Das Päckchen hatte mich neugierig gemacht. Erwartungsvoll riss ich die Wolle, in die es eingewickelt war, ab, offenbar wollte da jemand, daß sein Inneres nicht zu schaden kommen sollte.
Mir offenbarte sich eine dünne, voll beschriebene Wachstafel und eine goldene Brosche oder sowas ähnliches, die ich eingehender begutachtete. Das Emblem kam mir bekannt vor, ein springendes Pferd - das Wappen der Gens Annaea. Aufeinmal ahnte ich, daß diese Packet etwas mit unserer Familiengeschichte zu tun haben sollte und mir vielleicht Informationen preißgeben würde, von denen ich bisher nichts ahnte.
Sofort griff ich nach der Wachstafel und begann zu lesen.
An den Abkömmling der annaeischen Sippe !
30 Jahre sind inzwischen vergangen, 30 Jahre, in denen dieses Packet und diese Worte, die ich als Verfasser jener im Spätsommer des Jahres 65 n. Chr. geschriebenen Worte, unvorhersehbar und ungewiss lagern, in der Hoffnung einst, das anneische Blut wieder zusammenzuführen und es zu großer Stärke zu gereichen.
Meinem Sohn, Otho, sollte er noch leben, bedaure ich es zutiefst, nie ein besserer Vater gewesen zu sein. Jetzt, in den letzten Atemzügen meines Lebens, bis mich dieser gotteverdammte Geifer von dieser Erde fegen wird, sehne ich mich zu den Tagen, als wir jung waren, die Zeiten der Verbannung auf der Insel Corsica.
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Für den, den diese Zeilen erreichen, sind sie von großer Wichtigkeit, denn er möge wissen,[SIZE=7]w[/SIZE][SIZE=6]o.[/SIZE][SIZE=5].[/SIZE][SIZE=4].. _[/SIZE]
Da verlief sich die Schrift und mir wurde schlagartig klar, wer diese Worte geschrieben hatte. Die Erwähnung seiner Verbannung auf Corsica war eindeutig. Kein geringerer als Lucius Annaeus Seneca minor hatte diesen Brief kurz vor seinem Tod verfasst. Doch was wollte er seinen Nachkommen mitteilen ? Welches erschütterliche Ereignisse ?
Ich seufzte. Da kam mir auf mysteriöse Weise ein solcher Brief in die Finger, doch weitere Anhaltspunkte besaß ich nicht.
Da rutschte plötzlich ein kleiner abgerissener Zettel auf den Boden. Ich hob ihn auf und versuchte die Schrift darauf zu entziffern. Sie war im absoluten Kontrast zu der Schrift auf dem Brief, konnte also nicht von Seneca geschrieben worden sein.
Auf dem Zettel standen zwei Namen. Den einen erkannte ich von dem "Brief" des Senecas, ein sogenannter Otho, T. Annaeus Otho, stand auf dem Zettel. Der zweite Name war mir gänzlich unbekannt. Nicht gerade leserlich stand dort der Name L Annaeus Florus. Waren die beiden verwandt ? Wenn ja, in welchem Verhältnis standen sie zueinander ? Waren sie Vater und Sohn, oder waren sie gar Brüder ? Dieser Tiberius Annaeus Otho schien ohne Zweifel jener Sohn des Seneca minor zu sein wie es aus dem Brief ering. Doch so recht glauben, konnte ich dies nicht. Ich beschloß jenen Lucius Anneus Florus ausfindig zu machen. Ein Brief könnte möglicherweise Aufschluß geben.