[Ludi Romani] Theaterstück im Marcellustheater

  • Der innere Vulkan des Plautius


    Plautius versuchte seinen Atem zu beruhigen. Hui! Er konzentrierte sich auf das Theaterstück und ignorierte so gut es ging die “spontane Durchblutung eines Schwellkörpers zwischen seinen Beinen”, welche sich nach einige Zeit legte. Puh!
    Er erinnerte sich an einen Latrinenspruch im Castellum der Legio I: “Selbst der Zahn der Bisamratte ist weicher als die Morgenlatte.” Irgendeiner hatte als Gegenmittel drunter geschrieben, daß man dem im Notfall oder bei unpassenden Gelegenheiten dem abhelfen konnte, indem man fest mit der Sandale drauf haute. Uff!
    Das war noch mal schmerzfrei abgelaufen. Außerdem hätte sich dann auch bestimmt die Aufmerksamkeit von der Bühne zu ihm verlagert. :D

    Semper Fidelis - zum ewigen Ruhme des Imperiums und seines Imperators!


  • Eine falsche Prophezeiung wird offenbart?


    Akt Drei, Erste Szene


    Eine Tibia trillert auf, Trommeln schlagen, Gesänge von Frauen erheben sich, wie Lachen und Weinen in einem. Die Fackeln fangen wieder an zu brennen und das Licht auf die Bühne zu werfen. Nackte dunkelhäutige Frauen tanzen um einen Altar herum. Vor dem Altar kniet in demutsvoller Haltung die Königin der Stadt und Ehefrau von Ödipus. Beschwörend hebt sie die Hände. Die dunkelhäutigen Frauen tanzen ekstatisch um sie herum und fallen bei Iokaste erstem Wort synchron zusammen.


    Iokaste:
    „Oh lykischer Apoll, erweise Dich unserer Stadt als gnädig. Mit den Gaben erflehe ich, schaff Du uns frei von der Befleckung. Denn uns macht es allen Angst, von Schreck verrückt zu sehen ihn, unseres Schiffes Steuermann, Ödipus.“


    Aus der Dunkelheit springt ein älterer Mann herbei. Er trägt eine einfache Tunika und einen Wanderstab in seiner Hand- ein Bote. Schnell eilt er tanzend auf die Bühne und an den vielen Frauenleibern vorbei auf Iokaste zu.


    Bote:
    „Oh ich suche den Ödipus. Sprich, Frau, wo ist sein Haus.“


    Als Iokaste aufsteht und sich dem Mann zuwendet, klimpern leise einige Instrumente im Hintergrund. Erhaben und von unten mit dem Licht angestrahlt sieht sie von der Erhebung des Altars auf den Boten herunter.


    Iokaste:
    „So hast Du seine Frau und Königin dieses Landes gefunden. Sprich, was wünscht Du von Ödipus?“


    Bote:
    „Von Korinth komme ich. Ödipus zu verkünden, dass zum Herrscher ihn die Bewohner dort machen wollen. Denn sein Vater ist verstorben, am Alter, und das Land ohne Anführer!“


    Iokaste sieht zum Publikum und hebt voll des Erstaunens die Hand. Eine Tuba stößt einen langen etwas klagenden Ton aus.


    Iokaste:
    „So ist er nicht gestorben, wie das Orakel des Apoll es sprach? Nicht durch die Hand meines Gemahls Ödipus, der seinen eigenen Vater ermorden sollte nach dem Spruch? Die Jahre rafften den alten Polybos dahin?“


    Sie wendet sich an eines der nackten Mädchen.


    Iokaste:
    „O Mädchen, schnell und hol Ödipus. Sage geschwind deinem Herrn, von der Kunde um seinen Vater!“


    Das Mädchen erhebt sich und schreitet betont langsam von der Bühne. Im nächsten Moment taucht schon Ödipus auf. Seine Krone funkelt im Fackellicht und er tanzt beschwingt auf Iokaste zu. Dort angekommen erhebt er seinen rechten Arm und sieht über das Publikum hinweg.


    Iokaste:
    „Hör diesen Mann! Er zeugt mit seinen Worten, dass der Spruch des Orakels nicht wahr sein konnte und wahr ist. Denn dein Vater ist tot. Polybos ist nicht mehr und keines unnatürlichen Todes ist er gestorben. Nein, das Alter brachte ihn zum Styx und darüber hinaus. Siehst Du, dass Pythos Seherherd falsch gesprochen hat und die Weisung der krächzenden Vögel nichts bedeuten?“


    Ödipus hebt überrascht die Arme und tanzt auf der Bühne dramatisch auf und ab. Er greift sich ans Herz.


