Fragwürdiger Einkaufsbummel

  • Minervina hatte es nach längerer Zeit einmal wieder auf die Straßen geschafft. Genauer gesagt: Auf die Märkte. Sie war noch von einigen Ängsten geplagt gewesen, da bei ihrem letzten Besuch der Kauf einer nubischen Sklavin anstand. Und genau besagte Sklavin war an jenem Tag gestorben. Es hatte ihr Schmerz bereitet dem Tod so direkt in die Augen sehen zu müssen. Viele Fragen waren aufgekommen, Fragen über die Umstände vom Tod ihres Vaters.


    Nun war der Tag gekommen da sie sich ein Herz gefasst hatte. Sie wollte nun nicht mehr davonlaufen, sondern sich ihren Ängsten stellen. Nicht mehr davonlaufen. Ihre Haltung war aufrecht. Heute hatte sie sich der Anweisung ihres Onkels widersetzt und war allein losgezogen. Sie musste etwas mit sich ausmachen und das könnte sie nur allein. Immer näher rückte der Tatort, von dem sie bis zum heutigen Tage beinahe jede Nacht geträumt hatte und schon bald rückte er in Sichtweite.


    Wie erstarrt blieb sie anfangs stehen und betrachtete den hohen Stand. Dort hatte sie gelegen. Sie schloss kurz die Augen. Und sie vergaß beinahe sie wieder zu öffnen. Erst als sie unfreundlich angerempelt wurde, erwachte sie aus ihrem Tagtraum und setzte sich wieder in Bewegung. Es war wie damals. Der Händler tigerte wie eine Raubkatze auf dem Podest um seine Köder herum, auf der Suche nach einem Opfer. Und auch dieses Mal war wieder eine dunkelhäutige Frau dabei. Mit leicht geöffnetem Mund starrte sie die Frau an. der Blick voller Unglauben.

  • Merit war vor 2 Tagen aus einem Sklavenschiff herausgezerrt worden, in dem sie mit 50 anderen Sklaven in einem kleinen Raum gefercht worden war. Sie hatten nur altes Essen bekommen und brackiges Wasser, uns hatten so nah beieinander sitzen müssen, dass sie kaum hatten schlafen können. Als das Schiff in einen Sturm geriet, war es in diesem kleinen Raum besonders schlimm gewesen.
    Als sie im Hafen ankamen und das helle Sonnenlicht in den Raum flutete, schmerzten ihren Augen. Sie dachte, dass nun alles besser werden würde, doch es war schlimmer als vorher. Diese Stadt war kalt und stank. Es ging kaum Wind in der Stadt und die endlose Weite ihrer Heimat wurde ersetzt durch enge, überfüllte Straßen.
    Doch am Schlimmsten war es, wie ein Tier ein Seil um den Hals gebunden zu bekommen, die Hände auf dem Rücken gefesselt zu haben und so durch die Strassen gezerrt zu werden. Nun stand sie auf dem Markt, weiterhin gefesselt und sah den gesichtlosen, hellhäutigen Römern zu, wie sie ihr scheinbar sinnloses Leben in Eile verfolgten.
    Erst eine Frau, die sie regelrecht anstarrte, zog Merits Aufmerksamkeit auf sich.
    Es schien, als ob diese Frau sie kennen würde, doch das war völlig unmöglich. Merit zog die Stirn kraus und erwiderte den Blick, musterte die Frau und versuchte heraus zu bekommen, warum sie sie so ansah, wie sie es tat. Die Frau wirkte irgendwie schon fast ängstlich, was Merit um so mehr verwirrte.

  • Auch als die Sklavin Minervinas Blick auffing, wandte sie den Ihrigen nicht ab. Es mochte nichts besonderes sein, dass die Sklavin dort stand, wo sich damals auch die andere Nubierin aufgehalten hat. Vermutlich war es sogar völlig normal um Ordnung in seiner Ware zu halten. Für sie aber wirkte es wie ein schlechter Scherz. Sie ähnelten sich, zumindest aus ihrer Sicht. Aber dunkelhäutige Menschen sahen ohnehin meistens gleich aus, fand sie. Dann endlich konnte sie ihren Blick lösen und sah auf ihre Hände hinab. Sie zitterten.


    Schon jetzt, noch bevor sie Namen, Alter und Preis kannte, wusste sie, dass sie die Sklavin erwerben würde. Es war ihr Gewissen, dass sie dazu zwingen würde. Sie hatte sich immer ein wenig die Schuld am Tod der anderen Sklavin gegeben, als diese von dem Stand dort gestürzt war. Langsam schritt sie auf den Händler zu, der sie mit großen Augen anstarrte. Er schien sie zu erkennen und huschte direkt auf sie zu. Zwar war er natürlich noch immer auf den größtmöglichen Profit aus, aber das Mädchen tat ihm gewissermaßen auch leid. "Salve" hörte sie ihn sprechen und nickte zur Begrüßung nur. Mit einer Hand deutete sie auf die nubische Sklavin.


