[Capitolium] Die Vinalia rustica

  • Die Antwort von Medeia fiel wesentlich umfangreicher aus, als die Antworten auf vergleichbare Fragen auf der Rostra. Aber Macer hatte auch gar nicht erwartet, dass Medeia ihm mit einer Wahlkampfrede antworten würde - ebensowenig wie er die Frage gestellt hatte, um sie als Kandidatin zu prüfen. Er verlangsamte seine Schitte etwas, um nicht auf eines der aufgescheuchten Hühner zu treten, als sie um die Ecke kamen. Die Römer kamen von Ackerbau und Viehzucht, das konnte man auch der Hauptstadt eines Weltreiches doch noch ansehen. Nicht mehr an jenen Ecken, an denen die strahlenden Marmorbauten der Kaiser standen, aber an jenen, an denen sie gerade vorbei kamen.


    Aber wegen solcherlei Gedanken war Macer nun auch eigentlich nicht unterwegs. "Wie lange warst du denn in Griechenland und seit wann bist du hier?" erkundigte er sich stattdessen. Er war selber noch nicht dort gewesen, hörte aber immer wieder gerne zu, wenn über diese Provinz berichtet wurde. Und Medeia schien einiges berichten und vergleichen zu können.

  • „Ich hab Dir gesagt, vergiss nicht die Eier! Auf keinen Fall die Eier! Wie soll ich denn sonst den Vinaliakuchen backen, wenn ich keine Eier habe?“ Eine dicke Frau sah auf einigen Treppen stehend auf einen jungen Mann herunter, der wie ein begossener Pudel dastand. „Vielleicht haben die Hühner...“ Er deutete auf die gackernden Viecher auf der Straße. Kopfschüttelnd und mit Zornesröte im Gesicht schüttelte die Frau den Kopf. „Oh, ihr Götter, womit habt ihr mich nur gestraft...? Einen dummen Sohn hab ich unter Qualen geboren. Und wozu? Mit 17 Lenzen hängt er immer noch an meinen Zipfel. Oh, oh!“ Sie schlug die Hände über den Kopf zusammen und wandte sich um. Der geknickte und peinlich berührte Sohn verschwand mit ihr im Haus.


    Medeia sah nur kurz zu dem Intermezzo auf der anderen Straßenseite und ging langsam auf dem Gehweg weiter. „Um genau zu sein, war ich länger in Griechenland als in Rom. Ich bin in Athen geboren worden und dort auch aufgewachsen. Meine Mutter war Griechin. Und in Rom bin ich nun schon seit einigen Jahren. Und ich bereue keinen einzigen Tag nach Rom gezogen zu sein. Die Stadt ist fantastisch, lebendig und pulsierend. Und Du? Kommst Du aus Rom?“

  • "Nein, ich wurde auch nicht hier geboren, sondern in einer Kleinstadt in der Poebene. Mein Vater war dort Magistrat und Steuerpächter, später auch mal Duumvir. Als Jugendlichen hat er mich mal nach Rom mitgenommen gehabt, bevor ich zur Armee ging."


    Dass sein Lebenslauf mit seiner Militärzeit für einen Senator arg ungewöhnlich war, wollte er nicht im Detail erläutern. Es waren komische Zeiten gewesen, zeitweise, die ihm einige seltsame Wendungen beschert hatten.


    "Wie ist Athen verglichen mit Rom? Immerhin war es einmal Hauptstadt eines nicht ganz unwichtigesn Staates. Aber was man so hört, ist es - bei aller bewundernswerten Kultur, die es dort gibt - doch eher eine Kleinstadt. Oder stimmt das gar nicht?"

  • Die Umgebung wechselte zu einer der „ruhigeren“ Wohnviertel von Rom. Es war keine sehr reiche Gegend, gehörte jedoch durchaus zu den angenehmeren Viertel. Die Insulae waren eher in der Minderzahl und immer mal wieder war ein Pinie und ein andere Baum zu sehen, manchmal gab es sogar kleinere Parkanlagen. Medeia lauschte Macer und lächelte leicht als er von seinem Werdegang erzählte. Auf seine Frage hin, dachte Medeia einige Schritte nach. Sie neigte ihren Kopf leicht zu Seite. „Athen? Eine Kleinstadt? Nein, das kann man so nicht sagen. Die Größe und die Erhabenheit der Stadt ist an jeder Ecke noch zu spüren. Aber sicherlich ist Athen nicht mit Rom von der Größe zu vergleichen. Ich glaube nicht, dass Athen jemals so viele Einwohner aufgewiesen hat wie Rom es zurzeit tut. Wenn dann gibt es nur eine Stadt, die mit Rom konkurrieren kann, Alexandria. Wie mir gesagt wurde, die Stadt in Ägypten habe ich jedoch noch nie besucht. Aber trotzdem bin ich auch auf meine Heimatstadt stolz, wenn sie auch nur noch ein Schatten von früher ist.“


    In dem Moment bog Medeia mit Macer um eine Häuserecke und in eine lange und reichlich begrünte Via. Viele doch recht nett gebaute Domus lagen dort, doch auch hier waren viele Leute unterwegs, entweder zu den Tabernae der Häuser oder einfach um selber nach Hause zu kommen, wie Medeia es wohl wollte. Sie deutete auf eines der Häuser, wo eine einzelne Bank davor stand, ein Weinladen die Tabernatür zierte und blauer Regen an der Mauer hoch wuchs, natürlich nur grün zu dieser Jahreszeit. „Und da ist schon mein Domus!“ Just in dem Moment wurde die Tür zur Casa aufgerissen. Ein kleinwüchsiger Mann stapfte nach draußen und zog einen dürren Mann hinter sich her. „Du willst uns doch auf den Arm nehmen? Das sind Lederstinklappen und kein Fisch. Hier, nimm den Korb wieder. Der Koch will frische Fische haben. Und los!“


