Tablinium | QTV und Rediviva Helena

  • Eigentlich sass er nur da, er hatte seinen Tisch leer gearbeitet, zahlreiche Aufgaben delegiert und hatte nun seine Ruhe. Nur noch eine Wachstafel lag vor ihm, doch er nahm den Inhalt nicht zur Kenntniss. Stattdessen wanderten seine Gedanken umher und zum ersten Mal seit wirklich langem sah er fast fröhlich in die Zukunft.


    Das der Iantor einen Besucher meldete, nahm er erst garnicht zurkenntniss, so passierte es, das er nur den zweiten Teil des Namens mitbekam. Helena ? Hier ? Fast sofort legte sich ein leichtes Lächeln auf seine Lippen.


    Doch dann registierte er, das es eben eine andere Helena war, nicht seine und das Lächeln auf seinem Gesicht verschwand augenblicklich. Nein, diese Helena wollte er eigentlich nicht sehen. Aber dennoch liess er sie Herein bitten.


    Als der Ianitor den Raum verlassen hatte, stand er auf, ging zu dem Tischchen an der Wand und schenkte sich ein grosses Glaswein ein, dann ging er langsam zu dem grossen Fenster zum Perysstilium und blickte in das Grün des Gartens. Irgendwann musste er dort einen Rosenstrauch pflanzen lassen, so wie nova es geliebt hätte. Ob seine Helena das auch gern hätte ?
    So waren seine Gedanken so wohl in der Vergangeheit wie auch in der Zukunft, während er auf den Besuch wartete.

  • Wie immer schritt sie unscheinbar durch das Gebäude. Sie strahlte im Gegensatz zu ihrer Tochter nur selten Stolz oder Autorität aus. Vielmehr gingen ihre Blicke wachsam durch die Gegend. Sie suchte nicht unbedingt nach Auswegen, autmatisch jedoch nach unangenehmen Situationen. Und so auch heute. Dabei stand erst eine unangenehme Situation direkt vor ihr. Aber es musste einfach erledigt werden. Als sie beim Tablinum von Quintus Tiberius Vitamalacus ankam harrte sie noch ein paar Atemzüge aus, um sich zu beruhigen. Dann durchschritt sie den Durchgang und erblickte ihn am Fenster. Er schien mit seinen Gedanken völlig woanders zu sein. Ob er noch immer so wie früher war? Ein wenig unausgeglichen aber sanft?


    "Vitamalacus?" kam es fremd über ihre Lippen. Sie hatte ihn einst immer Quintus genannt und das auch nicht immer ohne jede Emotion. Unsicher blickte sie auf seinen Rücken und wartete darauf, dass er sich umdrehte.

  • Ob sein neuer Scriba den Strauss aus dem Landsitz hierher versetzen könnte ? Das ist ein Gedanke, der ihm gefallen würde, Novas Rosenstrauch hier bei ihm. Was Nova wohl zu Iulia Helena sagen würde ? Er lässt den Wein im Glas kreisen, trinkt langsam einen kleinen Schluck.
    Natürlich hört er die Schritte kommen, doch er reagiert erst mal nicht, auch als sie ihn anspricht, blickt er erst mal stehen. Kühles Schweigen herrscht im Raum, langsam stellt er das Glas ab.


    "Helena," antwortet er nach einer ganzen Weile kühl und emotionslos. Und dann dreht er sich um, sieht sie an, der Blick ist ebenso so kalt wie seine Stimme, " ich vermute, du bist wegen Minervina hier ?"

  • Sie musste sich eingestehen, dass sie durchaus etwas traurig war. Die Atmosphäre war noch angespannter, als sie es sich gedacht hatte. Sie wusste nicht, wielange sie einfach nur dastand und ihn beobachtete. Die Art wie er ihren Namen aussprach schmerzte. Das einzige was ihr noch an ihm bekannt vorkam, war seine Stimme an sich. Und sein Blick löst einen unangenehmen Druck in ihrem Bauch aus. "Ja, unter anderem." hörte sie sich sagen. Eigentlich war sie nur wegen Minervina hier, doch wie so oft verspürte sie nun den Drang auch diese Spannung an Ort und Stelle zu klären. Es hatte ihr schon immer weh getan, wenn ein Miteinander nicht mehr richtig möglich war, doch hier tat es ganz besonders weh.