    "Merit." hörte sie ihn erklären. "Sie ist eine Nubierin. Wurde erst vor kurzem nach Rom gebracht und hat noch die ganze Frische ihrer Heimat in ihrem Blut. Natürlich muss sie noch etwas gezähmt werden, aber ich denke nicht, dass sie ein schlechter Mensch ist. Dann würde sie nicht hier stehen." erklärte er. Vermutlich war er verunsichert, wenn er an die letzten Ereignisse dachte.

  • Merit sah, wie die Frau, die sie angesehen hatte, mit dem Sklavenhändler sprach und dann auf sie zeigte. Merit hatte das Gefühl, dass die Beiden sich kannten.
    Sie war noch nicht lange in Besitz von Römern und verstand nicht alles, was sie sagte, doch ihren Namen verstand sie, und viele andere Worte auch. Doch einige Worte waren für sie einfach nicht zu verstehen, und viele Worte verstand sie nicht, weil die Beiden einfach zu schnell redeten.
    Doch die Frau schien freundlich zu sein, wenn ich gar etwas unsicher. Neugierig folgte Merit dem Gespräch und versuchte angestrengt, möglichst viele Worte der beiden Leute verstehen.


    Sie ging zum Rand des Podestes um besser verstehen zu können, was die Beiden sagten, als sie mit dem Zeh an einem Brett hängen blieb und nach vorn stolperte.
    Erschrocken wollte sie sich mit den Händen abfangen, doch da diese auf den Rücken gebunden waren, stürzte sie kopfüber vom Podest, und mit einem Knacken, dass weit über die Grenzen des Standes zu hören war, landete sie auf dem Boden.
    Blut sickerte aus ihrem Mund und ihre Augen waren glasig in den Himmel gerichtet, als sie leblos dort lag.


    Doch nur für einen Moment, dann hustete sie und richtete sich mühsam auf. "Schuba!" fluchte sie auf Kusch, und sah auf den Boden unter sich, wo ein zerbrochener Ast kurz zuvor für das laute Knacken gesorgt hatte, als sie mit dem Rücken darauf gelandet war. Dann sah sie zu dem Händler und der Frau und versuchte zu lächeln. "Mich sein gewesen zu gierig neu, so ich fallen." sagte sie und korrigierte sich. "Ich. Ich sein gewesen zu gierig neu."

  • Die Frau, die doch eher an ein Mädchen erinnerte, hielt den Blick noch eine kurze Weile auf die Sklavin gerichtet, ehe sie ihre volle Aufmerksamkeit dem Händler zuwndte. Dessen Stimme nahm allmählich einen beschwörenden Klang an und wirkte nicht mehr so sehr um Vergebung suchend wie zu Beginn dieser Konversation. Und je mehr sich die Stimme veränderte, desto zurückhaltender wurde die Position der jungen Minervina. Sie konnte nicht verstehen wie der Händler nun auf die Idee kam, die Ware so provokativ anzubieten, wo sie doch genau an dieser Stelle einen Tod hatte beobachten müssen. Den Tod der Nubierin die Vitamalacus damals für sie erwerben wollte. gerade wollte sie sich umdrehen und den Mann einfach stehen lassen, als ihr Blick wieder die Sklavin traf.


    Sie hätte sich beinahe übergeben. In genau diesem Moment stürzte die Nubiern vom Podest und Minervina fühlte sich unsicher werden. Ihre Beine fühlten sich mit einem Mal so weich an und der Sturz der Sklavin schien ganz langsam zu verlaufen. So quälend langsam dass es lange dauerte bis sie endlich blutend auf dem Boden lag. Tot. In genau diesem Moment schaltete sich Minervinas Denken aus und sie stürzte nach hinten.


    Es dauerte einige Augenblicke, da sie die Augen wieder aufschlug. Der Händler hatte sie eben so auffangen können und sie festgehalten. Sie schätzte ihre Ohnmacht auf einige Stunden, doch hatte sie in Wirklichkeit nur wenige Sekunden angedauert. Noch nicht einmal bis zum Boden hatte sie angedauert. Mit todesbleichem Gesicht musterte sie die Sklavin, die sich rasch wieder erhoben hatte. Ihr Leib zitterte und sie brachte es nicht über sich, wieder zu stehen oder etwas zu sagen. Stumm blickte sie die Sklavin an und nur Panik stand in ihren Augen.

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