Kaum in Rom angelangt, hatte Varus sich auf dem schnellsten Weg in die Casa begeben, sich erfrischt und umgezogen und war auf dem Weg zum Forum Romanum. Dort angekommen, erklomm er die Rostra, räusperte sich und hob die Stimme.
„Volk von Rom, Römer!
Hört mich an!
Manche mögen mich kennen, denn ihr habt mich, Titus Petronius Varus, zum Quaestor Pro Praetore gewählt, anderen hingegen mag mein Name noch immer nicht bekannt sein. Und doch stehe ich heute hier, Dank der Beurlaubung durch den Legatus Augusti Pro Praetore Decimus Meridius, mit dem ich in Germanien eng zusammenarbeitete und einiges lernte wie auch erreichte während meiner Amtszeit. Doch will ich euch nicht mit Berichten meiner Taten in Germanien langweilen. Diese will ich euch später ausführlicher darlegen, wenn die derzeitige Amtszeit vorüber ist und ich euch auch über die Ludi Consualia berichten kann, zu denen in Mogontiacum Wagenrennen stattfinden werden. Die ein oder anderen haben es sicher schon der Acta Diurna entnehmen können, doch möchte ich an dieser Stelle euch alle nochmals persönlich einladen, an den Spielen teilzuhaben und eure Rennställe anzufeuern.
Nun aber zu dem Grund, aus dem ich heute hier vor euch auf der Rostra stehe und das Wort an euch wende. Ihr habt mir eure Stimmen gegeben und somit euer Vertrauen, wofür ich euch herzlich danken möchte. Heute aber stehe ich hier, weil ich für das Amt des Aedilis plebis kandidieren möchte. Meine Arbeit habe ich stets gewissenhaft und ordentlich erledigt. Hieran – und an die bisher geleistete Arbeit der Aediles Purgitius Macer und Helvetius Tacitus – möchte ich nun anknüpfen, indem ich für ebendieses Amt kandidiere und die zweite Stufe des ehrenhaften Cursus Honorum beschreite.
Es ist seit jeher Aufgabe der Aediles, nicht nur großartige Spiele auszurichten, sondern auch die Märkte und Betriebe zu kontrollieren und zu überwachen. Hierin sehe auch ich die größten und wichtigsten Aufgaben desjenigen, der dieses Amt innehaben soll.
Als Besitzer der Taverna Apicia, die vielen von euch als gutes Gasthaus bekannt sein mag, weiß ich um die vielen Dinge, denen man als Betriebsinhaber Beachtung schenken muss, damit alles reibungslos läuft. Auch weiß ich um die Schwierigkeit, mit der man manches Mal nicht an die benötigten Waren herankommt, an die Probleme mit überteuerten Preisen und an den Frust der sich manches Mal in einem guten Kaufmann aufstaut, der sehen muss, das jemand anderer die gleichen Waren zu einem verbilligten Preis, aber in schlechterer Qualität anbietet. Gegen solche Dinge will ich vorgehen, indem ich dafür sorgen werde, dass jedem, der seine Waren zu einem unlauteren Preis anbietet, die gerechte Strafe zukommt. Ich will die Betriebe kontrollieren und überwachen, mit den ansässigen Ladenbesitzern beratschlagen und dafür sorgen, dass der Markt in Zukunft ausgeglichener ist.
Die Mensa ponderaria ist ebenfalls ein wichtiges Element, das nicht außer Acht gelassen werden sollte. So mancher Kleinbetrüger hintergeht den ehrlichen Käufer, indem er seine Maße fälscht. Dafür, dass dies nicht mehr vorkommt, will ich mich einsetzen, indem ich streng darauf achten werde, dass jeder seine Waagen und Maßgefäße eichen lässt. Ich selbst werde diesen Vorgang regelmäßig überwachen und kontrollieren.
Zudem will ich eng mit den Aquarii zusammenarbeiten, die für die Wasserversorgung Roms zuständig sind und denen wir nicht nur die Frischwasserzufuhr verdanken, sondern auch den reibungslosen Ablauf der Wasserwechsel in den Thermen. Ich will mich einsetzen dafür, dass dies auch weiterhin so problemlos klappt, denn wer verbringt nicht gern das ein oder andere Stündchen in den Thermen, abseits des Trubels und der Menge? Eventuell können die Strecken der Aquaeducti weiter ausgebaut werden, sodass noch mehr Häuser mit Wasser, noch mehr Einrichtungen davon profitieren können. Gern will ich mich hierum bemühen und dafür einsetzen, wenn ihr mir nur eure Stimme gebt.
