Als ihr Atem mein Ohr streifte, war ich plötzlich froh, am Morgen eine toga gewählt zu haben, statt einer tunica. Stets hatte ich mich nach dem Sinn der unzähligen Falten gefragt, doch nun hatte ich ihn ergründet, den Sinn, der hinter den Falten lag - oder er darunter? Ich schmunzelte aufgrund meiner eigenen Gedanken und wandte den Kopf in jenem Moment, in dem Arrecina meinen Hals mit ihren verheißungsvollen Lippen streifte. Ich war weit entfernt davon, meine Sinne schwinden zu fühlen, doch etwas bemerkte ich schon: die Gier, die so stark ansteig, dass ich es kaum mehr aushielt, hier neben ihr auf dem kühlen Pflaster der römischen via zu stehen, so unendlich weit von einem lauschigen Plätzchen entfernt und die Villa zugleich nur wenige Straßen entfernt liegend. Ich sah Arrecina an, und etwas in ihrem Blick versetzte mich in eine Art Trance, in der ich kurz nach ihrer zierlichen Hand griff und meine Finger über ihre zarte Haut rinnen ließ. Trotz der Hitze dieser Begegnung keimte in mir etwas auf, das sich nicht wegdrängen ließ. Arrecina war eine Patrizierin, die augenscheinlich versprochen war. Was würde sie erwarten, wenn der Mann, der sie ehelichen würde, herausfand, dass sie nicht mehr jungfräulich war? Nun, eigentlich konnte mir das gleich sein. Andererseits war ich in gewisser Weise auch ein Mann von Ehre. Ich wirkte mit einem Male angespannt und nachdenklich, grübelte ich doch darüber nach, ob ich mir egoistisch nehmen sollte, was sie mir darbot, oder ob ich sie schützen sollte vor sich selbst. Wie alt mochte sie sein? Beinahe eine Dekade unterschied uns. Die Trance fiel von mir ab, und auch andere Wogen glätteten sich. Wenn jemand erfahren würde, wer ihr die Unschuld geraubt hatte? Würde dann ihr Vater vor mir stehen und mich maßregeln? Gab es vor dem Gesetz eine Strafe, die darauf stand? Ich verhielt mich wie der Junge, der ich einst gewesen war, schalt ich mich gedanklich. Arrecinas Hand lag noch in meiner, doch ich führte sie zu ihr zurück und ließ sie dann los.
"Flavia Arrecina, du bist eine beeindruckende Frau, die vermutlich einzigartig ist in Rom. So verlockend das Angebot auch klingt, das du mir machst, so wenig kann ich es annehmen. Ich fühle mich geehrt und bin beeindruckt, doch ist es nicht rechtens, dir etwas zu rauben, das du niemals mehr zurück erlangen kannst. Gern begleite ich dich noch auf deinem Wege, doch fürchte ich, dass er nicht dorthin führen wird, wo du sein Ende vermutest."
Ja, es kostete mich Anstrengung, diese Worte zu sagen. Aber ich hatte meine Entscheidung getroffen, und wenn ein Aurelier eine Entscheidung traf, so konnte man ihn meist schwer wieder davon abbringen.