • Die Familie hatte den Handwagen in den Innenhof gestelllt und nun schleppte Caius das Gepäck die schmale Treppe hinauf. Auf dem Weg zogen allerlei Gerüche an seiner Nase vorbei: Schweiß, Zwiebeln, der Mief zu oft getragener Kleidung, der Geruch von Blut aus der Fleischerei im Erdgeschoss...
    Endlich kamen sie oben an und Pulchra erblickte zum ersten Mal ihr neues Heim. Sie blickte Caius entgeistert an.
    "Caius! Da sollen wir wohnen?"
    "Ja, und beschwer' dich nicht! Quintus hat gesagt, das ist ein gutes Angebot!"
    "Aber das ist ja nur ein kleiner Raum!"
    "Ja und? Du kannst gerne auf der Straße schlafen!"
    Caius war furchtbar genervt. Dass seine Frau immer dann diskutieren musste, wenn er müde und abgearbeitet war! Er hatte den ganzen Morgen diesen Karren gezogen!
    So ließ er die erschrockene Frau einfach stehen und trug die Strohsäcke, die der Familie als Betten dienten, in den Raum. Ein Bett würde er noch kaufen, wenn er Geld hatte. Dann ging er hinunter und holte das Tischchen und das Kästchen mit Geschirr. Als er zurückkam, saß Pulchra und Caius Iunior auf dem Bett und betrachteten die schmutzigen Wände.
    "Beschwer dich nicht! Ich will auch lieber in'ner Villa wohnen!" meinte Caius noch einmal.
    Pulchra sah nur auf, dann wieder gerade aus. Das war wohl einer der schlimmsten Tage in ihrem Leben, wie sie glaubte.
    "Den Herd kannst du ja holen." erklärte er noch und ließ sich auf das Bett fallen, ohne die Schuhe auszuziehen. Er brauchte Schlaf.

  • Caius kam schnaufend in seiner Insula an und stapfte die Treppen in den vierten Stock hoch. Dann klopfte er an die Tür - er hatte Pulchra eingeschärft, den Riegel stets vorgeschoben zu lassen. Pulchra öffnete.
    "Ich brauch' mei' Toga!" sagte er knapp.
    "Aber du hast doch gar keine!" antwortete Pulchra verwundert.
    "Natürlich, du dumme Nuss! Die Zudeck'!"
    "Aber die schaut doch nach nix aus!"
    "Mussse. Der...Tiberius Durus empfängt mich sonst net'"
    "Ja aber warum?"
    Caius wurde wieder einmal ungeduldig. Nervige Fragen beantworten war nicht seine Stärke.
    "Was weiß ich! Mach'se mir oddntlich!"
    "Aber..."
    "Los, sonst krachts!" sagte Caius mit bedrohlichem Unterton.
    "Ich geh' nomal zum Prafectus Annonae, damit wir bissl Brot kriegn!"
    Damit verschwand er wieder. Draußen auf dem Treppengang wandte er sich noch einmal um.
    "Und Riegel vorschieben!"
    Dann war er wieder weg...

  • Caius kam zurück und klopfte. Wieder öffnete Pulchra und hielt ihm die naturfarbene Toga hin, die sie mit Mühe zu glätten versucht hatte.
    "Ich hab' dir 'ne frische Tunika zurechtgelegt." fügte sie hinzu.
    Caius sah sie kurz an, zog seine Tunika aus und legte die frische Tunika, die auf dem Bett lag, an. Dann versuchte er, sich die Toga umzulegen.
    "Wie geht'n das?" fragte er ungeduldig.
    Pulchra erhob sich von dem Hocker und versuchte, ihrem Mann zu helfen.
    "Des musste so hintun... des so...so, etza!"
    Gemeinsam hatten sie es einigermaßen hinbekommen. Zwar wirkte Caius noch immer schäbig, aber nicht mehr ganz so schlimm wie zuvor.
    "So, ich probier's nochmal!" sagte er noch und war wieder davon...

  • Nach einer durchzechten Nacht erschien der stockbesoffene Caius wieder in seinem angestammten Heim. Langsam trottete er die Treppe hinauf, wobei er mehrere Male zu stürzen drohte.


    Im zweiten Stock war es so weit: Er trat daneben und rauschte und großem Lärm die Treppe hinunter. Erst am Fuße kam er zum Liegen. Der Grieche, der seine Tür öffnete und mit einer Öllampe hinausleuchtete, um die Lärmquelle zu finden, konnte den Umriss erkennen, den Caius darstellte.