    Des Weiteren war sie bezüglich ihrer weiteren Worte etwas ratlos. Sie wusste nicht, wie sie ihm weiterhin begegnen sollte. Sie standen nun nach all der Zeit gemeinsam hier. So lange hatten sie nicht mehr miteinander gesprochen. Minervina hatte gerade das Laufen erlernt, als sie sich zunehmend entfremden hatten. Und nach all der Zeit wusste sie nun nicht, wie sie fortfahren sollte. So blickte sie ihn einfach nur weiterhin an.

  • Eindringlich mustert er sie und er muss feststellen, das sie sich nicht viel verändert hat. Älter ist sie geworden, ja, aber das ist er auch, aber denoch fällt es ihm nicht schwer, in ihr die junge Frau zu sehen, welche damals, bei seiner Rückkehr zur Familie kennen gelernt hatte. Nur hatte sich so viel verändert, für ihn istz das Band der Freundschaft, welches sie einmal verband zerrissen. Doch wenn er vor einiger Zeit sie sogar noch gehasst hatte, das war nicht mehr der Fall.


    "Setz dich."


    Immer noch fehlt jede Emotion in der Stimme, der Ton ist bestimmend, fast befehlend. Langsam geht er auf seinen Tisch zu. Auch wenn er sie nicht mehr als seine Freundin bezeichnen konnte, so ist er doch in der Lage, diesesn Besuch sachlich abzuwickeln.


    "Wegen Minervina habe ich auch noch ein paar Dinge mit dir zu besprechen. Aber fang du an."

  • In der Tat hatte sie sich nicht stark verändert. In ihrem blonden Haar waren möglicherweise ein paar wenige graue Haare, die sich aber durch das Blond nicht besonders stark abhoben. Falten waren scheinbar ebenfalls noch nicht der Rede wert. Allenfalls die Lachfalten um die Mundwinkel herum und eine leichte Sorgenfalte auf der Stirn. Doch beide Sorten ließen sich in ihrem Leben kaum vermeiden. Bei all dem Ärger und Kummer den sie hatte war es erstaunlich, dass sie noch nicht wie ihr Adoptivvater in seinen letzten Jahren aussah.


    Ihr Adoptivvater.. Zu seinem Tod hin hatte sie auch Vitamalacus kennengelernt und es war genau dieser Umstand, der sie damals verunsichert hatte. Ihr eigener Mann war damals kaum an ihrer Seite. Vitamalacus hingegen als weit entfernter Verwandter hatte sich die Zeit genommen, ihr zuzuhören. Angesichts der Härte in seinem Gesicht musste sie sich allerdings fragen, ob er das alles vergessen hatte. Auch sein Ton gefiel ihr nicht. Sie mochte es absolut nicht, sich befehlen zu lassen. Doch aus Höflichkeit folgte sie seiner Anweisung. Sie legte den Befehl einfach als ungeschickt formulierte Bitte aus und kam schon besser damit zurecht. "Nein, fang du an." bat sie. Sie war noch immer etwas aus dem Konzept. Dennoch zwang sie sich zu seinem freundlichen Lächeln, wenn sein kalter Blick ihr Herz auch gefrieren lassen könnte.

  • Nein, sie hatte sich nicht viel verändert, aber dennoch unterschied sich sich dieses Gespräch so ganz und gar, von denen, die er früher mit ihr geführt hatte. Denn er hatte sich verändert, nicht nur äusserlich hatten die letzten Jahre ihn geprägt und ihre Spuren hinterlassen. Damals war er ein junger Mann gewesen, der sich in eine unmögliche Liebe verrant hatte. Seither hatte er leid und tot erlebt, hatte die Karriere gemacht, welche für ihn vorgesehen war und war dabei sie fortzusetzen. Er hatte gelernt sich durch zu setzen, sowohl im Dienst am Imperium, wie auch in der Familie. Und dies würde Helena auch zu spüren bekommen.


    "Wie du willst."


    Er verzichtete darauf, ihren Namen zu verwenden, denn ihr Name war für ihn mittlerweile ganz mit einer anderen Person verknüpft in seinem Geiste.

    "Wie kommst du dazu, der Tochter des Senators Tiberius Maximus den Namen ihres Vaters zu nehmen ?"


    Nichts in seiner Stimme verriet den Zorn, welchen er empfunden hatte, als er von ihren Genswechseln erfahren hatte.

