Est igitur res publica res populi - oder: Eine Sklavin unterwegs

  • "Est igitur res publica res populi, populus autem non omnis hominum coetus quoquo modo congregatus, sed coetus multitudinis iuris consensu et utilitatis communione sociatus."


    Ein Schritt, ein Wort, ein weiterer Schritt, ein weiteres Wort. Ihr Herr hatte sie dieses Zitat auswendig lernen lassen, und sie konnte es vor sich hersagen, bevor sie das lateinische schreiben gelernt hatte. Das Zitat war auch mit ein Grund dafür, dass sie den Schriftsteller, den ihr Herr kurzerhand oft genug nur den zänkischen Alten nannte, nicht besonders schätzte. Wenn sie aus seinem Werk 'De re publica' vorlesen sollte, kam ihr das Verfasste teilweise einfach nur langweilig vor - und jetzt sollte sie eine neue schriftliche Ausgabe davon beschaffen, weil die alte durch einen unglücklichen Zufall beschädigt worden und nicht mehr zu retten war.


    Est igitur...


    Rom war Alexandria gleich, zumindest in den Ausmaßen, überall traf man auf Menschen, deren unterschiedliches Aussehen und Verhalten sie nicht nur als Römer, sondern auch als Weltenbummler auswies. Gab es überhaupt einen Ort, den die Römer nicht vereinnahmten? Nefertiri hatte ihren Herrn einmal deswegen befragt, aber er hatte nicht darüber sprechen wollen und sich anderen Themen zugewandt. Vielleicht wollte er nicht, dass sie zuviel lernte? Aber andere Dinge hatte er sie bereitwilig gelehrt, und es hatte nicht nur mit dem Spiel auf den Laken zu tun gehabt.


    ...res publica ...


    Sie wich einem dicklichen Händler geschickt aus, der es wohl darauf angelegt hatte, die schlanke Gestalt der Ägypterin mit seinem Körper zu berühren, und verschwand zwischen einigen eifrig miteinander schnatternden Römerinnen, die sich über Schminke, Männer und die neueste Mode aus Tylus unterhielten. Frauen und Männer, so hatte die junge Ägypterin inzwischen festgestellt, unterschieden sich nicht unbedingt von denen in ihrer Heimat, selbst wenn man sich viele Schritte von zuhause fort war. In Ägypten hatten die Frauen auch über Schminke, Kleidung und Männer geredet, vielleicht sogar noch mehr als hier. Manche Römerinnen interessierten sich zumindest für Literatur, wenngleich die wenigsten wohl gerne Cicero lasen. Wo war nur dieser Schriftrollenladen gewesen?


    ... res populi ...


    Sie hatte sich den Weg doch erklären lassen, aber irgendwie musste sie eine falsche Abzweigung gewählt haben, denn die Gasse, in der sie sich nun befand, erkannte sie nicht. Seufzend rückte sie ihr bodenlanges, weisses Kleid aus dem schlichten, aber guten Stoff zurecht und huschte mit der natürlichen Grazie und Gewandtheit einer ausgebildeten Tänzerin leichtfüßig weiter, die Gasse entlang, bis sie wieder eine breitere Straße erreicht hatte, auf der sich auch mehr Menschen befanden. Sie war wohl in ein besseres Viertel geraten, die Menschen hier waren besser gekleidet, und von einer nahen Garküche drangen appetitliche Gerüche auf die Straße, in einem anderen Laden pries ein Händler farbenfrohe Stoffe an. Dennoch, sie musste zugeben, dass sie nicht mehr wusste, wo sie sich befand - und blickte sich hilfesuchend um, ob sie nicht von einem der umher laufenden Menschen einen Hinweis erhalten würde, wie sie wieder zurückfinden würde. Jetzt waren leider alle Zitate Ciceros gänzlich unnütz.


    Sim-Off:

    Wer möchte, ist herzlich eingeladen, eine verirrte Sklavin wieder auf den rechten Weg zurückzubringen :)

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