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Grundausbildung
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M. Caecilius Ahala
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Grundausbildung
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M. Caecilius Ahala
Morgengrauen. Vogelgezwitscher, Sonnenaufgang, das übliche aus dem Bett werfen. Für so manch einen Probatus war das noch eine neue Erfahrung. Marcus gehörte jedoch mit zu den Offizieren, die die Probati an jenem Morgen den süßen Träumen entrissen. Morgenappell und anschließend wurden die Neuen das erste Mal zum Exzerzierplatz geführt, so auch Caecilius Ahala. Marcus hatte sich auch weniger als eine Handvoll von Probati, unter anderem Ahala, geschnappt und war mit ihnen zum hinteren Teil des Ausbildungsplatzes gelaufen. Dort wandte sich Marcus um. Er musterte die jungen Männer, die ungerüstet vor ihm standen. Die heutigen Übungen verlangten das noch nicht und Marcus gehörte nicht zu den übelsten Schindern. Wobei, es war ja seine erste Ausbildung. Wer weiß, wie er sich zeigen würde?!
„Miles, venite! State!“ [Soldaten, antreten! Stillgestanden!]
Marcus stand aufrecht vor den Soldaten, hinter seinem Rücken den Optiostab haltend, und musterte die vier Probati, wobei zwischen seinen Augenbrauen sich eine Falte gebildet hatte.
Primus Pilus Matinius Plautius bezog in einiger Entfernung Beobachtungsposition um im Bedarfsfall Hilfe leisten zu können. Allerdings würde er dies erst tun, wenn der Optio im dafür ein dezentes Zeichen geben würde.
Marcus war dem Optio zusammen mit einigen anderen Probati zum Exezierplatz gefolgt. Das Wetter war schön, die Vögel zwitscherten nett, und Marcus hätte vor einigen Wochen jetzt noch schön träumend in seinem weichen Bett gelegen und sich von seinen Sklaven mit dem besten Essen verwöhnen lassen. Momentan verspürte er allerdings keinen Hunger. Er trug seine Ausrüstung so, wie man es ihm in der Rüstungskammer beigebracht hatte. In einer Reihe stand er neben zwei anderen Probati stramm und rührte sich kein bisschen. Seine Augen waren geradeaus gerichtet, direkt auf den Optio aus dem Rekrutierungsbüro.
Strenger Miene und aufrechten Ganges lief Aristides vor den Probati auf und ab und musterte jeden einzelnen genau. Saßen ihre Tuniken, brachten sie den angemessenen Ernst mit zur Ausbildung, schienen sie zu taugen? War das nicht der aus dem Rekrutierungsbüro und der so flott sein Marschgepäck zusammen hatte? Ja, der Caecilia. Marcus nickte zufrieden, denn es waren scheinbar alle da. So stellte er sich vor ihnen auf und hielt seinen Optiostab hinter seinem Rücken.
„Probati, heute beginnen einige harte und schwierige Wochen für Euch. Ich werde Euch über das Feld hetzen, durch Flüsse waten und jeden Tag streng exerzieren lassen. Danach werdet ihr Euch nicht auf die faule Haut legen können. Nein, Ihr werdet wie jeder andere Soldat am Tor, an der Mauer und in der Nacht Wache stehen.“
Marcus Lippen waren fest zusammen gepresst und er sah einen jungen Mann nach dem anderen an. Er sprach zwar kräftig, aber nicht dröhnend wie manche anderen Ausbilder auf dem Platz.
„Doch eure Ausbildung wird hart sein, weil wir nur die besten Soldaten hier in der Legion gebrauchen können. Faulenzer und Nichtstuer kann es auf dem Forum Romanum geben, aber nicht hier in der persönlichen und treuesten Legion des Kaisers. Hohe Ansprüche werden an Euch gestellt werden. Wer sie nicht erfüllen kann, der fliegt hier wieder hochkantig raus oder wird zu den Hilfstruppen versetzt. Also strengt Euch an und beweist mir, daß Ihr es wert seid in der Legio Prima dem Kaiser dienen zu dürfen. Zeigt, daß ihr dieses Privileg verdient habt.“
Die Augen von Marcus verengten sich leicht als er wieder alle scharf musterte. Marcus glaubte zwar innerlich nicht, daß sie besser wären als die Secundus, aber es konnte nicht schaden den Probati ein wenig Dampf unter den Füßen zu machen. Außerdem konnte es ja noch werden und mit ein wenig mehr Felderfahrung sowieso.
