• Auch wenn sie skeptisch blieben, ließen sie den Fremden die Casa betreten. Im Garten konnte er unter Beobachtung zweier Leibwächter die Zeit verbringen bis Sulla eintreffen würde, denn er befand sich noch aus geschäftlichen Gründen in der Innenstadt. Nach etwa drei Stunden traf er in seiner Casa ein und empfing ihn unmittelbar darauf im Atrium.


    "Salve, man sagte mir Dein Name sei Publius Annaeus Domitianus? Dieser Name ist mir nicht ganz unbekannt: Warst Du es nicht der Autor dieses schändlichen ActaBriefes , der ganz Baetica in Verruf brachte? Es ist mutig von Dir, mich jetzt hier aufzusuchen, denn wenn ich mich recht erinnere wird auch nach dir gefahndet und das Todesurteil wäre gewiss, wenn ich dich jetzt an unsere republikanischen Richter ausliefern würde."


    Er war bei dieser Rede auf und ab gegangen und erst jetzt fixierte er den Fremden mit funkelnden Augen


    "Was führt dich zu mir, dass du dich in diese Gefahr begibst?"


    Deutlich milder fügte er hinzu und dabei entspannten sich seine Gesichtzüge


    "Sei dir aber gewiss, dass ich persönlichen Mut schätze, also sprich frei heraus"

  • Die Stunden des Wartens, eine Ewigkeit, glichen den Qualen des Tartaros. Ich begann zu zweifeln. War es das richtige gewesen, hier zu erscheinen ? War es nicht, daneben es überaus gefährlich war, auch sehr dumm von mir gewesen ? Was würde ich überhaupt anrichten können ?


    Ich überlegte, ob ich nicht wieder gehen sollte. Es wäre alles nur ein Versehen und halb so wild. Gelegenheiten würden sich auch anders bieten. O dieses Warten ! Sicher gehörte es zur Taktik, eine Zermürbungstaktik. Den Gegner im Ungewissen und ihn unruhig werden lassen.


    Wer weiß, wahrscheinlich befand sich Helvetius Sulla während der ganzen Zeit in der Casa, irgendwo im ersten Stock, ehe er den richtigen Zeitpunkt fand, um hinunter zu gehen.
    Als es dann schließlich soweit war, kam jener und begrüßte mich.


    "Salve Helvetius ! Ich hörte, Du seist ein Ehrenmann. Ein wahrer Römer von edler Abstammung. Für einen Römer wiegt das Wort Ehre viel, Verrat ist ihm zuwider. Deshalb war ich auch nicht unentschlossen, als ich entschied, Dich zu besuchen, nicht weniger, da mein Anliegen persönlicher Natur ist."

  • Wenn Sulla etwas hasste, dann war es Kriecherei und Heuchelei. Dieser Mann schien zur Spezies jener Menschen zu gehören, die sich nicht zu schade waren zur Erreichung ihrer Ziele den kriecherischen Bückling zu spielen. Das Gesicht des Mannes kam ihm bekannt vor. Er glaubte sich dunkel zu erinnern ihn bereits einmal gesehen zu haben. Etwas ungeduldig um weiteren geheuchelten Lobpreisungen vorzubeugen, fragte Sulla


    "Was ist denn nun Dein Anliegen?"

  • Als er Laevina ansprach durchfuhr es Sulla wie ein Blitz. Was wusste dieser Kaisertreue von ihr? Die Eskorte war zwar vor ein paar Tagen wohl behalten zurückgekommen, doch Sulla wusste natürlich nicht, wo sich Laevina befand, da Corduba mittlerweile von allen Informationen abgeschnitten war. Hatte dieser kaisertreue Abschaum etwa Laevina entführen lassen? Dieser und ähnliche Gedanken schossen ihm durch den Kopf.
    Daher fuhr Sulla den Fremden harsch an


    Was weißt du von meiner Tochter? Sag es, Elender!"


    Dabei schritt er entschlossen auf den Fremden zu und packte ihn fest am Kragen.

  • Ich hielt mich auf Distanz und versuchte den wie aus heiterem Himmel erregten Hausherrn abzuschütteln. Ich hatte kein Verlangen danach körperlich tangiert zu werden. In anftmütigen Tonfall antwortete ich


    "Ich traf sie bei den Tempeln. Sie wollte ein Opfer darlegen, und ich half ihr dabei !"