    Herrschaftliche Maske- Ödipus
    „Und doch fürchte ich mich immer noch. Denn meine Mutter ist immer noch am Leben und der Spruch kann sich noch erfüllen. Das Schicksal meines Frevels könnte durch mich geschehen!


    Der Bote tritt an Ödipus heran.


    Bote:
    „Was fürchtetst Du? Einen Spruch? Ist er geheim oder sagbar?“


    Herrschaftliche Maske- Ödipus
    „Ja, sicher, sagbar ist er. Einst hat Loxias gesagt vermischen müsste ich mich mit der eigenen Mutter. Und des Vaters Blut sollte ich durch meine eigene Hand vergießen. Darum entfloh ich Korinth, meiner Heimat, und blieb aus Furcht, meinen Eltern zu schaden und den Spruch des Orakels zu erfüllen, fern von ihr. Des Vaters Mörder wollte ich nicht sein!


    Bote:
    „Das brauchst Du nicht zu fürchten. Denn dort wird es Dir nicht möglich sein, dieses Greul zu begehen. Nicht, weil Pylobos tot ist, sondern weil sie beide, Pylobos und sein Weib, nicht mit Dir verwandt sind!“


    Herrschaftliche Maske- Ödipus
    „Nicht verwandt? Was sagst Du da? Woher willst Du das wissen, so sprich!“


    Bote:
    „Durch meine Hand erhielt Pylobos Dich als Du noch ein Säugling warst. Denn kinderlos wie er war, nahm er Dich wie eigen Fleisch und Blut auf. Ich fand Dich einst in einer waldigen Schlucht des Kithairon. Herden führte ich dort entlang und war der Retter von Dir als Du ein Kind noch warst. Ein Mann aus den Landen des Laios gab Dich mir, verschnürt und mit durchbohrten Fersen. Deine Füße bezeugen auch heute noch diese Wahrheit!“


    Herrschaftliche Maske- Ödipus
    „Unmöglich, das kann nicht sein. Doch sprich, wer war jener Mann aus Laios, der den Knaben Dir übergab. Ist er hier? Kann er als Zeuge dienen?“


    Bote:
    „So wirst nur Du es herausfinden. Ich gehe nun, mein Werk ist vollführt!“


    Der Bote geht ab. Ödipus sieht zum Publikum und deutet dabei auf die Frauen am Boden.


    Herrschaftliche Maske- Ödipus
    „Wer ist jener Mann, der mich dem Hirten da gab?“


    Die Frauen erheben sich leicht und kriechen auf Ödipus zu. Ihre Augen sind auf ihn gewandt. Wie aus einem Mund antworten sie ihm.


    Der Chor der Frauen:
    „Es ist kein anderer als der, den Du zuvor zu sehen wünschtest. Der Zeuge, den Dir diese da..."
    [Sie zeigen auf Iokaste.] "...nannte."


    Iokaste wirft sich theatralisch vor die Füße von Ödipus und hebt beschwörend die Hände.


    Iokaste:
    „Lass ab, Ödipus. Forsche nicht weiter. Oh Unglückseliger! Dass niemals Du erkenntest, wer Du bist! Es ist zu Deinem eigenem Besten!“


    Ödipus hebt die Hand und schüttelt energisch den Kopf. Er tanzt einige Schritte zurück, zeigt seine Handflächen gen Himmel und verharrt.


    Herrschaftliche Maske- Ödipus
    „Nein, ich muss nach der Wahrheit suchen. Selbst wenn Dein Frauenstolz erfüllt sein mag, mit der Scham einen Hirten vielleicht geheiratet zu haben, so muss ich es wissen. Wissen, ob der Spruch noch wahr sein kann. Geht und holt den Hirten, Bürger der Stadt, so geht!“


    Iokaste steht auf und hebt anklagend die rechte Hand. Damit deutet sie auf Ödipus.


    Iokaste:
    „Iu, Iu, Unseliger! Kein einziges Wort werde ich mehr sprechen!“


    Sie wendet sich um und rennt von der Bühne. Ödipus verharrt vor dem Publikum, wie erstarrt. Die Frauen kriechen über die Bühne und erheben sich. Ihre dunklen Leiber glänzen ölig und verstörender Frauengesang breitet sich im Hintergrund aus, eine Flöte spielt einen klagenden und etwas disharmonischen Ton.