„Im Zuge der Ausbildung werdet Ihr alles lernen, was ein Soldat braucht, um hier zu dienen. Schwimmen, falls ihr das noch nicht könnt. Aber auch Reiten, denn nicht nur die Legionsreiterei muß das können. Nein, Ihr alle! Und wer sich dort hervortut, darf vielleicht eines Tages in der Reiterei dienen. Wenn Ihr gut seid! Ansonsten lernt Ihr das Kämpfen in einer Schlachtformation, das Kämpfen mit dem Gladius und Scutum, das Werfen eines Pilum und das Bedienen von Belagerungsmaschinen. Nebenbei natürlich auch die Theorie, was Ihr für Euren Dienst braucht. Fragen? Stellt mir Fragen, sobald Euch eine einfällt. Aber nicht erst Tage später...“
Unvermittelt trat Aristides auf Ahala zu.
„Wie ist eine Legion aufgebaut, Probatus?“
Wie alle anderen hörte er aufmerksam zu. Kein bisschen rührte er sich. Sturr blickte er geradeaus. Dann setzte sich eine Fliege auf seinen Arm, der das Scutum hielt. Wie gerne hätte Marcus jetzt die Fliege totgeschlagen, doch er konnte es nicht. Zu lange hatte er es nicht getan, jetzt musste er Disziplin lernen. Also ließ er es bleiben und ertrug die kitzelnden Beine der Fliege. Er wurde durch die Stimme des Optios aus seinen Gedanken gerissen.
"Optio, eine Legion ist in 10 Cohortes eingeteilt. Jede Kohorte besteht aus 3 Manipeln. Jedes Manipel besteht aus 2 Centuriae. Bei der ersten Kohorte jedoch ist zu beachten, dass die Kohorte aus 3 Doppelcenturien besteht. Ein Centurio hat das Kommando über 80 Mann. Demnach besteht ein Manipel aus 160 Mann und eine Kohorte aus 480 Mann. Dem Cenurio ist ein Optio zur Seite gestellt. Die erste Centurie befiehlt der Primus Pilus, ein Soldat, der sich ausgezeichnet hat, erfahren und vertauenswürdig ist. Der Stab einer Legion besteht aus fünf Tribunes Angusticlavii, einem Tribunus Laticlavius, einem Praefectus Castrorum und einem Legatus Legionis, der Befehlshaber der Legio. Und dann gibt es da noch die Reiterei. Jede Legion verfügt über vier Turmae, die jeweils mit 30 Mann bestückt sind. Ein Decurio befiehlt eine Turma. Dem Decurio ist ein Duplicarius zur Seite gestellt, Optio."
Er hatte sich schon einmal ein wenig mit dem Militärwesen beschäftigt. Er war also nicht ganz unwissend. Er holte erstmal tief Luft, da er nur wenig geatmet hatte, während er alles aufgesagt hatte.
Mit verschränkten Armen stand Marcus vor Ahala und wartete seine Aufzählung ab. Seine Augenbrauen waren leicht zusammen gezogen, eine Falte bildete sich zwischen ihnen und er sah grüblerisch auf den Sand des Exerzierplatzes. Schließlich hob er seinen Kopf wieder an und sah zum Probatus. Er nickte knapp. Zwar hatte der Probatus für ihn ein wenig zu schnell geredet, aber Marcus war nicht falsches aufgefallen.
„Sehr gut, Probatus. Eine solche Aufteilung findet Ihr bei jeder Legion, ob die Prima oder die Secunda in Germania. Mit dem kleinen Unterschied, daß der Befehlshaber dort der Statthalter von Germania ist. Jeder in der Legion hat zu wissen, wo sein Platz ist in dieser Hierarchie und auch mit seinem Aufgabenfeld. Nur dadurch ist die reibungslose Kriegsmaschine Legion so wirksam, daß wir der Schrecken der Welt sind. Disziplin und Gehorsam sind dabei die wichtigsten Schlüsselworte. Gehorcht Eurem Vorgesetzten immer, denn er weiß schon, was er tut. Wer den Befehl verweigert, kann ausgepeitscht, mit Carcer oder sogar mit dem eigenen Leben büßen.“
Wie bekräftigend schlug Marcus mit dem Optiostab gegen seine Hand und ging auf und ab.