    Daß ich Sacerdos war, daß konnte man an meiner Kleidung erkennen. Doch ich verschwieg, aus welchem Grund Laevina geopfert hatte.

  • Nach dieser Antwort ließ Sulla etwas irritiert über seine eigene Reaktion sofort von dem Fremden ab. Die Belastungen der letzten Wochen und Monate hatten ihn reizbar und jähzornig gemacht.


    "Ja, opfern, sie hatte erzählt, dass mit ihrem Sklaven und Leibwächter im Tempel des Ceres war. Aber was ist daran so ungewöhnlich?"

  • "Nun, ungewöhnlich ist daran nichts." gab ich lächelnd zur Antwort.


    "Sie berichtete mir von ihr, wer sie sei, von ihrer Familie, - von ihrem Vater."


    Ich hielt inne. Ich wartete einen Moment ab, ehe ich fortsetzte.


    "Sie erzählte, daß sie auf Reisen geht, fort von Corduba." Sie schien unglücklich, so dachte ich, und etwas verwirrt. "Ich erhoffte mir von Dir Informationen, wo sie hingegangen."

  • Misstrauisch und ungläubig schaute er den Fremden an. Was wollte er nur? Glaubte dieser Mann ernsthaft, dass Sulla ihm das geheime Reiseziel seiner Tochter anvertraute?


    "Wieso sollte ich einem mir persönlich fast gänzlich unbekannten Menschen das Reiseziel oder den Aufenthaltsort meiner Tochter anvertrauen? Ich werde gejagt und meine Tochter müsste für meinen politischen Status büßen, wenn sie in die Hände von Loyalisten geraten würde wie du einer bist!"

  • "Deiner Tochter würde nichts geschehen. Dafür verbürge ich mich."


    Ich wurde aufeinmal unsicher. Konnte ich diesen Menschen so einfach mit der Wahrheit konfrontieren ? Blieb mir überhaupt noch etwas anderes übrig ?


    Ich fasste den Entschluss.


    "Ich hege tiefe Bewunderung für Deine Tochter, Helvetius ! Nie würde ich sie spüren lassen, was der Vater verbrochen hat."

  • "Daher weht also der Wind"


    Sulla ging schnell auf und ab wie er es immer tat wenn er scharf nachdachte und schwieg eine Weile dabei. Dann fasste er alles eher für sich, denn für ihn laut zusammen.


    "Ich bin sprachlos! Du - als Feind meiner Politik und Fremder zugleich - kommst also hierher und versuchst ohne irgendeine Begründung zu erfahren, wohin ich in diesen für meine Familie dramatischen und schweren Zeiten, meine Tochter geschickt habe. Und danach, als das nicht geklappt hat, bist du gezwungen deine Karten auf den Tisch zu legen und mir etwas von 'tiefer Bewunderung' vorzufaseln."


    Er hielt einen Moment inne


    "Ich war auch einmal jung und habe gelebt und leidenschaftlich geliebt, doch so wie du hätte ich niemals gehandelt. Ich weiß, was es heißt und wie es sich anfühlt zu lieben. Ich kann bei dir keinerlei Leidenschaft erkennen, sonst hättest du gerade heraus um ihre Hand angehalten!"

  • Während der Ansprache des Helvetiers blieb ich gelassen. Ich verspürte tiefe Verachtung für diesen Mann, umsomehr schmerzte es mich, daß ausgerechnet Laevina die Frucht seiner Lenden sein sollte. Ich konnte es nicht ertragen und ich wollte sie lieber heute als morgen aus den Klauen ihres Vaters befreien.
    Meine Augen folgten den raschen Schritten des Hausherrn. Die Mundwinkel zeigten keinerlei Regung. Sie spiegelten eine Strenge wider wie der Lehrer sie vor dem Schüler zu benutzen pflegte.


    "Ich bin ein Ehrenmann, Helvetius. Als Diener der Götter habe ich mich in dein Haus gewagt. Aufrichtig schilderte ich Dir meinen Beweggrund, obwohl ich wußte, daß ich mich dadurch direkt in die Höhle des Löwen begebe.