    Er trat auf den Liegenden zu und leuchtete ihm ins Gesicht, wo er eine blutende Nase und eine aufgeplatzte Augenbraue erkennen musste.


    "Ich...wo...wo...wohn'...obm"


    lallte Caius. Doch der Grieche, der als Lehrer tätig war, zog nur eine Augenbraue hoch und schloss sich eiligst wieder in der Wohnung ein. Einem Betrunkenen helfen, der so schäbig aussah - das war nicht seine Sache!


    So schlief der betrunkene Terentier ein und erwachte erst, als am nächsten Morgen Pulchra, seine angetraute, ihn sanft mit einer Ohrfeige weckte.


    "Wo bist du gewesen? Und wie siehst du überhaupt aus?"


    zeterte sie los.


    "Ich habe dir gesagt, du sollst nicht so viel trinken. Wo sollen wir jetzt eine neue Tunika hernehmen? Sie nur: Alles vollgeblutet!"


    Sie zerrte ihn hoch und stützte ihn, da Caius seinen Gleichgewichtssinn noch immer nicht gefunden hatte. So erreichte das Paar endlich die Dachwohnung und Pulchra ließ ihren recht wortkargen Mann auf das gemauerte Bett fallen, damit dieser seinen Rausch ausschlafen konnte.

  • Zwei Männern mit Farbeimern kamen durch diese Straße, schauten sich nach einer freien Stelle auf den Wänden der Häuer um und vermerkten dort in großen Buchstaben:


    Bei den Equirria im März werden Marsyas und Dareios antreten


    Dem Kenner der Rennsportszenen sagte das sofort, dass damit zwei der absoluten Top-Fahrer Roms im Rennen sein würden, während Dominator spectatorum wohl zu fehlen schien, sonst wäre er sicher auch erwähnt worden.

  • Als Caius am nächsten Tage zur alltäglichen Salutatio aufbrach - zum gleichen demütigenden Spiel, das er jeden Tag mitmachte - las er die Notiz. Toll, diese Schnösel von der Veneta und Praesina! Wenn man so viel Geld in den Arsch geschoben bekam, war man natürlich besser als Phillipus - nein, sie waren nicht besser! Nur reicher!
    So stapfte er weiter durch den leichten Sumpf, der sich in der unbefestigten Straße sammelte...

  • Ein fleißiger Wahlhelfer wollte er sein. Jener Klient der da an der Insula für Wahlwerbung sorgte...



    M Germanicum Avarum aedilem Aelia nec sine Corvus rogat














    [SIZE=6]Aelia bittet darum, Medicus Germanicus Avarus zum Aedilen zu wählen. Corvus schließt sich der Bitte an. [/SIZE]

  • >>> Mein Verlobter kandidierte für das Vigintivirat, genauer gesagt für ein Amt in der größten Teilgruppe darin, den Decemvirn. (Das hatte schon ein Weilchen gedauert, bis ich da durchgestiegen war, dass er damit also irgendwie für beides an den Start ging. Naja.) Ich hatte keine Ahnung, ob und falls ja wie viele Leute er zu Zwecken der Wahlwerbung für seine Person engagiert hatte. Aber letztlich war es mir auch egal. Nie hatte ich mich in meinem gesamten Leben jemals auf einen Kerl verlassen - und tat ich es doch, dann war ich in aller Regel verlassen! So entschied ich mich ohne großes Hätte-Wenn-und-Würde dafür, die Sache gleich in die eigenen Hände zu nehmen und gegebenenfalls eben nur für zusätzliche Werbung für meinen Verlobten zu sorgen.
    Es war noch genau ein Tag bis zur Wahl, da fanden sich des Nachts still und heimlich mit Pinsel und Farbe bewaffnet mehrere dunkle Gestalten unter anderem an einer Insula der Wassergasse in der Subura ein, um hier unbeobachtet den finalen siebten von insgesamt sieben Wahlkampfsprüchen groß und gut lesbar an die Mauern der Umgebung malen: [>>>]



    Liebes Volk, Nicht-Senatoren,
    wie wählt ihr, trat mir an die Ohren,
    so ohne Stimme im Senat?
    Ich sag's euch; Stichwort: Patronat!
    Wollt Iulius Dives ihr für Rom
    als Decemvir? - Auf zum Patron!


    empfohlen von den Handwerkern des Aventin:
    Wir reißen ein, wir bauen auf!

    Sim-Off:

    Die sechs Verse sind aus der Wahlkampfzentrale meines Verlobten "gemopst".

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