„Darum kommen wir gleich zu den Befehlen, die ihr im Schlaf beherrschen müßt. Doch zuvor noch ein Hinweis. Wer Beschwerden oder ein Anliegen hat, der hat den Dienstweg einzuhalten. Ich möchte keinen von Euch im Officium des Legaten, Tribunus oder Präfekten sehen ehe er nicht bei mir oder bei Centurio Artorius Avitus war. Gut, dann zu den Befehlen. Und da mir gerade schlagend bewiesen wurde, was für aufgeweckte Probati ich vor mir habe, werde ich Euch einen Befehl nach dem Anderen nennen und Ihr beweißt mir, daß Ihr diese verstanden habt.“
Der Optiostab fest umgriffen lächelte Marcus dünn, ging an den Probati vorbei und stellte sich seitlich von ihnen auf. Wieder verschränkte er die Arme hinter dem Rücken.
„in aciem venite!“
Er ließ ihnen kaum Zeit, denn schon kam der nächste Befehl.
„state!...pergite.... aequatis passibus...pergite!“
Marcus unterdrückte es auf seinen Zehenballen auf und ab zu wippen und wartete darauf, ob die Probati seine Befehle verstanden hatten.
Anscheinend hatte Marcus nichts falsches genannt. Schon etwas stolz nahm er das indirekte Kompliment wahr und zeigte allerdings nichts davon. Sein rechter Arm war an den Körper angelegt, der Andere, Linke trug den Schild.
"Jawohl, Optio!"
Die Befehle folgten schnell aufeinander, aber es ging doch recht leicht, es waren schließlich einfache Befehle. Sofort traten die Probati in einer Linie an. Das klappte noch ganz gut. So wie eben standen sie stramm in einer Reihe. Dann, nach dem Befehl, setzten sie sich langsam in Bewegung. Möglichst im Gleichschritt, allerdings passte die Koordination untereinander nicht so ganz. Marcus hielt sich an seine beiden Nachbarn, die aber beide nicht wirklich gleich liefen. So pendelte er ein hin und her. Alles in einem klappte es zumindest fürs erste mal ganz gut. Aber da war ein Haufen Übung angesagt.
Zufrieden nickte Marcus. Das war doch gar nicht so übel für den Anfang. Den preußischen Gleichschritt kannte Marcus sowieso nicht und diese Art im gleichen Takt zu marschieren war den Römern auch nicht sonderlich geläufig. Wenn sie auch mit Präzision ihre Aufstellungen bezogen. Marcus folgte den Probati als sie ein Stück marschierte. Immer mal wieder feuerte er sie weiter mit ‚pergite...pergite!’ an und ließ sie eine ganze Runde um den Platz marschieren. Erst als sie wieder auf ihrem kleinen Übungsflecken angekommen waren, blieb Marcus stehen.
„state! in aciem venite!“
Marcus stellte sich vor die Männer. Ob einer nicht ganz in der Linie war, erschien Marcus auch unwichtig. Der Umgang mit den Befehlen zu lernen, war ihm wichtiger. Grüblerisch musterte Marcus einen Holzpfahl in der Nähe. Da war doch etwas von einer Leitlinie, die Centurio Artorius heraus gebracht hatte. Was sollt er sie wann lehren? Herrje, Marcus hatte sich doch einen Zeitplan gemacht. Alles vergessen! So musste improvisiert werden. Marcus beschloß einfach auf unbekanntes und neues Feld vorzustoßen.
„Gut, Probleme mit den Befehlen habt Ihr nicht. Die Anderen werde ich im Laufe Eurer Ausbildung immer wieder einstreuen! Wir kommen nun zu den Grundlagen des Kampfes. Für den Kampf ist als erstes Ausdauer und Zähigkeit wichtig, danach Technik und die Reflexe. Ausdauer und Zähigkeit werdet Ihr hier jeden Tag beweisen müssen und zeigen. Denn wer das nicht erwirbt, der fliegt wohl auch schnell aus der Legio oder geht sogar freiwillig. Die Technik und die Reflexe werdet Ihr hier lernen und mir am Ende der Ausbildung beweisen. Ehe wir zu den Formationen und dem Kämpfen in der Schlachtreihe kommen, werdet Ihr die Grundlagen des Schwert- und Schildkampfes und das Speer werfen lernen. Welche Waffen eignen sich davon zum Angriff? Weiß das jemand?“
Für Marcus war es einfach die Runde um den Platz zu laufen. Auch in der Formation war es nicht so schwer. Allerdings entdeckte er auch einen etwas rundlicheren Kollegen, der bestimmt bald rausfliegen würde, wie es der Optio sagte. Wieso man ihn überhaupt aufgenommen hatte? Sie Probati traten wieder in einer Linie an. Fast alle standen in der Reihe bis auf einer. Eine Frage die einfach zu beantworten war. Jeder, der ein wenig Kriegslektüre gelesen hatte, wusste was sich zum Nahkampf eignete. Diesmal meldete sich als erstes der Nebenmann von Marcus zu Wort.