    Der Chor der Frauen:
    „Oh weh! Die Wahrheit spricht so deutlich. Der Fluch wird immer klarer. Doch warum erkennst Du es nicht, Ödipus. Welche Beweise brauchst Du noch, was Dein Vergehen offenbart?“


    Ein lauter gellender Klagelaut und die Bühne wird dunkel.

  • Prompt nutzte Medeia die kurze Pause zwischen zwei Szenen und die damit verbundene Dunkelheit. Sie wandte sich wieder Plautius zu und ihre Hand wanderte zu ihm hinüber und schob sich von der Seite zwischen zwei Togafalten. Dabei schmiegte sie sich leicht an Plautius heran und legte sachte ihr Kinn auf seiner Schulter ab. Ihre Nasenspitze strich leicht über Plautius Wange und an seinem Hals entlang. Als sie langsam den Atem durch die Nase einsog, seufzte sie kaum hörbar. „Hmm...Du riechst gut, Centurio!“ Ganz sanft fuhren ihre Lippen an seinem Hals entlang und verharrten an der Stelle, wo die Kinnlinie auf das Ohrläppchen traf. „Würzig und einnehmend...ist das Deine hispanische Natur?“ Dann legte sie wieder ihr Kinn auf seine Schulter und sah ihn durch die Dunkelheit an. Ganz vage war die Silhouette von ihm auszumachen. Medeia lächelte leicht und hob ihre Hand zu seinem Kinn, welche sie kurz berührte.


    Die Hand unter der Toga drang etwas tiefer in die Gefilde hinein und fuhr flach über der Tunika an Plautius Bauch entlang und etwas tiefer. Dicht über der „Gürtellinie“ verharrte ihre Hand, fast aufreizend oder lockend? „Ich glaube, das Stück wird wohl bald zu Ende sein!“ Schnell küsste sie ihn am Hals, für den Fall, dass gleich die Lichter angingen. Ein ärgerliches Raunen ging in der hinteren Reihe entlang. „Verzeihung...darf ich mal...jaja, ich will ja nur durch...Verzeihung...ah!“ Direkt hinter Plautius und Medeia beugte sich eine Gestalt runter und drängte Beide etwas auseinander. Ein Mann, er roch ein wenig nach Wein, legte eine Hand auf Medeias Schulter. „Diese Haare, dieser Rosenduft, die Laszivität...ich wusste doch gleich, dass Du es bist, Medeia. Na, ist das dein neues Spielzeug? Ja, der sieht ja ganz passend für deine Zwecke aus. Legionär...Prätorianer?“ Medeia entfernte sich von dem Mann und schüttelte seine Hand von ihrer Schulter. „Verschwinde..!“ Der leicht angetrunkene Mann, er war recht groß und durchaus muskulös [so weit es die dunklen Verhältnisse das erkennen ließen] beugte sich zu Plautius. „Ich würde mich in Acht nehmen vor dieser kleinen Zicke! Sie macht einen scharf, lässt einen dann aber nicht ran. Es sei denn man tut, was sie will...! Aber wie unhöflich...Decius mein Name und Du bist?“

  • Plautius drehte sich zu dem angetrunkenen Störenfried herum und legte ein ein „ausdrucksloses Centurio-Gesicht“ auf, was bei den meisten Soldaten auf dem Exerzierplatz zur Verunsicherung führte, weil man nicht wusste, woran man bei dem Centurio gerade war.


    Neben der Störung des Theaterstückes erregte der Kerl mit dem Inhalt seiner verbalen Äußerungen den Unmut von Plautius. Offensichtlich waren einige von Medeias Bekannten aus der Vergangenheit nicht gerade Musterbeispiele für Diskretion und gute Manieren. Plautius musterte sein Gegenüber und nahm auch die neugierigen Blicke der nächst sitzenden Besucher zur Kenntnis, die aufmerksam und mit großen Ohren die Szene verfolgten. Das war Roma. Kaum passierte “Etwas”, schon stand eine geifernde Menge bereit. Er fühlte sich an die Geier und das Opferlamm erinnert. Zufrieden registrierte er aber auch, dass die ihn begleitenden Soldaten (in der Reihe hinter ihm und Medeia sitzend, durchweg alle eher kulturell unterbelichtet und bestenfalls von der Schwertkampfszene begeistert) den Störenfried und ihn aufmerksam musterten. Sie warteten nur auf ein Zeichen.