  • Sie musste schlucken, als sie seine Frage vernahm. Oft hatte sie sich nachhaltig darüber Gedanken gemacht und sich immer wieder gefragt, ob dies die richtige Entscheidung gewesen war. Und ebenso unsicher war sie sich mit dem, was die Vitamalacus antworten sollte. Sie war verunsichert und das war ihr auch deutlich anzumerken. Ihr Gesicht zeigte jede in ihr befindliche Nervosität. Noch nie hatte sie ihre Gefühle völlig verbergen können und so sehr sie sich manchmal auch ärgerte, war sie zugleich froh, niemals zu lügen. Sie war dessen nicht einmal mächtig.


    "Es ist ziemlich unbedacht geschehen. Mittlerweile halte ich diese Entscheidung aus Minervinas Sicht auch für einen Fehler. Damals allerdings war für mich alles nicht so leicht. Maximus' Verschwinden und sein folgender Tod und noch viel anderer Kummer ließen mich so handeln. Mich hielt in der gens nichts mehr und ich entschied mich, auch Minervina von den Banden zu lösen. Ich hätte nicht erwartet, dass die Ihrigen auch ohne Vater noch so stark sein könnten. Eigentlich wollte ich soviel ihr als auch mir einen Neuanfang ermöglichen." antwortete sie sachgemäß auf die Frage. Es mochte naiv gewesen sein, aber sie glaubte auf Verständnis zu stoßen. "Letztlich ist es nur ein Name. Dass sie niemals eine Rediviva wird, habe ich vor einigen Monaten akzeptiert. Sie ist eine Tiberia. Damals ahnte ich nichts davon und ich wollte sie nicht der Fremde überlassen, für die ich damals die verbliebenen Angehörigen hielt."


    Unsicher hielt sie den Blick auf ihn gerichtet. Er flackerte, verriet allerdings keine Lüge. Vielleicht mochte sie sogar grundsätzlich noch ruheloser wirken als sie es einst tat. Der Tod von Mann und Sohn hatten ihr übriges getan.

  • Er hörte zu, regungslos, im gegensatz zu ihr, verriet nichts in seinem Gesicht was er dachte. Immer noch musterte er sie, die ganze Zeit während sie spricht, lässt er sie nicht aus den Augen. Er hatte mit so einer Erklärung gerechnet, sie passte zu zu ihr und zu dem, was Minervina ihm erzählt hatte. Wie oft hatte er seinen Grossvater verflucht, das er ihn in diese Familie gegeben hatte, doch nie wäre er auf die Idee gekommen die Gens einfach zu verlassen. Nein, man blieb der Familie treu, auch wenn es schmerzte.


    "Eine Erklärung. Aber keine Entschuldigung"


    Diese Antwort kam nach einer längeren Pause, und war so kalt und emotionslos, wie jede seiner Äusserungen zu vor. `Nur ein Name`Allein diese Äusserung ärgte ihn masslos.


    "Minervina bleibt hier in der Villa Tiberia. Wir werden dafür sorgen, das sie das Erbe ihres Vaters antreten kann."


    Es war keine Frage, nicht mal Andeutungsweise. Es war eine Feststellung.

  • "Was sollte ich auch für eine Entschuldigung hervorbringen? Kannst du alles entschuldigen was du in deinem Leben getan hast?" entgegnete sie leise und senkte den Blick. Sie geriet langsam in eine Welt zwischen Wut und Enttäuschung. Sie hatte sich mehr Verständnis von ihm verhofft, aber scheinbar hatte auch ihm der Verlust jeden Gerechtigkeitssinn getrübt, so vermutete Helena. Doch seine folgenden Worte ließen ihren Atem stocken.


    "Einen Moment. Ich schätze Minervina wird selbst entscheiden können, was sie will. Das mag ihr Wille sein, ich weiß, aber die Endgültigkeit mit der du sprichst erinnert mich an Männer die mit Sklaven handeln und keinerlei Widerspruch dulden." antwortete sie mit bemüht ruhiger Stimme. Es gefiel ihr nicht, wie besitzergreifend er über ihre Tochter sprach, die immerhin sui iuris war.

  • Helena runzelte die Stirn. Sie wusste nicht viel mit dieser Frage anzufangen. Eigentlich sollte er das ganz gut wissen. Oder wollte er ihr nun den Vorwurf machen, dass sie eine schlechte Mutter gewesen sei? Das mochte stimmen, aber wenn er ihr diesen Vorwurf wirklich machen würde, würde es vermutlich vorbei sein mit der Ruhe. "Als ich sie mit Claudia zum Hafen geleitete. Warum?"