"Optio, zum Nahkampf eignet sich am besten das gladius, Optio. Dann gibt es da noch den Pilum. Diesen wirft der Legionär auf die gegnerischen Schilde um diese unbrauchbar zu machen. Die leichte Spitze eines Pilum bohrt sich in den Schild und ist nur schwer wieder herauszuziehen. Dafür hat der Gegener keine Zeit und muss dann ohne Schild kämpfen, Optio."
Zustimmend nickte Marcus auf die Worte des Probatus und sah von einem Gesicht zum Anderen, ob die anderen Männer, darunter auch Ahala, dem folgen konnten. Schien fast so zu sein. Vielleicht war die Frage auch zu einfach gewesen? Marcus zuckte innerlich mit der Schulter und ging etwas auf und ab. Wenn schon denken, dann bei Bewegung. Das half ihm seine Worte zu wählen und seinen Geist zu klären.
„In der Tat ist das Gladius für den Nahkampf gut geeignet und das Pilum für den Fernkampf. Es gibt bei den Waffen eine recht übliche Einteilung in Angriffs- und Verteidigungswaffen. Doch ist diese Aufteilung eigentlich völlig unzureichend. Denn man kann jeden Gegenstand zu einem Angriffswerkzeug machen. Nicht nur das Gladius ist für den Nahkampf zum Angriff geeignet, sondern auch das Scutum, das schwere Holzschild. Das Schild kann Nasen und Knochen brechen oder den Angreifer auch einfach wieder zurück stoßen. Daneben wehrt das Scutum effektiv Schwert und Pfeile ab. Und der allergrößte Vorteil zeigt sich beim Kampf mit dem Schwert und dem Schild, daß selbst ein ungeübter Kämpfer eine Auseinandersetzung mit bewaffnete Gegner überleben und bestehen kann. Doch hier werdet Ihr in den nächsten Wochen immer und immer wieder den Kampf damit üben. Denn ungeübt sollt Ihr in der Tat nicht bleiben. Folgt mir!“
Energisch marschierte Marcus mit den Probati den Übungsplatz bis zum hinteren Ende entlang und auf einige Holzpfähle zu. Sie ragten aus dem sandigen Boden auf und zahlreiche Kratzer und Kerben zeugten davon, daß hier rege trainiert wurde. Marcus deutete auf den Pfahl und sah dann zu Ahala.
„Das ist ein Germane. Also stell Dir das so vor, auch wenn es jetzt erst mal ein Holzpfahl ist. Der Germane will Dich töten und danach über Rom herfallen, Dein Haus plündern, Deine Familie foltern, Deine Schwestern schänden. Nur Du stehst zwischen ihm und der Heimat. Töte ihn!“
Marcus trat schnell zur Seite und machte Ahala den Weg frei auf den Holzpfahl. Dabei musterte er genau jede Bewegung und wie Ahala seinen Angriff vollführen wollte.
Die Probati folgten dem Optio zu den Holzpfählen. Und dann war er erstmal etwas ratlos. Wieso kam immer er dran? Wie sollte er denn einen Holzpfahl umbringen, der seine Familie foltern wollte? Er tat einen Augenblick lang erstmal gar nichts und trat dann ein paar Schritte vor, während er überlegte wie er am besten vorging. Das Gladius hing in seiner Scheide. Einen Pilum hatte er nicht, also zog er als erstes das Gladius. Den Schild hielt er so, dass die obere Kante bis zu seiner Nase reichte. So war er recht gut geschützt. Langsam kam er auf den 'Gegner' zu und als das Scutum nurnoch wenige Millimeter vom Pfahl entfernt war, stütze er sein Gewicht auf das linke Bein. Wenn das jetzt ein lebender Gegner wäre, wäre dieser stark in seiner Bewegungfreiheit eingeengt und müsste zurückweichen. Nun führte er einige gut gezielte Hiebe auf die Mitte des Holzpfahls aus. Zustechen konnte er nicht gut, daher vollführte er einige seitliche Hiebe auf den Pfahl. So schwer ging es garnicht. Dann stach Marcus auch einmal zu, rutsche aber mit dem Gladius ab und kippte leicht nach vorne, so dass der Scutum den Pfahl berührte. Würde der Gegner jetzt zurücktreten würde Marcus sich auf die Schnauze legen oder zumindest kurz das Gleichgewicht verlieren. Also ging Marcus gleich wieder in seine Ausgangsposition und vollführte weitere Hiebe auf den Pfahl.