    „Ah, Decius! Wie geht es Dir! Du schaust gut aus. Wie ich sehe bist du von deiner Geschlechtskrankheit wieder genesen. Deine Frau hat sich ja vor uns beiden (er wies auf sich und Medeia) auf der Feier in der Casa Artoria in einer Art und Weise geäußert, dass wir ernsthaft um deine Gesundheit fürchteten als wir hörten, dass Dir dein bestes Stück nach dem Besuch in einem persischen Lupanar in Trans Tiberim abgefallen sein soll. Nur gut, dass du ja schon verheiratet bist und so eine fürsorgliche und treue Frau hast. Ich hoffe deinen Kindern geht es gut? Aber etwas blass siehst du noch um die Nase aus? Was macht deine Lungenkrankheit? Immer noch diese spontane Atemnot?“


    Plautius klopfte dem Mann bei diesem Worten freundschaftlich auf die Schulter und stellte fest, dass eine Toga mitunter auch ein praktisches Kleidungsstück war, wenn der viele Stoff Handlungen verbergen sollte. Mit der antrainierten Schnelligkeit eines Soldaten rammte Plautius dem Mann die Faust des anderen Armes unter die kurze Rippe. Nach Luft japsend knickte der Mann in der Körpermitte ein.


    „Oh weh, mein Guter. Da spreche ich es an und schon passiert es. Keine Sorge. Meine Männer werden dich schnell nach draussen bringen, raus aus der Menschenmenge, damit du wieder in Ruhe zu Atem kommen kannst. Lucius! Spirus! Bringt meinen Freund nach draussen und sorgt dafür, daß er in seinem angeschlagenem Zustand nicht die Treppenstufen hinab fällt. Das letzte Mal brach er sich dabei versehentlich die Hand, das Handgelenk, den Ellenbogen, den Arm und die Schulter.”


    Plautius Stimme hatte jetzt einen fürsorglichen Ton. Die beiden Männer packten den noch immer keuchenden Decius! Spirus nickte Plautius zu und lächelte. Dann schleiften sie ihn schnell durch die Zuschauermengen wieder weg.


    Plautius nahm wieder Platz und wandte sich an Medeia, so daß es die Umsitzenden hören konnten.
    “Mit so einem Zwischenfall habe ich schon gerechnet. Ich habe über die Schauspielertruppe und den Schreiber des Stückes bereits in Germania viel gehört. Er bezieht in den Pausen das Publikum der ersten Reihe durch Schauspieler ein. Jede Wette der Senator links neben uns wird mit einer dieser halbnackten Tempeltänzerinnen konfrontiert, die wir bei unserer Ankunft hinter die Bühne huschen gesehen haben. Und die Dame zu deiner Rechten, werte Medeia, bekommt sicher einen dieser muskelbepackten Gladiatoren ab. Und dabei beleidigt man das Publikum auf übelste Weise was man als künstlerische Freiheit bei der Darstellung der Dekadenz oder so auslegt. Wirklich eine sehr moderne Form des Theaters. Irgendwie provokant!”


    Der alte Senator schien aus seiner Erstarrung zu erwachen und reckte interessiert den Hals und hielt schon Ausschau nach der Tänzerin, was ihm einen Rippenstoss von seiner Frau einbrachte, die man auch nicht mehr als “Jung” bezeichnen konnte. Die Dame "mittleren Alters" an Medeias Seite errötete dagegen und wandte ihr Gesicht wieder starr nach vorne zur Bühne. Ab und an schielte sie nach der hoffentlich nächsten Störung, während ihr jugendlicher Begleiter grimmig drein schaute. Sollet der Gladiator nur kommen ...


    Plautius zwinkerte Medeia zu und flüsterte leise.
    “Also wenn das ein Freund von Dir ist, dieser Decius, dann sollte ich Ursus hinterher schicken. Spirus ist ein intelligenter Soldat, der die Worte auch ungesagt zu deuten weiß.”