    Du vermisst die Leidenschaft in meinen Worten ?"


    Die Frage klang provokativ und und mit einer Portion Arroganz in der Stimme vorgetragen.


    "Leidenschaft offenbart sich auf vielerlei Wegen. Die einen lässt sie beseelt vor lauter Dummheit und widersinnigen Idealismus ins Verderben stürzen, die anderen bewahrt sie davor.


    Ich werde von Dir keine Antwort erhalten, dessen bin ich mir nun klar. Dessen war ich mir schon vorher bewusst und dennoch suchte ich Dich auf, denn ich hoffte. Hoffnung ist auch eine Leidenschaft. Sie projeziert Wünsche und Träume, Ideen und Gedanken."


    *winkt ab*


    "Oh, ich bin sicher, Du weißt wovon ich rede. Und auch wenn es bedeutet, daß ich Laevina nie mehr wiedersehe, ich werde diese Stadt verlassen. Ich werde Dir nicht mehr in die Quere kommen, so wie ich Dir schonmal in die Quere gekommen bin. Doch eines möchte ich Dir noch sagen, ich hoffe, Du hast meinen Diener Mephisto nicht sehr gequält, ehe er sterben mußte."

  • Anstatt beschämt die Casa zu verlassen wagte es dieser Schwätzer nun noch unverschämterweise den Hausherrn zu beleidigen.


    "Dein Argumentum ad hominem als rhetorischer Kniff wird dir nun auch nichts mehr nützen. Um deine anscheinend eigene emotionale Armseligkeit zu kaschieren, bringt dir auch die Verdrehung des Begriffs "Ledenschafts" nichts. Leidenschaft in der Liebe ist weder Hoffnung noch die Fähigkeit den Menschen vor 'widersinnigem Idealismus' zu bewahren, sondern nichts anderes als der unbedingte Wunsch mit einem anderen Menschen die Genüsse und Dummheiten des Eros zu begehen. Ein solches Verlangen kann ich bei dir und konnte ich vor allem bei Laevina vor ihrer Abreise nicht erkennen. Sie erwähnte dich nicht einmal. Das Thema ist erledigt."


    Er blieb stehen


    "Bekenne lieber nichts von dem ich noch nichts weiß. In welcher weise bist du mir denn bereits einmal in die Quere gekommen? Ich weiß zwar nicht wer dieser Mephisto sein soll und getötet habe ich ihn bestimmt auch nicht, aber Du sagt, dass du aufrichtig zu mir warst als du hierher kamst? , Gleichzeitig scheinst du mich jedoch bereits vorher gehasst zu haben, was ich dir aufgrund falscher Annahmen nicht einmal vorwerfen kann, aber du hast mich dann trotzdem mit den heuchlerischsten, lobpreisensten Worten begrüßt. Falsch und maskenhaft ist ein solches Verhalten"


    Finster schaute er Domitianus an und sagte eindringlich


    "Nein, du bist nicht der Ehrenmann für den du dich ausgibst!"


    Er machte eine harsche Handbewegung


    "Verschwinde aus meinen Augen, Nichtswürdiger, bevor ich mich vergesse!"


    In diesem Moment kamen zwei Leibwächter und griffen nach dem Mann

  • Meine Gesichtsmuskeln spannten sich an, die Faust zitterte. 'Unverbesserlicher !' dachte ich, 'Was wird aus Dir noch geschehen ! Verloren bist Du eh !'


    Dann packten mich aufeinmal zwei Leibwächter. Geistesgegenwärtig schüttelte ich mich ab und sprach zu dem Helvetier


    "Vale, Helvetius ! Für wahr, ich habe mich nicht in Dir getäuscht."


    Ich ließ offen, was ich damit meinte. Ruckartig drehte ich meinen Oberkörper herum und verließ in schnellen Schritten das Atrium, daß allein der Wind mir folgen konnte.

  • Verächtlich blickte Sulla diesem widerlichen Heuchler hinterher. Er hatte sich in seiner anfänglichen Antipathie gegen diesen Mann nicht getäuscht. Kaum zu glauben, dass dieser Mann der ehrwürdigen Gens Annaea angehören und gar mit dem erhabenen Auguren Sophus verwandt sein sollte.

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