Scharf musterte Marcus jede Bewegung des Probatus und beschirmte dann auch mal seine Augen als Ahala genau zwischen ihn und die hellen Sonnenstrahlen trat. Der Sand wurde aufgewirbelt und die Schläge hallten dumpf wieder. Marcus neigte den Kopf zu Seite und dachte kurz nach. Wenn er doch so gut erklären könnte, wie sein alter Lehrer, den er in seiner Jugend zur Seite gestellt bekommen hatte, wie sein Veteran halt. Marcus ging einen Schritt näher an Ahala.
„Das war schon ganz gut...doch gibt es einige Dinge, die Du mit beim Kämpfen mit den Wachen beachten solltest. Als erstes zum Gladius an sich. Das Gladius ist prinzipiell eher als eine Stichwaffe konzipiert. Die kurze Reichweite und die damit verbundene...ähmm...Schnelligkeit präda...prä...bevorzugt sie dafür.“
Marcus kratzte sich kurz am Nacken, ehe ihm einfiel, daß das nicht sonderlich würdevoll war. Aber die Erklärung fiel ihm im Moment besonders schwer. Er ging auf und ab und sammelte wieder die Worte.
„Wer kämpfen will, muss jedoch zwei weitere Dinge beachten. Als Erstes ist der sichere Stand und dann als Zweites der sichere Halt der Waffen wichtig. Caecilius, stell Dich gerade hin. Beide Beine leicht gespreizt, nicht durchgedrückt, aber auch nicht gebeugt. Dann stellst Du Dein rechtes Bein ein wenig nach hinten, so daß Du einen sicheren Stand hast. Das ist Deine Grundstellung. Wenn Du vorrückt, ein Bein nach vorne und das Anderen nachziehen. Immer in der Grundstellung verharren oder wieder diese einnehmen. Dann bist Du auch nicht so leicht von den Beinen zu werfen.“
Marcus wartete bis Ahala seinen Befehlen nachkam und ging mit seinem Optiostab heran. Mit diesem korrigierte er seine Haltung, bis er einigermaßen zufrieden war.
„Dann näher Dich nicht sofort Deinem Gegner so. Er hätte Dir schon ins Gesicht spucken können. Bleibe mindestens auf Armreichweite weg. Bewege Dich behände vor und zurück. Wenn Du mit Deinem Schwert vorschnellst, passe immer auf deinen Schwertarm auf. Er ist in diesem Moment sehr verletzlich. Auch ist es meist ein Fehler, daß die Meisten in dem Moment des Angriffes das Scutum etwas sinken lassen. Die Schulter bekommt dabei auch eine Blöße oder sogar Dein Hals oder das Gesicht. Schon bist Du schneller tot als Du Luft holen kannst!“
Hochgezogenen Augenbrauen sah Marcus auch zu den anderen Probati, ob sie denn auch aufpassten und überhaupt noch mitkam. Etwas Ärger huschte über sein Gesicht als er einen der Probati beim Träumen beobachten konnte.
„Hey, Portius, zuhören. Das ist kein Kurs für gelangweilte Tunichtgute!“
Marcus presste kurz die Lippen fest aufeinander. Der Probatus zuckte zusammen und Marcus konnte sich wieder der Lectio widmen.
„Die Waffe sollte gut festgehalten werden, aber nicht zu fest. Denn bei beiden Fällen kann man Dir die Waffe aus der Hand schlagen! Fragen? Ansonsten noch ein Versuch bitte!“
"Jawohl, Optio!"
Wie vom Optio angeordnet nahm Marcus die richtige Grundstellung ein. Er war sich ziemlich sicher, dass er das Scutum nicht hatte sinken lassen. Er ignorierte den Probatus, der nicht zuhörte. Dann versuchte er alles nochmal, nur hoffentlich diesmal besser. Langsam trat er an den Holzpfahl heran, immer mit einer guten Armlänge Abstand. Dann folgte ein kurzer Stich. Innerhalb einer Sekunde schnellte das Gladius vor und traf den Pfahl. Marcus ließ das Scutum nicht sinken, bewegte sich jetzt einen Schritt zurück und wieder nach vorne. Noch ein Stich, und dann noch ein paar. Marcus fand, er hatte es ganz gut gemacht, aber ob sein Ausbilder auch so denken würde?