  • Es war also so, wie er es sich gedacht hatte. Mutter und Tochter hatten sich hier in Roma nicht wieder gesehen, was seine Meinung über ihre Qualitäten als Mutter bestätigte. Von einer fürsorglichen Mutter hätte er erwartet, das sie zu erst ihre Tochter aufsucht, bevor sie sich auf irgendwelchen Empfängen herumtreibt.


    "Ich habe Minervina bereits hier aufgenommen und mit ihr über ihre Zukunft gesprochen."


    Leicht beugte er sich vor, stützte seine Arme auf den Tisch.

    "Sie kann als eine von uns hier bleiben. Was bedeutet, das sie sich unseren Regeln zu beugen hat."


    So wie er das uns betonte, musste ihr deutlich machen, das sie sicher nicht mehr dazu gehörte.


    "Und du hast recht, es gibt Dinge, bei denen Dulde ich keinen wiederspruch !"

  • Helenas Augen verengten sich ein wenig. Machte es ihm Spaß auf ihr herumzutrampeln? Ihre Gefühle mit Füßen zu treten? Helena mochte vieles falsch gemacht haben, doch sie tolerierte nicht die Art und Weise in der er mit ihr sprach. Sie las zwischen den Zeilen und erkannte durchaus, dass er ihr mitteilen wollte, wie unerwünscht sie doch bei der Tiberia war. Und genau diese Gewissheit ließ sie sich nach hinten lehnen. Mühsam suchte sie sich wieder zu beruhigen.


    "Ich verstehe ganz gut, was du mir mitteilen möchtest. Und ehrlich gesagt entsetzt es mich ein wenig, wie stur du an meinen Fehlern festhältst. Aber ich will dir deinen Spaß nicht nehmen." Auch ihr Blick war mittlerweile deutlich abgekühlt. Sie hatte gehofft an diesem Tag zumindest die Spannung zu nehmen, doch anscheinend verhärteten sich die Fronten nur stärker.


    "Und ehe du vergisst über wessen Tochter du hier sprichst, möchte ich dir ausdrücklich sagen, dass sie sich zwar Regeln zu beugen hat, aber keineswegs unter deiner patria potestas steht. Ich bin auch nicht in meinem oder deinem Interesse hier, sondern in dem meiner Tochter. Ich weiß, ich habe versagt. Oft versagt. Aber ich habe nicht nur meinen Liebsten verloren, sondern gleichzeitig meinen Mann und einen Sohn. Nicht zu schweigen von meinem Vater kurz zuvor." Sie holte tief Luft um den Redefluss etwas einzudämmen. Auch wenn ihre Stimme mittlerweile ein wenig bebte, so klang sie doch beherrscht. Die Hände auf ihrem Schoß hatten sich ineinander festgekrallt und die Knöchel traten weiß hervor. "Und das ist, in Iunos Namen, ganz gewiss nicht leicht. In ihrem Interesse habe ich sie letztlich auch hierher geschickt. Nicht weil ich sie nicht bei mir haben möchte, oh nein, gewiss nicht. Dann wäre sie jetzt in Hispania und nicht hier. Ich bin danach gegangen was für sie das Beste ist. Auch wenn ich langsam daran zweifle. Hoffentlich wird sie nicht so verbittert wie du oder ich."

  • Je mehr sie sie echauffierte, desto ruhiger schien er werden. Während sie sprach, lehnte er sich leicht zurück, blickte sie an, sein Blick war kühl und emotionslos los, wie jede seiner Reaktion es bisher gewesen war. Und noch während sie sprach, stand er langsam auf, wandte ihr seinen Rücken zu und ging wieder zu dem Fenster hinter sich.


    Langsam nahm er wieder sein Glas auf und sagte nichts, auch als sie geendet hat. Ohne etwas zu sagen, nimmt er ein Schluck Wein und stellt das Glas wieder ab. Diese Reaktion von Helena hat er geahnt, es ist das, was einfach von ihr zu erwarten war.


    "Vergiss nicht, wir reden über Maximus Tochter, nicht über dich. Sie Tochter wird den Regeln dieses Hauses gerecht werden."


    Er dreht sich um und geht wieder zu seinen Tisch, setzt sich aber nicht, sondern stützt sich mit einen Hand leicht auf den Tisch und blickt auf sie herab.


    "Und schliesse nicht von dir auf mich. Verbittert bin ich sicher nicht, dessen kannst du sicher sein."

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