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  • Das höhnische und unverschämte Grinsen verging Decius sehr schnell. Verwirrungsfalten zeigten sich auf seinem Gesicht als er Plautius Antwort vernahm. “Meine Frau? Feier? Mann, wovon redest Du eigentlich...was?...“ setzte Decius schon zu einem protestierenden Widerspruch an. Doch in dem Moment traf ihn der Schlag. Kehlig keuchend rang er um Atem und riss die Augen auf. Seine Augen blitzten jedoch nach der ersten Benommenheit zornig auf. Zwar erholte sich sein Körper nicht so schnell, aber wären die Helfer von Plautius nicht gewesen, hätte sich Decius trotzdem auf Plautius gestürzt. Doch so wurde er weggeschleift und versuchte sich dagegen zu wehren. Ein Raunen ging durch die Reihe hinter ihnen und ein paar empörte Kommentare wurden laut. Einige lachten jedoch auch vergnügt bei der kurzen Einlage zwischen den einzelnen Szenen. Medeia hatte die Augenbraue gehoben und sah nicht sehr amüsiert aus über das ganze, doch recht laute, Ablenkungsmanöver von Plautius.


    So schüttelte sie leicht den Kopf auf Plautius leisen Worten. „Nein, er ist kein Freund von mir. Mit Sicherheit nicht. Aber es gibt immer Männern, denen der Wein zu Kopf gestiegen ist. Ich kenne ihn nur recht vage...“ Sie sah ihm hinterher und Zorn blitzte in ihren grünen Augen auf. Doch diese kurze Regung verschwand sofort wieder. Eigentlich wollte sie noch zu einigen weiteren Worten ansetzen, doch in dem Moment ging das Theaterstück weiter...


  • Der Tod einer Königin


    Akt Drei, Zweite Szene


    Ungeachtet etwaiger Störungen aus dem Publikum wurde das Theaterstück fortgesetzt. Schattenartige Tänzer schnellten geisterhaft über die fast dunkle Bühne, die Doppelflöte trillerte laut auf. Die Fackeln wurden wieder entzündet. Auf der Bühne stehen Ödipus, der alte Bote und ein weiterer alter Mann [Der Hirte, ein zottiges Schafsfell zierte seine Schultern und er trug einen Hirtenstab in der Hand.], in Posen als wären sie Statuen. Sie starren über das Publikum hinweg, Ödipus hat die Arme gen Himmel gestreckt. Dann bewegt sich wieder die herrschaftliche Maske nach vorne und Ödipus löst sich aus der Starre. Er wirbelt tanzend über die Bühne und wendet sich dann dem Publikum zu. Aus dem Schatten treten die ersten Tänzer, sie sind in lange schwarze Tuniken gekleidet und tragen schwarze, verzerrte Holzmasken.


    Herrschaftliche Maske- Ödipus
    „Mir scheint, der Hirte ist eingetroffen. Denn in seinem hohen Alter stimmt er mit jenem Manne überein. Außerdem begleiteten ihn meine Diener, die ich sandte.“


    Die Tänzer mit den Holzmasken treten nach vorne und deuten auf den Hirten.


    Der Chor:
    „Ja, ich erkenn ihn, sei gewiss. Des Laios Hirte war er und wie kein Zweiter war er ihm treu.“


    Der Bote und Ödipus wenden sich beide gleichzeitig dem Hirten zu, die Tänzer treten wieder in den Hintergrund und scheinen mit den Schatten zu verschmelzen.


    Herrschaftliche Maske- Ödipus
    „He Du, Alter! Komm hierher und sage mir. Des Laios Diener warst Du einst? Wie dientest Du dem Laios?“


    Der Hirte humpelt langsam näher an Ödipus und verneigt sich tief vor ihm.


    Der Hirte
    Herr, ich war ein Sklave, nicht gekauft, aber aufgewachsen im Hause des Laios. Und ich diente ihm immer schon als Hirte, folgte meinem ganzen Leben lang den Herden. Bald war es der Kithairon, bald das angrenzende Gebiet.“


    Ödipus deutet auf den Boten.


    Herrschaftliche Maske- Ödipus
    „Den Mann dort, kennst Du ihn? Gabest Du ihm vor vielen Jahren ein Kind? Einen Knaben, im Gebiet des Kithairon?“


    Der Hirte betrachtet den Boten und reißt erschrocken die Augen auf. Voll der Angst hebt er seine Hand vor dem Mund und taumelt einige Schritte zurück. Dabei schüttelt er heftig den Kopf. Schrille Flötentöne begleiten jeden seiner Schritte.


    Der Hirte
    “Lang ist es her. Doch vermag und darf ich darüber nicht zu sprechen.“


    Der Bote:
    “Der da ist das Kind von damals!“


    Der Bote zeigt auf Ödipus. Wieder spiegelt sich Verzweiflung in dem Gesicht des Hirten. Ödipus tritt näher an ihn heran und Wut zeigt sich in dem Gesicht des Pantomimetänzers. Nun tritt auch wieder die zornige Maske nach vorne.