Erneut beobachtete Marcus die Bewegungen von Ahala aufmerksam. Er achtete auf seine Grundstellung, wie er das Scutum hielt und die Bewegung aus dem Arm heraus. Marcus schwieg eine Weile und nickte schließlich. Marcus ließ den Probatus noch ein paar Mal den hölzernen Pfahl angreifen, dann trat er nach vorne.
„Sehr gut, die Grundstellung war nicht schlecht und das Stechen auch nicht. Jetzt wird sich zeigen, ob Du diese ordentliche Ausführung auch noch nach Stunden des Trainings aufrechterhalten kannst. Jede Bewegung beim Schwertkampf muss ins Fleisch und Blut übergehen. Ihr dürft nicht mehr darüber nachdenken müssen, wenn ihr euren Gegner attackiert und angreift. Deswegen werden wir in den nächsten Tagen dies immer und immer wieder üben. Da die Holzgladii ein wenig schwerer sind als eure späteren Waffen, wird das auch gleichzeitig ein gutes Training für eure dünnen Ärmchen sein!“
Marcus schwieg grinsend und dachte kurz nach. Dann deutete er auch den anderen Probati ihre Waffen zu ergreifen.
„arma sumite! Jeder sucht sich einen Pfahl, Grundstellung einnehmen! Vor und Zustechen! Zurück und wieder Grundstellung! Vor und Zustechen!“
Marcus ließ die Probati immer und immer wieder dieselben Bewegungen durchführen. Dabei blieb er ruhig im Hintergrund stehen und ging nur nach vorne, um den ein oder anderen in seiner Haltung zu korrigieren.
„consiste! scutum dorsum!“
Der Befehl kam mitten zwischen ihre Übung. Marcus ließ den Probati Zeit, die Befehle zu folgen.
„Gut, jetzt werden wir eine andere Schlagkombination lernen, also ihr meine ich! Bei dem Gladius kann man auch mit der Seite zuschlagen. Ein Stechen ist zwar effektiver, aber nicht immer so einfach möglich. Wenn ihr mit der Schneide zuschlagt, müsst ihr notwendigerweise auch ausholen. Bedenkt dabei immer, daß ein römischer Legionär fast immer in einer Formation kämpft. Also holt nicht über den Kopf aus und mit solch einem Schwung, daß ihr eurem Nachbarn den Kopf abhackt oder den Hals aufschlitzt.“
Dabei lächelte Marcus nicht, schließlich meinte er das nicht als Scherz. Stattdessen sah er zu Ahala.
„Probatus, da Du wohl ein Naturtalent scheinst, greife den Pfahl noch mal an! Aber dieses Mal mit der Schwertscheide schlagend!“
Die Probati suchten sich alle einen Pfahl und begannen auf ihn einzustechen. Bei einigen klappte es besser, bei anderen eben nicht. Ahala war ganz gut dabei, das glaubte er zumindest. Als der Optio den Befehl gab, hielten sie inne und stellten die Schilde auf dem Boden ab. Marcus war etwas erstaunt, als der Optio ihn als Naturtalent bezeichnete. Aber ohne zu zögern trat er vor.
"Jawohl, Optio!"
Andere Worte hatte er seit einigen Stunden garnicht gesprochen. Abermals trat er an den Pfahl, nahm die Grundstellung ein, und blieb auf Abstand. In kurzen Attacken schlug er mit der Schwertschneide auf den Pfahl ein. Er achtete dabei darauf, dass er das Schild nicht senkte, immer den nötigen Abstand innehatte und nich zuweit nach rechts, links oder oben ausholte.
„Sehr schön! Der Germane hätte dabei wirklich nicht zu lachen. Zu dumm, daß er sich auch zu bewegen weiß. Aber dazu kommen wir später. Vornweg gesagt, es gibt zwei große Zonen, in denen ihr den Körper quasi aufteilen könnt, der obere und mittlere Torso, sowie der Kopf, dann ab dem mittleren Torso und der oberen Hüfte abwärts. Für diese zwei Zonen könnt ihr bestimmte Schlagfolgen üben. Oben und unten! Simpel und wirkungsvoll. Genauso könnt ihr auch mit eurem Schild, und solltet ihr mal das Schild verlieren, auch mit eurem Schwert parieren. Denn damit deckt ihr die gesamte Angriffsbreite ziemlich gut ab.“
Je länger er alles erläuterte, desto mehr gefiel es Marcus das zu tun. Wenn er sich auch nicht sicher war, ob er es verständlich erklärte. Ob die Probati noch mitkamen? Er musterte sie prüfend. Wenn nicht, sollten sie sich halt melden, befand er. Er ging auf und ab und tippte mit seinem Optiostab an seinen Rücken.