    Grummelnd und leicht schimpfend sah Pumilus dem Boten des Fischhändlers hinter her als er seine Herrin ausmachte. Schnell lief er mit seinen kurzen Beinchen aus sie zu und rief schon aufgeregt. „Ah, Domina, da bist Du ja! Katastrophe, große Katastrophe. Der Koch kriegt gleich 'nen Schlag und die Fische sind nur wie eine stinkende Pest. Das Fleisch ist auch noch nicht angekommen. Die Trauben und der Wein jedoch schon. Außerdem haben sich Hektor und Herkules fast geprügelt. Und die geliehenen Sklaven machen das Chaos nur perfekt!“ Dann spähte er zu Macer und auf seine Toga. Schnell verbeugte er sich unterwürfig. „Senator!“ Medeia wandte sich Macer zu und lächelte genauso ungetrübt. Pumilus neigte schließlich zu Übertreibungen. „Es war mir ein Vergnügen mich mit Dir unterhalten zu dürfen, Senator. Soll ich Dir vielleicht meinen Türsklaven mitschicken? In letzter Zeit sind einige Überfälle in dieser Gegend passiert, auch am Tag.“

  • Im Kopf versuchte sich Macer ein Bild von der Stadt Athen auszumalen, während Medeia sie beschrieb. Ein paar Reiseberichte hatte er schon mal gelesen und durch seine bescheidenen Architekturstudien kannte er ein wenig den Baustil, zumindest in der Theorie.


    "Vielleicht werde ich die Stadt eines Tages einmal bereisen müssen, um meine Neugier zu stillen. Nach Alexandria zieht mich dagegen weniger. Ich bin kein Freund langer Seereisen und auf dem Landweg ist die Stadt denkbar beschwerlich zu erreichen."


    An den Straßenzug, den sie gerade durchquerten, erinnerte er sich von einem seiner unzähligen Gänge als Aedil. Irgendwo weiter die Straße entlang müsste rechts ein Wasserverteiler sein, meinte er, doch bevor er noch länger darüber nachdenken konnte, bogen sie ab und Medeia zeigt auf ihr Haus. Macer wollte sich gerade mit einigen netten Worten darüber äußern, als der schimpfende Hausverwalter heraus stürmte und auf Medeia einredete. Also sagte er erstmal nichts und ließ auch die knappe Begrüßung wortlos passieren.


    "Nein, ich glaube, im Haus scheint gerade jede Hilfe nötig zu sein", antwortete Macer dann auf Medeias Frage. "Ich werde auch so sicher nach Haus finden. Es war mir eine Freude, dich bis hierher begleiten zu dürfen. Hoffentlich sind die Sorgen unbegründet und dein Fest wird deine Gäste gut erfreuen."

  • Medeia maß Pumilus, ihren Ianitor, mit einem strafenden Blick. Dieser wurde noch nicht mal rot und versuchte eine gewisse Verlegenheit für seine schimpfende Tirade zu zeigen. Mit mäßigem Erfolg. Zwar stand Pumilus bei der Vinalia Rustica das erste Mal als Schauspieler auf der Bühne, aber man sah dem kleinen Mann durchaus jede Regung im Gesicht an. So musterte Pumilus schweigend seine Sandalen und wippte auf seinen Fersen auf und ab. Medeia wandte sich mit einem freundlichen Lächeln Macer zu. „Das Opfer verlief heute sehr vielversprechend. Ich bin sicher, dass der Tag und der Abend nur erfolgreich verlaufen können. Besonders da der Priester, Flavius Gracchus, heute Abend in meinem Haus noch ein weiteres Opfer an Iuppiter durchführen wird. Er hat eine sehr elegante Art, die Opfer zu leiten.“ Medeia lächelte dabei sinnierend, einen Moment an den Vinaliazug und das Opfer denkend. Doch der Augenblick währte nur kurz und sie verabschiedete sich mit einem freundlichen Lächeln. „Dann wünsche ich Dir noch einen schönen Vinaliatag. Vale, Senator!“


    Pumilus sah von seinen Sandalen auf, verneigte sich demutsvoll vor Macer und marschierte schon zum Eingang. Medeia lächelte noch mal und folgte dann ihrem Ianitor ins Haus hinein. Ein dunkelhaariger Mann in einer schlichten Tunika trat nach draußen. In seiner Hand hielt er eine Girlande aus Weinlaub und blauen saftigen Trauben. Er fing an, diese vor der Tür als Schmuck aufzuhängen. Gleich darauf kam noch eine Sklavin, eine blonde junge Frau hinaus und halft ihm dabei. Um auch die Trauben weiter oben aufhängen zu können, hob der Mann die junge Frau nach oben. Beide unterhielten sich leise miteinander und immer mal wieder war ein fröhliches Lachen von der jungen Frau zu hören.

  • Macer schaute ihr noch einen Augenblick nach und warf noch einmal einen Blick auf die Fassade des Hauses. Dann versuchte er sich noch einmal präziser zu erinnern, in welchem Stadtteil er sich gerade befand und welcher Rückweg der praktischste wäre. Als er seine Entscheidung getroffen hatte, drehte er sich um und ging die Straße bis zur nächsten Kreuzung zurück. Auf dem Rückweg von dort aus zum Zentrum der Stadt begegnete er noch einem anderen Senator, der auch in dieser Gegend wohnte und mit einigen Begleitern ebenfalls auf dem Weg nach Hause war. Nach einigen Worten und Segenswünschen für die Vinalia setzte Macer seinen Weg fort und erreichte schließlich nach einem entspannenden Fußmarsch seine Casa, wo ihn sein Haussklave bereits mit einer Erfrischung erwartete.

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