    Herrschaftliche Maske und zornige Maske- Ödipus
    „Sprichst Du nicht im Guten, alter Mann, so wirst Du unter Tränen sprechen. Sag die Wahrheit, was war mit dem Kind und war es der Sohn des Laios oder nur ein Sklavenbalg aus dem Palast?“


    Der Hirte
    “Oh weh, quäle doch nicht einen alten Mann!“


    Ödipus hebt drohend die Hand und noch mehr Angst schleicht sich in das Gesicht des alten Hirten.


    Der Hirte
    “Ich wünschte das Kind wäre damals gestorben. Bei den Göttern, warum fragst Du nach jenen unaussprechlichen Dingen? Weh mir! Sein Sohn war es. Die Frau dort drinnen, Iokaste, weiß am Besten, wie es sich verhält. Denn sie gab mir den Jungen, um ihn zu vernichten. Doch Mitleid trieb mich, wähnte ich doch den Jungen in weiter Ferne und so des Unheils nicht mehr fähig!“


    Ödipus reißt verzweifelt die Arme in die Luft, schrille Musik begleitet einen langen jammernden Ton, der aus seiner Kehle kommt.


    Herrschaftliche Maske und traurige Maske- Ödipus
    „Iu! Iu! Das Ganze wäre klar heraus. O Licht, zum letzten Mal will ich Dich schauen jetzt. Dem ich entstammt bin, erschlug ich und mit wem ich nicht gesollt, hab ich verkehrt. Oh weh mir!“


    Er läuft verzweifelt davon. Auch der Bote und der Hirte verlassen die Bühne. Einen Moment liegt die Bühne verlassen dar, doch dann erhebt sich die Stimme einer Frau, dunkel und klagend. Griechische Wörter werden durch das Theater geraunt. In dem Moment betritt Iokaste die Bühne. Schwankend und mit zerrauften Haaren. Die Tänzer treten von hinten hervor und umschwirren sie wie die Geister der Unterwelt. Iokaste wirft sich auf den Boden und hebt verzweifelt den Kopf gen Himmel. Sie greift nach einem Dolch, hebt ihn hoch und sieht längere Zeit darauf. Dann ‚stößt’ sie ihn sich selber in den Bauch. Mit einem theatralischen Seufzen sinkt Iokaste ‚tot’ auf den Boden.


    Der Chor:
    O Unglückselige. Sich selber das Leben genommen! Noch mal Laios Namen auf den Lippen starb sie, die Mutter und Gebärerin von Unglückskindern!“


    In dem Moment betritt wieder Ödipus die Bühne. Als er Iokaste auf den Boden sieht, stößt er einen Schrei aus. Der klagende Frauengesang wird lauter und er sinkt neben Iokaste auf den Boden. Behutsam nimmt er sie in seine Arme, die Fackeln verlöschen.


  • Das Schicksal des Ödipus!


    Akt Drei, Dritte Szene


    Nur kurz währte die Pause, dann gingen die Fackeln wieder an. Die traurige Frauenstimme sang ununterbrochen weiter, dunkle Flötengesänge begleiteten sie. Auf der Bühne kniet immer noch Ödipus und hält die tote Iokaste in seinen Armen. Die Tänzer sind verschwunden, doch untermalt von wieder schrilleren Klängen kriechen langsam die Pestkranken auf die Bühne. Ihre Gesichter sind blutig und schwarz verfärbt, ihre Augen aufgerissen und ihre Münder verzerrt. Ödipus scheint sie jedoch nicht zu bemerken.


    Der Chor:
    „Da ist er, der Frevelhafte! Nun weiß er um die Wahrheit. Auch am Tod seiner Frau und Mutter fühlt er sich schuldig. Oh weh, was tut er?“


    Ödipus greift in die dunklen Haare von Iokaste und zieht zwei längliche spitze Gegenstände hervor. Goldene Haarnadeln blitzen im Schein er Fackel auf. Mit verzweifelter Geste hob er beide in die Luft. Dann stößt er sie, weit ausholend, in die Lider seines Auges [zumindest sieht das so für die Zuschauer aus]. Er sinkt zusammen und krümmt sich, während im gleichen Moment ein lauter gellender Schrei von der herrschaftlichen Maske ertönt. Als er etwas aufsieht, sind seine Augen blutig und sein Gesicht blutüberströmt. Er steht auf und geht auf die Treppen. Dort hebt er seine Hände und sieht zu den Pestkranken.