„Jetzt stellen sich alle wieder an den Pfahl. Ich möchte eine Schlagkombination von Euch sehen. Grundstellung, Oben, Unten, Stich, Grundstellung! Und wieder von vorne! Grundstellung, Oben, Unten, Stich, Grundstellung! Solange, bis ich euch sage, daß ihr aufhören könnt! persequi!“
Es war zwar etwas verwirrend, was der Optio da redete, aber Marcus verstand es einigermaßen. Aber wahrscheinlich nicht alle anderen Probati. Aber die trauten sich alle nicht zu fragen.
Marcus trat an den Holzpfahl, an dem er bisher immer geübt hatte und versuchte die Schlagfolge, wie sie der Optio vorgegeben hatte, durchzuführen. Als erstes trat er in die Grundstellung und eine Armlänge vom Pfahl entfernt. Zuerst unten, nein es war oben. Also zuerst ein Schlag oben, dann unten. Dann zog Marcus den Schwertarm zurück und stach dann zu. Mitten in den oberen Torso rein. Dann ging er einen Schritt zurück, wieder in die Grundstellung, immer darauf bedacht, dass sein Schild nicht sank. Sein Schildarm fing allerdings langsam an zu schmerzen. So leicht war der Scutum garnicht. Und wieder die gleiche Schlagkombination. Schlag unten, dann oben, dann Stich. Und dieses mal hatte Marcus es verwechselt. Er hoffte, dass es der Optio nicht gesehen hatte und machte munter weiter. Beim nächsten mal wieder Oben, unten, Stich.
Prüfenden Blickes ging Marcus auf und ab und beobachtete das Training, die armatura, der Rekruten. Immer und immer wieder ließ Marcus sie auf die Holzpfähle einschlagen. Sie würden Ausdauer und Kraft brauchen, wenn sie in einem echten Kampf bestehen sollten. Wenn sie nicht nur mit heiler Haut davon kommen, sondern auch noch den Legionen und somit dem römischen Imperium Dienste leisten wollten. Und je länger sie in den nächsten Wochen üben würde, würde sich das mit der Kraft schon einstellen, die Ausdauer sowieso. Auf und ab, dabei schlug Marcus rhythmisch mit seinem Optiostab gegen seine lorica segemantata, tock, tock! Es schien eine halbe Ewigkeit zu vergehen, die Übungen schritten voran.
„consistite! scuta dorsum!“
Marcus wartete bis die Schilder heruntersanken und ließ die Männer eine Weile verschnaufen. Dabei winkte er einen Trossjungen herbei, der mit einem Holzeimer herumging und aus hölzernen Schöpfkellen den Probati Essigwasser (sehr verdünnt) reichten. Marcus ging derweil ein paar Schritte davon und überließ die Probati kurz für sich selber. Dabei beobachtete Marcus andere Männer, die auf dem Platz trainierten. Noch ein wenig verschnaufen danach, doch dann wandte sich Marcus wieder zu den Probati um.
„Gut, als nächstes werdet ihr verschiedene andere Schlagkombination üben. Ich werde euch Anweisungen geben und ihr folgt mir. Schlag für Schlag! scuta sursum! Grundstellung, oben links, rechts unten, Stich, Grundstellung! Grundstellung, oben link, rechts unten, Stich! Und noch mal und noch mal...bis ich euch das Gegenteil sage!“
Marcus ging wieder auf und ab, musterte die Probati dabei. Dabei fiel ihm ein, daß er mal wieder etwas Theoretisches sagen könnte. Marcus grübelte eine Weile und ließ die Probati dabei üben. Ah ja, ihm fiel etwas ein.