Ganz sicher ausgebaut und verbessert werden können das Straßennetz, die Handels- und Wirtschaftswege in und um Rom. Auch hierfür will ich mich einsetzen, denn als Aedilis plebis sollte das Volk Roms im Vordergrund jeglicher Arbeit stehen. Wer sonst wird von besseren Straßen profitieren, wenn nicht die Händler Roms, denn bessere Straßen bedeuten ein schnelleres Zurücklegen von Wegen und dies wiederum bedeutet mehr Zeit für die Kundschaft, wenn man in Zukunft keine Zeit mehr damit verbringen muss, Schlaglöchern und groben Felsbrocken mit dem Handelskarren auszuweichen.
In Germanien habe ich zu meinem Bedauern nicht viel von den römischen Belangen mitbekommen, doch eines weiß ich ganz gewiss: Wie in Germanien Not am Mann ist, was die Priesterschaft angeht, so ist in Rom Not am Mann, was die Tempel angeht. Wie viele Tempel, so frage ich euch, wurden euch bisher versprochen, ohne gebaut zu werden? Wie viele Tempel sollten renoviert werden, gerieten aber in Vergessenheit? Auch hierum will ich mich kümmern, so ihr mir denn euer Vertrauen und eure Stimme gebt.
Eines der wichtigsten Punkte der Amtsausübung der Aediles, ich sprach sie vorhin an, sind die Ausrichtung der Spiele. Nun, ich kann mit Stolz behaupten, das Versprechen gehalten zu haben, dass ich euch vor meiner Wahl zum Quaestor Pro Praetore gab: Gemeinsam mit dem Legatus Augustus Pro Praetore richtete ich die Ludi Consualia aus. Ich möchte euch an dieser Stelle versprechen, dass diese Spiele ein voller Erfolg sein werden und möchte euch bitten, mich zu wählen, damit meine Kollege und ich, sofern ich gewählt werde, noch einen obenauf setzen können. Der Candidatus Tiberius Vitamalacus kündigte bereits grandiose Veranstaltungen zu den Ludi Romani im September an. Gern möchte ich mich diesen Ankündigungen anschließen und euch wahrhaft unvergessliche Spiele versprechen, zu denen es weder an Gladiatorenkämpfen, noch an Tierhetzen und natürlich Wagenrennen fehlen soll. Bereits einmal plante ich Spiele; wie diese verlaufen werden? Nun, macht euch selbst ein Bild und urteilt nach dem, was ihr sehen werdet.“
Varus verstummte einen Moment und sah mit Stolz erfüllt in die Menge. Ja, er hatte diese Spiele ausgerichtet und als Quaestor gedient. Auch hatte er vieles gelernt, von dem er gedacht hatte, es in seinem Alter nicht mehr zu lernen. Dies hatte ihn selbst erstaunt, zugleich aber mit Stolz erfüllt. Er sprach weiter.
„Nicht zuletzt werde ich mich dafür einsetzen, dass die bedürftigen unter euch so manche Getreide- und Brotration erhalten werden, sollte es nötig sein sogar aus eigener Tasche. Ich werde Türen und Tore für jeden offen halten, der mit mir sprechen möchte, einen Rat sucht oder einfach nur angeregt diskutieren will. Ich werde zu bestimmten Sprechzeiten in der Taverna Apicia anzutreffen sein, um direkten Kontakt zum Volke Roms, zu euch zu haben. Auch werde ich nicht davor zurückschrecken, Hilfe einzufordern oder bei den Zuständigen um Hilfe zu bitten, sollte dies nötig sein. So wie niemand perfekt ist, bin auch ich es nicht.
Ich werde mich für euch einsetzen, so ihr mich wählt. Ich werde dafür sorgen, dass in meiner Amtszeit ein jeder das erhält, was er zum Überleben braucht, dass jeder der ihn sucht, auch einen Rat erhält und dass jeder, der Hilfe benötigt, sie auch bekommt. Ich werde eng mit meinen Kollegen zusammenarbeiten, mich mit ihnen beratschlagen und ihnen ebenso zur Seite stehen wie auch euch.
Volk von Rom!
Ich bin ein Mann der Traditionen und ich möchte helfen, Rom wieder ein Stück weit lebenswerter zu machen, wie es bereits der geschiedene Aedil Purgitius Macer tat. Helft mir bei diesem Unterfangen, vertraut mir und gebt mir eure Stimme.
Ich werde euch nicht enttäuschen.“
Varus ließ die Hand wieder sinken, die er im Eifer des Gefechts erhoben hatte, und lächelte.
„Nun stehe ich euch für Fragen zur Verfügung.“