    Traurige Maske - Ödipus
    „Kadmeer! Hört mich an. Ich bin der Mörder des Laios! Ein Vatermörder bin ich und Unreines, Unsagbares habe ich mit meiner Mutter getan. Verflucht sei ich! Verstoßt mich, tötet mich! Denn ich bin Schuld an Eurem Elend!“


    Voll der Verzweiflung schreit die traurige Maske dies, während Ödipus die Arme hochgerissen hat und abgehackte Bewegungen vollführt. Dann wirft er sich zu Boden und verschmilzt mit dem Schatten einer Kulissensäule. Die Pestkranken stöhnen auf und winden sich gequält. Sie erheben sich langsam, viele Stimmen vereinen sich zu einem unheimlichen und monotonen Chor. Langsam tanzen die Pestkranken nach vorne, wirken zusammen einen Todesreigen, schaurig und bizarr. Gequält erhebt sich Ödipus wieder und schreitet gebrochen zwischen den vielen Pestkranken hindurch. Die Pestkranken wenden sich Ödipus zu und strecken die Hände nach ihm aus, ohne ihn zu berühren.


    Der Chor:
    „O der du Furchtbares getan, wie brachtest Du es über Dich, so auszulöschen die Augen? Welcher der Daimonen trieb Dich?“


    Ödipus sieht an ihnen vorbei und auf das Publikum herunter. Sein ganze Gesicht ist immer noch blutig. Über seinen Augen trägt er eine weiße Stoffbinde.


    Traurige Maske - Ödipus
    „Aiaia! Weh, weh mir! Wie kann ich meinem Vater sehend gegenübertreten, wenn ich im Hades angekommen? Wie der armen Mutter, an der ich genauso die Tat verübte, die mit dem Dolch ihr Leben nahm? Nein, verstoßt und verflucht mich. Ich, der das Blut meines Vaters an den Händen trägt. Oh, Apollo spielte gar ein fürchterliches Schicksal mit mir. Trieb mich fern und somit in mein Schicksal hinein.“



    Die Pestkranken werfen sich zu Boden. In dem Moment tanzt Kreon auf die Bühne, begleitet von seinem Gefolge. Ödipus wendet sich ihm langsam zu als die Schritte ertönen.


    Traurige Maske - Ödipus
    “Oh mir! Welche Wort denn sag ich nur zu ihm? Welchen Anspruch auf Vertrauen hätte ich noch?“


    Herrschaftliche Maske - Kreon
    „Nicht als Spötter, Ödipus, bin ich gekommen. Doch bringt ihn hinein. Des Verwandten Leid sollten nur die Verwandten sehen.“


    Ödipus tritt näher an Kreon, seinem Schwager und Onkel, heran.


    Traurige Maske - Ödipus
    “Wirf mich aus dem Land, so schnell Du kannst, dahin, wo ich von keinem Menschen angeredet werde. Der Gott hat gesagt, mich zu töten ist des Fluches Lösung. So handele schnell und rette das Land. Doch eines versprich mir, sie dort im Hause setze im Grabe bei. Und kümmere Dich bitte um meine beiden glücklosen und erbarmenswerten Mädchen, die allein wären. Meine Söhne brauchst Du nicht Sorge drum zu tragen, denn Männer können immer um ihr Brot sich sorgen. Und lasse mich wohnen in den Bergen, wo der Kithairon liegt. Denn dort werde ich nicht mehr lebend sein, nur ein Schatten meines jetzigen Seins.“


    In dem Moment betreten zwei junge Frauen auf die Bühne. Eine ist ganz golden geschmückt, die andere silbern. Es sind Ismene und Antigone, die Töchter des Ödipus und der Iokaste. Sie gehen zu Ödipus und greifen jeder nach einer Hand.