„Eingangs erläuterte ich Euch, daß das Gladius in erster Linie eine Stichwaffe ist. Für den praktischen Kampf eines Legionärs in der Formation trifft das auch zu. Doch dürft ihr niemals vergessen, dass Eure Waffen auch Hiebwaffen sind. Doch unsere wahrhaftige Überlegenheit stammt von der Stichwaffe. Non caesim sed punctim ferire! Beherzt das! Wie ihr in der Formation am Besten kämpft werdet ihr später noch lernen. Denn dort gibt es einige Dinge, die ihr beachten müsst. Doch bis dahin lernt ihr die armatura, den Fechtdrill. Gerade die armatura ist ausschlaggebend für unsere militärische Überlegenheit gegenüber unseren Feinden. Und sie ist das Wichtigste in eurer Ausbildung. Lagerbau, Straßenbau oder Amphitheater hin oder her. Letztendlich seid ihr bezahlte Kämpfer. Ihr sollt Rom zu großen Ruhm führen und die Bürger beschützen. Nur mit eurem Schwert vermögt ihr das zu tun. Ihr meint, ihr müsst nicht kämpfen können wie ein Gladiator? Nein, ihr müsst besser sein! Also keine Schlappen zeigen. Denn sonst solltet ihr lieber Handwerker werden oder Scriba bei einem Duumvir oder Magistrat! Grundstellung, rechts oben, links unten, Stich, rechts oben, Stich, links unten, Grundstellung! Grundstellung, rechts unten, links unten, Stich, Grundstellung!“
Marcus ließ die Probati das immer und immer wieder üben, er trieb ihnen mit den Übungen den Schweiß auf den Körper und schonte sie nicht. Dabei blieb er selber ruhig vor ihnen stehen und sah ihnen aufmerksam zu.
„Grundstellung, links oben, rechts oben, Stich, rechts unten! consistite! scuta dorsum! Was sind so die Gelegenheiten, wo auch ein römischer Soldat in einen Einzelkampf verwickelt werden kann? Hat jemand eine Idee?“
Auf Befehl des Optios ließen die Probati von ihren Pfählen ab und drehten sich zu ihrem Optio um. Eigentlich hatten es alle ganz gut gemacht, von einigen Fehlern wie der bei Marcus abgesehen. Alle blickten sie den Optio an, warteten auf neue Befehle. Aber zur Freude aller, gab ihnen der Junge etwas zu Trinken. Als ihnen klar wurde, dass der Optio sie etwas Pause machen lassen würde, lehnten sich die Meisten gegen ihren Pfahl oder setzten sich auf den Boden. Als der Optio sich umdrehte, schnellten alle sofort in die Höhe und nahmen Haltung an. Nur der kleine Gallus kriegte es nicht mit und blieb liegen. Erst als Marcus ihn angestubst hatte, stand auch er auf und stand stramm. Neue Befehle kamen und wurden ausgeführt. So präzise wie möglich schlug Marcus zuerst links oben, dann rechts unten auf den Pfahl ein. Danach folgte ein Stich und danach ging er wieder in die Grundstellung. Jetzt folgte das ganze nochmal. Mehreremale machte Marcus diesmal Fehler. Irgendwie war er nichtmehr so konzentriert. Als sie aufhören durften, wandten sich wieder alle in Richtung Optio. Gelangweilt hörten sie der Theorie zu.
Die Meisten waren froh, als sie nicht mehr zuhören mussten und weiterüben durften. Diesmal verkehrt rum. Marcus ging zuerst in die Grundstellung, schlug dann rechts oben, danach links unten auf den Pfahl ein. Nach dem Stich vollzog er das ganze nocheinmal und stach wieder zu. Wieder in der Grundstellung begann er die neue Kombination. Rechts unten, links unten und dann Stich. Und das machte er ganz oft. So oft, bis der Optio den Befehl für eine neue Kombination gab. Die beiden ersten Schläge mit der Schneide beide oben. Zuerst rechts, dann links. Dann stach er zu und schlug danach ausversehen links unten, statt rechts unten zu. Wieder in der Grundstellung drehte er sich zum Optio und stellte seinen Schild ab. Ihm vielen schnell zwei Möglichkeiten ein.
"Optio, eine Möglichkeit ist, wenn man zu zweit oder zu dritt auf Patroullie ist, die beiden Kameraden hinterhältig niedergestochen werden und man alleine gegen zwei Aufständische kämpfen muss. Eine zweite Möglichkeit wäre, wenn man in einer Schlacht mit seiner Zenturie abgeschnitten wird, und man nicht mehr genug mann für eine Formation hat."
Marcus atmete tief ein und hoffte, dass er zumindest ein wenig Richtiges gesagt hatte.
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