ZitatOriginal von Artoria MedeiaAn anderer Stelle lehnte sich Medeia wieder zurück. Sie sah dem jungen Germanen nur kurz hinter her und legte die spitze Haarnadel neben sich ab. Sie griff nach einem Weinbecher und trank ruhig, als ob gerade nichts passiert wäre, einen Schluck. Ihr nachdenklicher Blick ruhte auf Aquilius, ein mildes Lächeln umspielte ihre Lippen. „Steht es einer Griechin zu, über Rom zu urteilen? Vielleicht nicht. Doch teile ich Deine Meinung auch diesbezüglich nicht.“ Ihre Hand deutete über die Menschen hinweg, damit jedoch ganz Rom meinend. „Sicherlich ist die Stadt mit zwei Seiten einer strahlenden Münze ausgestattet. Doch was ist es sonst, was Rom zu dieser lebenden und pulsierenden Stadt mit all diesen wunderbaren Ideen macht? Sind es nicht die Menschen, die einer Stadt erst das verleiht, was sie darstellt? Gerade Athen ist doch ein gutes Beispiel dafür. Meine Landsleute sind seit römischer Herrschaft nur noch ein Schatten ihres früheren Seins. Die Ideen kommen nicht mehr von ihnen. Somit dümpelt meine Heimat auch nur noch in einem tristen Schattenleben vor sich hin. Was findet sich noch dort bis auf leere Bauten, eine verlassene Agora oder eine leere Pnyx? Traurige Denkmäler alter Zeiten. Traurig, weil keine Menschen sie mehr füllen!“ Sich nicht den Appetit von dem vorherigen Zwischenfall verderben lassend, griff sie wieder zu dem Flamingofleisch. „Aber was ist mit Dir, Aquilius. Was treibt Dich nach Rom, wenn Du diese Stadt doch so sehr verachtest?“
Sie war noch immer so anmutig, ihre Bewegungen voller Grazie und Eleganz, als sei sie eine Priesterin unter Laien, und mit einer gewissen Wehmut erinnerte ich mich jener Festmähler, an denen sie die ungekrönte Königin des Abends gewesen war und so viele Männer um ihre Gunst wetteiferten, dass sie diese oftmals mit einer lässigen Geste hatte vertreiben müssen, lachend und scherzend dabei, um es sich mit keinem gänzlich zu verderben, aber auch, um ihren Standpunkt zu verdeutlichen. Wahrlich, unter den etären Athens hatte sie immer eine besondere Stellung eingenommen, viele waren klug, viele waren amüsant, viele waren schön, doch die wenigsten vereinten all diese Vorteile auf eine Person. Ihr rotes Haar hatte allein schon genug Blicke auf sich gezogen, und ihr Lächeln fesselte dann die restlichen Unglücklichen auch noch, die es geschafft hatten, dem Wippen ihrer Locken zu entgehen. War ich auch einer jener Narren gewesen, die ihr Herz an eine Frau gehängt hatten, die ihnen niemals gehören würde? Nein, denn mein Herz gehörte längst einem anderen Menschen, unveräußerbar, und doch hatte ich ihre Nähe und Gesellschaft stets genossen, ihren Worten gern gelauscht, auch die Nähe ihres Körpers gern gespielt.
Vielleicht machte uns dies gleich, zwei Spieler, die mit den Körpern der Menschen nur zu gut umzugehen wussten, um zu erreichen, was wir wollten, vielleicht fühlte ich mich ihr deswegen so nahe, ich konnte es nicht sagen. Dennoch schlug mein Herz ein wenig schneller, als sie mich anblickte, scherzte, und gleich darauf nachdenklich wirkte. Vielleicht gab es dafür gar kein rechtes Wort ...
"Rom ist eine schöne Fassade, Medea, und unter dem Glanz, dem pulsierenden Leben, dem Lachen, den Scherzen, all diesen Dingen, die einen lange Zeit blenden können, regiert doch nur ein einziges Ding: Die Gier nach Macht. Und weil es hier viel Macht gibt, sind die Menschen erfinderisch auf dem Weg zu ihr, greifen nach Titeln, Ämtern und Münzen, um sich ihr kleines Stück des Haferküchleins zu sichern und sich darauf auszuruhen, nur um am nächsten Tag dem nächsten Stück nachzujagen. Ist das der Weg, den wir für uns erstreben sollten, während irgendwo an den Grenzen des Reiches die Soldaten sterben? Die Menschen hier ergötzen sich an den Gladiatorenkämpfen, um den Kitzel der Gefahr zu spüren, den sie in ihren kurzlebigen Tagen nicht mehr entdecken können, weil alles wohlgeordnet ist. Hier muss niemand hungern, Nahrung gibt es überall für die Ärmsten selbst, und der Rest des Tages vergeht mit zuviel Wein und zuviel Zeit ... aber was spreche ich. Vielleicht ist mir das stillere Athen deswegen lieber, weil sich dort die Lügen hinter dem unschuldigen Lächeln der Provinz verbergen."
Ich nahm einen Schluck aus meinem Weinbecher und betrachtete das Flamingofleisch kurz, bevor ich davon auch ein Stück nahm und kostete. "Was mich hierher führt? Nun, mein Dienst an Mars, als Priester wird man nun einmal nur hier in Rom ausgebildet."