    Traurige Maske - Ödipus
    “Höre ich da meine beiden Lieben Tränen vergießen? Hat Kreon sich mir erbarmt und das Liebste, meine beiden Kinder, mir geschickt?“


    Herrschaftliche Maske - Kreon
    „So ist es! Ich bin’s, der es angeordnet hat, wußt ich doch, sie sind und waren immer deine Freude!“


    Traurige Maske - Ödipus
    “Dank sei Dir gewiss, Kreon. Und mögen Dich die Götter schützen. Doch nun werde ich gehen, den Fluch mit mir tragend. Nein, kein Widerspruch. Das Heil des Landes kehrt zurück, wenn ich mich zurück gezogen. Geht, geht, Kinder und führt mich.“


    Antigone und Iokaste führen langsam Ödipus von der Bühne. Die Pestkranken erheben sich und ziehen ihre blutigen Gebilde von dem Gesicht. Darunter erscheinen schwarz, weiß geschminkte Gesichter. Sie sehen Ödipus hinter her.


    Der Chor:
    „O Bewohner Thebens, meiner Vaterstadt! Sehet, dieser Ödipus, der die berühmte Rätsel löste, mächtig wie kein zweiter war, er, auf dessen Glück ein jeder Bürger sah mit Neid, in welch große Brandung ungeheuren Schicksals er geriet! Drum blicke man auf jenen Tag, der zuletzt erscheint, und preise keinen, der da sterblich, selig, eh er denn zum Ziel des Lebens durchgedrungen, ohne dass er Schmerz erlitt!“


    Ein langgezogener klagender Ton einer Frauenstimme und einer Tibia. Die Bühne bleibt noch einen Moment erleuchtet, dann verdunkelt sich alles. Einen Moment herrscht Stille im Theater, dann applaudieren viele Zuschauer, die Lichter gehen wieder an und der Dramaturg Balbus tritt auf die Holzplanken. Er verbeugt sich leicht, genießt offensichtlich den Applaus. Dann fällt der Vorhang vor diesen.


    ~Finis~

  • Plautius folgte wieder aufmerksam dem Stück. Medeia sah etwas verstimmt aus, aber Plautius vermutete, dass dies an der Störung lag. Die umsitzenden Zuschauer konzentrierten sich auch wieder auf das Stück und schienen davon auszugehen, dass dieser Zwischenfall zum modernen Charakter des Stückes gehört hatte. Einige blickten neidisch auf Plautius und Medeia, dass diese offensichtlich ausgewählt worden waren und lauerten auf eine eigene Gelegenheit sich theatralisch in Szene zu setzen.
    Sanft und beruhigend strichen seine Fingerspitzen über Medeias Handrücken.


    Und schon war das Stück zu Ende. Schade. Er hatte es länger in Erinnerung. Die Aufführung war zwar stellenweise recht eigensinnig inszeniert gewesen, hatte aber seine Zustimmung gefunden. Daher …


    :app: :app: :app:


    Jetzt hatte er etwas Hunger. Mal sehen, ob sich da auf dem Heimweg noch was finden ließ.

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  • Auch Medeia klatschte leise als das Theaterstück sein Ende fand. Sie lächelte milde und sah nach vorne und zum „Regisseur“ des Stückes. Als die Bühne jedoch hinter dem Stoff verschwand, wandte sie sich wieder Plautius zu. Ein Lächeln umspielte ihre sanftgeschwungenen Lippen und von der kurzzeitigen Verstimmung von vorher war nichts mehr bei ihr zu sehen. „Ein unkonventionelles Stück wie ich finde. Der Dramaturg hat sogar den Text an den meisten Stellen umgeschrieben.“ Medeia stand auf als auch die ganzen anderen Zuschauer Richtung Ausgang strebten oder sich noch laut schwatzend über das Stück und das Blut auf der Bühne unterhielten. Für römische Verhältnisse war das Stück noch recht dezent gewesen, wurden doch schon richtige Gladiikämpfe auf der Bühne ausgefochten.


    Medeia zog wieder ihre leichte Palla über die Schulter, durch die ihre Haut und die goldenen Spangen hervorschimmerten. Langsam ging auch sie auf den Ausgang zu und sah lächelnd zu Plautius als sie die Treppen überwunden hatten und direkt an der Strasse standen. „Für Deinen Papyruseinkauf würde ich vielleicht das Domus de Papyri vorschlagen. Kennst Du jenes? Vielleicht treffen wir uns morgen Nachmittag am Tempel des Castors?“ Medeia sah kurz einer dicken Frau mit allerlei Edelsteinen und ihrem nicht weniger dicken Ehemann hinterher. Unzählige Sänften wurden vor das Theater geführt, auch Medeias gemietete Sänfte mit den keltischen Sklaven kam heran und Pumilus streckte seinen Kopf heraus. Vergnügt winkte er Plautius zu und wartete auf seine Domina.

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